Beim Konflikt um das Recht auf Abtreibung geht es nicht nur um ethische Fragen. Häufig geht es dabei um Leben und Tod. Cristina de Middel/Magnum Photos/Keystone

Die christliche Rechte auf Kreuzzug in Afrika

In Nigeria ist ein Schwangerschafts­abbruch lebensgefährlich. Kliniken werden angegriffen, ein Arzt wird mit miesen Tricks verhaftet. Dahinter steckt ein globales Netzwerk, das mit allen Mitteln gegen gesellschaftliche Liberalisierungen kämpft.

Eine Recherche von Paul Hildebrandt, Birte Mensing und Kiki Mordi, 04.12.2020

Als der nigerianische Arzt Bernard Fatoye an jenem Dienstag vor anderthalb Jahren zur Arbeit fährt, ahnt er noch nicht, dass er zum Monster gemacht wurde. Es ist der 21. Mai 2019, um kurz vor neun Uhr morgens. Fatoye betritt seine Arbeits­stelle, eine kleine Privat­klinik im Zentrum von Lagos. Wie jeden Morgen grüsst er den Wachmann am Eingang, dann geht er in sein Büro, zieht sich einen blauen Kittel über und öffnet die erste Patientinnenenakte.

Es scheint ein gewöhnlicher Tag, reine Routine, so wird er es später erzählen. Die Klinik führt eine britische Nichtregierungs­organisation, Marie Stopes, spezialisiert auf Beratung zu Verhütung und Schwangerschafts­abbruch. Finanziert wird die Organisation unter anderem durch Spenden von Stiftungen und Entwicklungs­hilfe­gelder europäischer Staaten. Fatoye arbeitet dort seit vier Jahren als leitender Arzt.

Kurz nach eins betritt eine junge Frau das Sprech­zimmer. Sie ist schon einige Male zur Beratung über Verhütungs­mittel in der Klinik gewesen, dieses Mal kommt sie in Begleitung einer weiteren Frau, die sie als ihre Mutter vorstellt. Die junge Frau sagt, sie sei schwanger, wolle das Kind aber nicht bekommen. Fatoye öffnet eine neue Akte und bittet sie, ihm Alter, Name und Wohnort zu nennen.

Doch dazu kommt es nicht.

In diesem Moment stürmen vier Polizisten in das Zimmer. Die vermeintliche Mutter steht auf und holt einen Durchsuchungs­befehl aus der Tasche. Ein Polizist ruft: «Doktor Bernard? Sie sind verhaftet.» Zwei Beamte halten ihn fest, einer legt ihm Hand­schellen an. Dann durchsuchen sie den Raum, reissen Akten aus den Schränken und sammeln Medikamente und Ultraschall­geräte ein.

Kurz darauf wird Fatoye abgeführt, festgenommen wegen des Verdachts auf illegale Abtreibung – ein schweres Verbrechen in Nigeria. Die Patientin sei weder volljährig, noch habe sie wegen ihrer Schwangerschaft gesundheitliche Probleme, so der Vorwurf an den Arzt. Später wird sich herausstellen: Sie war nur ein Lockvogel. Gemäss eigener Aussage war Fatoye nicht einmal bis zur Anamnese gekommen.

«Krieg gegen die nigerianischen Frauen»

Nur wenige Stunden nach der Festnahme gelangt der Polizei­einsatz an die Öffentlichkeit, und in Nigeria entbrennt eine heftige Diskussion um den Fall. Auf der einen Seite stehen religiöse Gruppen und Initiativen, die ein Verbot der Nichtregierungsorganisation Marie Stopes fordern. Sie erklären, der Arzt Bernard Fatoye sei ein Monster, er würde aus Geldgier ungeborene Babys töten und seine Organisation verfolge den Plan, afrikanische Frauen zur Abtreibung zu zwingen.

Auf der anderen Seite melden sich nigerianische Feministinnen um die Autorin und «New York Times»-Kolumnistin OluTimehin Adegbeye zu Wort. In einem offenen Brief, unterzeichnet von mehr als einem Dutzend Nichtregierungs­organisationen, schreiben sie: Es sind ausländische Abtreibungs­gegner, die versuchen, Einfluss auf Nigeria zu nehmen. Weiter heisst es: «Stoppt den Krieg gegen die nigerianischen Frauen.» Bei vielen von ihnen löst der Fall grosse Verunsicherung aus.

Nur in äussersten medizinischen Notfällen sind Schwangerschafts­abbrüche in Nigeria erlaubt. Cristina de Middel/Magnum Photos/Keystone

Nur zwei Tage nach dem Einsatz meldet sich eine Stiftung, Citizen Go, auf ihrer Website zu Wort und behauptet, den Einsatz ausgelöst zu haben. Von Spanien aus organisiert Citizen Go über eine Internet­plattform weltweit Petitionen und Kampagnen. Sie hält enge Kontakte zur evangelikalen Rechten in den Vereinigten Staaten und zu Abtreibungsgegnerinnen in Russland.

Warum attackiert sie eine nigerianische Klinik? Und wie macht sie das?

