Die Patientin im Mittelpunkt: Das Sanatorium in Paimio im Südwesten Finnlands, erbaut in den 1930er-Jahren nach den Plänen von Aino and Alvar Aalto. Gustaf Welin

«Vielleicht ist kranke Architektur die Rache der menschlichen Arroganz»

Während der Pandemie suchten wir in Häusern Schutz und erkrankten doch. An Corona – oder an Einsamkeit. Ein Gespräch mit der Architektur­theoretikerin Beatriz Colomina über das alte Dilemma von Bauten, die heilen sollen und krank machen.

Von Antje Stahl, 13.06.2022

Synthetische Stimme
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Dieses Interview handelt nicht von Affenpocken und auch nur am Rande von der Pandemie. Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre lassen unsere Gesprächs­partnerin, die Architektur­theoretikerin Beatriz Colomina, allerdings fast wie eine Hellseherin dastehen.

In ihrem Buch «X-Ray Architecture», das bereits 2019 erschien, erfährt man nämlich, wie Bakterien und Viren die Räume beeinflusst haben, die wir bewohnen, bewundern oder auch verabscheuen. Und schon damals nahm man diese Untersuchung wie ein Manifest für den schwachen und kranken Menschen wahr – in dem sogar geklärt wird, wie dieser denn eigentlich in Würde hausen könnte.

Einen langen Abschnitt im Buch widmete Colomina den finnischen Architekten Alvar und Aino Aalto, die die gesamte Architektur – die Ausrichtung von Räumen, Fenstern, Lampen, Türen, Blickachsen oder auch die Farbgestaltung – für einen Menschen überdacht haben, der eben nicht steht, sondern liegt. Und dieser Mensch, ein Patient im Bett, könnte jeder von uns sein – oder werden.

Sonnen- und Wärmestrahlen im Krankenzimmer: Studie von Alvar Aalto zum Bau des Sanatoriums Paimio. Alvar Aalto Museum

Ausgehend von ihren Buchrecherchen und den Arbeiten ihrer Studentinnen von der Princeton University hat Colomina inzwischen eine neue Publikationsreihe und auch eine Ausstellung mit dem Titel «Sick Architecture» – «Kranke Architektur» – konzipiert, die in diesen Wochen in Brüssel besucht werden kann. Nikolaus Hirsch, der Direktor des Architektur­museums CIVA, hatte Colomina während des Shutdowns dazu eingeladen. Corona sei schliesslich kein Ausnahme­zustand, betont er, Krankheiten und Epidemien seien Konstanten des menschlichen Zusammen­lebens und müssten auch als solche wahrgenommen werden.

Zur Person

Ana Nance

Beatriz Colomina arbeitet als Professorin für Architekturtheorie und -geschichte an der Princeton University und als freie Kuratorin. 1992 erschien ihr erstes Buch «Sexuality and Space», das heute als Pflichtlektüre der feministischen Architektur­theorie gilt. Sie hält regelmässig Vorträge in Museen über ihre interdisziplinäre Forschungs­arbeit, etwa zur Design­geschichte des Betts – oder zu Fragen des öffentlichen und privaten Raums in Zeiten des Kriegs und der Massen­medien.

Vertraute Bilder aus der Corona-Pandemie sind deshalb in «Sick Architecture» zu sehen – Pflegebetten aufgereiht in grossen Hallen etwa. Aber eben auch zahlreiche historische Fallbeispiele, die zeigen, dass medizinische Checkpoints an Flughäfen und aus Quarantäne­gründen geschlossene Grenzen mitunter grausamen Vorbildern folgten.

