Clownesker Konservatismus

Wie konnte Armin Laschet eigentlich CDU-Kandidat werden? Und was bedeutet es, wenn er deutscher Kanzler wird?

Von Georg Diez, 23.08.2021

«Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik», sagte Laschet im Juli 2021, in einem Interview zu den Überschwemmungen in Deutschland. Julia Sellmann/laif
«2015 darf sich nicht wiederholen», sagte Laschet im August 2021 und warnte vor steigenden Flüchtlings­zahlen, während in Kabul Verzweifelte von Flugzeugen in den Tod stürzten. Julia Sellmann/laif

Ist Armin Laschet der schlechteste Kanzler­kandidat, den die CDU jemals aufgestellt hat? Die Frage muss man in dieser Klarheit stellen, weil es sein kann, dass er bald der schlechteste Kanzler ist, den Deutschland je hatte.

Sie sehen schon: Das hier wird nicht eines dieser Politiker­porträts, die die Reportage als Wahrheit, die Einfühlung als Erklärung, die Psychologie als Ursache für eine Politik suchen, die man mit anderen Mitteln beschreiben müsste – mit Fakten aus Ökonomie und Ökologie, mit Argumenten und Einschätzungen, mit historischen Herleitungen und ganz besonders mit der Einsicht in die Tragweite dieser Wahlen, die entscheidend sein werden für die Frage, ob wir die Folgen der menschen­gemachten Klima­katastrophe noch halbwegs in den Griff bekommen; und zwar vor allem die Menschen aus dem reichen Nordteil des kaputten Planeten.

Das wäre das Thema dieser Wahl: Wer steht für einen radikalen Umbau dieser Gesellschaft, wer verbindet die soziale Frage mit der Klima­krise, wer hat Alternativen zu der Art von Kapitalismus, die uns das ganze Schlamassel beschert hat? Wie verbinden sich individueller und struktureller Wandel in diesem Stresstest der Demokratie, ist dies das richtige System, um so schnell und fundamental umzusteuern, wie es nötig ist? Wie viel sind wir dafür zu investieren bereit, gibt es eine neue Rolle für den Staat als Treiber dieser Veränderungen, so wie es etwa Joe Biden in den USA vormacht?

Stattdessen: Schweigen.

Zum Autor

Georg Diez ist dem breiten Publikum bekannt als langjähriger Kolumnist von «Spiegel online». Heute ist er Chefredaktor von «The New Institute», einem Thinktank und Forschungs­institut, das sich Fragen der ökologischen, ökonomischen und politischen Transformation widmet. Sein letztes Buch «Power to the People» beschäftigt sich mit der digitalen Bürger­gesellschaft.

Es ist eine seltsame Situation: Eigentlich ist allen völlig klar, dass diese Wahl ein Einschnitt ist wie schon lange nicht mehr in Deutschland. Nach fast 16 Jahren (wo gibt es überhaupt noch so lange Amtszeiten, und wie sinnvoll ist das?) gibt Angela Merkel ihr Amt als Bundes­kanzlerin auf. Sie hat das Land geprägt und verändert, vom Atom­ausstieg nach dem Reaktor­unglück von Fukushima 2011 über ihre offene Haltung im Flucht­sommer 2015 («Wir schaffen das») bis zur holprigen Corona-Politik: Merkels Bilanz ist gemischt, sie liess Europa links liegen, verschärfte den wirtschaftlichen Nationalismus in der Schulden­krise der 2010er-Jahre, hinterlässt ein Land, das digital und auch mental etwas müde und abgehängt wirkt – von eher linken Journalisten wurde sie für vieles gelobt, oft zu Unrecht, während eher rechte Journalistinnen immer ungeduldiger und wütender ihren Abgang herbei­schrieben, erfolglos.

Die Frage also, was dieses Land ist, in der Mitte Europas, schon immer zu gross für diesen Kontinent und zu klein für die ganze Welt, diese Frage, die entscheidend ist für die europäische Zukunft – auch sie macht aus dieser Wahl einen Entscheid von grosser Tragweite. Doch auch hier: Ruhe, Phlegma, Vorsicht, diese Art von sämiger Ambitions­losigkeit, wie sie sich in müden Gesellschaften auf gefährliche Weise breitmacht; gefährlich, weil eben die Heraus­forderungen so gross sind, gefährlich aber auch, weil eine Demokratie ohne Streit die nicht offen ausgetragenen Konflikte nur verschiebt oder, schlimmer, delegiert an den Rand, meistens den rechten Rand, wo sich ein Gebräu von Irrationalität, Verschwörungs­mythologie und grund­sätzlichem Ressentiment bildet.