Der Fall des nigerianischen Arztes Bernard Fatoye führt nach Madrid, nach Washington und nach Nairobi. Er führt hinein in eine internationale Szene von Abtreibungs­gegnern, die, motiviert von Donald Trumps Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten, weltweit noch mal an politischem Einfluss gewonnen hat – und deren Ziel nichts Geringeres ist, als die Sexual­moral gut ein Jahrhundert zurückzudrehen: heterosexuell und ohne Recht auf Verhütung und Schwangerschaftsabbrüche.

Die Geschichte von Bernard Fatoye zeigt, wie erfolgreich diese Gruppen mittlerweile arbeiten, wie hervorragend sie global vernetzt sind und wie effektiv sie politisch Einfluss nehmen. Sie zeigt auch, wie verheerend diese ultrakonservative Ideologie sich auf das Leben von Frauen auswirken kann.

Beim Konflikt um das Recht auf Abtreibung geht es nicht nur um unterschiedliche Moral- und Wert­vorstellungen. Häufig geht es dabei um Leben und Tod.

Eine Internationale der Abtreibungsgegner

Madrid, der 25. Mai 2012, Abtreibungs­gegnerinnen aus der ganzen Welt sind an diesem Wochen­ende in die spanische Hauptstadt zum grössten Vernetzungstreffen der Szene gekommen: dem «World Congress of Families». Ende der Neunziger­jahre ins Leben gerufen von rechten US-amerikanischen Evangelikalen und russischen Konservativen, dient dieser Kongress der Vernetzung von antiliberalen Strömungen weltweit.

Zu den Kongressen reisen rechte Politikerinnen aus Deutschland, Frankreich und Italien an, es kommen Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche und einfluss­reiche Mitglieder der religiösen Rechten aus den USA. Sie alle sind sich einig: Nur eine Rückkehr zur klassischen Mutter-Vater-Kinder-Familie kann die globale Gesellschaft retten. Jährlich wechselt der Veranstaltungs­ort, immer gibt es einen offiziellen Gastgeber. In jenem Jahr heisst die Veranstalterin in Madrid Hazte Oír, eine radikale christliche Organisation, die in Spanien seit Jahren gegen Sexual­kunde an Schulen und die «Gender-Lobby» kämpft. Drei Tage verbringen die Abtreibungs­gegner zusammen, zum Abschluss feiern sie einen grossen Gottesdienst.

Nur wenige Monate nach dem Kongress stellt Hazte Oír die Website von Citizen Go online, als Plattform für ultra­konservative Kampagnen nicht nur in Spanien, sondern weltweit. Es scheint, als habe der Kongress dafür den nötigen Anschub gegeben. Von nun an hat die Organisation Hazte Oír also nicht mehr nur Spanien im Blick. Sie will eine Bewegung lostreten.

Ist es nur dann eine richtige Familie, wenn es Mutter und Vater gibt? «March for Life» während eines Kongresses von World Congress of Families in Verona (März 2019). Filippo Monteforte/AFP/Getty Images
Weltweite Aktionen: Abtreibungs­gegnerinnen auf dem Weg zum Supreme Court in Washington D. C. (Januar 2006). Alex Wong/Getty Images

In den folgenden Jahren entwickelt sich ihre Tochter, Citizen Go, zu so etwas wie der Speer­spitze der Abtreibungs­gegnerinnen weltweit. Sie organisiert Kampagnen in den Vereinigten Staaten, in Lateinamerika und in Europa. Sie veranstaltet in Deutschland gemeinsam mit AfD-Politikern die «Demo für Alle» gegen Sexual­erziehung an Schulen und sammelt im spanischen Wahlkampf Spenden für die rechtspopulistische Partei Vox. Das Logo von Citizen Go, ein gelber Kreis auf blauem Grund, findet sich von nun an bei jedem World Congress of Families.

Im Jahr 2017 eröffnet Citizen Go einen Ableger in Kenia, Citizen Go Africa. Ihr Ziel: die gesellschaftliche Liberalisierung in afrikanischen Staaten zu bremsen. Denn mit steigendem Wohlstand hat sich in einigen Ländern des Kontinents die Debatte um Schwangerschafts­abbrüche geöffnet.

Die Autorin und Politik­beraterin Gillian Kane aus New York beobachtet die Szene der Abtreibungs­gegnerinnen schon seit etwa 20 Jahren. Im Gespräch mit der Republik spricht sie über die Entwicklungen der Aktivisten. Sie sagt, vor allem am World Congress of Families könne man beobachten, wie sich aus einzelnen Gruppen ein globales Netzwerk gebildet hat. «In den letzten Jahren ist die Anti-Abtreibungs-Bewegung gewaltig gewachsen», sagt Kane, «sie hat sich vervielfältigt und enge Verbindungen zu anderen rechten Bewegungen geknüpft.»