Beatriz Colomina, der Titel Ihrer aktuellen Ausstellung unterstellt Architektur, krank zu sein. Woran genau leidet sie denn?
Architektur wurde tatsächlich häufig als krank beschrieben, aber selbst auch als Ursache von Krankheiten betrachtet. In einer umfassenden Ausstellung zum Gesundheits­wesen, die 1885 in London stattfand, verkündete der Arzt Benjamin Ward Richardson: «In dem Moment, in dem die Menschheit Schutz­mauern gegen äusserliche Gefahren errichtete, schuf sie die Bedingungen für Krankheiten.» Und damit sagte er im Grunde genommen, dass es ohne Architektur überhaupt keine Krankheit – und ohne Krankheit auch keine Architektur geben würde. Selbst dem Begründer der westlichen Architektur­theorie Vitruvius war das bereits vertraut. «Gesundheit» war sein oberstes Gebot, im 1. Jahrhundert vor Christus forderte er deshalb alle Architekten auf, Medizin zu studieren.

Über welche Krankheiten sprechen wir? Über die Pest? Oder Malaria? Vor ein paar Jahren entdeckten Forscherinnen, dass bereits die alten Römer von Malaria heimgesucht wurden. Und übersetzt aus dem Italienischen bedeutet Malaria «schlechte Luft», obwohl sie von Mücken übertragen wird.
Einer der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts, Le Corbusier, begann seine Berufs­laufbahn, als weltweit noch Millionen von Menschen an Tuberkulose starben. Er organisierte seine gesamte Architektur wie eine Präventiv­massnahme. Eine schlechte Luft­zirkulation galt ja als eines der zentralen Probleme; damals ging man davon aus, Tuberkulose werde in geschlossenen Innenräumen hervorgerufen, auch durch einen Mangel an Licht. Erkrankte Patienten sollten sich daher draussen aufhalten, sich an die frische Luft und in die Sonne begeben. Le Corbusier beschrieb die dichten und irgendwie «feuchten» Gebiete des mittel­alterlichen Paris deshalb als «tubercular Paris» und wollte sie mit frei stehenden Gebäuden in grünen Parks ersetzen. Diese sollen sich vom Grund – in seinen Worten der Brutstätte von Krankheiten – abheben und über grosse Fenster, weisse Wände, Terrassen für das Sonnenbad und so weiter verfügen. Moderne Architektur wurde als medizinisches Heilmittel geboren.

Entspannung pur: Aino Aalto auf dem Dach des Sanatoriums in Paimio (ca. 1934). Alvar Aalto Museum

Und dabei wird weiterhin gelehrt, moderne Architektur sei eine stilsichere Antwort auf neue Technologien und Materialien wie Beton, Glas, Aluminium und Kunststoffe.
Wenn man sich die Architektur der Sanatorien in der Schweiz anschaut, zum Beispiel die Schatzalp in Davos aus dem Jahr 1900, kann man bereits viele Elemente der Modernen Architektur erkennen: Es ist ein sehr langes, horizontal angelegtes Gebäude – ziemlich modern in seiner Brutalität –, und über die gesamte Fassade, vorbei an jedem Zimmer, führen Sonnen­terrassen. Der Schweizer Kunsthistoriker Sigfried Giedion widmet sich in seinem Buch «Befreites Wohnen», das 1929 erschien, dann angeblich dem modernen Haus. Er behandelt im ersten Teil jedoch hauptsächlich Sanatorien! Und wenn man endlich zu den Häusern vordringt, stellt man fest, dass sie sich tatsächlich selbst in Sanatorien verwandelt haben – und sogar von genesenen Menschen bewohnt werden, die sich auf Terrassen in Liegestühlen ausruhen.

Liegend sollst du genesen: Auf der Terrasse der Villa Pravenda in Davos, um 1900. Lars Müller Publishers

In Ihrem Buch «X-Ray-Architecture» argumentieren Sie anhand solcher Studien, dass moderne Architektur ohne die Medizin beziehungsweise den damaligen medizinischen Kenntnis­stand undenkbar sei. Und dass Architekten immer die Krankheiten beseitigen wollen, die Architektur überhaupt erst erschaffen hat. Das wirkt heute brisanter denn je: Seit Beginn der Covid-Pandemie wird Architektur ja sowohl wie eine Gefahren­zone als auch wie ein Schutz­bunker behandelt – je nachdem, mit wie vielen anderen Menschen man einen Raum teilt, erhöht oder verringert sich die Ansteckungs­gefahr.
Genau, Architektur ist wieder einmal Ursache und Heilmittel zugleich. Und jede, die in einer Wohnung mit grossen Fenstern und einer Terrasse oder einem Balkon wohnt, darf sich glücklich schätzen. Belüftung und Atmung werden erneut relevant, es ist, als ob die architektonischen Antworten der Moderne auf Tuberkulose immer noch unser Wohlbefinden bestimmen. Und es gibt noch weitere Echos aus der Vergangenheit.

