Liebe Leserinnen, liebe Leser – and everyone beyond
Wir würden Ihnen an dieser Stelle gerne gute Neuigkeiten überbringen, so kurz vor dem neuen Jahr. Wirklich. Aber leider ist da dieses Omikron.
Omikron, die neueste Edition von Sars-CoV-2, lehrt viele Länder gerade wieder den Schrecken. Auch in der Schweiz ist Omikron dabei, seiner Vorgängervariante Delta den Platz streitig zu machen, und zwar zügig.
Vielleicht provoziert das nicht nur bei uns, sondern auch bei Ihnen zwei, drei Fräglein – zum Beispiel: Was zum Geier kommt da auf uns zu? Müssen wir uns fürchten? Und droht nach dem Festgelage gleich wieder der Shutdown?
In diesem Newsletter teilen wir mit Ihnen, was wir bisher über Omikron wissen. Denn obwohl die Variante erst Anfang November erstmals sequenziert wurde, ist unterdessen einiges an Daten vorhanden – unermüdlichen Wissenschaftlerinnen sei Dank –, die mittlerweile eine erste Einordnung der Situation zulassen. Die Zahlen liefern Erkenntnisse zu den wichtigsten Fragen, die sich bei jeder neuen Variante stellen – so auch bei Omikron:
Wie ansteckend ist die Variante?
Wirken die Impfungen?
Und wie krank macht die Variante?
So viel vorweg: Omikron, darauf deuten Daten aus verschiedenen Ländern hin, bringt wohl auch good news. Aber leider auch eine schlechte Nachricht: Omikron ist sehr ansteckend.
Wie ansteckend genau, ist noch nicht ganz klar. Erste (noch nicht peer-reviewte) Laboruntersuchungen gehen im Vergleich mit Delta von einer doppelt so hohen Infektiosität aus: In den USA hat Omikron Mitte Dezember knapp 13 Prozent der Fälle ausgemacht – eine Woche später waren es 73 Prozent; in Grossbritannien verdoppelten sich die Fallzahlen alle 2 bis 3 Tage.
Gemäss Labordaten aus Hongkong soll sich die Variante 70-mal stärker in den Bronchien vermehren als Delta. Schuld dafür könnte ihre höhere Übertragung sein. Oder – Daten aus verschiedenen Ländern deuten stark in diese Richtung – das Virus schafft es, Teile unseres Immunsystems leichter zu umgehen, und deshalb kann es vermehrt auch immunisierte Leute krank machen.
Die Konsequenz: Im schlimmsten Fall schützt uns nicht einmal mehr die Impfung vor einer Ansteckung.
Verschiedene Studien, die meisten davon im Labor durchgeführt (womit sie wichtige Hinweise geben, aber nicht eins zu eins auf die reale Welt übertragbar sind), bescheinigen Genesenen und zweifach Geimpften schlechte Karten im Kontakt mit Omikron. Eine Studie mit Gesundheitsdaten des grössten südafrikanischen Krankenversicherers zeigt beim Impfstoff von Pfizer/Biontech eine Wirksamkeit von 33 Prozent in der Omikron-Welle, während es bei Delta noch 80 Prozent waren.
Laut einer deutschen Laborstudie waren die Antikörper – die erste Abwehrmauer unseres Immunsystems – sechs Monate nach der zweiten Spritze mit einem mRNA-Impfstoff nicht mehr fähig, Omikron zu neutralisieren.
Bei den Impfstoffen von Astra Zeneca, Johnson & Johnson und den russischen und chinesischen Impfstoffen sind die Aussichten noch düsterer.
Nützen die Impfungen also überhaupt noch gegen Omikron?
Ja! Und wie sie das tun.
Zum Glück kennt unser Immunsystem neben den Antikörpern auch noch T-Zellen. Sie bewahren uns vor schweren Krankheitsverläufen. Und die T-Zellen scheinen bei Omikron deutlich weniger beeinträchtigt zu sein als die Antikörper, wie Impfhersteller und Wissenschaftlerinnen melden.
«Das Immunsystem fällt auch mit Omikron nicht komplett auseinander», sagt Molekular-Epidemiologin Emma Hodcroft im Gespräch mit der Republik. «Es wird nicht einfach blankgewischt. Ausserdem erhöhen Booster-Impfungen den Schutz wohl noch einmal deutlich.»