Förderer der Kongresse sind zum Beispiel Politiker, die der europäischen Rechten zuzuordnen sind, wie Matteo Salvini und Viktor Orbán. Sie erzeugen Aufmerksamkeit für die Treffen. Finanziert werden solche Kongresse unter anderem vom russischen Oligarchen Konstantin Malofejew, einem Milliardär. Er zahlte zum Beispiel grosse Summen an prorussische Aktivistinnen in Polen und Tschechien, wie die «New York Times» aufgedeckt hat. Er gründete im vergangenen Jahr auch die «International Agency for Sovereign Development», eine Art alternative Weltbank, um den russischen Einfluss in Afrika zu stärken; und er fördert seit Jahren Abtreibungs­gegner und homophobe Organisationen weltweit, wie Recherchen des Magazins «Mother Jones» aus den Vereinigten Staaten zeigen.

Worum es ihnen eigentlich geht

Geführt wird der Verein hinter dem World Congress of Families seit einigen Jahren von Brian Brown, dem Gründer der US-amerikanischen Lobby-Organisation Act Right, die in den Vereinigten Staaten Spenden für ultra-konservative Politikerinnen sammelt. Das Thema Abtreibung ist für sie alle nur der emotionale Türöffner für einen grundlegenden kulturellen Wandel. Ihnen geht es nicht nur um den Schutz ungeborener Föten, sie stemmen sich gegen Frauen­rechte, gegen die öffentliche Sichtbarkeit von lesbischen und schwulen Partnerschaften und gegen Sexualkunde­unterricht an Schulen. Sie kämpfen für eine Gesellschaft, in der Frauen und sexuelle Minderheiten an den Rand gedrängt werden und heterosexuelle Männer den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen.

Ihr Programm ist im Kern die Gegenrede zur liberalen Idee: Nicht alle Menschen haben die gleichen Rechte. Gillian Kane sagt: «Es geht ganz grundsätzlich um die Demokratie.»

Die Organisation Citizen Go dient diesem Netzwerk dazu, gesellschaftliche Prozesse weltweit zu beeinflussen. Im Vorstand sitzen Vertraute von Konstantin Malofejew und Vertreter der christlichen Rechten aus den Vereinigten Staaten. Für sie ist die Organisation ein Vehikel, um liberale Initiativen schnell und effektiv attackieren zu können.

In Afrika konzentrieren sich die Kampagnen von Citizen Go auf Initiativen und Organisationen zu reproduktiver Gesundheit. Vor allem die britische Gesundheits­organisation Marie Stopes gerät immer wieder ins Schussfeld. Citizen Go fährt Kampagnen gegen Marie Stopes in Kenia, in Malawi, in Uganda und in Madagaskar. Teilweise mit Erfolg: In Kenia musste die Organisation vorübergehend alle Kliniken schliessen, Citizen Go hatte erfolgreich gegen eine Informations­kampagne geklagt.

Warum Nigeria?

Im Frühling 2019 wendet sich Citizen Go der Debatte in Nigeria zu und damit auch dem Arzt Bernard Fatoye. Wirtschaftlich und kulturell zählt Nigeria zu einem der einfluss­reichsten Länder in Afrika. Es ist der bevölkerungs­reichste Staat auf dem Kontinent. Liberalisiert sich dort die Haltung zu Schwangerschafts­abbrüchen, könnte das auf viele weitere Länder Einfluss haben.

Bislang galt Nigeria in Sachen Abtreibung selbst im afrikanischen Vergleich als konservativer Vorzeige­staat: Die strengen Gesetze mit Wurzeln in der Kolonial­zeit schränken das Recht auf Schwangerschafts­abbrüche bis heute stark ein. Abbrüche dürfen nur in äussersten medizinischen Notfällen durchgeführt werden.

Das heisst: nur wenn das Leben der Frau in Gefahr ist.

Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen, können mit 7 Jahren Gefängnis bestraft werden, behandelnde Ärzte müssen mit bis zu 14 Jahren rechnen. Das ist eines der höchsten Straf­masse im nigerianischen Rechts­system. Um zu verstehen, was die Folgen dieser strengen Gesetze sind, muss man mit Frauen sprechen, die trotzdem abgetrieben haben.

Die Geschichten von Dovli, Esther und Nellys

Da ist eine Frau, die sich Dovli nennt. Sie war 22-jährig, Studentin und hatte eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Als sie schwanger wurde, wollte er nichts mehr von ihr wissen. Sie glaubte, ihre Familie würde das Kind aus solch einer Beziehung nicht akzeptieren. Sie beschloss deshalb, die Schwangerschaft zu beenden. Eine Kommilitonin empfahl ihr einen sogenannten quack: einen illegalen Abtreibungsarzt.

Sie rief die Nummer an, wenige Tage später kam der Mann zu ihr nach Hause. Er war kein Arzt, sagt sie, sondern ein Apotheker. In ihrem Zimmer injizierte er ihr ein Medikament – bis heute weiss sie nicht, was für eins –, dann liess er sie allein. Kurz darauf begann sie heftig zu bluten, über Tage hinweg hörte es nicht auf, starke Schmerzen schossen ihr durch den Unterleib. Heute sagt sie: «Ich hätte sterben können.»

