Wie Dänemark die Pandemie beendete
Keine Masken, kein Abstand, kein Zertifikat: Die Däninnen können wieder leben wie vor März 2020. Ihr Land hat als erstes auf dem europäischen Kontinent alle Corona-Massnahmen aufgehoben. Wie hat Dänemark das geschafft?
Von Theis Ehler Molin, 01.10.2021
Søren Gregersen wurde in der Metrostation klar, dass wirklich etwas Grosses bevorstand. Gregersen ist Unternehmer und lebt in Kopenhagen, bezeichnet sich aber immer noch als Nordjütländer. Und er wird dem Klischee von Menschen aus diesem Teil Dänemarks gerecht, scheint nicht ein Typ der grossen Worte. Aber in diesem Moment kam eine wirklich grosse Nacht auf ihn zu, wie er später sagen wird.
In Dänemark waren gerade alle Corona-Massnahmen aufgehoben worden. Und Søren Gregersen ging am Abend des 11. September zusammen mit seiner Freundin und 52’000 weiteren Dänen an das erste Konzert in Europa, das in einem vollen Stadion stattfand – es spielten The Minds of 99. Doch zuerst mussten die beiden dorthin kommen, und das war nicht so einfach, mit der völlig überfüllten U-Bahn. «Da bekam man nach langer Zeit einen Vorgeschmack, was nahe beieinanderstehen bedeutet», erinnert er sich.
Während der Pandemie wurde das Stadion in ein riesiges Schnelltestzentrum umgewandelt. Wenn man damals dort reinkam, war es schwer, nicht das Gefühl zu bekommen, in einem Katastrophenfilm gelandet zu sein. Einer, in dem ein tödliches Virus die ganze Gesellschaft zum Erliegen bringt. Das dänische Nationalstadion, normalerweise ein Ort der Gemeinschaft (und des Fassbiers), verwandelte sich plötzlich in etwas, das aussah wie ein Feldlazarett. In jener Septembernacht aber, in der Søren Gregersen dort ankam, bot das Stadion endlich wieder den gewohnten Anblick. Erstmals seit eineinhalb Jahren war es randvoll. Die Zeitung «Politiken» schrieb später in einer Konzertbesprechung: «Es stank nach Popcorn, es gab Bierpfützen auf dem Boden, man stand in langen Schlangen vor der Bar, es war schön.»
Das Schöne an dieser Nacht war nicht unbedingt die Musik, sondern die Gemeinschaft. Das Gefühl, dass alle, so wie sie die schwierigen Momente der Pandemie gemeinsam gemeistert haben, auch gemeinsam das Ende feiern können. Für Gregersen gab es einen besonderen Moment, der dieses Gefühl verkörperte: Als der Leadsänger von The Minds of 99 mit seiner Gitarre allein auf einer kleinen Bühne mitten im Publikum stand und eine Akustikversion ihres Hits «Hurtige Hænder» sang – und mit ihm 50’000 Konzertbesucherinnen.
«Wir trinken Wein und tanzen eng», sangen sie. «Lebe und liebe, als Menschen.» Es war so, als wäre das Lied für diesen Moment geschrieben worden.
Dänen vertrauen
Dänemark kann wieder leben und lieben, als eines der ersten Länder der Welt. Mittlerweile haben auf dem Kontinent auch die Niederlande, Norwegen und Schweden nachgezogen. In Israel hingegen, das aufgrund des einzigartigen Zugangs zu Impfstoffen die Pandemie lange Zeit am besten zu bewältigen schien, wurde nur Tage vor dem Konzert in Kopenhagen der bisherige Rekord der Infektionsfälle gebrochen: über 11’000 an einem einzigen Tag.
Kurz darauf erreichten auch die USA einen weiteren traurigen Meilenstein in der Corona-Statistik: Einer von 500 Amerikanern hatte inzwischen sein Leben an Covid-19 verloren – rund 660’000 Menschen. Gerechnet auf die ganze Bevölkerung ein mehr als viermal so hoher Anteil wie in Dänemark.