Rechte Verbindungen

In der sogenannten Mitte dagegen, ein deutscher Politik-Topos seit den Tagen von Bundes­kanzler Gerhard Schröder (SPD), der hier die Macht errang, in der Mitte also herrscht programmatische Vorsicht. Die Grünen und ihre Kandidatin Annalena Baerbock, die ziemlich sensationell in den Umfragen führten, wollen die Klimakrise nicht in aller Deutlichkeit benennen, weil sie fürchten, dass sie das Stimmen kosten könnte. Die SPD und ihr Kandidat Olaf Scholz, lange abgeschlagen auf Platz drei der Umfragen, tun sich schwer, überhaupt irgendeine Art von Dynamik zu zeigen, allein weil Scholz als Vizekanzler von Angela Merkel ein Mann des alten Regimes ist und die SPD ein Teil der regierenden Lähm­koalition. Und dann eben noch Armin Laschet.

Er ist ein Mann ohne Eigenschaften. Seine Karriere verlief stockend, zeugt von so viel Opportunismus, dass man sich fragen muss, wie er überhaupt in die Nähe der Macht kam – und, gemäss den aktuellen Umfrage­werten, immer noch die besten Chancen hat, der nächste deutsche Kanzler zu werden. Die CDU liegt in den Umfragen von diesem Wochen­ende bei 22 Prozent, erstmalig nur noch gleichauf mit der SPD und krasse 11 Prozent­punkte unter dem Ergebnis der letzten Bundes­tags­wahl 2017. Die Grünen sind bei 17 Prozent, die wirtschafts­liberale FDP käme auf 13, Die Linke auf 7 und die rechts­extreme AfD auf 12 Prozent. Möglich wären Koalitionen aus CDU, Grünen und FDP (die sogenannte Jamaika-Koalition, wegen der Farben Schwarz, Grün und Gelb), aus Grünen, SPD und FDP (die sogenannte Ampel, auch der Farben wegen) und ein Links­bündnis von Grünen, SPD, Linkspartei.

Auch hier also äusserste Dramatik, maximale Spannung: Nur leider trauen sich die Parteien nicht zu streiten; Baerbock aus Vorsicht, Scholz aus Mangel an Ideen – und Laschet aus Temperament- und Überzeugungs­losigkeit. Seine Visions­scheu, verbunden mit einer manchmal korrupt anmutenden Macht­fixierung, ist geradezu sein Markenzeichen.

Wofür steht Armin Laschet? Bereits sein Aufstieg in das Amt des Minister­präsidenten von Nordrhein-Westfalen, machtvoll durch Einwohner­zahl und Industrie­produktion, traditionell Kohle und Stahl, verlief schleichend und unauffällig: Er ist der älteste von vier Brüdern, geboren 1961 in Aachen; seine Mutter war Hausfrau, sein Vater erst Bergmann, dann Lehrer, stark katholisch geprägt. Laschet blieb in der neunten Klasse sitzen, wurde als «wehruntauglich» ausgemustert und studierte bis zum ersten Staats­examen Jura in Bonn und München, wo er jeweils Mitglied in sogenannten farben­tragenden katholischen Studenten­verbindungen war, ein traditioneller Hort rechten und reaktionären Denkens und mächtiger Seilschaften.

Verbindungen zum fundamental­katholischen Geheim­orden Opus Dei spielten ebenfalls eine Rolle, machen Laschet aber nicht greifbarer in seinen Positionen. Einem seiner engsten Berater, Nathanael Liminski, wird eine Nähe zu Opus Dei zugeschrieben, dessen Eltern waren oder sind Mitglieder, eben­falls der Bruder von Laschets Schwieger­vater. Nach dem Studium arbeitete Laschet erst einmal als Journalist, unter anderem für den Münchner Gute-Laune-Sender «95,5 Charivari» und für den «Bayerischen Rundfunk», wo Heinz Klaus Mertes Redaktions­leiter war, ein Bundes­bruder aus Studenten­tagen.

Laschet näherte sich mehr und mehr der Politik an: Er war etwa Philipp Jenninger verbunden, der 1988 als Bundestags­präsident zurück­treten musste, nachdem er unter anderem gesagt hatte: «Was die Juden anging: Hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine Rolle angemasst – so hiess es damals –, die ihnen nicht zukam? Mussten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen? Hatten sie es nicht vielleicht sogar verdient, in ihre Schranken gewiesen zu werden?»