Laborstudien von Pfizer und Moderna zeigen: Ein Booster – also die dritte Dosis Impfstoff – erhöht den Schutz vor einer Infektion mit Omikron auf das 25-Fache (Pfizer) respektive auf das 37-Fache (Moderna). Und auch die T-Zellen-Level würden durch die dritte Impfung «stark erhöht», meldet Pfizer.
Das sind gute Nachrichten. Denn so mühsam sich selbst eine milde Infektion mit Sars-CoV-2 manchmal anfühlen mag, ein schwerer Verlauf mit Hospitalisierung oder gar Todesfolge wäre schlimmer.
Also: Die Impfung schützt noch. Jedoch nicht mehr so gut wie bei den bisher dominanten Covid-Varianten. Und das führt uns zur nächsten Frage: Wie krank macht Omikron?
Aktuell geht die UK Health Security Agency im Vergleich mit Delta von einem ungefähr 60 Prozent tieferen Hospitalisierungsrisiko aus. Das englische Imperial College hat in seinen Berechnungen zusätzlich einfliessen lassen, dass bisher wohl nur ein Drittel aller mit Covid-19 infizierten Menschen in England bekannt sind. Im Vergleich mit Delta berechnen die Forscher ein ungefähr halb so grosses Risiko, mit Omikron im Spital zu landen.
«Wenn man sich die Daten aus Südafrika, Schottland und England anschaut», sagt Epidemiologe Marcel Salathé, «dann haben wir eine gute Basis, um Stand jetzt zu sagen: Omikron scheint milder zu sein als Delta.»
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen könnte die Variante intrinsisch weniger gefährlich sein. Das heisst: Trifft Omikron auf dieselbe Bevölkerungsgruppe wie Delta, ist zu erwarten, dass weniger Menschen schwer krank werden. Die Forscher vom Imperial College gehen gegenüber der Delta-Variante von einer Abschwächung von 0 bis 30 Prozent aus.
Zum anderen, darauf verweist auch die britische Epidemiologin Deepti Gurdasani, infizieren sich mit Omikron mehr Menschen mit einer bestehenden Immunität – also Geimpfte oder Genesene. Verglichen mit Menschen ohne eine Grundimmunität müssen sie aber viel seltener ins Spital.
Noch sind die Daten zu Omikron frisch und besonders bei den Hospitalisierungen unvollständig. Es wird noch mehr Forschung benötigen, um aufzudröseln, wieso und ob die Variante zu milderen Verläufen führt. «Grundsätzlich sind die Erkenntnisse zur neuen Virusvariante aber good news», meint Marcel Salathé von der ETH Lausanne. Noch.
Gleichzeitig sollten die good news aber nicht über die besorgniserregenden Prognosen hinwegtäuschen. Die wissenschaftliche Taskforce des Bundes geht ab Anfang Januar im besten Szenario von 10’000 Ansteckungen pro Tag aus. Im schlechtesten rechnen die Modelle mit über 20’000 Fällen täglich.
Für das strapazierte Gesundheitssystem könnten solch hohe Fallzahlen zu einer massiven Belastung werden – nicht unbedingt nur wegen der Covid-Patientinnen, sondern auch weil Ärztinnen und Pflegepersonal erkranken und ausfallen würden. Spitäler müssten ihre Kapazitäten erneut reduzieren.
Was können wir tun, um diesem Worst-Case-Szenario entgegenzuwirken?
«Jeder und jede Einzelne sollte sicherstellen, dass die Immunität auf dem neuesten Update läuft», sagt Epidemiologe Marcel Salathé. Konkret: Impfen und boostern Sie sich so bald wie möglich. «Das ist das Allerwichtigste.»
Ferner müsse man darüber nachdenken, wie wir das Risiko einer Ansteckung weiter minimieren könnten, sagt Emma Hodcroft von der Universität Bern. Zum Beispiel indem man sich testet, bevor man sich in der Gruppe trifft, und eine FFP2-Maske trägt. «Wir müssen uns nicht zu Hause einsperren. Aber wir können kleine Dinge tun, die einen grossen Unterschied machen.»
Alle Jahre wieder. Und so heisst es wieder mal: Flatten the curve, everyone.
