Eine Stimme erhebt sich

Amerika wird von einer tödlichen Pandemie und von Antirassismus-Protesten erschüttert. Der Hass twitternde Präsident gerät ausser Kontrolle. Und Bob Dylan krönt sein Spätwerk mit einem Tableau mit Tyrannenmord.

Von Katarina Holländer (Text) und Patrick Widmer (Illustration), 18.07.2020

Als Bob Dylan uns im März plötzlich grüsste, da musste man das Schlimmste befürchten. Denn Bob Dylan spricht nicht zu seinem Publikum. Mitten im Lockdown erschien unvermittelt eine Inschrift auf der offiziellen Website. Man las:

«Greetings to my fans and followers with gratitude for all your support and loyalty across the years. (...) Stay safe, stay observant and may God be with you. Bob Dylan»

Das war nicht einfach eine Mitteilung des Managements. Bob Dylan schien uns persönlich etwas sagen zu wollen. Die Pandemie hatte seine «Never Ending Tour» zum Stehen gebracht. Konzerte in Japan und in Amerika waren reihen­weise abgesagt worden. Ertrug er das nicht? In der Botschaft drückt Dylan seinem Publikum seine Dankbar­keit für die ihm über all die Jahre hinweg gewährte Unter­stützung und Loyalität aus und er fügt einen, nun ja, Segen bei. War es sein Abschieds­gruss?

Nach einigen Tagen empfahl er dem geehrten Publikum einen neuen Song aus seiner Feder: «Murder Most Foul». Siebzehn Minuten sperriger Sprech­gesang zum Geklimper eines Pianos, der es schafft, einem bis ins Mark zu fahren. Eine Schilderung der Ermordung von Präsident John F. Kennedy. Sie mündet in eine lange vorgesungene Liste von Filmen, Songs und Dramen aus mehreren Jahrhunderten.

Man konnte aufatmen. Es schien sich also um einen PR-Gag zu handeln. Kurz danach wurden zwei weitere Songs freigeschaltet, «I Contain Multitudes» und «False Prophet», die, wie sich bald zeigte, ein neues Album einleiteten: «Rough and Rowdy Ways» ist am 19. Juni erschienen.

Und dann geschah das Undenkbare. Dylans Präsidenten­mords­stück mit Abgesang schlug ein wie eine Bombe. Zuerst kroch «Murder Most Foul» – während Millionen ihre Jobs verloren und Zehn­tausende ihr Leben in hoffnungs­losen Kämpfen mit einer Viren­seuche liessen – die Charts hoch. Und bescherte dem Singer-Songwriter – nach Dutzenden von Millionen verkaufter Alben und als er gerade sein 80. Lebens­jahr antrat – erstmals einen Nummer-1-Hit in den Billboard-Charts. Als das Album auf den Markt kam, eroberte es flugs Platz 1 nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland, Österreich, Norwegen, Niederlande, Grossbritannien, Irland, Portugal, Schottland und in Neuseeland, Platz 2 in Australien, Belgien und den USA.

So etwas hat es bei Dylan noch nie gegeben. Auch wenn er der einzige Künstler ist, der seit den Sechziger­jahren in jedem Jahr­zehnt in den Top 40 vertreten war.

Dylan erfindet sich als Exeget seiner Werke. Und das Publikum ist dabei – während sich die Kids Cola holen und die Dylanologen Notizen machen

Bob Dylan hatte zwar einst regel­recht von der Bühne herab­gepredigt, doch ist es schon länger her, dass er aufgehört hat, zu seinem Publikum zu sprechen. In seinen Konzerten kommt kein Wort über seine Lippen, das nicht zu einem Song gehört, er sagt nicht einmal seine Band an, die rituell stumm, mit unbewegten Mienen und in geschlossener Formation mit ihm gemeinsam die Brandung des Applauses entgegennimmt.

Phasenweise machte Dylan dann noch eine Geste, einen Kniefall oder etwas mit den Armen, aber auch das ist mit der Zeit entfallen. Es wird eine Reduktion gepflegt, die in krassem Kontrast zu den Bühnen­shows anderer Stars steht und den Starkult nicht betont. Dylan zelebriert die Meta­morphosen seiner Songs und sonst gar nichts. Ausser ein paar Cover-Songs – zuletzt waren das meistens Stücke aus Frank Sinatras Repertoire.

Daran ist nichts öde. Denn das Spektakel von Bob Dylans Abend für Abend aus dem Moment geborener Dekonstruktion seiner eigenen älteren Kom­positionen lässt mitunter den Atem stocken. Dylan hat einen Fundus von über einem halben Tausend Songs geschaffen, die sich nicht nur in die Tradition des amerikanischen Liedguts eingeschrieben und das Repertoire des 20. Jahr­hunderts nachhaltig verändert haben, er hat mit seinen verwickelt poetischen Lyrics die Verse­schmiedereien des Folk­songs, aber auch die öfter einfach gestrickten Texte des Rock ’n’ Roll für immer auf ein anderes Niveau gehoben. Längst bedient er sich seines eigenen Œuvre als einer Art Steinbruch.

Die Konzerte sind Zelebrationen der Selbst-Exegese. Als sei Singen ein Akt des «Knockin’ on heaven’s door», klopft Dylan seine alten Songs ab und verändert alles an ihnen: Arrangement, Melodie, Tonart, Phrasierung, Rhythmus, Tempo, Stimmung, Verständlichkeit und zuweilen auch den Text.

Als Exeget seiner Werke und nicht nur deren Interpret erfindet er sie ständig neu. So ist Dylans künstlerische Arbeit in seinem Alterswerk nicht primär auf den offiziellen Alben zu finden, sondern im Erlebnis seiner Performance. Ohne kanonische Schwere, sondern mit Swing, Rock oder Blues verkörpert er die Erfindung des Augen­blicks und verwandelt, während die Kids Cola holen und die Dylanologen Notizen machen, die Bühne in eine existenzielle Werkstatt und das Publikum in Zeugen des Erschaffungs­prozesses.

Durch die Dekonstruktion und wiederholte Neukonstruktion seiner Werke präsentiert er nicht Produkte und Reproduktionen, sondern Kreation. Und setzt sich so dem Wagnis des Scheiterns aus; man konnte auch schlechte Abende erwischen. Atemberaubend kann dies wenigstens für jenen Teil der Zuhörer­schaft sein, der nicht vorher rausgegangen ist, weil der Folk- oder Rock-Star, dessen «Blowin’ in the Wind» man am Lagerfeuer so gerne gesungen hatte, in dem alten bluesigen Mann mit Hut nicht wieder­zu­finden war.

Dabei ist Bob Dylan ein schwer unter­schätzter Witz­bold. Da fragte ihn der Geschichts­professor und Autor Douglas Brinkley vor wenigen Wochen in der «New York Times»: «Welche Rolle spielt die Improvisation in deiner Musik?» Sagt Bob Dylan: «Überhaupt keine.» Und als sei die Pointe noch nicht stark genug, legte der Gross­meister der ständig in Wandlung begriffenen Songs noch eins drauf: «Du kannst die Natur eines Songs nicht verändern, nachdem du ihn einmal erfunden hast.»

LOL! Dennoch werden nicht wenige vor lauter Verblüffung erst recht weiter­gelesen haben. Denn der Singer-Songwriter, von dem sich die Meinung, er könne gar nicht singen, hartnäckig auf den Hinter­rängen hält, zaubert anschliessend eine vertrackt doppel­bödige Definition von Improvisation hin. Und bietet zahl­reiche weitere bedenkenswerte Antworten an. Etwa, dass er die Pandemie als einen Vorläufer sehe von etwas anderem, das auf uns zukomme.

Und da Äusserungen des Meisters in den letzten Jahren rarer als das Nördliche Breitmaul­nashorn geworden sind, ist andächtiges Zergehen­lassen auf der Zunge ein verständlicher Reflex.

Legende Woody Guthrie ist bis heute eine Referenz für Dylan. Der Erneuerer des Folk hatte eine klare Botschaft auf seiner Gitarre: «This machine kills fascists»

Seit 1988 ist der Musiker auf der im Volks­mund «Never Ending Tour» genannten unablässigen Reise um die Welt zu hören, mit jährlich immer noch um die 100 Auftritten. Bis die 2020 grassierende Pandemie auch ihm Einhalt geboten hat: Tournee abgesagt.

Es ist vielleicht nicht ganz abwegig, in Bob Dylans Leben «on the road», von dem sich die meisten anderen Performer früher oder später zurückziehen, jene existenzielle Geste wieder­zu­erkennen, die er 20-jährig als Auftakt so etwas wie gelobt hatte. Auf seinem Debüt­album, das «Bob Dylan» hiess (woraufhin Robert Allen Zimmerman diesen Namen offiziell angenommen hat), präsentierte der Sänger haupt­sächlich Traditionals, darunter auch «House of the Risin’ Sun», vorgetragen mit einer mal nach Woody Guthrie, mal nach Blues­keller klingenden Altmänner­stimme. Eingeflochten waren aber auch zwei Eigen­kompositionen, mit denen er sich selber vorstellte.

