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«Zürcher Herz­krise»: Der Whistle­blower war ein «massgeblicher Akteur des Konflikts»

Der leitende Arzt, der für die Turbulenzen in der Herzmedizin am Unispital Zürich mitverantwortlich war, wurde rechtmässig entlassen. So urteilt das Zürcher Verwaltungs­gericht.

Von Philipp Albrecht, Dennis Bühler und Brigitte Hürlimann, 23.11.2021

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Die Republik berichtete im März über Zustände am Universitäts­spital Zürich (USZ), die sich keine Patientin wünscht – und die über die Schweiz hinaus zu Irritationen und Besorgnis führten. Zwischen der Kardiologie und der Herz­chirurgie tobte ein erbitterter Macht­kampf. Und innerhalb der Herz­chirurgie beschuldigten sich Ärzte in leitenden Funktionen gegenseitig schlimmster Verfehlungen. Die Lage beruhigte sich erst, nachdem sich die Spital­leitung von Klinik­direktor Francesco Maisano und vom leitenden Arzt André Plass getrennt hatte. Das war im September 2020, ein halbes Jahr bevor die Republik die Vorgänge am USZ in der Serie «Zürcher Herzkrise» aufarbeitete.

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Wie ein Chirurg in Mailand die Schweizer Herzmedizin voranbringen soll. Warum das in einem Konflikt gipfelt, der alle Ambitionen zunichtemacht. Und welche unrühmliche Rolle Medien dabei spielen. «Zürcher Herzkrise – eine Trilogie».

Herzchirurg André Plass akzeptierte seine Kündigung nicht. Er erhob Beschwerde vor dem Zürcher Verwaltungs­gericht, das nun sein Urteil veröffentlicht und die Beschwerde abgelehnt hat.

Auf 26 Seiten befasst sich das dreiköpfige Gerichts­gremium ausführlich damit, was in der Herz­chirurgie am USZ in jenen Monaten geschah, in denen ein unheilvoller Ausnahme­zustand herrschte. Das Gericht zitiert aus E-Mails der verschiedenen Exponenten (vor allem von Plass), die das Ausmass des Konflikts und die verfahrene, aufgeheizte Situation in aller Deutlichkeit aufzeigen. Und es kommt zu einem klaren Entscheid:

  • Es war rechtmässig, den leitenden Arzt und Whistle­blower André Plass zu entlassen. Aber:

  • Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Spital­direktion nicht zuvor schon umgehend Massnahmen ergriffen hatte, um den sich abzeichnenden Konflikt zwischen Plass und Maisano zu beruhigen. Und um gegen die angespannte Situation in der Herz­chirurgie vorzugehen.

Zur Erinnerung: Es war Herzchirurg Plass gewesen, der Anfang Dezember 2019 dem Spitaldirektor ein Dokument mit der Bezeichnung «Whistle­blowing» übergeben hatte und darin seinem Vorgesetzten, Klinik­direktor Maisano, schwere Vorwürfe machte. Das Spital leitete unverzüglich eine externe Untersuchung ein und schlug Plass bei einem Gespräch ein drei­monatiges Sabbatical vor, um die Situation im Herz­zentrum zu beruhigen.

Im Urteil des Verwaltungs­gerichts ist nun die Rede davon, dass Plass daraufhin erbost aufgestanden sei, um den Raum zu verlassen, und sich beim Hinaus­gehen vor den Anwesenden aufgebaut und mit Anwälten und Konsequenzen gedroht habe. Sein Verhalten sei «insgesamt äusserst roh und aggressiv gewesen». Auch bei diversen E-Mails oder in Gesprächen mit Ärztinnen war der Tonfall des leitenden Arztes unangebracht – «ruppig», so die Wortwahl des Gerichts. Im Urteil wird eine «fehlende Bereitschaft zur Selbst­reflexion und Deeskalation» beschrieben.