Laschet veröffentlichte 1989 ein Buch über «Rede und Reaktion» Jenningers, gemeinsam mit seinem Schwieger­vater Heinz Malangré, der eine einfluss­reiche Figur als Verleger war, Vertreter macht­voller Industrie­gremien und Bruder von Kurt Malangré, Ober­bürger­meister von Aachen, Mitglied von Opus Dei und CDU-Abgeordneter im Europa­parlament. Das Buch war im schwarz-rot-goldenen Deutschland-Design gehalten und versuchte eine Recht­fertigung Jenningers, der doch «mehrfach den Staat Israel besuchte und seine Solidarität bekundete».

Wie also konnte Jenninger «so gründlich missverstanden werden»? Auf 150 Seiten setzen sich die Heraus­geber mit der Reaktion in Italien auseinander, die «von unerbittlicher Härte» gewesen sei, drucken Briefe von emigrierten Juden und anonymen Sozial­demokraten ab, die ihm beistanden. Sie «verbürgen» sich dafür, dass ihre Auswahl repräsentativ sei für die 10’000 Zuschriften, mit denen Laschet «überschwemmt» worden sei.

Im gleichen Jahr 1989 wurde Armin Laschet in den Aachener Stadtrat gewählt, schaffte es 1994 als Direkt­kandidat in den Bundes­tag und rückte 1999, nachdem er sein Direkt­mandat wieder verloren hatte, ins EU-Parlament auf, da Kurt Malangré nicht mehr kandidierte und Laschet seinen Platz einnehmen konnte. 2005 wurde Laschet Minister in Nord­rhein-Westfalen, 2012 Vorsitzender der nordrhein-westfälischen CDU, 2017 dann Minister­präsident einer Koalition aus CDU und FDP.

Das Besondere bei Laschet ist, dass ein Mann von niemals überragender Popularität nun auf dem Sprung ist, deutscher Bundes­kanzler zu werden. Im partei­internen Ringen um die Kandidatur setzte er sich im Januar dieses Jahres knapp gegen den bekennenden Neoliberalen und ehemaligen Blackrock-Lobbyisten Friedrich Merz durch, der derzeit mit Falsch­meldungen gegen die Grünen auf sich aufmerksam macht und mittlerweile Teil des Teams von Laschet ist. In Umfragen vor der offiziellen Kandidaten­kür landete Laschet auf dem dritten Platz, hinter Merz und dem anderen Kandidaten Norbert Röttgen. Auch gegenüber dem bayerischen CSU-Chef Markus Söder, der lange Zeit eine eigene Kanzler­kandidatur offenhielt, lag Laschet in den Umfragen zurück. Wenn es eine Direkt­wahl zur Kanzlerschaft gäbe, würden sich nur 12 Prozent der Deutschen für Laschet entscheiden, 13 Prozent für Baerbock und 34 Prozent für Olaf Scholz.

Und dann ist da diese rührende Seite

Es ist eine merkwürdige Situation: Das mächtigste Land Europas hat drei mittel­mässige Kandidaten zur Wahl, und der Mittel­mässigste von allen wird wohl gewinnen.

Dabei werden seit seiner Kür zum Kanzler­kandidaten immer neue Skandale und Peinlichkeiten bekannt: Plagiats­vorwürfe etwa wegen seines Buchs «Die Aufsteiger­republik» oder die Sache mit den verlorenen Prüfungen aus seiner Zeit als Lehr­beauftragter an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Die Universität beendete 2015 die Zusammen­arbeit mit Laschet, nachdem dieser Noten für verloren gegangene Klausuren vergeben hatte, allerdings 35 Noten für nur 21 Teilnehmerinnen und anhand von eigenen Aufzeichnungen. «Da die Klausur gut ausgefallen war, erschien uns eine Neuansetzung mit grossem Abstand zum Seminar als keine gute, faire und sachgerechte Lösung», rechtfertigte sich Laschet. Die RWTH war anderer Meinung und liess sie wiederholen.

Das ist die traurig-chaplineske Seite von Armin Laschet, der beim CDU-Parteitag als Zeichen seiner Boden­ständigkeit die Bergmanns­marke seines Vaters mitgebracht hatte und auch dessen Botschaft: «Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.»