Die erste schildert seine Ankunft in New York und den Beginn seiner Karriere, während die zweite ein Programm enthält: «Song to Woody» ist nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ein Tribut an Woody Guthrie, den legendären Erneuerer der Folk­musik mit einer Gitarre, auf der «This machine kills fascists» zu lesen stand. Auf Woodys «1913 Massacre»-Melodie über­schreibt der ambitionierte junge Mann seine eigenen, Woody gewidmeten Verse und schreibt sich damit förmlich in die Folk­tradition ein. Feierlich tritt Dylan auf seiner ersten LP, auf der es sonst vom ersten bis zum letzten Song ums Sterben und Verrecken geht, begleitet vom Rasseln der Zuchthaus­ketten und nur gelegentlich unter­brochen von bluesigem Lechzen nach einem Weibs­bild, in Woodys Fuss­stapfen. Danach folgt auf dem Album nur noch ein letzter Song, «See That My Grave Is Kept Clean», der schon aus dem Grab gesungen ist.

Nicht nur blieb «Song to Woody» bis ins 21. Jahr­hundert in Dylans Repertoire, er hat sein Gelöbnis auch gehalten: Nachdem er seinem Singer-Songwriter-Vorbild, das jahre­lang auf Wander­schaft war, die Reverenz erwiesen hat, schliesst er den Song mit einer Art Versprechen: «I’m a-leaving’ tomorrow, but I could leave today / Somewhere down the road someday / The very last thing that I’d want to do / Is to say I’ve been hittin’ some hard travelin’ too.» – Er wünsche, dass er am Ende seiner Tage sagen könne, dass auch er, wie sein Idol und wie der vagabundierende Wander­arbeiter in dessen Song «Hard Travelin’», die Mühen nicht gescheut und die Welt unter die Füsse genommen hätte. Hiess es in Woodys Refrain ursprünglich «I’ve been havin’ some hard travelin’, lord», so setzt der junge Schnösel dort, wo «lord», «der Herr», stand, mit unerschütterlichem Selbst­bewusstsein sich, «too», «auch (ich)», beiläufig hin. Diese ambivalente Setzung ist Dylans Signatur.

Im Lockdown des Jahres 2020, einer Notmassnahme gegen das vom Corona­virus ausgelöste Massen­sterben, das besonders drastisch in Dylans Generation wütet, könnte des Sängers «very last thing» bald auszusprechen vielleicht dringlich werden. Man kommt nur schwer um diesen Gedanken herum. Im oben erwähnten Interview in der «New York Times» wurde Dylan, der von seiner Villa in Malibu aus telefonisch antwortete, auch mit der Frage konfrontiert, ob die Sterblichkeit ihn oft beschäftige – zumal er gerade einen neuen Song veröffentlicht habe («I Contain Multitudes»), in dem der Vers «I sleep with life and death in the same bed» zu hören sei. Er denke, antwortete Dylan, über den Tod nicht auf eine persönliche Weise nach, eher allgemein: Er denke über das Ende der menschlichen Rasse nach.

Bis heute ist das Spiel mit den Masken das Ding des Sängers: «Wenn jemand eine Maske trägt, so wird er dir die Wahrheit sagen.» Und ohne Maske? Eher nicht

Wirklich sprechen hörte man Bob Dylan zuletzt in Martin Scorseses 2019 auf Netflix heraus­gekommenem Film «Rolling Thunder Revue». Es schien zunächst – nach Scorseses «No Direction Home» (2005) über Dylans Sechziger­jahre – einfach ein weiterer Dokumentar­film zu sein, diesmal über die Mitte der Siebziger und Dylans legendäre Tournee. «Rolling Thunder Revue: A Bob Dylan Story by Martin Scorsese» ist jedoch Story­telling mit doppeltem Boden – und der jüngste, mit kollektiver List inszenierte Jux.

Wenn der Trailer in Stummfilm­manier die «real story of what happened» anpreist, so sollte einem der gleich danach rasch hinein­geschnittene kuriose Herr in grinsender Maske nicht entgehen, der auf unbestimmte Weise näher hinzuschauen versucht. Drei Sekunden später sieht man dann Dylan vor einem Auftritt seinerseits eine Maske anziehen, und der heutige Dylan sagt dazu: «We didn’t have enough masks on that tour …» Dann folgt die Schauspielerin Sharon Stone, die erzählt, wie sie damals eingeladen wurde, backstage dabei zu sein, was der heutige Dylan auch bestätigt – nicht, dass es deswegen wahrer wäre! «With never before seen footage», melden die Zwischen­titel weiter, «from the most rebellious tour ever, between the myth and the truth, is a journey like no other», worauf Georges Méliès’ klassische Film­zaubertrick­vorführung von 1896 erscheint, die eine Dame – Schnitt­technik sei Dank – unter einem Tuch zum Verschwinden bringt.

Auf dem Weg vom Folk- zum Rockmusiker: Bob Dylan 1965 bei den Aufnahmen zum Album «Highway 61 Revisited» in den Columbia Studios in New York City. Michael Ochs Archives/Getty Images

Verspielte Lese­anleitungen zu einer unauffällig mystifizierenden Pseudo-Doku, in der man die Protagonisten sich an jene fernen Tage erinnern sieht. Dylan selbst wird auch zu den 40 Jahre zurück­liegenden Ereignissen befragt. Einleitend antwortet der Künstler, der in «Chronicles Volume One» (auf Deutsch als E-Book erhältlich), dem ersten und bisher einzigen Teil seiner Auto­biografie in Buchform, durch ein offenbar mit extremen Details bestücktes Gedächtnis bestach, in die Kamera: Ah, das ist so lange her … «I don’t remember a thing about it … I wasn’t even born!» Um das alles auf die Spitze zu treiben, richtet Dylan seinen Blick auf die Kamera und spricht: «Wenn jemand eine Maske trägt, so wird er dir die Wahrheit sagen. Wenn er keine Maske trägt, ist das höchst unwahr­scheinlich.» Ob die Maske vor Dreh­beginn auch zählte, wird nicht erwähnt.

Das Spiel mit den Masken ist von Anfang an Dylans Ding. Als 1961 der junge Robert Zimmerman aus Duluth in Minnesota in New York ankam, um seine Karriere anzutreten, fabulierte der Mittelstands­sprössling aus dem Mittleren Westen, er sei ein Hobo ohne Bleibe, ein Waisen­kind aus dem Nirgendwo, das schon die halbe Welt bereist habe. Klang halt besser. Bobby tingelte als «Woody-Guthrie-Jukebox» so erfolg­reich von Kneipe zu Kneipe, dass er wenige Monate später einen Vertrag mit Columbia und seine erste LP aufgenommen hatte.

Als er an Halloween des Jahres 1964 in der New Yorker Philharmonic Hall alleine auf weiter Bühne stand und zwischen­durch zum Stimmen der Gitarre unter­brechen musste, bemühte er sich, sein Publikum dabei zu unterhalten: «Keine Bange», liess er sie wissen, «es ist einfach Halloween …, ich habe meine Bob-Dylan-Maske an!»

Die Maskerade ist als Kunst­prinzip in gewissem Sinne auch zu einem Lebens­prinzip und immer wieder durch­gespielt und reflektiert worden. Auf der «Rolling Thunder Revue»-Tour trat Dylan mit weiss beschmiertem Gesicht auf. Wild wirkte er, und das sollte auch so sein. Auch wenn er nicht die Ruhe von Jean-Louis Barrault als weisser Pierrot in «Les Enfant du paradis» ausstrahlte und auch nicht jene eines Kabuki-Darstellers, so trat doch etwas Pantomi­mi­sches mit auf die Bühne, als spreche die Maske selber, als erhebe sie sich aus dem Toten­reich und hätte sich Dylan geschnappt.

Eine Umkehrung der «Jazz Singer»-Geste. Im ersten Ton-Spielfilm aus dem Jahre 1927 sieht man, wie sich der Kantoren­sohn (Al Jolson), im Bestreben, seine osteuropäische Herkunft hinter sich zu lassen und im modernen Amerika anzukommen, das Gesicht mit Russ schwärzt und wie sich durch diesen Blackface-Auftritt sein Schicksal wendet. Er reisst sich von seiner musikalischen Tradition los und macht als Jazz-Sänger Karriere. Wobei Jazz im Film kaum erklingt. Das Gesicht des Musikers selber wird für die Erwartungs­projektion der Menge freigegeben, die einem eingefärbten weissen Juden lieber applaudiert als einem echten «Neger» (dessen Aussenseiter-Musik es sich gerade anverwandelt).

Die Juden sahen sich ebenfalls veranlasst, sich etwas zu maskieren, auch wenn es nicht ihre Haut­farbe war, die sie auslieferte. Al Jolson spielt in dem Film ein Stück weit auch seine eigene Geschichte, diejenige von Asa Yoelson aus Seredžius, nahe Kovno (Kaunas). Wer weiss, wie gut die Yoelsons im litauischen Kovno die Solemovitzʼ kannten; Bob Dylans Grossvater Benjamin Solemovitz war von dort nach Amerika gekommen. Oder der Mobster Bugsy Siegel, der auf Dylans neuestem Album genannt wird, er hiess Benjamin Siegelbaum. Houdini kommt vor, eigentlich Erik Weisz. Und Kirk Douglas, der in «Lonely Are the Brave» (1962, «Einsam sind die Tapferen») mitspielt, das ebenfalls erwähnt wird, ist als Issur Danielowitsch Demsky geboren worden. Dylans Mutter war Beatrice Stone – doch die Stones hiessen eigentlich Edelstein und waren als während der grossen Emigrations­welle um 1900 Eingewanderte die eigentlichen «Rolling Stones». Und Robert Zimmermans Aneignung der amerikanischen Lied­tradition kommt einem Titanenakt gleich, der des Jazz-Singers schwarz beschmiertes Gesicht bleich aussehen lässt.