Was meinen Sie?
Wie jede Epidemie beförderte auch Covid eine Medikalisierung von Landes­grenzen. In unserer Ausstellung in Brüssel stellen wir ein historisches Beispiel vor, und zwar Ellis Island. Seit 1900 wurden Immigranten auf der Insel bei New York medizinischen Untersuchungen ausgesetzt, bevor sie das Festland der Vereinigten Staaten von Amerika betreten durften. Class und race bestimmten jedoch das Raster, weisse Passagiere aus der ersten Klasse wurden stets nur oberflächlich in ihren Kabinen untersucht und niemals nach Ellis Island gebracht.

Schicker Mückenschutz: Pfeifenraucher, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wellcome Collection, London

In der Ausstellung trifft man ebenfalls auf einen sogenannten cordon sanitaire: Während der Kolonial­herrschaften in Afrika wurden in den Städten Sperrgürtel errichtet, um die weisse von der schwarzen Bevölkerung abzuschirmen. Legitimiert wurde diese städtebauliche Rassen­trennung ebenfalls durch Hygiene­massnahmen: Damals argumentierte die Wissenschaft, Malaria­mücken würden nicht weiter fliegen können als die vorgesehenen rund einen Kilometer breiten Grenzstreifen und deshalb auch nicht mehr die weisse Bevölkerung erreichen und infizieren. Sie zeigen, dass die Le-Corbusier-Moderne ihre ganz eigenen Krankheiten hervorbrachte.
Dauerhafte Sonnenbestrahlung als anderes Beispiel wird im späteren 20. Jahrhundert als Auslöser für Hautkrebs erkannt. In den nördlichen Ländern Europas wurden davor noch spezielle Lampen wie die Hanau-Lampe von László Moholy-Nagy für AEG entworfen. Gesunde Schulkinder in Frankreich wurden sogar verpflichtet, sich solchen intensiven Sonnenlampen auszusetzen, die die Haut angreifen und letztlich aus dem Verkehr gezogen wurden. Es gab sogar ein spezielles Glas, das sogenannte Vita-Glas, das erfunden wurde, um «die gesunden Strahlen des Sonnenlichts dauerhaft durchzulassen». Dieser Werbespruch wird von einer Reihe von Fotografien untermalt, die Kinder beim Sonnenbaden in Innenräumen zeigen – so gesehen in einer Ausgabe von «The Architectural Review» aus dem Jahr 1935.

Sonnenlichttherapie für Schulkinder: Eine Aufnahme aus Paris im Jahre 1937. Le visage de l’enfance

Das Stichwort für dieses Design ist Vitamin D. Heute gehört es zur Standard­medikation von Neugeborenen und Kindern. Es wird einem in Form von kleinen Fläschchen von der Kinder­ärztin ausgehändigt, die einen gleichzeitig ermahnt, den Nachwuchs nicht auf einer Wiese in die Sonne zu legen.
Ja, heute ist alles anders, Kinder werden von der Sonne abgeschirmt. Das Verständnis von Gesundheit ändert sich, und deshalb auch die Architektur. Viel interessanter wird es jedoch, wenn die medizinische Krise sich verlagert, die Architektur aber dieselbe bleibt. Richard Neutras Architektur zum Beispiel war durch und durch von Tuberkulose beeinflusst. Er selbst erkrankte daran und verbrachte ein Jahr in einem Sanatorium in der Schweiz, bevor er in die USA nach Kalifornien auswanderte. Sein Bruder starb an TB.