Auch unter den skandinavischen Nachbarn sticht Dänemark positiv hervor. Norwegen, dessen Infektions- und Sterberaten während der gesamten Pandemie beeindruckend niedrig waren, hat im September die bisher grösste Infektionswelle seit Beginn dieser globalen Gesundheitskrise erlebt. Und in Schweden, das mit dem Plan in die Pandemie gegangen war, die Gesellschaft weitgehend offen zu halten, musste die Massnahmen immer weiter verschärfen. Bis zum 29. September durften sich nicht mehr als 3000 Personen zu Veranstaltungen mit Sitzpflicht im Freien versammeln. In Innenräumen waren es 50, das galt auch für bestimmte private Feiern. Ein harter Kontrast zur Euphorie im Stadion in Kopenhagen.
Dänemark hat als erstes EU-Land alle Corona-Beschränkungen im Inland fallenlassen. Corona ist noch nicht vorbei, und es ist offensichtlich noch zu früh, um endgültig Bilanz zu ziehen. Doch Francois Balloux, ein renommierter Professor und Epidemiologe am University College London, schrieb bereits Ende August auf Twitter: «Mir wird immer klarer, welche Länder am besten mit der Pandemie umgegangen sind. Ich werde Dänemark persönlich zum Gesamtsieger nominieren.»
Wie hat Dänemark das geschafft?
Es gibt viele Faktoren, die dazu beigetragen haben. Dänemark hat allgemein eine gesunde Bevölkerung und ein gut funktionierendes Gesundheitssystem, zu dem die meisten Menschen Zugang haben. Däninnen leben in grossen Häusern, in denen es leicht ist, in Selbstisolation zu gehen, und viele ältere Menschen leben alleine. Abstandhalten ist in Dänemark nicht schwer.
All das spielt eine Rolle. Doch es gibt eine Erklärung, die darüber hinausgeht. Die herangezogen werden muss, um zu verstehen, warum die Wirtschaft in Dänemark gut durch die Pandemie kam, warum die Infektions- und Sterberate tief ist und der Anteil der Geimpften hoch. Sie lautet: Dänen vertrauen. Sie vertrauen den Behörden, den Politikerinnen. Und dieses Vertrauen ist – etwa im Vergleich zu Schweden – während der Pandemie kaum gesunken.
Hohe Impfbereitschaft
Will man etwas wissen über Vertrauen und die Rolle, die Vertrauen während der Pandemie gespielt hat, kommt man an einem dänischen Forscher nicht vorbei: Michael Bang Petersen. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Aarhus und leitet das Hope-Projekt, das seit Beginn der Corona-Pandemie untersucht, wie die Däninnen mit der Krise umgehen.
Petersen war nicht am Konzert in Kopenhagen, er war zu der Zeit gerade in einem Kloster in Frankreich an einem Symposium mit anderen Forschern. Doch wenn er davon erzählt, klingt das ähnlich erlöst wie die Erzählungen der Konzertbesucherinnen: «Nach eineinhalb Jahren tat es gut, wieder Leute zu treffen.»
In den letzten Wochen war Michael Bang Petersen damit beschäftigt, der ganzen Welt zu erklären, wie Dänemark dorthin gekommen ist, wo es jetzt steht. Er wurde für das australische Fernsehen interviewt, hat einen Beitrag für die «Washington Post» geschrieben. Und neulich hat ihn ein Journalist des slowenischen Staatsradios gefragt: Was ist Dänemarks Geheimnis?
Vor allen anderen Erklärungen gibt es einen entscheidenden Grund für den Erfolg Dänemarks: die Impfbereitschaft. Beeindruckend viele Dänen haben sich bereit erklärt, sich die Spritze setzen zu lassen. Warum? «Der wichtigste Faktor», sagt Petersen, «ist nach unseren Recherchen das Vertrauen in die Gesundheitsbehörden.»
Ob Sie selbst geimpft sind oder nicht, es kann sinnvoll sein, kurz innezuhalten und sich zu fragen: Was hat mich zu meiner Entscheidung bewogen? Ziemlich sicher hat die Antwort viel mit Vertrauen zu tun. Wenn Sie sich impfen liessen, liegt es wahrscheinlich daran, dass Sie den Behörden und Expertinnen vertrauen, die den Impfstoff empfehlen. Wenn nicht, liegt es wahrscheinlich daran, dass Sie genau das nicht tun. Oder dass Sie anderen vertrauen, die sagen, dass Impfen eine schlechte Idee sei.