Die Maskerade auf Textebene hat Dylan zu einem Schlawiner der Inter­textualität gemacht. Man hat ihn schon erwischt, wie er Zitate aus einem kaum bekannten japanischen Buch in verschiedenen Songs auf seinem – am Tag von 9/11 – im Jahr 2001 erschienenen Album «Love and Theft» («Liebe und Diebstahl») verstreute. Wobei der Titel selber gestohlen ist, nämlich von «Love and Theft: Blackface Minstrelsy and the American Working Class», Eric Lotts Buch von 1995 über das Phänomen des «Blackface» als Ausdruck der Dialektik des kulturellen Diebstahls an den Afro­amerikanern, der die amerikanische Musik so geprägt hat.

Gestohlen oder «gestohlen». So gesehen muss man zugeben, dass praktisch jedes Wort immer schon «gestohlen» und ein Zitat ist. Wo genau die Grenze zwischen individuellem Ausdruck und Aneignung oder gar geistigem Diebstahl zu ziehen wäre, ist nicht eindeutig und wird immer wieder neu verhandelt. Nicht zuletzt mit sich verändernden Medien. Und Bob Dylan ist auf seine Weise eine Art Medium. Er schildert selber, wie er, in New York angekommen, an die Autoren der Beat Generation Anschluss fand, sich in den Platten­läden die Musik reinzog und alles wie ein ausgetrockneter Schwamm in sich aufnahm – und zwar so, dass er die Lieder nach einmaligem Hören intus hatte.

Er füllte sich mit Melodien, Rhythmen, Versen, Stimmen, Stilen und Geschichten an und machte sich zu einem organischen Teil der Folk­tradition. Er sang die traditionellen Lieder so lange, bis ihm ihre musikalische Sprache in Fleisch und Blut über­gegangen war, und er begann eigene zu machen, die von den «echten» schwer zu unterscheiden waren. Die Folk­songs «waren in mein Empfinden und Denken eingebettet wie eine Religion», schrieb er, «sie waren mein Leit­stern und mein Reise­führer auf dem Weg zu einer anderen Wahrnehmung der Wirklichkeit, in ein anderes, befreites Land». Die Welt­haltigkeit dieser kurzen Werke, die ganze Lebens­geschichten entbreiteten, faszinierte ihn. «Es ist schwer zu beschreiben, was Menschen oder Ereignisse auszeichnet, die sich als Gegenstand eines Folk­songs eignen. Wahrscheinlich kommt es darauf an, ob jemand gerecht, ehrlich und offen ist. Eine abstrakte Tapferkeit.»

Das waren noch Zeiten: Ein angehender US-Präsident zitiert aus einem Song von Dylan – und wenige Wochen später wird Jimmy Carter tatsächlich gewählt

1975, auf der «Rolling Thunder Revue»-Tour, hatte Dylan längst das Image des Folk­sängers abgelegt, der mit umgeschnallter Mund­harmonika solo zur Akustik­gitarre singt, und er hatte mit seiner Rock­band «fucking loud» zu spielen begonnen – so lautete sein berühmter Befehl an seine Musiker 1966 in Manchester, als er sich dafür, dass er Verstärker zum Einsatz brachte, den «Judas!»-Verräter­ruf aus dem Publikum einhandelte. «Ich glaub dir nicht!», schrie er daraufhin ins Publikum zurück, «… du bist ein Lügner!», drehte sich um und befahl: «Play it fucking loud!» – «Spielt verdammt laut!» Und sie legten los mit «Like a Rolling Stone», dass es fetzte.

«Here he is, back from the grave», hatte sich Dylan backstage selbst­ironisch angekündigt, bevor er auf die Bühne stieg, um zu einer seiner zahl­reichen Neuerfindungen anzusetzen. Eine elektrisierende Energie rollte mit dem «Rolling Thunder»-Tross durchs Land, als dieses nach Watergate und den Jahren des Vietnam­kriegs vielleicht ähnlich gespalten war, wie es heute unter Trump ist. Viele liessen sich elektrisieren. Einer unter ihnen war Jimmy Carter.

Carter war mit Gospelmusik aufgewachsen und ein bekennender Dylan-Fan. Bevor er kurz nach «Rolling Thunder» zum 39. Präsidenten der USA gewählt wurde, zitierte er Dylan in seiner Nominierungsrede vor dem Parteitag der Demokraten (ca. Minute 34.20 im Video): «Wir haben ein Amerika, das, in Bob Dylans Worten, gerade dabei ist, geboren zu werden, und nicht, zu sterben» («he not busy being born is busy dying»).

Und Carter vergass auch nicht, ihn mit dem MusiCares-Preis auszuzeichnen. Der «Stimme seiner Generation» einen Preis zu verleihen, liess sich auch Präsident Bill Clinton nicht entgehen, nachdem Dylans «Chimes of Freedom» an seiner Inaugurations­feier erklungen war, und von Präsident Barack Obama wurde der einstige Repräsentant der Bürgerrechts­bewegung ins Weisse Haus eingeladen, von wo aus seine hinreissende Kammer­version von «The Times They Are A-Changin’» in die ganze Welt ausgestrahlt wurde.

Die von Carter zitierten Verse stammen aus «It’s Alright, Ma (I’m Only Bleeding)», und dort folgt ihnen etwas später auch das noch berühmtere Vers­paar «But even the president of the United States / Sometimes must have to stand naked». Seit 1965 fordert Dylan den höchsten Repräsentanten seines Landes in seiner Menschlichkeit und Allzu­menschlichkeit heraus, mit einer Beschwörung, die vielleicht an die populär­psychologische Masche, sich bei Angst­zuständen das einschüchternde Gegenüber nackt auf dem Klo vorzustellen, erinnern mag. Aber die Verve, mit welcher der junge Dylan diese Verse aus sich warf, gemahnte schon eher an ein vielleicht gar nicht so fernes – könnte es scheinen – Jüngstes Gericht.

In der «Rolling Thunder Revue», als Nixon (dessen Maske sich Dylan auf der Tour auch übergezogen haben soll) eben zu Fall gebracht worden war, spie er die berühmten Verse vom nackt dastehenden Präsidenten nur einmal in den Äther. Hingegen gehörte «Knockin’ on Heaven’s Door», komponiert für den Sound­track zu Sam Peckinpahs Film «Pat Garrett & Billy The Kid» (Bob Dylan spielt darin natürlich die Rolle des Alias), zu den am häufigsten gespielten Songs. Es waren Cover-Versionen vor allem von Eric Clapton und Guns N’ Roses, die diesen Song zu einem Welthit machten und in die Charts brachten. In den Worten des sterbenden Sheriffs wird auch das Polizisten-Ich als abzulegende Maske transparent gemacht – nach George Floyds Tod ist dieses Thema heute überall in den News und in den Strassen Amerikas aktuell: «Mama, take this badge off of me / I can’t use it anymore.»

Der Weg von Spiritualität zu Spirits ist nicht weit: Aus einem Songklassiker wird ein Whiskey, und Dylan wird zum werbewirksamen Schweisser

«Heaven’s Door» katapultiert uns fast forward in die Gegenwart. Denn Heaven’s Door ist jetzt eine Whiskey-Marke. Die 2018 lancierte (seit 2020 auch in Europa erhältliche) und bereits vielfach preis­gekrönte Whiskey-Kollektion ist ein Bravour­stück des Merchandising und ein dylaneskes Gesamt­kunstwerk. Willkommen im 21. Jahr­hundert: Die Himmels­pforten, an die einst Sterbende pochten, sind heute eine Homepage, der Zugang ist leicht, ein Klick und man ist drin. Auf der Seite gibt es nicht nur Premium-Whiskey, sondern auch Bilder und Metall­objekte des Künstlers zu kaufen.

Die jüngste Bescherung spricht dabei mit leicht gespaltener Zunge: Die Ende 2019 präsentierte «Bootleg Series», eine limitierte Edition für 500 Dollar pro hand­gefertigte Flasche, wird als Tribut an die von Columbia Records seit 1991 herausgegebenen «Bootleg Series» dargestellt, die Alternativ-Versionen, Live­aufnahmen, Home-Recordings und Outtakes veröffentlicht. Das ist natürlich ein Insider­witz. Denn wenn man von Dylan-Bootlegs spricht, meint man in erster Linie die Produkte des seit über einem halben Jahrhundert von Fans betriebenen «Bootlegging», den Handel mit unveröffentlichten Aufnahmen, sogenannten Bootlegs, die einst inoffiziell verbreitete Vinyl-LPs waren und dann vor allem – oft unter Beachtung eines Ehren­kodex – unter Fans gedealte Musik­kassetten, später CDs, heute Streams. Dank seiner Fans ist die Bühnen­arbeit dieses Künstlers auf eine einmalige Art dokumentiert, seit Jahr­zehnten wird jeder Live­auftritt trotz strengen Verbots in Freiwilligen­arbeit mitgeschnitten.