Da ist eine Frau, die sich Esther nennt. Sie sagt, sie sei als Fünfzehn­jährige von einem fremden Mann auf der Strasse vergewaltigt worden. Zu dem Zeitpunkt wusste sie nichts über Sex, nichts über Schwangerschaften. Einige Wochen nach dem Vorfall begann die Übelkeit am Morgen, und ihr Bauch fing an zu wachsen. Ein Freund empfahl ihr einen Schwangerschafts­test. Sie besorgte sich einen in der Apotheke, er war positiv. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wurde panisch, versuchte sich umzubringen, scheiterte.

Dann wandte sie sich an eine Frau auf dem Markt, von der es hiess, sie kenne sich mit Schwangerschaften aus. Esther bezahlte umgerechnet 20 Euro, mit Hilfe von Nadeln beendete die Frau ihre Schwangerschaft. Die Blutungen hörten wochenlang nicht auf.

Da ist auch eine Frau, die sich Nellys nennt. Als Kind wurde sie von einem Pfarrer sexuell missbraucht, als Jugendliche wagte sie nicht, Männer zu umarmen. Sie war 20, als sie zum ersten Mal mit einem Mann schlief. Es sollte ein Abenteuer sein, vielleicht auch eine Art Heilung, doch dann wurde sie schwanger. Sie war zu dem Zeitpunkt Studentin. Weil sie sich kein Zimmer leisten konnte, wohnte sie vorübergehend bei einer Verwandten.

Sie war überfordert mit der Situation, hatte niemanden, den sie um Rat fragen konnte.

Also ging sie in eine Apotheke und fragte nach Medikamenten, für eine Freundin, sagte sie. Die Apothekerin verkaufte ihr ein Mittel gegen Magen­geschwüre. Am Abend nahm Nellys einige Tabletten, sie wusste nicht, wie sie das Medikament dosieren sollte, wartete eine Nacht. Als nichts passiert war, ging sie erneut zur Apotheke und kaufte ein weiteres Medikament. Dieses Mal nahm sie mehr von den Tabletten. Daraufhin fing ihr Körper an zu brennen, Nellys bekam Todes­angst, betete, weinte. Dann, auf der Toilette, spürte sie, wie ihr Körper etwas ausstiess.

Ein Verbot heisst nicht, dass es weniger Abbrüche gibt

In keinem Land der Welt sterben so viele Schwangere wie in Nigeria: pro Jahr etwa 58’000 Frauen. Viele von ihnen sterben an einer Abtreibung, die unter unsicheren Bedingungen vollzogen wird – eine Studie aus dem Jahr 2019 schätzt, dass es jährlich etwa 6000 Frauen sind – andere sterben bei der Geburt oder an ihren Spätfolgen. Auf jede tote Frau kommen Hunderte weitere, die unter den gesundheitlichen Folgen eines unsicheren Abbruchs leiden.

In keinem Land der Welt sterben so viele Schwangere wie in Nigeria: Rund 58’000 Frauen pro Jahr, 6000 von ihnen an einer Abtreibung. Cristina de Middel/Magnum Photos/Keystone

Obwohl es für nigerianische Frauen beinahe keinen legalen Weg gibt, um abzutreiben, tun das in Nigeria jährlich zwischen 1,8 und 2,7 Millionen Frauen. Mehr als die Hälfte dieser Abbrüche gelten als unsicher. Das schätzt eine Studie aus dem Jahr 2018. Tatsächlich verhindern die strengen Gesetze keine Abtreibungen. Sie treiben die Frauen stattdessen an unsichere Orte: in Apotheken ohne Lizenzen, wo sie für wenige Dollar Abtreibungs­medikamente bekommen, und in sogenannte Quack Clinics – private Kliniken, in denen oft Laien die illegalen Abtreibungen durchführen.

In Lagos kostet eine illegale Abtreibung zwischen 3 und 100 Dollar, berichten betroffene Frauen und Sozial­arbeiter; je höher der Preis, desto besser der Service. Für die betroffenen Frauen gibt es keine Sicherheit, ein Schwangerschafts­abbruch ist ein Glücks­spiel. Die Gesundheits­wissenschaftlerin und Aktivistin Oluwapelumi Alesinloye-king, sagt: «Quacks sind jederzeit erreichbar, sie sind diskret, und sie arbeiten schnell. Das ist es, was Frauen brauchen.»

Es ist nicht so, dass Abtreibung kein Thema in Nigeria ist – es existiert eine aufgeheizte öffentliche Debatte darüber. Es ist nur so, dass im Privaten niemand darüber spricht. Frauen, die zugeben, abgetrieben zu haben, werden stigmatisiert und ausgegrenzt.

Etwas ändert sich

Doch in den letzten Jahren hat sich die Debatte in Nigeria gewandelt. Mittlerweile haben etliche wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, wie hoch die Mütter­sterblichkeit im Land bereits ist und wie rasant die Zahlen weiterwachsen. Etwa zwei Studien des Guttmacher-Instituts, das sich für reproduktive Rechte einsetzt: Im Jahr 1996 habe es pro 1000 Frauen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren 25 Schwangerschaftsabbrüche gegeben. Im Jahr 2012 seien es 33 pro 1000 Frauen gewesen.