Es braucht viele Jahre Ausbildung, um im Detail zu verstehen, wie ein Impfstoff funktioniert. Niemand kann erkennen, was sich in der Spritze befindet, und nur wenige können das Risiko von schweren Nebenwirkungen im Vergleich zu den schweren Verläufen einer Corona-Infektion intuitiv richtig einschätzen. Daher hängt die Entscheidung letztlich davon ab, ob die Bevölkerung eines Landes in grosser Zahl denen vertraut, die den Impfstoff empfehlen.
Und in Dänemark taten das viele. Im globalen Vergleich belegt das Land Platz 7 – vor anderen skandinavischen Ländern. Und auch weit vor Israel, das anfangs davonsprintete, aber plötzlich stagnierte, auch weil viele Angehörige von religiösen und ethnischen Minderheiten die Impfung ablehnten.
Vertrauen kommt nicht von selbst
Am 15. September fand im «Schwarzen Diamanten», einem kubischen Anbau der Dänischen Königlichen Bibliothek in der Innenstadt von Kopenhagen, eine Pressekonferenz statt. Eine von der Regierung eingesetzte Expertengruppe präsentierte Vorschläge, wie Dänemark den eingeschlagenen Corona-Kurs fortsetzen kann. Einer der Experten war Wirtschaftsprofessor Michael Svarer, der berichtete, dass die dänische Wirtschaft die Krise beeindruckend gut überstanden habe. Welche Rolle spielte das Vertrauen für diesen Erfolg?
«Es ist unglaublich wichtig», sagte Michael Svarer. «Das Vertrauen der Konsumenten in die Entwicklung der Wirtschaft hat grossen Einfluss darauf, wie sie konsumieren. Und damit auch für die wirtschaftliche Tätigkeit.»
Wenn wir über Ökonomie sprechen, dann oft, als wäre das etwas total Rationales, dabei spielen Emotionen hier eine grosse Rolle. Die Angst vor einer drohenden Finanzkrise kann Panik auslösen und alle dazu veranlassen, ihre Aktien zu verkaufen. Was zu fallenden Preisen führt und dazu, dass sich die Angst vor einem Preiszerfall selbst erfüllt. Ebenso kann die Zuversicht, dass die Wirtschaft auch in Zukunft gut laufen wird, ein Gefühl der Sicherheit schaffen. Das ist gut für die Wirtschaft, denn sowohl Konsumentinnen wie Firmen trauen sich dann, Geld auszugeben. Das hält die Räder am Laufen.
Vertrauen kommt aber nicht von selbst. «Es muss auf etwas Realem basieren. Das kann man nicht einfach erfinden», sagte Svarer auf der Pressekonferenz. Die Zuversicht wurde unter anderem durch die Hilfspakete für Firmen gestützt, die das dänische Parlament frühzeitig beschloss. Das schuf Vertrauen, indem das Signal ausgesendet wurde, dass Unternehmen geholfen wird, auch wenn es zu neuen Infektionswellen kommen sollte.
Wir können aber noch allgemeiner fragen: Woher kommt Vertrauen? Warum vertrauen Menschen einander?
Parteipolitik beiseitegelegt
Wenn es stimmt, dass Vertrauen entscheidend ist, um gut und schnell durch eine Pandemie zu kommen, dann hatte Dänemark weltweit eine einzigartige Ausgangslage. Das sagt Gert Tinggaard Svendsen, der – wie Michael Bang Petersen – Professor für Politikwissenschaften an der Universität Aarhus ist. Während seine Kollegen mit dem Hope-Projekt die Bedeutung von Vertrauen in der Corona-Krise untersucht haben, hat Gert Tinggaard Svendsen noch viel grundsätzlicher geforscht, woher das Vertrauen in Dänemark eigentlich kommt und was es für die Gesellschaft bedeutet.
Wenn man die Däninnen fragt, ob die meisten Menschen vertrauenswürdig sind, antworten vier von fünf mit Ja. Das ist mehr als in jedem anderen Land der Welt. In Schweden sind es 71 Prozent. Und in Ländern wie Albanien oder Simbabwe sagen weniger als 3 Prozent Ja. «Wir sind also Weltmeister in dem, was wir soziales Vertrauen nennen, und das ist die Grundlage für eine Vertrauenskultur», sagt Gert Tinggaard Svendsen.