Heaven’s Door Spirits präsentiert sich artgerecht gediegen und doch als Gag, der sich durch Selbst­referentialität sein Augen­zwinkern nicht verkneift. «At times I think there are no words / But these to tell what’s true / And there are no truths outside the Gates of Eden», hiess es schon in den Sechzigern in «Gates of Eden». Öffnet man heavensdoor.com, tritt Dylan in einer Schweisser­maske hervor, wie er an seinen metallenen Himmels­toren herumschweisst, dass die Funken sprühen.

Dann klappt er auf einem zweiten Bild die Maske hoch, schaut zu seinen «Gates of Eden» hinauf und sagt: «Gates appeal to me because of the negative space they allow. They can shut you out or shut you in. And in some ways there is no difference.»

Drittes Bild. Dylan, elegant verkleidet als der Performer, der er ist, in einer Bibliothek sitzend, ein altes Buch in einer, Whiskey in der anderen Hand, scheint konzentriert zu lesen. Rimbaud? Shakespeare? Goethe? Dante? Keats? Für die Heilige Schrift ist es eindeutig zu dünn. Während warme Beleuchtung von oben fällt, scheint ein seltsam kaltes, weisses Licht hinter dem edlen Trinker auf: Von der Rücken­lehne starrt uns eine über­dimensionierte Maske mit weit aufgerissenem Auge entgegen, gewisser­massen durch den Lesenden hindurch. Riesig und doch unbemerkt hockt Dylan etwas im Rücken. Ist es Mephisto? Der Joker mit seinem geschniegelten Gesicht, der Gaukler, für den sich alles in Spiel auflöst, der Hofnarr, der Trumpf, der höchste Wert im Spiel? Die Guy-Fawkes-Maske aus «V wie Vendetta»? Die, welche das Anonymous-Kollektiv übernommen hat? Heisst Dylans eigener Film von 2003 nicht «Masked and Anonymous»? Die Maske hinter der Maske: Sie hat sich verselbstständigt – und «contains multitudes».

Nochmals ein Präsident: Als Dylan den Nobelpreis bekam, auch als Symbolfigur der Bürgerrechtsbewegung, betrat ein blonder apokalyptischer Reiter die Bühne

Der Schweisser im Bild ist auch ein Literatur­nobelpreis­träger. Dass diese Auszeichnung einmal einem Lieder­macher verliehen werden würde, war an sich nicht zu erwarten gewesen, es sei denn, man wusste, dass Bob Dylan 20 Jahre auf der Anwärter­liste stand. Kaum jemand glaubte wirklich daran, aber das schwedische Nobel­komitee hatte 2016 ein Einsehen und entschied sich, dem dichterisch ohne Seines­gleichen dastehenden Singer-Songwriter, zugleich Symbol­figur der Bürger­rechts­bewegung des 20. Jahr­hunderts, das Aufsehen, das ein Nobel­preis mit sich bringt – zufällig oder nicht – gerade in jener Zeit zukommen zu lassen, als die amerikanischen Demokraten im Rennen um die Präsident­schaft gegen einen Donald Trump ringen mussten, der auf dem hohen Ross wiehernder Lügen – die Sporen aller Rassismen in die Flanken seines weissen Renn­pferds drückend – wie die toupierte Karikatur eines blonden apokalyptischen Reiters auf die Bühne trat und versprach, den Highway des American Dream zur «road to hell» zu machen.

«Alleine mit seiner Gitarre und Mundharmonika liess Dylan die riesigen Räume des Stadions irgendwie zu einem intimen Kreis um ein Lagerfeuer schrumpfen», schrieb der «Rolling Stone»: Im Juli 1984 vor 72’000 Fans im Wembley, London. Michael Putland/Getty Images

Auch der Geehrte schien verblüfft. Er tat, was er zu tun pflegte, er schwieg. Er würde keine Rede vor König und Publikum halten. Er tourte weiter, als sei nichts; die Welt sah sich brüskiert. Für wen hält der Mann sich? Die ergreifende Patti Smith, die an Dylans statt bei der Feier sein vor Unglück warnendes «A Hard Rain’s A-Gonna Fall» vortrug, verhaspelte sich. Erst ein halbes Jahr später lieferte Dylan schliesslich virtuell eine Rede ab. Dylans Unwille, öffentlich zu sprechen, liess ihn sogar einen derartigen Affront riskieren.

Als der grosse Schweigende in der tobenden Corona-Krise sein Publikum ansprach, hatte das entsprechend Wirkung. Aber was meinte er eigentlich genau mit den Worten «stay observant» in seinem Gruss? Achtsam sollen wir sein? Wachsam? Gottesfürchtig? Auf der Hut? Meinte er, man solle beten?

Oder wollte er sagen, man solle aufpassen? Dem Präsidenten und seiner Truppe auf die Finger schauen? Als sich Dylan im Dezember 2016 geweigert hatte, an der Nobel­preis­feier zu sprechen, war Trump gerade gewählt worden. Nun war fast die ganze Welt im Lockdown, aber der mächtigste Mann der Welt im Oval Office war einzig mit sich selber beschäftigt.

Was da seit 2016 vor sich ging und geht, konnte auch Dylan nicht kalt lassen. Und da präsentierte er uns «Murder Most Foul», seine zeitlose Ballade vom Präsidenten­mord. Seit 2012 sein Album «Tempest» erschienen war, hatte Dylan nur Cover-Inter­pretationen neu heraus­gebracht, viele davon aus dem Reper­toire von Frank Sinatra; sein Gesang, der über Jahre hinweg die Tendenz gehabt hatte, eher in Stimm­lagen wie Bellen, Fauchen oder Krächzen zu exzellieren, als dem Heulen und Provozieren früherer Jahre zu ähneln, wurde dadurch verfeinert und wuchs in melodischen Subtilitäten, die schliesslich auch im Vortrag seiner eigenen Stücke aufzuscheinen begannen. Alte Schlacht­rösser wie «Like a Rolling Stone» wurden plötzlich luftig und zärtlich und leicht. Auf «Tempest» hatte er die Titanic in sage und schreibe 45 Strophen walzend versinken lassen, eins-zwei-drei, eins-zwei-drei, Wellen­schlag, Wellen­schlag, eine grosse Gaudi voller grotesker Details und ein sehr, sehr langer Walzer. Doch «Murder Most Foul» ist länger.

Und jetzt das neue Album, es erscheint just am Tag der Befreiung der Sklaven in den USA. Es war nach dem Mord an George Floyd ein Tag der überwältigenden Proteste

«Rough and Rowdy Ways» ist am 19. Juni erschienen. Der diesjährige «Juneteenth», ein Tag des Gedenkens an die Befreiung der Sklaven der USA, wuchs sich nach dem Mord an George Floyd zu einem gewaltigen Protest­tag unter #BlackLivesMatter aus, was natürlich nicht absehbar gewesen war, und auch nicht, dass Menschen in Schutz- und anderen Masken in den Strassen bei den Protesten dieser Tage verletzt oder gar sterben würden. «Blackface singer, whiteface clown / Better not show your faces after the sun goes down», singt Dylan in «Murder Most Foul»: Da sind sie wieder. Wäre nicht noch der orange gefärbte Clown einzusetzen, der sich zur Sicher­heit im Bunker verkriecht? Seit dem Erscheinen des Albums – und das wird weiter andauern – beschäftigt sich die geneigte Welt, allen voran das welt­weite Netz hingebungs­voller Dylanologen, damit, «Murder Most Foul» und die weiteren Songs zu deuten.

Kaum je hat Dylan ein Album derart unter ein bestimmendes Thema gesetzt. Oder wäre Stimmung richtiger gesagt? Dabei konnte man diesen Song­writer eben für das nicht Schliessende lieben; für seine hoch­gradig poetischen, so oft in nichts Allegorisches übersetzbaren Wendungen, den inhärenten Aufruhr der Unmittelbarkeit, die so oft knirschenden und gesprengten Metaphern; für seine mit stechenden Glas­scherben bespickten Bilder und mit heftiger Stoss­kraft vorgetragenen und später hemmungslos brüchigen Lieder, denen gerade die Kuppeln der Eindeutig­keit nicht aufzusetzen waren. Das sind sie allerdings auch in den späten «Rough and Rowdy Ways» nicht, die akustisch übrigens weniger rough daher­kommen als früher und viel öfter zu schlendern scheinen. Alles scheint in ein spätes Licht getaucht, das vom Nieder­gang nicht nur einer Sonne nahe des Horizonts herrührt. Die Richtungen bündeln sich auf die Idee einer unvorher­gesehenen Heim­kehr hin.

Schon anfangs seiner 20er-Jahre ein Symbol für die rebellische Zeit: Posieren für die Vermarktung von Album Nr. 3: «The Times They Are A-Changin» im Jahr 1964. Michael Ochs Archives/Getty Images

Es schmerzt, dieses wieder­kehrende Abschieds- und Heimkomm-Zeichen von einem, der selber der Rolling Stone «with no direction home» gewesen war. Dylan wagt aber vielleicht einfach, auch diese Zuschreibung als Klischee abzulegen. Etwas Gespenstisches geht davon aus. Von diesem vermeintlich empfangs­bereiten Zuhause. Wobei dieses Gespenstische doch auch wieder durch die Transparenz der Einsicht aufgehoben wird, dass auch holprige Wege und solche, die unten­durch führten oder erkämpft werden mussten, eine Ausrichtung aufweisen können. Auf einen Horizont hin. Und den gibt es ja bekanntlich nicht.