Das allerdings war schwer und wurde immer schwerer. Laschet hatte schon zu Beginn der Corona-Krise beachtlichen Wankel­mut bewiesen und auch die Fähigkeit, andere für sein eigenes Versagen verantwortlich zu machen, in diesem Fall mit fremden­feindlichen Unter­tönen: Als das Fleisch­unternehmen Tönnies in der Kritik war wegen eines massiven Corona-Ausbruchs, machte Laschet «Rumänen und Bulgaren» zu den Schuldigen, sie arbeiteten in der Fabrik und hätten das Virus aus ihrer Heimat mitgebracht.

Ausnahmen und Öffnungen gab es unter Laschet etwa für Möbel­häuser, basierend auf den Recherchen des streitbaren Virologen Hendrik Streeck und einer umfang­reichen Öffentlichkeits­kampagne, finanziert unter anderem von einer grossen Möbel­haus­kette. Und der Masken­deal seines Sohnes Johannes, der als Influencer für die Firma Van Laack arbeitet, bei der die Landes­regierung Nordrhein-Westfalens ohne öffentliche Ausschreibung Masken und Schutz­kittel im Wert von an die 40 Millionen Euro bestellte. Viele der bestellten Masken entsprachen nicht den medizinischen Standards.

Der Schönwetter­kandidat

Krisen oder Katastrophen jedenfalls sind nicht so sein Ding: Als im Juli Bundes­präsident Frank-Walter Steinmeier ernste und angemessene Worte über die Flut und ihre Opfer fand – fast 200 Menschen verloren ihr Leben –, wurde Laschet gefilmt, wie er im Hinter­grund herzhaft lachte. Ein paar Tage später wurde Laschet fotografiert, wie er einem Flutopfer zuhört, unter einem grossen Regen­schirm, gehalten von einem Mitarbeiter – und der Mann vor ihm: klitschnass. (Wobei Laschets Entourage den Mann nicht im Regen stehen liess, wie Bilder aus einem anderen Blick­winkel zeigen.) Als eine Journalistin Laschet in einem TV-Interview nach den Konsequenzen der Flut für seine Politik fragte, antwortete der 60-Jährige auf seine störrisch-autoritäre Art: «Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik.»

«Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema plötzlich ein weltweites Thema geworden», sagte Laschet im Mai 2019 in der Diskussions­sendung «Anne Will». Julia Sellmann/laif

Schon 2019 machte Laschet mit salopper Ahnungs­losigkeit auf sich aufmerksam, als er sagte: «Aus irgend­einem Grund ist das Klima­thema plötzlich ein weltweites Thema geworden.» Problematisch wäre das für jeden Politiker mit Anspruch auf eine Art von intellektuellem Respekt – für den Minister­präsidenten von Nordrhein-Westfalen, das Zentrum des west­deutschen Kohle­berg­baus war und grossen deutschen Strom­konzernen wie RWE immer noch als Heimat dient, ist diese Aussage gleich doppelt problematisch.

Laschets Wirken zeugt deutlich vom Einfluss der fossilen Wirtschaft auf die deutsche Politik. Besonders berüchtigt etwa ist sein Einsatz für die Rodung des Hambacher Forsts 2018, für RWE und den Braunkohle­abbau, gegen den Widerstand von Fridays for Future und einem breiten Bund von zivil­gesellschaft­lichen Organisationen, durch­gedrückt mit einem Millionen Euro teuren Polizei­einsatz, bei dem es einen Toten gab.

Es ist die Petrischale des neuen Konservatismus, in die man hier blickt, ein Konservatismus, der diesen Namen nicht verdient. Es handelt sich eher um einen autoritären Nihilismus, im Fall von Armin Laschet voran­getrieben mit charakteristisch deutscher Mittel­mässigkeit. Industrie­interessen verbinden sich mit der Einschränkung von Grund­rechten, auftrumpfende staatliche Sicherheits­massnahmen kommen vor Generationen­gerechtigkeit, die Steuer­pläne sehen massive Erleichterungen für die Reichen und ein grosses Haushalts­defizit vor. Es ist eine Klassen­politik von oben, die jede Kritik und jeden Diskurs über eine andere Form von Wirtschaft, über Bewahren und Erhalt, also den eigentlichen Konservatismus aufgegeben hat.

Friedrich Merz ist der lauteste Propagandist dieser Haltung, ein Teil der deutschen Medien ist darauf eingeschwenkt. Armin Laschet wirkt ein wenig wie der Clown dieser Macht, die nur eines hat, wie es ein wichtiger CDU-Stratege in einem Hinter­grund­gespräch sagte: Alles, was sie haben, ist der Wille zur Macht.