Neutra entwarf seine Häuser als medizinische Instrumente mit einer Veranda vor jedem Schlafzimmer für die Nachtruhe an der frischen Luft. Nachdem Streptomycin (das erste Antibiotikum gegen Tuberkulose, Red.) im Jahr 1943 erfunden und in den 1950er-Jahren dann auch breit vertrieben wurde, erklärte Neutra seine Architektur nicht mehr als Therapie­angebot für Tuberkulose, sondern für mentale Gesundheits­probleme – die medizinische Krise der Nachkriegs­zeit in Amerika. Er präsentierte sich nicht mehr als Arzt, sondern als Psycho­analytiker. Seine Häuser sollten von nun an mentale Stabilität gewährleisten, nur seine Architektur veränderte sich dadurch so gut wie gar nicht.

Ich will es genauer wissen: Wer war Richard Neutra?

Richard Neutra wurde 1892 in Wien geboren und studierte dort unter anderem bei Adolf Loos. Aus der Begegnung mit dem Schweizer Garten- und Landschafts­architekten Gustav Ammann entwickelte sich seine einzigartige moderne Architektur, die Mensch und Natur miteinander in Einklang bringen soll. Über berufliche Abstecher nach Berlin und Chicago erreichte er 1925 Los Angeles, wo er seinen sogenannten Biorealismus in Privathäusern, Schulen oder Wohnsiedlungen umsetzte.

Als ich zum ersten Mal in einem Haus von Richard Neutra in Los Angeles stand, fühlte ich mich wie auf einem licht­durchfluteten Holzschiff, das im Dschungel gelandet ist – wären da nicht der Lärm und der Gestank der vorbei­fahrenden Autos gewesen, hätte ich sogar von einer Oase gesprochen. Kalifornier beklagten in den vergangenen Jahren auch immer wieder den Rauch, der durch die Waldbrände in die Städte getragen wird. Wie wirken sich veränderte Umwelt­bedingungen und die Klimakrise auf die Architektur aus?
Moderne Architektur stellte sich bereits in den 1970er-Jahren als sehr ungesund heraus. Damals wurde das sogenannte Sick-Building-Syndrom diagnostiziert, sehr viele Menschen litten unter ihrer Arbeit in geschlossenen Büro­gebäuden und beklagten lähmende Kopfschmerzen, Bewusstseins­beeinträchtigungen, Schwindel. Da es vor allem Frauen waren, die diese Beschwerden zu Beginn verlautbarten, wurde das Ganze zunächst abgetan. Frauen, lautete das Argument, hatten gerade erst den Arbeitsmarkt betreten und waren einfach nicht leistungsfähig. Heutzutage wird das Syndrom von Versicherungs­anstalten anerkannt, und ganze Gebäude wurden abgerissen, weil man sie nicht «heilen» konnte.

Mensch und Natur im Einklang: Das Lovell Health House, 1929 erbaut nach Plänen von Richard Neutra … G.E. Kidder Smith/Corbis/VCG/Getty Images
... und hier auf einer Aufnahme vom Oktober 2010. Andrew Seles/Flickr

In den 1970er-Jahren wurde auch noch in grossem Stil Asbest in der Bauindustrie eingesetzt, der nachweislich Krebs verursacht – man fragt sich, in wie vielen Gebäuden (auch solchen, die als Ikonen in die Architektur­geschichte eingegangen sind) giftige Substanzen verarbeitet wurden.
Schadstoffe stehen für eine neue Generation von Akademikerinnen tatsächlich im Zentrum ihrer Forschung. In unserer gebauten Umwelt gibt es so viele gesundheits­schädigende Materialien: Sperrholz, Plastik, Teppiche und so weiter verursachen Krebs und Allergien – die Krankheiten, die das gegenwärtige Leben bestimmen.

