Beachten Sie die Zwischentöne!
Seit dem 20. Jahrhundert experimentiert die westliche Musik mit Tonhöhen, die unseren Hörgewohnheiten widersprechen. Zwei akustische Horizonterweiterungen – am Klavier und an der Saz, einem Zupfinstrument.
Von Tomas Bächli (Podcast) und Maximilian Virgili (Bild), 16.11.2021
Das Klavier kennt in jeder Oktavlage zwölf Tonhöhen: Zwischen jeder Taste liegt ein Halbton, mehr oder weniger temperiert, das heisst gleichschwebend gestimmt. So ist das vorherrschende Tonsystem der westlichen Musik seit Jahrhunderten geordnet. Töne, die von diesem Raster fundamental abweichen, klingen für unsere Ohren falsch. Jedenfalls war das bis vor einiger Zeit so.
Doch in den letzten Jahren hat sich unser Hören verändert. In der neuen komponierten Musik gibt es seit dem 20. Jahrhundert Tendenzen, diese Anordnung der 12 Halbtöne zu erweitern. «Mir wird schon zu eng im temperierten System», so hat sich bereits Alexander Skrjabin (1872–1915) geäussert. Ausserdem haben wir in den letzten Jahrzehnten die Musik aus dem türkischen und arabischen Raum besser kennengelernt. Manchmal ist hier von Vierteltönen die Rede, doch diesen Begriff halte ich für fragwürdig. Es sind einfach andere Skalen als unsere.
In diesem Podcast hören Sie zwei Werke, die nach – aus unserer Sicht – alternativen Tonsystemen organisiert sind: zunächst eine Komposition meines Freundes Dieter Jordi für Klavier. Als Komponist interessiert sich Jordi für experimentelle Anordnungen von Tonhöhen. Dann ein Solo des Virtuosen Ferhat Demirhan auf der Saz, einem lautenartigen Instrument aus dem türkischen Raum. Was lässt sich miteinander vergleichen, und wo greift der Vergleich ins Leere?
Hören Sie selbst!