Was Sie diese Woche wissen sollten
Tessin verschärft Covid-Massnahmen: Seit Donnerstag gelten im Kanton Tessin neue Quarantäneregeln. Alle Personen, die mit Corona-Infizierten Kontakt hatten, müssen neu in die Quarantäne – selbst dann, wenn sie doppelt geimpft sind. Von der Regel ausgenommen sind geboosterte Menschen. Grund für die neuen Massnahmen ist die rasche Verbreitung der neuen Virusvariante Omikron. Ähnliche Verschärfungen wie im Tessin werden auch im Kanton Graubünden diskutiert. Nachdem die Kantonsregierung dem HC Davos am Wochenende die Bewilligung für das Eishockeyturnier «Spengler-Cup» entzogen hat, droht nun eine erweiterte Maskenpflicht und – analog zum Kanton Tessin – eine Verschärfung der Quarantäneregeln.
Covid-Medikament Ronapreve in der Schweiz zugelassen: Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic hat heute Montag erstmals ein Arzneimittel zur Prävention einer Erkrankung mit Covid-19 zugelassen. Die Kontrollbehörde teilte mit, die Injektionslösung Ronapreve könne einerseits Patientinnen verabreicht werden, bei denen keine Sauerstofftherapie oder Hospitalisierung nötig sei, aber das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs bestehe. Andererseits aber auch zur Vorbeugung einer Erkrankung bei Personen, die keine angemessene Immunantwort auf die Impfung entwickeln. Das Medikament vom Schweizer Pharmakonzern Roche darf Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit einem Körpergewicht von mindestens 40 Kilogramm verabreicht werden.
Und zum Schluss: Die sechs Serientipps für Faule
Glauben wir dem Wetterbericht, wird es die nächsten Tage in der Deutschschweiz sehr kalt, sehr neblig und sehr regnerisch.
In Kombination mit dem grassierenden Omikron-Fiesling gibt es also keinen Grund, das Bett zu verlassen, geschweige denn – um Himmels willen – die eigenen vier Wände. Die beste Zeit für ein Seriengelage. Weil es aber dank der mittlerweile drölftausend Streaminganbieter zur Schwerstarbeit geworden ist, die passende Serie überhaupt zu finden, nehmen wir Ihnen auch diese Arbeit gleich ab.
Und so funktionierts:
Erwürfeln Sie mit dem Würfel-Simulator eine Zahl zwischen 1 und 6:
Ordnen Sie die Augenzahl einem der nachfolgenden Serientitel zu – sorgfältig selektioniert von redaktionsinternen Serien-Expertinnen und -Experten, alle im Besitz eines dreifachen Doktortitels in Binge-Watching.
«The New Pope» (Sky) – ein Vatikanthriller, unterlegt mit Elektrobeats.
«The Great» (Hulu) – eine stellenweise wahre (und unfassbar lustige) Geschichte.
«Dickinson» (Apple TV) – das funkelnde Porträt einer grossen Künstlerin.
«Szenen einer Ehe» (Arte) – eine gnadenlose Beziehungsstudie aus dem Schweden der Siebzigerjahre.
«Maid» (Netflix) – eine alleinerziehende Mutter kämpft um ihre Existenz.
«Arcane» (Netflix) – ein animiertes Geschwisterdrama, basierend auf einem PC-Game (das Sie nicht kennen müssen, um die Geschichte zu verstehen, versprochen).
Bleiben Sie gesund. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.
Elia Blülle und Ronja Beck
PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.
PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.
PPPS: Wussten Sie, dass die beiden Teststreifen auf den Schnelltests rot sind, weil metallische Nanopartikel mit Licht interagieren? Nanopartikel, gemischt mit Antikörpern, wie sie Ihr Immunsystem bildet, nachdem Sie sich das Virus eingefangen haben? Und dass diese metallischen Nanopartikel in vielen Tests aus Gold bestehen? Wenn Sie also das nächste Mal testen müssen – nehmen Sie sich eine Minute, um dieses hässliche kleine Plastikviereck als das zu würdigen, was es ist: ein technologisches Wunder.
PPPPS: Im letzten Newsletter ist uns leider ein Fehler unterlaufen. Wir haben geschrieben, zu Restaurants, Kultur-, Sport- und Freizeitbetrieben würden nur noch geimpfte und getestete Menschen Zugang erhalten. Das ist aber falsch. Es erhalten nur noch geimpfte und genesene Menschen Zugang – ein negativer Test reicht nicht mehr für den Zutritt. Wir bitten um Entschuldigung.