Und trotzdem zeigt die Geschichte, dass die Grenze zwischen Mythos und Forschung fliessend ist. Die US-amerikanische Essayistin Susan Sontag analysiert in ihrem Buch «Krankheit als Metapher» aus den späten 1970er-Jahren die literarischen Ammen­märchen, die über Tuberkulose und Krebs verbreitet wurden. Die Zivilisation zerstört und vergiftet ihre Umwelt; wenn Menschen an Krebs erkranken, würde das als «Rache der Natur» gedeutet werden, schreibt sie. Was denken Sie heute darüber?
Es ist ein ausser­gewöhnliches Buch, das mich sehr beeinflusst hat. Susan Sontag schreibt eigentlich auch nicht über Ammen­märchen, sondern über tief verwurzelte kulturelle Erzählungen, die sich an bestimmte Krankheiten heften. Ein Grossteil der Forschung stellt sich am Ende als mythologisch heraus; viele Mythen scheinen aber plötzlich auch unheimlich nah dran zu sein an jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Krankheit bringt unser Wissen immer an seine Grenzen, das ist es, was Sontag uns mitteilt. Und das bedeutet für mich, dass Krankheit uns an die Grenze unseres Architektur­verständnisses bringt. Vielleicht ist kranke Architektur die Rache der menschlichen Arroganz.

Sie sprechen von arroganten Architekten? In der Ausstellung in Brüssel treffen wir auf eine «Architektur gegen Krebs», die von sehr vielen sogenannten Star­architekten entworfen wurde.
Ja, Maggie’s Centres sind ein sehr wichtiges Beispiel für mich. Maggie Keswick Jencks erkrankte an Brustkrebs und erlebte eine traumatische Behandlung in Zimmern ohne Fenster, auf langen Fluren, in denen man stundenlang warten muss. Sie kämpfte für einen anderen, fürsorglichen Raum, in dem man Unterstützung erfährt, eine Art Humanisierung des Krebs­patienten. Maggie’s Centres sind wie Oasen inmitten der mechanischen und chemischen Umgebung von grossen Krankenhäusern. Maggie kannte sich auch mit Landschaften aus, und Gärten spielen eine ganz besondere Rolle für ihren therapeutischen Ansatz. Die Stiftung lud Star­architekten wie Rem Koolhaas, Zaha Hadid und Norman Foster ein, um die grösst­mögliche Aufmerksamkeit für diesen neuen Umgang zu erzielen. In der Ausstellung zeigen wir das erst kürzlich realisierte Maggie’s Centre in Barcelona, ein wunderschönes Projekt von Benedetta Tagliabue – EMBT, das von Patienten und ihren Familien sehr geschätzt wird.

Solche Stararchitekten, die in den 1990er-Jahren noch den Diskurs bestimmten, geraten immer mehr in die Kritik. Der Nachwuchs organisiert sich eher in Kollektiven. Es gibt auch kaum mehr Projekte, die auf dem Reissbrett entstehen, Entwürfe von idealen Häusern der Zukunft, Museen oder ganzen Städten. Der Architekt von heute operiert an den Wunden einer verbauten Welt. Das klingt nun so, als ob ich den Metaphern der Krankheit selbst erliege, aber Sie fordern ebenfalls, dass das Kranke die neue Norm der Architektur sein sollte, oder nicht?
Meine Forschung dreht sich in der Tat um Kollaborationen in der Architektur und die Notwendigkeit, sich von der Figur des einsamen männlichen Genies zu verabschieden. Im Zentrum der Architektur steht oft der gesunde, männliche, muskulöse, weisse Körper, wie er von Leonardo da Vinci bis hin zu Le Corbusier dargestellt wurde. Der menschliche Körper ist jedoch sehr zerbrechlich, er braucht eine Architektur, die ihn wie ein Kokon umgibt, wärmt und beschützt. Architektinnen wie Aino und Alvar Aalto haben das verstanden und sich dafür ausgesprochen, dass der Architekt immer für die Person in der schwächsten Position entwerfen sollte. Nur hat die Architektur diesen Weg nicht eingeschlagen. Wir müssen aber für Menschen planen, deren Fähigkeiten sich unterscheiden, für Neurodiversität, für das Wohl­befinden anderer Spezies. Gesundheit beschränkt sich nicht auf den Menschen, sie betrifft den Planeten.