«How does it feel?», möchte man fragen. Und Dylan antwortet (weiter im Interview mit der «New York Times»), dass er sich so, wie es sein Song «I Contain Multitudes» wiedergibt, fühle. Dieser sei, wie in letzter Zeit andere auch, in einer Art Trance geschrieben worden; die Songs scheinen zu ihm zu kommen und sich selber niederzuschrieben.

1968 nahe seines Hauses bei Woodstock. Nach einem Motorradunfall hatte sich Dylan zwei Jahre ins Privatleben zurückgezogen, auf grosse Tour ging er danach erst 1974 wieder. Elliott Landy/Magnum Photos/Keystone

Dylan beschrieb das schon früher mit Bezug auf seine überwältigende Produktivität in den Sechziger­jahren. Mit der Vielfältigkeit des Selbst, das weit über das Individuum hinaus­reicht, wie er es in diesem Song beschreibt, identifiziere er sich, sagt Dylan, wirklich. (Ob er dabei eine Maske anhatte, wissen wir nicht. Aber die Vielfalt der Ich-Gestalten macht die Maske, auch als Wahrheits­filter, am Ende obsolet.)

Wenn er darin singt: «I’m just like Anne Frank, like Indiana Jones / And them British bad boys, The Rolling Stones / I go right to the edge, I go right to the end / I go right where all things lost are made good again», so verbindet er den Film­helden Indiana Jones demnach nicht um des Reimes Willen mit Mick Jagger und seinen Kumpels. Nein, diese drei – eine historische, im nazi­deutschen Konzentrations­lager Bergen-Belsen ermordete junge jüdische Frau aus Frankfurt, ein fiktiver Spielberg’scher Retter der verschollenen Bundes­lade mit dem Staub der mosaischen Gesetzes­tafeln, der verhindert, dass der Rest von Moses’ Gottes­tafeln nach Nazi­deutschland deportiert wird, und eine britische Rock­band, deren Name gleichzeitig auf einen der grössten Hits von Dylan selber sowie auf ihn und seine Abstammung verweist – seien «irgendwo im Universum» zusammen­geschlossen. Er könne das selber kaum erklären, das seien jedoch «Fakten». So Dylan wörtlich im Interview.

Es gibt an «Rough and Rowdy Ways» einiges zu tüfteln, zu interpretieren. Aber nicht für Dylan, der braucht das nicht, der singt. Und weiss, dass andere diese Arbeit gerne auf sich nehmen

Eine solche Art von automatischem Schreiben, dem stream of consciousness – dem Bewusstseinsstrom folgend – eine Praxis, die auch die Surrealisten und gewisse Mystiker praktizieren – wirft womöglich ein Licht auf Form, Länge und Struktur eines guten Teils von Dylans späten Songs. Wenn man sich als Künstler, wie er es gemäss dieser Aussage zu tun scheint, so weit­gehend als Medium erlebt und auffasst, als Durchgangs­kanal und Auffang­gefäss, dann ist die Selbst­auffächerung eine nahe­liegende Erfahrung, die zugleich eine zunehmende Kritiklosigkeit dem gegenüber mit sich bringen kann, was da durch­gegeben wird. Dem Unter­bewussten wird eine Ordnungs­macht über­antwortet, die irgendwie gültigere Kategorien repräsentieren dürfte. Die Assoziation wird zu einem bestimmenden Triage-Instrument. Jegliches taucht mit gleichem Stellen­wert auf.

Diese Hierarchie­losigkeit in eine verbale Struktur zu retten zu versuchen, bringt unter anderem Listen, Aufreihungen hervor, auch absurde Setzungen, die Priorisierungen aufzulösen bestrebt sind. In Dylans spätem Werk sind Zeit und Raum verschiedentlich so durcheinander­gewirbelt, dass dies als eine literarische Möglich­keit aufgefasst werden könnte, ihre kategorisie­renden Funktionen aufzuheben. In solchem Licht erscheint eine über­geordnete Bedeutung von Metaphern oder übertragener Sinnhaftig­keit verzichtbar. Sinn entsteht im Erlebnis des Entstehens, in der Erfahrung des Sich-Fügens. Dies nachvoll­ziehbar zu machen, wäre ein Kern der Performance, die ein kollektives Erleben der Fügung wäre.

Der Autor als «Channel» wählt aus dem potenziell endlosen Strom aufgrund welcher Kriterien auch immer, er bündelt und begrenzt. Und wenn er Dylan ist, reimt er vielleicht noch etwas nach, wer weiss. Entsprechend schildert der Autor, wie er seine eigenen Lyrics auffasst: «It’s one of those [songs] where you write it on instinct. Kind of in a trance state. Most of my recent songs are like that. The lyrics are the real thing, tangible, they’re not metaphors. The songs seem to know themselves and they know that I can sing them, vocally and rhythmically. They kind of write themselves and count on me to sing them.»

Wenn der Dichter selber seine Bilder als metaphern­lose Fakten setzt, dann, könnte man (irrtümlicher­weise) denken, erübrigt sich auch jede Inter­pretation. Das Lied kann auch ohne solche genossen werden und berührt, wie jedes gut gefügte Werk. Allerdings gibt es keine Töne ohne Ober­töne, und keine Sprache ohne vielfältige Bedeutungs­schichten, und jeder Mensch bringt ein anderes Verständnis hervor. Auch mag nicht jede, nicht jeder auf diese Weise «Fakten» geniessen wollen. Andere graben gerne, tüfteln, verknüpfen, interpretieren, suchen zu verstehen, geniessen auch diese Suche.

Dylan braucht das nicht.

Er singt.

Und so kann man, sofern man denn möchte, die zehn Songs, «I Contain Multitudes», «False Prophet», «My Own Version of You», «I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You», «Black Rider», «Goodbye Jimmy Reed», «Mother of Muses», «Crossing the Rubicon», «Key West (Philosopher Pirate)» und das separat auf die zweite Scheibe gesetzte «Murder Most Foul» herrlichst rauf und runter interpretieren, tief­gründig, makaber, rätsel­haft, wider­sprüchlich, musik­geschichtlich, apokalyptisch, alters­müde, bedeutungs­voll, kopf­schüttelnd – der Autor will es a priori als belanglos enttarnt haben, weiss jedoch, dass er sich in einer einmaligen Lage befindet. Denn da draussen lagern Kompanien seiner Zuhörer­schaft, die diese Arbeit sofort mit Freude und Gewinn auf sich nehmen.

Klar ist: Es geht um Herrscher. Sie werden gewarnt. Und geht es nicht sogar um eine «magic bullet» im Kopf des Präsidenten?

Mit den zwei einleitenden Songs «I Contain Multitudes» und «False Prophet» führt sich das singende lyrische Ich als ein oszillierendes ein; und dann – in einem Sound, der eher an Al Capone oder Tom Waits denn an die himmlischen Heer­scharen denken lässt – als eine prophetische, von jenseits der Zeit her sprechende über­persönliche Stimme: «Ich kann mich nicht erinnern, wann ich geboren wurde, hab’ vergessen, wann ich starb.» Sie definiert sich aus der Negation und der Selbst­referenz: «Ich bin kein falscher Prophet. Ich weiss, was ich weiss (…), ich sagte, was ich sagte.» «Es ist, was es ist», berichtet Dylan weiter hinten zum Kennedy-Attentat; wir kennen diese Formel von 2. Mose 3:14. Der Tag dieses Propheten ist ewig. Man findet ihn – sie, die Stimme – unter den Superlativen. Er/sie spricht von sich in Luther-Zitaten und kabbalistischen Vorstellungen. Und ja, alle anderen können sich begraben lassen, ausser ihr, dieser Stimme.

Allerdings betreibt diese Ich-Stimme schon einen ziemlichen Aufwand, um sich mit ihrem Auftrag vorzustellen: «I’m here to bring vengeance on somebody’s head.»

Es gilt, Vergeltung über jemanden kommen zu lassen. Auf seiner Gospel­tour, als Dylan sich als wieder­geborener Christ gab und aufrütteln wollte, klang das 1979 so: «I like America, just as everybody else does. I love America, I gotta say that. But America will be judged.» Obwohl Dylan nach wie vor die geschlossenen Konturen der Eindeutig­keit oder der Tröstlich­keit als ein Spiel der Illusion zerbricht, baut er über mehrere Songs hin eine Stimme auf, die diesen Somebody als sein Widersacher direkt anspricht, schön grüsst und gleich auch klar­macht, worum es hier geht. Da wird einer zur Rechen­schaft gezogen. Somebodys Regentschaft – oder Regierung – ist im Angesprochen­werden bereits Vergangen­heit, die «geister­hafte Erscheinung» des Sprechenden hingegen bleibt präsentisch: «Hello stranger – Hello and goodbye / You ruled the land, but so do I / You lusty old mule – you got a poisoned brain / I’m gonna’ marry you to a ball and chain».

Ein Fall abstrakter Tapferkeit. Es bahnt sich ein Zwei­kampf an. Der Ball, der hier anfangs im Ketten­gerassel aufgeworfen wird, scheint am Ende in der letzten Nummer als «magic bullet» im Kopf des Präsidenten zu landen. Oder steht mal wieder das Jüngste Gericht bevor? Im folgenden dritten Song, «My Own Version of You», heisst es: «I’ll see you maybe on Judgment Day / After midnight, if you still wanna meet», und im letzten ist es, nach dem Präsidenten­mord, dann schon «thirty-six hours past Judgment Day», und der Antichrist ist bereits da.

