Die Position von Project R zur Medienförderung (die zweite)
Im Februar 2022 stimmt die Schweiz über ein neues Gesetz zur Medienförderung ab. Wie verhält sich Project R dazu – also die Verlagsetage der Republik? (Also Sie?)
Von Clara Vuillemin, 05.11.2021
Eigentlich sollte es diesen Text nicht geben. Denn eigentlich gibt unser Verlag keine Empfehlungen ab zu eidgenössischen Volksabstimmungen.
Nicht einmal die Redaktion tut das. Sie veröffentlicht zu Abstimmungen zwar Beiträge, aber nie eine Parole. Weil die Entscheidung über politische Fragen Sache der Leser und Leserinnen ist.
Doch beim Paket zur Medienförderung ist das anders. Hier können wir (und Sie) von Project R nicht umhin, Stellung zu beziehen.
Schon aus diesen drei Gründen:
Bei der Vorlage geht es um das Problem, dessentwegen unser Unternehmen überhaupt gestartet wurde: Das Geschäftsmodell der Schweizer Medien zerfällt im Internetzeitalter. Und das ist weit mehr als nur ein Problem dieser Branche – ohne Journalismus keine Demokratie. Deshalb auch unser gemeinsames Projekt: Die Republik wurde nicht gegründet, um ein neues Magazin zu machen, sondern um ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Jetzt, da es auf der politischen Bühne um die Stabilisierung des Systems geht, wäre es inkonsequent, nicht Stellung zu beziehen.
Wir hängen sowieso in der Debatte drin. Die Republik wird von allen möglichen Seiten als Beispiel für oder gegen das Medienförderungsgesetz zitiert. (Die NZZ etwa schrieb von einer «Lex Republik».) Viele dieser Argumente sind nicht sehr präzis. Ohne eigene Position werden wir schlicht von anderen positioniert.
Die Abstimmung ist direkt relevant für unsere zukünftige Geschäftsstrategie. Bei Annahme des Pakets würde die Schweizer Presse für sieben Jahre deutlich stärker subventioniert – und auch wir könnten voraussichtlich eine substanzielle Subvention beantragen.
Kurz: Wir müssen als Verlag Stellung beziehen – nur: welche?
Sie sind die Chefin. Sie entscheiden
Um es klar zu sagen: Wir haben noch keine. Wir sind erst dran, eine zu entwickeln. Zunächst, weil die Vorlage höchst zwiespältig ist – es gibt gewichtige Gründe dafür, aber auch gewichtige dagegen.
Aber vor allem können wir deshalb nichts Klares sagen, weil wir mit den wichtigsten Leuten nicht gesprochen haben – mit unseren Verlegerinnen und Verlegern. Also mit unserer Chefetage. Also: mit Ihnen.
Ohne Inserate sind Sie unser einziger Kunde. Also auch die einzige Chefin. Und haben deshalb das letzte Wort in dieser Sorte von strategischen Fragen.
Das ist auch der Grund, warum die Verlags- und Redaktionsleitung bis jetzt nur sehr vorsichtig Statements abgegeben hat. Nämlich folgende:
1. Zwar wird oft (nicht zuletzt in der NZZ) behauptet, die Republik sei entschieden für das Medienförderungspaket. Oder finanziell darauf angewiesen. Beides ist Unfug. Denn erstens schreibt unser Unternehmen seit mehr als einem Jahr schwarze Zahlen. Und zweitens ist unser Firmenziel, wie bereits erwähnt, ein funktionierendes Geschäftsmodell zu entwickeln – für Journalismus ohne Kompromisse und ohne Werbung. Was bedeutet: am Markt selbsttragend zu sein. (Mehr dazu in diesem «KleinReport»-Interview mit unserem Chefredaktor Christof Moser.)
2. Das einzige bisherige Statement gab Project R während der Parlamentsdebatte im Sommer 2020 ab. Damals stand auf der Kippe, wer in dem Paket gefördert wird: nur Printmedien (und praktisch nur die Grossverlage)? Oder auch die (weit jüngeren) Onlineanbieter? In der Woche vor der entscheidenden Nationalratsdebatte schrieben wir:
Ein Massnahmenpaket ohne Onlineförderung wäre verheerend, da die reine Förderung von Print pure Strukturerhaltung ist. Man investiert in die Vergangenheit. Und tötet damit alles Neue.
Project R sprach sich also eindeutig für das Paket mit Onlineförderung aus – eine Position, die am Ende auch knapp siegte.
3. Unsere Empfehlung koppelten wir allerdings an das Versprechen, im Fall einer Annahme des Pakets nicht einfach Subventionen anzunehmen (oder abzulehnen). Sondern die Zuständigen darüber entscheiden zu lassen – unsere Verlagsetage. Also Sie.
Ob wir im Fall einer Annahme des Mediengesetzes Subventionen annehmen würden, ist eine Entscheidung, die wir im Fall des Falles nicht allein treffen werden. Sondern in einer Abstimmung der gesamten Verlegerschaft. Also mit Ihnen.
An diesem Plan halten wir nach wie vor fest. Doch im Moment geht es nicht darum, sondern um die Haltung in der Abstimmung vom 13. Februar 2022.
Wo also stehen wir?
Wir glauben, dass auch hier letztlich Ihre Stimme zählt.
Nun, wir erwarten nicht, dass Sie sich durch alle Feinheiten und Fallen des Dossiers durcharbeiten. Damit Sie auch informiert entscheiden können, werden wir Ihnen – etwa Anfang Januar – dasselbe präsentieren, was normalerweise Chefinnen oder Verwaltungsräte bekommen: eine möglichst faire, möglichst konzentrierte Auslegeordnung. Auf die Debatte sind wir dann sehr gespannt. Und auf Ihr Urteil.
Denn immerhin ist Project R in Sachen Medienpolitik keine ganz unbedeutende Stimme. Der traditionelle Verlegerverband hat etwas mehr als 100 Mitglieder. Der alternative Verlegerverband etwas weniger als zwei Dutzend. Project R hat über 25’000 Mitglieder (von total über 29’000 Abonnentinnen der Republik).
Kurz: Wir sind der um Lichtjahre grösste Verlegerverband des Landes. Dessen Meinung ist durchaus im öffentlichen Interesse.
PS: Nur damit keine Verwirrung entsteht. Die Project R Genossenschaft ist die Herausgeberin der Republik und damit nicht deckungsgleich mit der Redaktion. Das gilt aus Prinzip immer – auch im Fall des Medienpakets. Die Republik-Redaktion arbeitet vollkommen unabhängig: Sie folgt beim Recherchieren und Schreiben nur der eigenen Neugier. Ausnahmslos.