«Dass der Beschwerde­führer sich je darum bemüht hätte, bestehende Konflikte mit Arbeits­kolleginnen und -kollegen zu klären, ist generell nicht ersichtlich und wird auch nicht behauptet. Insgesamt war der Beschwerde­führer damit ein massgeblicher Akteur des bestehenden Konflikts», so das Verwaltungs­gericht weiter.

Es zeichnet die verschiedenen Stationen dieses Konflikts minutiös nach, auch die zunehmende Kritik gegen Plass, der diese als «Mobbing» oder als Retour­kutsche von Maisanos Umfeld bezeichnet habe.

«Es ist offenkundig, dass im Kündigungs­zeitpunkt im Umfeld der Klinik für Herz­chirurgie ein Konflikt bestand, in den der Beschwerde­führer [Plass] involviert war», heisst es im Urteil. Zahlreiche Ärzte und ein zuweisendes Spital hätten nicht mehr mit ihm zusammen­arbeiten wollen. Plass habe zudem Gesprächs­angebote abgelehnt und die Zusammen­arbeit mit seinem direkten Vorgesetzten verweigert. Der Konflikt sei derart verhärtet gewesen, dass es kein milderes Mittel als die Auflösung «einzelner Anstellungs­verhältnisse» gegeben habe. Damit meint das Gericht neben Plass auch Klinik­direktor Maisano, der ebenfalls gehen musste. Anders als Plass unterzeichnete der Mailänder Chirurg jedoch eine Auflösungs­vereinbarung.

Das Spital trennte sich von zwei Haupt­exponenten des Konflikts, mit dem einen einvernehmlich, mit dem anderen im Streit. Es durfte dies tun, so die Auffassung des Verwaltungs­gerichts: weil es um das Wohlergehen der Patientinnen gegangen sei. Und weil gerade bei Herz­operationen kein Risiko eingegangen werden dürfe.

Das Verwaltungs­gericht taxiert auch die Abfindung von sieben Monats­löhnen für zulässig, hält fest, dass keine Ausschüttung aus dem Honorar­pool geschuldet sei – und dass das Unispital ausnahms­weise von einer Bewährungs­frist habe absehen dürfen. Das Vertrauens­verhältnis sei derart tiefgreifend gestört gewesen, dass eine Bewährungs­frist von Anfang an ihren Zweck nicht habe erfüllen können. Abgewiesen wird zudem die Rüge, Plass sei das rechtliche Gehör nicht gewährt worden.

Der Arzt unterliegt also auf ganzer Linie – und muss die Kosten des Verfahrens trotzdem nicht übernehmen; das Gericht bürdet sämtliche 15’395 Franken dem USZ auf. Der Grund dafür: André Plass wurde im Kampf gegen seine Kündigung eine Rechts­mittel­instanz genommen. Der Spitalrat hatte sich in diese Personalie eingemischt, obwohl er bei solchen Entscheiden die Rekurs­instanz wäre. Diese Funktion konnte er im Fall Plass deshalb wegen Befangenheit nicht mehr übernehmen.

Noch ist das Urteil des Verwaltungs­gerichts nicht rechtskräftig. Seine Rechts­vertreterin, die Zürcher Anwältin Martina Wagner Eichin, schreibt in einer Stellung­nahme, ein Weiterzug ans Bundesgericht werde geprüft und spricht von einer «sehr einseitigen und unvollständigen Darstellung des Sachverhalts». Das Verwaltungsgericht zeichne ein falsches und akten­widriges Bild. André Plass habe vom USZ ausgezeichnete Qualifikationen und Zwischenzeugnisse erhalten, seine Entlassung sei ohne Verschulden.

Juristisch ist die Zürcher «Herzkrise» ohnehin noch nicht abgeschlossen. Offen ist etwa die Frage, ob unter Klinik­direktor Maisano Kranken­versicherungen um über eine Million Franken geprellt worden sind, weil Leistungen zu Unrecht abgerechnet wurden. Der Fall ist bei der Staats­anwaltschaft hängig.