«Hello and goodbye: You ruled the land – but so do I»: Jedenfalls eine deutliche Warnung an den Herrscher im Land. Überhaupt haben diese zehn Lieder bemerkens­wert viel mit Herrschern am Hut, nebst der höchsten Macht, dem singenden, Zeiten und Räume umfassenden Ich, und neben dem namenlos bleibenden Somebody kommen die Präsidenten Kennedy und Johnson und Truman vor, verkappt auch Franklin D. Roosevelt, und weiters Cäsar, mehrfach, sowie Hamlets Vater, eines ermordeten Königs Geist. Einer wird vor unseren hörenden Augen perfekt ermordet und ersetzt, der andere ist schon ermordet und liefert den Titel für den ersteren, einer wird zitiert, und einer bewohnte in Key West – wohin alle Wege hier führen – das alternative Little White House. Mit dem Römer schliesslich, auf den das Erdolcht­werden auch wartet, identifiziert sich der Singende in «Crossing the Rubicon» und bricht entschlossen zum Kampf gegen den Senat auf.

Man sieht sich beim Jüngsten Gericht. Für Dylan keine ungewohnter Ort, für ihn sind biblisch klingende Bildwelten, sind Glaubenswelten so natürlich wie sein Atem

Der dritte Song, «My Own Version of You», ein bezauberndes oder makabres oder meta­physisches oder kubistisches Liebes­lied, ist als ein Franken­stein-Song aufgefasst worden, da darin das Fügen von «body parts» zwecks Erschaffung eines Wesens eher schauerlich dargestellt wird.

Da sucht sich einer die nötigen Bestand­teile, um sich messer­bewehrt sein Do-it-yourself-Du zusammenzustücken: «I wanna create my own version of you (…) Do it with laughter, and do it with tears.» Die poetischen Fakten des Zusammen­stückelns geben natürlich auch die Entstehung des Songs selber wieder, der unter anderem mit erneutem Hamlet-Zitat gesalzen und mit Cäsar-Beschwörung gepfeffert «etwas zum Wohle der ganzen Mensch­heit» erschaffen will.

Und es ist auch eine Golem-Geschichte.

Und eine dylanische Variante jener Geschichte, die Mythen rund um den Globus erzählen, von der Ursehnsucht des Schöpfers nach dem Geschöpf, das er aus zerbrochenen Ur-Teilen fügen und möglichst perfekt fügen muss. Denn nur wenn alle Teile richtig gefügt sind, ist das Werk vollbracht, erfüllt sich die Liebe: «I’ll be saved by the creatures that I create.» Die Stimme erschafft nach ihrem Eben­bild und nimmt als Ingredienzien, was sich anbietet, «Scarface» und etwas «Godfather» sind zur Hand. Und auch wenn es etwas später heisst: «If I had the wings of a snow white dove / I’d preach the gospel, the gospel of love», dann wäre diese Fügung selbst­verständlich eine völlig metaphern­lose Trinität, und der teuflische Witz ist auch griff­bereit: im Vorbei­rauschen noch schnell ein Blick ins Feuer geworfen, wer schmort denn da? Mr. Freud und Mr. Marx, «some of the best known enemies of mankind» …

Man sieht sich also beim Jüngsten Gericht. Und dann richtet er – sie, die Stimme – die Waage aus, und viele Details über­springend erweckt er, erweckt sie zum Leben, wo es angesagt ist. Man sieht sich wieder. Und ein früheres Miss­verständnis klärt sich auch noch auf: «I’ll hear your footsteps, you won’t have to knock.»

Dylan dürfte geschmunzelt haben.

Was auch immer ein stream of consciousness bei jemandem aufwerfen mag, der ein intensives, belesenes Leben lang Songs und Texte und Bilder, Kultur­erzeugnisse aller Art, eingesaugt und eingelagert und angereichert hat: Es gibt hier keine Blasphemie, da es sich nicht um religiöse Bilder im Sinne gefügter, organisierter oder dogmatischer Glaubens­welten handelt.

Mehrfach hat Dylan das zurecht­gerückt und erklärt, dass diese biblisch klingenden Bild­welten für ihn so natürlich wie sein Atem seien. Sie sind ihm durch sein frühes Eintauchen in die Folk­welt, die von biblischen Anklängen und Troubadour-Traditionen geprägt war, ins Blut über­gegangen und zu seiner Terminologie geworden, ihre Bilder sind seine sprachlichen Versatzstücke.

Sprechen, Singen und Zitieren sind unauflösbar verflochten, Sinn, also Ausrichtung, entsteht nicht zuletzt aus minimen Verschiebungen, Neu­fügungen, neu entdeckten Brüchen. Das Universum der zehn Songs der «Rough and Rowdy Ways» fügt die Bilder, die Texte umso enger, je weiter man sich ihnen widmet. Wie Anne Frank, Indiana Jones und Rolling Stones ist alles «irgendwo» verbunden. Wenn man will, kann man die folgenden Songs – «I've Made Up My Mind to Give Myself to You», «Black Rider», «Goodbye Jimmy Reed», «Mother of Muses», «Crossing the Rubicon», «Key West (Philosopher Pirate)» – weiter in diesen Kontexten auffassen. Fakt ist, dass nach dem Song zur Ehrung des Bluesman Jimmy Reed die Szenerie wechselt.

Dylans Songs umfassen Jahrhunderte: Mnemosyne, die Göttin der Erinnerung und Mutter der Musen, wird angesungen wie auch ihre eine Tochter Kalliope. Und auch Cäsar darf nicht fehlen

Wir finden uns plötzlich von Virginia in die Antike versetzt, und es erklingt ein nach allen Regeln der Kunst und in der Tradition eines Homer oder eines Vergil geschmiedeter Musen­anruf. «Mother of Muses», gesungen mit der getragenen Feierlich­keit eines Christmas carol, eines Weihnachts­lieds – aber mit dieser fragilen Alters­stimme, die sich nicht ins Fauchen flüchtet, sondern richtig schön zu singen sucht, irgendwie rosa, herz­ergreifend. Schillernd und zerknittert wie Schmetterlings­flügel ist sie und flattert in bedenkliche Höhen auf, zart und rau zugleich. Dieserart langsam, wie Dylan – mit kleiner Verneigung Richtung Stockholm – seinen Nachweis darbringt, dass Literatur immer schon gesungen war, könnte er allerdings auch als Trauer­marsch dienen.

So singt er Mnemosyne an, das Gedächtnis, den Ursprung der Musen, sie möge für ihn singen. Von der Schönheit der Natur, der Würde des Menschen, von der Liebe und den Helden der Freiheit. Vielleicht liegt noch ein Flirt mit Tochter Kalliope drin, der Muse des Saiten­spiels, der Elegie und der epischen Länge? Es bleibt offen. Müde bittet Dylan schliesslich, doch in die Umarmung der Mutter, des Gedächtnisses, sinken zu dürfen: «Mother of Muses, wherever you are / I’ve already outlived my life by far» – «Ich habe mein Leben längst überlebt». Und schliesst den Musen­anruf mit dem für den unsteten Sänger schockierenden Vers: «I’m travelling light and I’m a-slow coming home.» Es gehe langsam heimwärts.

Familienvater: Bob Dylan mit seinen Kindern Samuel Isaac Abram (2, links) und Anna Lea (3) im Jahr 1970. Elliott Landy/Magum Photos/Keystone

In seiner Auto­biografie lässt der 1941 geborene Dylan seine Geburt der Erwähnung des Eichmann-Prozesses folgen – wer wie er «um diese Zeit geboren wurde oder am Leben war, konnte spüren, wie ein Zeit­alter verging und ein neues anbrach». Und er war vielleicht der Erste, der in seiner Generation 1964 in «With God on Our Side» diesen Riss in der Zivilisation, den sechs­millionen­fachen Mord an den Juden, mark­durchdringend in die populäre Musik eingebracht hat. Dylan macht es sich nie bequem, in keiner Idylle und auch in der bukolischen Antike nicht, nicht in den Armen der Göttin und nicht beim Erschaffen seiner Geliebten. Er schlägt Haken, ändert den Blick­winkel, lässt die Rück­seiten nicht aus. Und so bricht die Realität des Kampfes überall ein, und jeder Ausflug, und ginge er in die Vergangenheit, findet in der Gegenwart des Brechens statt. Die Sklaverei und das besinnungs­lose Morden sind bei der Darstellung der Schöpfung in seiner Wieder­gabe nicht auslassbar. Bob Dylan ist ein Poet der Vergegenwärtigung.

Auch hier, mitten in den Sphären der inspirierenden Musen, reisst der Abgrund auf. In die Reihen der Nymphen und der Heroen lässt Dylan zu einer kriegerisch werdenden Pauke im Hinter­grund unerwartete Helden einbrechen. Möge Mnemosyne auch ihr Lied zu singen nicht vergessen: «Sing von Sherman, Montgomery und Scott / von Schukow und Patton und den Schlachten, die sie schlugen.» Diese Generäle stehen für die Sieger im amerikanischen Bürger­krieg und im Zweiten Welt­krieg, für die Kräfte, welche die Sklaven­halter und die Nazis besiegt haben. In Dylans Kultur­geschichte waren sie es, die die Freiheit erkämpft haben, die zwei neue Könige hervor­gebracht hat: Elvis Presley und Martin Luther King. Die Geschichten dieser Helden könnte er Tag um Tag neu erzählen. Das für ihn zu tun, erbittet er von der Göttin der Erinnerung. Dem folgt «Crossing the Rubicon».