2009 erlaubte das nigerianische Gesundheits­ministerium zum ersten Mal in der Geschichte des Landes einer Organisation, die sich explizit mit Verhütung und Schwangerschafts­abbrüchen beschäftigt, in Nigeria zu arbeiten: Marie Stopes. Es ist weltweit eine der grössten Nichtregierungsorganisationen, die im Bereich reproduktiver Gesundheit tätig ist. Zu ihrer Arbeit gehört die Ausgabe von Verhütungs­mitteln, Aufklärungs­kampagnen, Nachsorge bei unsicheren Abtreibungen – und in Fällen, wo es legal ist, auch Abtreibungen.

In Nigeria, erklären Vertreter von Marie Stopes, würde man Abtreibungen nur im Rahmen der Gesetze durchführen, also ausschliesslich im äussersten Notfall.

Marie Stopes ins Land zu lassen, konnte als Signal der nigerianischen Führung verstanden werden, dass sie das Problem der sterbenden Frauen ernst nahm. Bald folgten weitere Signale. Im Jahr 2015 lockerte der Bundesstaat Lagos die Gesetze zu Schwangerschaftsabbrüchen. Ärzte dürfen nun bereits handeln, wenn die Gesundheit der Frau von der Schwangerschaft beeinträchtigt werden könnte, nicht erst bei Lebens­gefahr. Im Jahr 2017 erklärte die Regierung, stärker in Verhütungs­mittel investieren zu wollen.

Für die Abtreibungs­gegnerinnen sind das deutliche Zeichen. Es droht ein Wandel in der öffentlichen Meinung. Im Mai 2019 geht auf der Website der spanischen Organisation Citizen Go eine neue Kampagne online: «Stoppt Marie Stopes’ Abtreibungs­tätigkeit in Nigeria.» Darunter steht, Marie Stopes würde an jeder Abtreibung Geld verdienen und Gehirn­wäsche bei Frauen betreiben. Die Kliniken, das seien die «killers next door», die Mörder von nebenan. Dabei lassen sich die Finanzberichte von Marie Stopes öffentlich einsehen: Die Einnahmen durch Behandlungen dienen lediglich dazu, die laufenden Kosten zu decken.

Niemand verdient an diesen Kliniken. Es sind nachweislich falsche Anschuldigungen, die Citizen Go im Frühjahr 2019 im Internet verbreitet. Die Absicht dahinter: Marie Stopes aus dem Land zu drängen.

Zurück in der Abtreibungsklinik

Es ist August 2020. Ein einzelner Wachmann steht vor der Marie-Stopes-Klinik in Lagos, er blickt gelangweilt auf sein Handy. Über dem blau gestrichenen Eingangs­tor wellt sich Stachel­draht, er umspannt das gesamte Gelände. Hinter dem Tor steht auf einer grossen Tafel: «Marie Stopes. Children by choice. Not chance.» Frauen haben die Wahl – das ist der wichtigste Leitsatz der Organisation seit ihrer Gründung in den Siebzigerjahren.

Eine Krankenpflegerin im blauen Kittel führt durch die schmalen Gänge der Klinik, Neonlicht auf grün gestrichenen Wänden. Das Warte­zimmer für Patientinnen ist leer, es läuft Fahrstuhl­musik, über Laut­sprecher klärt eine elektronische Frauen­stimme auf Englisch über die medizinischen Dienste von Marie Stopes auf. Die Pflegerin sagt: «Also, sprechen wir über Geburtenkontrolle.»

Mit Stacheldraht zum Schutz: Die Klinik von Marie Stopes in Lagos.Kiki Mordi

Der Arzt Bernard Fatoye ist schon lange wieder aus der Haft entlassen, er leitet noch immer die Klinik in Lagos. Sanftes Nachmittags­licht scheint durch gekippte Jalousien in sein Behandlungs­zimmer. Neben einem grossen Schreibtisch steht eine Patienten­liege, an den Wänden hängen Poster, die den Gebrauch von Verhütungs­mitteln erläutern. Der 42 Jahre alte Arzt trägt Vollbart, sein Kopf ist kahl rasiert. Er sagt: «Schon als ich bei Marie Stopes angefangen habe, war mir klar, dass es Leute gibt, die gegen meine Arbeit sind.»

Fatoye erzählt, dass jene junge Frau, über die der Polizei­einsatz lief, bereits Wochen zuvor mit der Klinik Kontakt aufgenommen habe. Sie habe sich über Verhütungs­mittel informiert und unverfängliche Fragen zur medizinischen Ausstattung gestellt. Fatoye sagt, er habe die Frau zur Beratung aufgenommen, wie jede andere Patientin auch.

«Wir haben hier ein Problem mit unsicheren Abtreibungen, und wir brauchen dafür Lösungen»: Dr. Bernard Fatoye.Kiki Mordi

Als im Mai vergangenen Jahres die Polizisten ins Behandlungs­zimmer stürmten und ihn in Hand­schellen legten, wehrte er sich nicht. Die Polizei befragte Patientinnen, die sich in der Klinik befanden, und sammelte wahllos Akten ein, so erzählt es Fatoye, dann führten sie ihn ab.