Bei der Erklärung für diesen dänischen Weltrekord stösst man auf einen weiteren Weltrekord. Dänemark ist das am wenigsten korrupte Land der Welt. Es ist schwierig, Korruption genau zu messen, da sie ihrer Natur nach im Geheimen stattfindet. Aber wenn Transparency International Menschen auf der ganzen Welt fragt, ob sie ihr Land als korrupt empfinden, hat Dänemark immer wieder die besten Bewertungen (2020 zusammen mit Neuseeland).
Korruption und Vertrauen sind eng miteinander verbunden, denn Vertrauen hat viel damit zu tun, ob wir die Erfahrung machen, dass andere vertrauenswürdig sind, wenn wir ihnen begegnen.
Das hohe dänische Vertrauen lässt sich laut Gert Tinggaard Svendsen bis in die Genossenschaftsbewegung des 19. Jahrhunderts und später in das dänische Vereinsleben zurückverfolgen. Und das mag erklären, warum das Vertrauen bereits zu Beginn der Pandemie hoch war. Bleibt die Frage, wie es das Land geschafft hat, das Vertrauen auf einem so hohen Niveau zu halten, während viele von der Corona-Krise mental und auch finanziell unter Druck gesetzt wurden. Wie haben es die Dänen geschafft, das Misstrauen nicht anwachsen zu lassen, während alle auf die Impfstoffe warteten?
Am 11. März 2020 kündigte Premierministerin Mette Frederiksen den ersten grossen Shutdown Dänemarks an. Am nächsten Tag geschah etwas ganz Besonderes im Parlamentsgebäude in Christiansborg. Die Parteien sollten über das weitreichende Notstandsgesetz abstimmen, das den Shutdown Wirklichkeit werden lassen sollte. Nur 95 der Mitglieder des Parlaments waren erschienen, damit auch sie den nötigen Abstand halten konnten.
Um das Berühren der Abstimmungsknöpfe zu vermeiden, forderte der Parlamentssprecher die Mitglieder auf, aufzustehen, wenn sie für den Notstand stimmen. Und das taten alle 95 Anwesenden – aus allen Parteien.
«Ich war total gerührt, als ich sah, dass das gesamte Parlament aufgestanden ist und dafür gestimmt hat», sagte Gesundheitsminister Magnus Heunicke nach der Abstimmung. «Die Parteipolitik wurde beiseitegelegt, um alles zu tun, um Dänemark sicher durch diese Situation zu bringen.»
Fragt man den Wissenschaftler Michael Bang Petersen, liegt es vor allem an diesem Handschlag zwischen Regierung und Opposition, dass das Vertrauen der Däninnen während der Pandemie nicht erodierte. «Wenn wir über die Covid-Politik sprechen, die Dänemark eingeschlagen hat, dann spielt das Verhalten der Opposition eine entscheidende Rolle», sagt er.
Die Dänen haben also mit einem politischen Schulterschluss in der Krise vermieden, dass das Vertrauen erodiert. Doch einen Moment lang war alles kurz davor, schiefzugehen.
Die Nerz-Krise
November 2020. Anfang des Monats war eine mutierte Version des Coronavirus auf dänischen Nerzfarmen gefunden worden. Dänemark gilt als der weltweit grösste Lieferant von Nerzfellen – vor allem für Märkte in Russland und China. Nachdem das Virus auf Farmen entdeckt worden war, sollten rund 15 Millionen Nerze getötet werden, darunter auch gesunde Tiere.
«Ich glaube, die Sache mit den Nerzen war die schwerste Zeit der Krise», sagt Michael Bang Petersen. «Das lag daran, dass sich zwei Managementkrisen vermischten. Einerseits schien die Entscheidung der Regierung zur Tötung der Nerze illegal zu sein, was zu heftigen Disputen auf politischer Ebene führte. Gleichzeitig haben sich auch die Expertinnen gestritten, ob eine Tötung richtig ist. Es kam zu öffentlich ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten.»
Nie vorher und nachher sank das Vertrauen der Dänen in die Gesundheitsbehörden auf einen niedrigeren Stand als in dieser Phase.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Bang Petersen in seinen Untersuchungen sehen können, dass sich die Däninnen bei steigenden Infektionsraten automatisch zusammenrissen und mehr Abstand hielten. Doch in der Zeit der Nerz-Kontroverse sah das Bild plötzlich anders aus. «Wir hatten stark ansteigende Infektionsraten, gleichzeitig nahm die Vorsicht der Bevölkerung nicht zu. Es schien so, als ob die Nerze so viel Aufmerksamkeit erregten, dass die Epidemie als solche der Aufmerksamkeit der Menschen etwas entglitt», sagt Bang Petersen.