Dylan verweilt nochmals in der Szenerie der Antike. Beim berühmtesten der ermordeten Herrscher, Julius Cäsar. Er stülpt sich ihn über in dem Moment, als er sich entscheidet, den Rubikon zu überqueren, bereit zu kämpfen, bereit, es mit dem Senat aufzunehmen. Und wenn er beim Über­schreiten des Rubikon singt: «I feel the Holy Spirit inside and see the light that freedom gives / I believe it’s within the reach of everyman who lives / Keep as far away as possible – it’s darkest ’fore the dawn / I turned the key and I broke it off and I crossed the Rubicon», so führt der Weg von dort mit dem wie eine hinter sich verbrannte Brücke gebrochenen Schlüssel einerseits nach «Key West» im folgenden Song, ans Ende von Disc 1, auf einen Horizont der Heimkehr zu, an den die Wege hier, über Rom hinaus, führen. Und anderer­seits leitet die Kampf­ansage zum anderen Herrscher­mord über, zur Tat, die jenseits dieses Horizonts separat auf Disc 2 mit «Murder Most Foul» und darin auch dem «Key to the Highway» wartet. Und wo schein­bar das Gegen­teil verkündet wird: «Freedom, oh freedom, freedom over me / I hate to tell you, mister, but only dead men are free.»

Wie der Meister alles zusammenfügt, macht aus diesem Album ein schwindelerregendes, grandioses Geflecht von Zitaten und Verweisen

Dass Amerika in den vergangenen Monaten Zeuge eines Macht­kampfs mit einem Senat geworden ist – etwa beim Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump –, bleibt aussen vor. Dylan äussert sich ja nicht zur Tages­politik. Seine Stimme überschreitet ihren Rubikon im Song an einem explizit datierten Tag, dem 14. März. Doch das ist nicht der Tag von Julius Cäsars historischer Kriegs­erklärung gegen den römischen Senat, die mit der Fluss­überschreitung besiegelt wurde (an einem 10. Januar). Es ist der Tag vor seinem Tod, dem 15. März 44 vor Christus; der Tag, bevor er selber, nach seinem ursprünglichen Sieg über alle Gegner, schliesslich von Brutus und den Senatoren erdolcht werden wird. Denn Cäsar selber hat sich zum Diktator entwickelt. Auch er erreicht seinen Point of no Return.

Dylans «kubistische» Technik, Disparates zusammenzufügen, macht aus diesem Album ein meisterhaftes, schwindel­erregendes Geflecht und Gefecht von Zitaten, Bezügen und Verweisen (den «body parts»), gesungen in einer abgeklärten Lockerheit, welche die Stimme weit in den Vorder­grund rückt. Es ist Bob Dylans später Höhe­punkt. Nicht jedem Künstler, der älter wird, wächst auch ein Spät­werk. Besonders nicht in der Sparte, in der dieser Künstler unterwegs ist, in der Pop-Rock-Welt mit ihren Stadien, Tour­bussen, T-Shirt-Sujets und Schlüsselanhängern.

«Key West is the place to be / If you’re lookin’ for immortality / Key West is paradise divine. / Key West is fine and fair, / If you’ve lost your mind / You’ll find it there. / Key West is on / The horizon line» – es klingt wie eine Parodie auf all die Versprechungen, wo – es ist ja stets anderswo – das Glück auf Erden zu finden wäre. Auf der Suche nach Unsterblichkeit, of all places, ausgerechnet nach Key West zu gelangen, auch wenn man vielleicht ein philosophischer Pirat sein mag, ist eher trostlos.

Am Anfang des letzten Songs der ersten Doppel­album­platte geht es wieder ans Sterben und auf die Suche nach Liebe und Inspiration. Es ist eine Ballade in simplen Verslein, die das ganze Inventar der Volks­lieder abruft. Das Ich scheint zunächst auto­biografisch zu sein, es kommt von den Beat Poets her und vom Blues, doch später will es noch als Kind mit einer Prostituierten verheiratet worden sein. Am Anfang über beide Ohren verknallt, liebt es einige Strophen weiter gar niemanden. Key West, der letzte Ausläufer der Florida Keys, verheisst ein winter­loses Land von Wind und Licht. Man ist etwas verloren in diesem Key West. Horizonte gäbe es auch anderswo, und Hemingway, der dort zehn Jahre seines «rough and rowdy» Lebens verbracht hat, wird im Song nicht einmal erwähnt. Dafür noch ein Präsident: Harry S. Truman, der Präsident des Kriegs­endes 1945 und des Atom­bomben­abwurfs, der dort im «Little White House» gerne seine Ferien verbrachte.

Vielleicht sollte es nicht über­raschen, dass in einem Roman namens «Lost in Key West» (2013) ein Mann verloren südwärts fährt, der Unfall­tod seiner Frau in Malibu (also nahe bei Bob Dylans realem Haus) geht ihm nicht aus dem Kopf. Was ihn an den letzten Insel­flecken im Süden, nach Key West, gebracht hat, war zu viel Schnee im Norden – und noch etwas. Ihm fehlte «ein Ort, um meine Musik zu spielen»: «Alle wollten, dass ich etwas spiele, was sie schon kannten, und mir war es verleidet, in den Bars von Cleveland ständig Kurt Cobain oder Bob Dylan zu spielen. Hier spiele ich, was ich will.»

Da gesteht ihm jemand, dass auch er mal einen Song geschrieben habe, doch er habe nur den Text. Und der Musiker, dem Bob Dylan langsam aus dem Hals raushing, fügt Musik zum Text, und so entsteht im Buch des kalifornischen Bundes­steuer­anwalts Philip Garrett Panitz (nicht zu verwechseln mit Patrick Floyd Garrett, dem Sheriff in dem Film, für den «Knockin’ on Heaven’s Door» geschrieben wurde) ein Song ohne festes Ich. Als der Held am Ende etwas vortragen soll, kommt erst ein «Dylan classic» aus ihm heraus, «Serve Somebody». Erst dann wagt er es, sein Ich-loses Lied zu spielen. Was der Beginn einer steilen Karriere ist. Hier legt einer seine Bob-Dylan-Maske ab.

Ein selbst­referenzieller Kosmos, der längst keine Grenzen mehr kennt.

Und jetzt der Abschluss, der Höhepunkt: ein 17-minütiges Epos über den Mord an Kennedy. Es ist der erste Song, der Dylan an die Spitze der Charts brachte

Jenseits des südlichen Horizonts ereignet sich dann der schon im vorangestellten Titel angekündigte Mord. Die angekündigte Vergeltung? Ein perfekter Mord, Präzisions­arbeit. Ein meta­physischer Präsidenten­mord oder ein klassischer Tyrannen­mord. Was zählt, ist am Ende nur die Gegenwart des Vollzugs, der Gesang. Und der leitet über in eine Coda, eine Feier, die wie ein Abschied auf die abend­ländische Kultur auftritt, als eine Art Wunsch­liste, die das Sterben des Präsidenten begleitet; oder ist es vielleicht umgekehrt? Als Kulmination und Endpunkt des Abgesangs fügt Dylan sich selber mit dem Song, in dem diese Einordnung Gestalt annimmt, in die Kette ein. Als ihre Fort­setzung und ihr Abschluss. Das «Hard travellin’» im Lockdown dauert 17 Minuten und umfasst Jahrhunderte.

Es beginnt mit einem düsteren, dräuenden Bordun, einem Halteton. Dann klimpert ein Barpianist darüber, und bald fängt die Stimme eines alten Mannes an zu erzählen: «Es war ein düsterer Tag in Dallas, im November 1963 …»

Man wähnt sich in einer schummrigen Bar, wo ein Alter, wie jeden Abend, mit wässrigen Augen am Tresen hockt und vor sich hin plappert. In Reimen. Man kennt ihn, ein Kauz eigener Güte. Der nie aufgeklärte Mord an Kennedy hat ihn zu faszinieren nie aufgehört, es ist seine private Obsession. Er versetzt sich lustvoll in den Mörder, bewundert den perfekt ausgeführten Mord vor aller Augen, dann ist er wieder in Woodstock, erinnert sich an irgendeine Party, im Rotlicht­viertel, dann wieder Kennedy. Als hätte er neben ihm gesessen, damals, in der Limousine, in den Sechzigern … Der Alte, wer nähme ihn noch ernst. Allabendlich hält er hier seine Monologe, sein Talent, zu reimen, ist köstlich, manchmal hört man hin, um sich daran zu ergötzen, es trudelt nur so aus ihm heraus; die Zeiten, als manchmal noch jemand eintrat, der ihn zu verstehen versuchte, sind lange vorbei.