Mehrere Stunden wurde er auf der Wache festgehalten. Ihm wurde wiederholt vorgeworfen, er führe illegale Abtreibungen bei Minderjährigen durch, man wisse Bescheid, er solle endlich gestehen. Belege konnten die Polizisten nicht für ihre Aussagen vorlegen. Am Abend liessen sie ihn gehen. Wenige Wochen darauf wurden die Vorwürfe fallen gelassen, erzählt Fatoye.

Die Polizei in Lagos will sich nicht zu dem Vorfall äussern.

Fatoye sagt, der Polizei­einsatz habe die Patientinnen in Angst versetzt. «Wir haben gemerkt, dass in den Wochen danach deutlich weniger Frauen zur Nachbehandlung nach einer Abtreibung zu uns gekommen sind.» Wer im Internet nun nach Marie Stopes in Lagos suche, dem würden als Erstes Artikel zum Polizei­einsatz angezeigt und zur Festnahme von Arzt Fatoye. «Das hat uns Vertrauen gekostet.»

Doch nicht nur Marie Stopes wurde Opfer von Kampagnen der Abtreibungs­gegner. Der Vorfall hat Furcht ausgelöst bei den Initiativen, die sich für sichere Abtreibung engagieren. Seit dem Vorfall, berichten andere nigerianische Initiativen, hätte es immer wieder Attacken auf Organisationen und Aktivistinnen gegeben, die im Bereich der reproduktiven Gesundheit tätig sind.

Auch die Aktivistin Oluwapelumi Alesinloye-king von der Online-Plattform «Women First Digital», die in sozialen Netzwerken über Abtreibungen aufklärt, berichtet, in den letzten Monaten hätten immer wieder ausländische Abtreibungs­gegner online gegen sie gehetzt: «Sie tauchen in Whatsapp-Chats auf und beschimpfen uns.» Auf Twitter wurden Posts von nigerianischen Aktivisten regelrecht mit Reaktionen überschwemmt. Fast alle der attackierenden Accounts stammen aus Nordamerika und Europa.

Im Herbst 2019 lässt eine konservative Zeitung aus Lagos einen Journalisten undercover bei Marie Stopes recherchieren. Ohne Belege zu nennen, suggeriert er, Marie Stopes führe möglicherweise illegale Abtreibungen durch.

In den letzten Jahren, sagt Fatoye, habe die Wut gegen Organisationen wie Marie Stopes in Nigeria stark zugenommen. Es gebe Demos, Kampagnen, Anfeindungen. Er sagt: «Seit Trump Präsident wurde, verspüren die Evangelikalen einen grossen Rückhalt für ihre Anti-Abtreibungs-Politik. Und wir sind eine internationale Organisation, es hat mich nicht überrascht, dass sie uns irgendwann direkt angegriffen haben.»

Der Angriff der Abtreibungs­gegnerinnen erfolgt nicht nur in Nigeria, er geschieht weltweit. Und auch das hängt mit dem US-Präsidenten zusammen.

Der Brandbeschleuniger in Washington

Es ist erst sein vierter Tag im Oval Office, als Donald Trump am 23. Januar 2017 seine erste Rechts­verordnung unterschreibt. Es handelt sich um die Wiedereinführung eines Gesetzes, das republikanische Präsidenten regelmässig einsetzen und demokratische Präsidenten ebenso regelmässig wieder absägen: die Mexico City Policy. Es soll Zahlungen von US-Hilfs­geldern an internationale Organisationen verhindern, die sich mit Familien­planung beschäftigen. Kritiker nennen es «Global Gag Rule», Maulkorb­gesetz. Denn schon wer lediglich über Abtreibungen informiert, verliert die Hilfsgelder.

Im Laufe seiner Amtszeit verschärft Trump das Gesetz immer weiter, bis er schliesslich sämtliche US-Gelder an Uno-Organisationen streicht, die im Bereich der Familien­planung tätig sind.

Die Folgen sind fatal: Bis zu 12 Milliarden US-Dollar an Spenden seien 2018 weltweit von dem Gesetz betroffen gewesen, schätzt das Guttmacher-Institut. Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung sagt auf Anfrage der Republik, ihr hätten im Jahr 2018 rund 600’000 US-Dollar gefehlt. Dem Uno-Bevölkerungs­fonds, einem der wichtigsten Spender von Verhütungs­mitteln, fehlen nach eigenen Angaben jährlich rund 33 Millionen Dollar. Marie Stopes International spricht von einer Finanzierungs­lücke von insgesamt etwa 80 Millionen Dollar.

Weltweit mussten deshalb Kliniken geschlossen und Hilfs­programme beendet werden, ein Grossteil davon betrifft Projekte zu HIV und Verhütung. Aus Furcht davor, wegen des Gesetzes Hilfsgelder zu verlieren, ziehen sich gewisse Hilfs­organisationen ganz aus den Bereichen Verhütung und Aufklärung zurück.