Während dieser Zeit war der Forscher besorgt.
Er befürchtete, dass es zu einer Polarisierung sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung kommen würde. Doch obwohl dafür Ansätze zu sehen waren, geschah das nicht wirklich. Kurz darauf stieg die Zuversicht wieder auf fast das gleiche Niveau wie zuvor. Dafür gibt es laut dem Wissenschaftler zwei Erklärungen. Zum einen öffnete die Bevölkerung erneut die Augen dafür, wie ernst die Corona-Krise war. Und zum anderen fand die Politik einen Weg, die Einigkeit wiederherzustellen.
Zwei Wochen nach der – übrigens tatsächlich rechtswidrigen – Entscheidung, alle dänischen Nerze zu töten, trat der verantwortliche Minister Mogens Jensen zurück und übernahm die Verantwortung für die begangenen Fehler. Und kurz vor Weihnachten beschloss das Parlament, eine Kommission zur Untersuchung des gesamten Prozesses einzusetzen. Auf diese Weise wurde die Diskussion über die Nerze auf Eis gelegt und die Aufmerksamkeit wieder auf die Pandemie an sich gelenkt.
Was Dänemark gelang, ist weltweit tatsächlich ziemlich einzigartig. Schweden zum Beispiel verzeichnete zu Beginn der Krise ebenfalls hohe Vertrauenswerte, die aber im Lauf der Zeit gesunken sind. Bang Petersen erklärt sich das damit, dass in Schweden der weitgehend unbekannte Staatsepidemiologe Anders Tegnell die Corona-Krise managte, während in Dänemark die Premierministerin die harten Botschaften persönlich überbrachte. In einer Krise, sagt Bang Petersen, braucht die Bevölkerung eine Person, zu der sie bereits eine emotionale Verbindung hat, damit Vertrauen auch wirklich entstehen kann.
Am 9. März 2020, zwei Tage bevor Premierministerin Mette Frederiksen den ersten grossen Shutdown ankündigte, schrieb Michael Bang Petersen für die Zeitung «Politiken» einen Appell an die Politiker, um sie daran zu erinnern, dass Vertrauen in beide Richtungen geht: «Die Menschen haben nicht nur ein Recht auf die Wahrheit. Sie können auch damit umgehen, selbst wenn es unangenehm ist. Was sie nicht bewältigen können, ist Unsicherheit.»
Ein historischer Samstagabend
Vertrauen hat grundsätzlich eine gegenseitige Dimension. Wer vertraut, fühlt sich, wenn das Vertrauen nicht erwidert wird, dumm und naiv – und das erodiert das Vertrauen. Wenn Behörden also nicht offen und ehrlich kommunizieren, signalisieren sie, dass sie nicht darauf vertrauen, dass die Bürgerinnen mit der Wahrheit umgehen können. Und dann kippt Vertrauen ziemlich schnell in Misstrauen.
In Dänemark gab es einen Moment, in dem das gegenseitige Vertrauen auf die Probe gestellt wurde: die Zulassung des Impfstoffs AstraZeneca. Als im März 2021 Fragen zur Sicherheit dieses Impfstoffs auftauchten, wurde die Zulassung pausiert und der Impfstoff schliesslich aus dem dänischen Impfprogramm gestrichen. «Dies wurde im Wissen gemacht, dass die Impfung in gewissen Altersklassen Anlass zur Sorge geben könnte, und niemand hat versucht, das unter den Teppich zu kehren. Das erzeugte Vertrauen», sagt Michael Bang Petersen.
Am 11. September 2021 wurde das erste Konzert in einem randvollen Stadion zum Symbol für das Ende der Corona-Krise. Der ansonsten gefürchtete Musikrezensent der Boulevardzeitung «Ekstra Bladet» schrieb von einem «historischen Samstagabend» mit «Magie in der Luft».
Und der Leadsänger von The Minds of 99 beschrieb seine Gefühle nach dem Konzert so: «Ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass es das beste Konzert war, das wir bisher gespielt haben. Wir fühlten uns vom Publikum in den Himmel gehoben.»
Theis Ehler Molin ist Journalist beim dänischen Onlinemagazin Zetland und dort unter anderem stellvertretender Produzent des täglichen Nachrichten-Podcasts.