In diesen Tagen wird das wieder einmal besonders deutlich. Der Fall Kabuls und von ganz Afghanistan ist eine Nieder­lage auch für Deutschland, das sich seit 2001 mit anderen Nato-Truppen dort militärisch engagierte. Noch im Juni 2021 hatte die Regierungs­koalition gemeinsam mit der AfD einen Antrag der Grünen abgelehnt, der die «grosszügige Aufnahme afghanischer Ortskräfte» vorsah, also all derer, die mit den Deutschen kooperiert hatten und von den anrückenden Taliban bedroht wurden.

Und noch vor kurzem, als die Taliban schon vor Kabul standen, hat Laschet verkündet, Abschiebungen nach Afghanistan seien in Ordnung. Geflüchtete, die kriminell geworden seien, hätten ohnehin «ihr Gastrecht verwirkt». Nun, da das absehbare, schreckliche Drama sich entfaltet, fällt Laschet dazu vor allem ein, vor einer neuen Flüchtlings­welle zu warnen: «2015 darf sich nicht wiederholen», sagte er, während in Kabul Verzweifelte von Flugzeugen in den Tod stürzten.

Die neuen Manager der Macht

Wie nennt man so einen Politik­stil? Es gibt eine Klima-Union, die sich dagegen­stemmt, es gibt ein paar alte Politiker, die sich auf Twitter über den schamlosen Nachwuchs aufregen – tatsächlich aber verbindet die inhaltliche Implosion, die sich im Kandidaten Armin Laschet zeigt, die CDU mit anderen konservativen Parteien in den USA etwa oder in Gross­britannien, wo sich ebenfalls sehr clowneske Kandidaten für die massiven Interessen einer bestimmten Elite einsetzen.

Es scheint, als ob es gerade diese Kandidaten bräuchte, die durch ihre Knüffe und Püffe von den eigentlichen Absichten ablenken – von einem Kapitalismus, der sich laufend radikalisiert, während die anderen, Linke oder die Grünen, seltsam blutleer und ideenlos bleiben.

Armin Laschet wäre demnach mehr als ein Politiker ohne Vision, mehr als ein Beispiel besonders patriarchaler Borniertheit. Obwohl er tief aus der westdeutschen Welt kommt, ist er ein Bote aus dem Schatten­reich der Zukunft, ein Signal und Zeichen für eine tief greifende Verschiebung in der Funktions­weise der Demokratie.

Der britische Filmemacher Adam Curtis hat die Generation von Politikern, die in den 1970er- und 1980er-Jahren an die Macht kamen, als Manager beschrieben, die nur noch ihre eigene Macht­losigkeit im Angesicht des Kapitalismus verwalten. Laschets Generation konservativer Nihilisten sind die Erben dieses leer gefegten Politik­verständnisses: Auch sie sind Manager, Macht­verwalter, Interessen­vertreter, Wahrheits­verdreher, Figuren­schieber. Ihre soziale Moral ist nur noch Camouflage, ihre Werte sind verhandelbar, ihre Absichten kaum verhüllt – es geht um die Verlängerung des Status quo, solange sich davon profitieren lässt.

Was danach kommt? Für Deutschland bleibt die Frage offen. Es wäre an der Zeit, sich von den vermeintlichen Sicherheiten zu lösen und den radikalen Innovations­schub zu nutzen, den der Klima­wandel erforderlich macht und die Technologie ermöglicht. Anderes Wirtschaften, anderes Arbeiten, andere Ernährung, andere Energie, andere Mobilität, anderes Miteinander.

Es könnte eine schöne neue Welt sein, wenn sich die Parteien dazu aufraffen würden. Noch vor kurzem schien alles auf eine schwarz-grüne Koalition aus CDU/CSU und Grünen hinaus­zulaufen. Da die Unions­parteien weiter im Fallen begriffen sind, wird das aber immer unwahrscheinlicher. Die anderen Koalitions­optionen bieten fundamental andere Politik­möglichkeiten. Die Wahl, so scheint es, wird erst nach der Wahl entschieden.

Und Laschet? Laschet lacht derweil.

Korrigendum: In einer ersten Version schrieben wir, dass ein Mann während eines Gesprächs mit Laschet im Regen stand, während der Politiker mit einem Schirm geschützt wurde. Das ist nicht korrekt, und wir haben die Passage ergänzt. Vielen Dank für den Hinweis an unsere Community.