Studien legen nahe: Diese Politik führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Abtreibungen weltweit.

Im Januar 2020 tritt Donald Trump auf eine Bühne in New York. Zehntausende Menschen jubeln ihm zu. Sie nehmen am «March for Life» teil, einem jährlichen Event von Abtreibungs­gegnerinnen, der in der Schweiz unter dem Namen «Marsch fürs Läbe» stattfindet. Trump ist der erste US-amerikanische Präsident, der offiziell an dieser Veranstaltung teilnimmt. Vielleicht auch als Danksagung an eine Szene, die ihn seit Jahren unterstützt: Die christliche Rechte bildet einen wichtigen Teil von Trumps Wählerschaft. Er steht auf der Bühne, sein schwarzer Mantel weht, er sagt: «Ungeborene Kinder hatten noch nie einen stärkeren Verteidiger im Weissen Haus.» Die Menge tobt. Donald Trump hat den Kampf gegen das Recht auf Abtreibung zur Chefsache erklärt.

Auf Stimmenfang: Donald Trump war der erste US-Präsident, der bei einem «March for Life» als Redner auftrat (Januar 2020). Roberto Schmidt/AFP/Getty Images

Während Jahrzehnten haben Abtreibungs­gegner auf der ganzen Welt kleine Feuer gelegt, um ihre Agenda voranzutreiben – Trumps Präsidentschaft hat wie ein Brand­beschleuniger gewirkt. Der weltweite Druck, den die Abtreibungs­gegnerinnen aufbauen konnten, ist eines seiner Vermächtnisse.

Als im Mai 2019 die Polizei den Arzt Bernard Fatoye festnimmt, stehen Organisationen wie Marie Stopes also bereits unter enormem internationalem Druck.

Gerne hätte die Republik mit Citizen Go über ihr Engagement in Nigeria gesprochen, doch auch auf mehrfache Nachfrage ist die Organisation nicht zu einem Gespräch bereit. Eine Liste von Fragen lässt die Presse­stelle unbeantwortet.

Auf der Homepage von Citizen Go sieht man: Die Plattform hat sich bereits neuen Zielen zugewandt. Sie fährt Kampagnen gegen die Einführung eines Gesetzes zu reproduktiver Gesundheit in Kenia, gegen eine Reform von Abtreibungs­gesetzen in Namibia, gegen staatliche Förderung der Weltgesundheits­organisation WHO weltweit.

Es sind einige Tausend Menschen, die solche Kampagnen von Citizen Go jeweils unterzeichnen. Das ist nicht wenig, aber auch nicht genug, um damit politischen Druck zu erzeugen. Die Politik­beraterin Gillian Kane sagt, die Stiftung baue damit ein Netzwerk auf. Es gehe bei den Kampagnen nicht wirklich darum, die Massen zu mobilisieren, sondern herauszufinden: «Wer ist auf unserer Seite, auf wen können wir zählen? Citizen Go hat einen gewaltigen Daten­schatz von Abtreibungs­gegnern.» Und jeder Unterzeichner dient als weiterer Knoten­punkt im Netzwerk.

Die Kampagnen von Citizen Go haben also nicht das eine konkrete Ziel. Sie sollen etwas viel Grundsätzlicheres erreichen: einen Kulturwandel.

Die lokale Partnerin der globalen Abtreibungsgegner

Dafür arbeitet Citizen Go mit lokalen Partnern zusammen. Die Organisation hilft ihnen, sich international zu vernetzen, und versorgt sie mit direkten Kontakten zu wichtigen Politikern. In Nigeria heisst der Partner «Foundation for African Cultural Heritage (FACH)». Diese «Stiftung zur Förderung afrikanischer Kultur» ist eine Art Dachverband für Abtreibungs­gegner in Nigeria. Dort sind zum Beispiel organisiert: der Verein katholischer Anwälte, die islamische Plattform und die nigerianische Liga für das Leben.

Nach etlichen E-Mails und Telefon­anrufen erklärt sich die Stiftung schliesslich zu einem Gespräch mit der Republik bereit. Im August dieses Jahres bittet eine Frau namens Obi Ideh, die Direktorin von FACH, in ihr kleines Haus in einer wohlhabenden Gegend in Lagos. Im Wohn­zimmer rollt ein Spielzeug­traktor für Kinder über den Boden, sie räumt eine Maltafel zur Seite. Es wirkt, als wolle sie zeigen: Kinder liegen mir am Herzen.

Ideh ist eine Frau, die ihr Lächeln nicht verliert, selbst wenn sie heftige Dinge sagt: «Der radikale Feminismus, die homosexuelle Lobby und Umwelt­schützer haben nur ein Ziel: Sie wollen uns hier in Afrika einen Zusammen­hang vom Recht auf Abtreibung und Mütter­sterblichkeit unterjubeln.»

Wächterin über das ungeborene Leben: Obi Ideh von der «Foundation for African Cultural Heritage».Kiki Mordi

Wenn Ideh über Afrika spricht, dann malt sie das Bild einer heilen Gesellschaft, die von Europäerinnen und US-Amerikanern erneut kolonialisiert werde – dieses Mal nicht mit Gewalt, sondern mit gefährlichen Ideen. Sie sagt: «Wir sind hier, um afrikanische Werte zu verteidigen.» Sie ist eine Frau mit einer Mission: gegen das Recht auf Abtreibung, gegen Sexual­kunde an Schulen und gegen Homosexualität. Sie glaubt, die nigerianische Gesellschaft schützen zu müssen. Vor Liberalen aus Europa, vor der Weltgesundheits­organisation – und vor Marie Stopes.

Sie sagt: «Die Leute hinter Marie Stopes sind Rassisten. Sie wollen afrikanische Frauen dazu bringen, abzutreiben, um uns zum Verschwinden zu bringen.»

Es ist vermutlich kein Zufall, dass FACH in dem Jahr gegründet wurde, in dem die Organisation Marie Stopes ihre erste Klinik in Nigeria eröffnete. Obi Ideh sagt: «Seit Marie Stopes nach Nigeria gekommen ist, haben wir ihre Arbeit überwacht. Sie behaupten, hier nur medizinische Nachsorge zu betreiben, doch in Wahrheit kommen sie, um illegale Abtreibungen durchzuführen.»

Wie Citizen Go ist die Stiftung FACH eng mit dem World Congress of Families verbandelt. Im Jahr 2017, als Donald Trump seine Präsidentschaft antrat, organisierte Ideh gemeinsam mit anderen nigerianischen Abtreibungsgegnerinnen die erste Regionalkonferenz in Afrika. Auf der Website des World Congress of Families wird ihre Organisation mittlerweile als Unterstützerin gelistet. Auf Fotos von damals kann man ausser Obi Ideh auch die rechte Aktivistin Sharon Slater aus den Vereinigten Staaten sehen, die für den Kongress nach Nigeria gereist ist. Hinter ihr prangt auf einem Banner das Logo von Citizen Go. Vermutlich begann damals die Zusammen­arbeit mit der Organisation.

Trotz Verbot treiben jedes Jahr bis zu 2,7 Millionen Nigerianerinnen ab. Cristina de Middel/Magnum Photos/Keystone

Ideh erzählt, wie sie in den letzten Jahren die Zusammen­arbeit mit Citizen Go vertieft hätten, wie sie gemeinsam Workshops und nationale Kongresse durchführten und wie sie schliesslich im Frühling 2019 gemeinsam beschlossen, Marie Stopes endgültig aus dem Land zu schmeissen.

Glaubt man der lächelnden Frau am Tisch, dann lief die Kampagne so ab: Mitarbeiter von FACH schickten einen Lockvogel zu Marie Stopes in Lagos, eine junge Frau, die Beweise sammeln sollte, dass in der Klinik illegale Abtreibungen durchgeführt werden. Angeblich habe sich die Frau als minderjährig ausgegeben und um eine Abtreibung gebeten. Über Wochen hinweg habe sie sich das Vertrauen von Doktor Bernard erschlichen. Anfang Mai stellte Citizen Go eine Petition zur Schliessung von Marie Stopes Nigeria online. Und Mitte Mai habe man der Polizei das belastende Material zuspielen können. Ziel war es, Druck auf die nigerianische Politik auszuüben.

Doch die Kampagne scheiterte, es wurde keine Anklage erhoben, der Fall von der Justiz nicht weiterbearbeitet.

Ideh sagt: «Anscheinend hat es dieses Mal nicht gereicht, aber wir werden Wege finden, um unsere Ziele zu erreichen.»

Es soll so etwas wie eine Warnung an Leute wie den Arzt Bernard Fatoye sein: Wir kriegen euch.

In seinem Behandlungs­zimmer tritt Fatoye ans Fenster, er schaut auf eine mehrspurige Strasse und sagt: «Ich weiss nicht, wer diesen Konflikt auf lange Sicht gewinnen wird. Aber vor 20 Jahren haben sich die Leute noch geschämt, Kondome zu kaufen, heute gibt es sie in jedem Laden. Wir haben hier ein Problem mit unsicheren Abtreibungen, und wir brauchen dafür Lösungen. Ich für meinen Teil stehe auf der Seite der Lösungen.»

Zu den Autorinnen

Paul J. Hildebrandt arbeitet als freier Journalist in Berlin für Print und Radio. Seine Arbeiten erscheinen unter anderem beim Deutschland­funk, in der «Zeit» und der taz. Birte Mensing ist ebenfalls freie Journalistin. Ihre Beiträge erschienen unter anderem bei rbbKultur, im Deutschland­funk und in der «Süddeutschen Zeitung». Sie lebt in Nairobi und ist Producerin für das ZDF-Studio. Kiki Mordi ist eine Emmy-nominierte investigative Journalistin aus Lagos, Nigeria. Sie arbeitet als Radio­moderatorin, Reporterin, Autorin und Dokumentar­filmerin, unter anderem für die BBC Africa.