Vier Monate nachdem aus Robert Allen Zimmerman offiziell Bob Dylan geworden war: am 22. Dezember 1962 an der Christmas Party im Singers Club, London. Brian Shuel/Redferns/Getty Images

Das ist die Atmosphäre des Songs. Albernes Gebrabbel, er kippt von Wort zu Wort, von Reim zu Reim, und je mehr er getrunken hat, desto dichter hagelt es Reime, und am Ende landet er jedes Mal bei diesem «Murder Most Foul». Er weiss, dass ihm längst niemand mehr zuhört. Der Barpianist manchmal mit halbem Ohr, wenn er sich langweilt an den Tasten. Der Geiger ist mit seinen Gedanken schon zu Hause, niemand hört hin, als der kauzige Alte bei seinem fünften Whiskey sich selber zitiert, und «in God we trust» … Er spricht in Shakespeare-Titeln, in Jazz-Nummern, in Stumm­filmen, wer soll ihn verstehen, den Süffel, mit seinen Lizzys und Patsys und Marilyns. Er denkt an all die Stücke, die er nochmals hören möchte, sehen, Filme, die ihn zum Lachen und zum Weinen brachten, all das würde er Mr. President gerne nochmals vorspielen, bevor der den Geist aufgibt … Der Kauz gehört zum Inventar, er spricht in Song­titeln, wie wir uns manchmal in Dylan-Titeln unterhalten.

Bob Dylan spult den Mord aus verschiedenen Sicht­winkeln ab, mal scheint das sprechende Ich Kennedy zu sein, mal der Mörder, mal meint man, sich in der offiziellen Version zu befinden, mal in der Verschwörungs­theorie, mal sind wir im Delirium, mal spricht vielleicht ein Kommentator. Kohärenz auf verbaler Ebene ist nicht das Gesuchte. Wer sich in den Details verliert, ist verloren. Auch wenn es nichts als Details und praktisch nur Zitate gibt. Dass das Verdikt «Murder most foul» von Hamlets Vater aus dem Jenseits den Kennedy-Mord bezeichnen sollte, ist nicht Dylans Erfindung. Er zitiert damit nebst «Hamlet» auch Stanley J. Marks und dessen 1967 erschienene Schrift «Murder Most Foul! The Conspiracy That Murdered President Kennedy», die in 975 Fragen und Antworten der angenommenen Verschwörung hinter dem Mord an John F. Kennedy nachgeht. Sicher hätte Dylan gerne mit 975 Versen geantwortet.

Dylan und Kennedy, eine lange Geschichte: Schon 1963, drei Wochen nach dem Mord am Präsidenten, erhielt Dylan einen Preis und sorgte bei seiner Dankesrede für einen Skandal

Die «Story», die hier zusammen­gesetzt wird, ist nur noch Musik und hat sich ihres erzählenden Ichs längst entledigt. Dieses setzt sich mit der Aufforderung, sein letztes Werk zu spielen – «play Murder Most Foul» als Signatur an den Schluss: selbst ein Zitat (Dylans, der im Song seinen Song zitiert) eines Zitats (des Albums) eines Zitats (des Titels von Marks) eines Zitats (von «Hamlet») eines Zitats (des Geists, der sich, den ermordeten König, zitiert): eine aberwitzige Engführung und eine meisterhafte Referenz an jene erste Signatur des Zwanzig­jährigen im «Song to Woody», wo er sich, «too», an die Stelle des Herrn ins Zitat gesetzt hatte.

Die entpersönlichte Stimme versetzt sich dabei auch in die Mörder, im Plural, womit der Zweifel an der offiziellen Version des Attentats zu einer der Stimmen im Chor wird. Im Mörder-«Wir» wird Dylans Stimme beinahe weich, wenn sie ausspricht, sie seien gekommen, um noch offene Schulden einzutreiben. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Dylan in den Mörder versetzt. Er tat es schon damals: Etwa drei Wochen nach dem Attentat auf Kennedy erhielt er vom National Emergency Civil Liberties Committee den Tom Paine Award für seinen Kampf für die Bürger­rechte. Beim Bankett sass er neben James Baldwin, und die beiden schienen es gut zu haben.

Er war 22 und wurde eben zum linken Folksinger-Propheten gekrönt, was ihm gar nicht behagte. Er hatte nicht vor, sich in dieser Beweihräucherung niederzulassen, trank ein paar Gläser mehr, und als es an ihm war, zu danken, purzelte eine Publikums­beschimpfung aus dem jungen Mann, die den Versammelten bescheinigte, dass sie hoffnungslos veraltet waren und den Jungen doch endlich Platz machen sollten.

Damit nicht genug, teilte er der Fest­gemeinde mit, dass er sich durchaus in den Attentäter versetzen könne. Der Skandal war perfekt. Immerhin hatte Dylan ein paar Monate zuvor zur Gitarre fantasiert, Präsident Kennedy riefe den Song­writer an und frage ihn, was er tun könne, um dem Land Wachstum zu bescheren. Dylan empfahl, Brigitte Bardot, Anita Ekberg und Sophia Loren zu importieren; wie da die Bevölkerung schnell wachsen würde!

Die Zeiten verwirbeln sich. Cäsar ist in Dallas angekommen. Dieses Dallas liegt im Jahr 1963, und es liegt im Jahr 44 vor der Zeit­rechnung, es liegt im Jahr 1941 und es liegt im Jahr 2020 nach Christus. Unmittelbar bevor Dylan diesem auftanzenden Kultur­reigen mit seinem letzten Reim und mit sich selber im Shakespeare-Gewand den Schluss­punkt setzt, tritt «Julius Caesar» (Dylan bindet ihm nun, wie sich selbst, die Shakespeare-Maske um) im dritt­letzten Vers auf. Bei Shakespeare deklamiert er: «Der Feige stirbt schon vielmal, eh er stirbt, / Die Tapfern kosten einmal nur den Tod. / Von allen Wundern, die ich je gehört, / Scheint mir das grösste, dass sich Menschen fürchten, / Da sie doch sehn, der Tod, das Schicksal aller, / Kommt, wann er kommen soll.» Bei Dylan flüstert Cäsar im Off, nur sein letzter Vers schlüpft auf die Zunge des Sängers: «Death [...] / Will come when it will come.» Wobei hier die zukünftige Ankunft des Todes in die Gegen­wart rutscht: «Death will come when it comes.»

Das neue Album ist um die Jahres­wende herum aufgenommen worden, mitten in einer sich vertiefenden Krise, während dem Land ein menschen­verachtender, selbst- und herrsch­süchtiger Ratten­fänger vorsteht. Wir wissen nicht, ob der Vers «Don’t worry, Mr. President, help’s on the way» nicht die Worte von Kamala Harris aufgreift, wie vermutet worden ist: «Don’t worry, Mr. President. I’ll see you at your trial», geschrieben Anfang Dezember 2019. Bis dann hatte sie erwogen, 2020 gegen Trump anzutreten.

Wie das Überschreiten des Rubikon beginnt auch diese Mord­geschichte mit einer Datierung: «Twas a dark day in Dallas – November ’63 / The day that will live on in infamy / President Kennedy was riding high / A good day to be living and a good day to die» – John F. Kennedy wurde am 22. November 1963 ermordet. Durch den zweiten Vers, der erst unauffällig wirken mag und auf «sixty-three» reimt, versetzt Dylan der ganzen Angelegenheit noch einen anderen Aspekt. Es ist ein Zitat eines anderen Präsidenten, Franklin D. Roosevelt, aus seiner berühmten «Infamy Speech», die er nach der Attacke auf Pearl Harbour 1941, Dylans Geburts­jahr, gehalten hatte: «Yesterday, December 7th, 1941 – a date which will live in infamy – the United States of America was suddenly and deliberately attacked by naval and air forces of the Empire of Japan.» Der Überfall zog den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg nach sich und schliesslich den Sieg der Alliierten. Der zweite Vers spricht also von einer Mobilisierung Amerikas.

Durch diese Über­lagerungen erscheint die Ermordung von Kennedy, die überleitet in ein fantastisches Defilee der Kultur vor dem sterbenden «König», eine Art «Rolling Thunder Revue» auf der Desolation Road, womöglich in Richtung zu Mnemosyne gesungen, auch als Rückblick auf Dylans eigenes Leben, auf die Kultur, die sein Werk hervor­gebracht hat, und als deren Kulmination, Amalgam, Prozessor und Spross er sich darstellt. Von Shakespeares «Kaufmann von Venedig» und Beethovens «Mondschein­sonate» zu Jazz und Blues und Buster Keaton, von Gangster­bossen zu gefeierten Stars wird ein Teppich ausgerollt, auf dem sich die Zeiten wandeln, wird eine Nation evoziert, der ihre Seele ausgerissen worden ist, und der Rück­blick landet einmal mehr in der Gegenwart, in dieses Album, diesen Mord, dieses Zitat: «Murder Most Foul».

Unser Witzbold widmet den längsten Song seines umfang­reichen Œuvres einer detaillierten Schilderung des Kennedy-Attentats und sagt, wenn er gefragt wird, ob er schon länger darüber etwas hätte schreiben wollen, wofür es Indizien geben soll: «Mir ist nicht bewusst, dass ich je über J. F. K. einen Song hätte schreiben wollen», sagt er der «New York Times». Solche Songs über bestimmte Figuren fielen ihm, so Dylan, aus blauem Himmel zu, ohne dass er sie planen würde. Sie tauchen, erklärt er, zu ihrer Zeit aus dem Unter­bewusstsein auf. Die Folk-Tradition kenne ja eine lange Reihe von Songs über Gestalten wie John Henry, Mr. Garfield oder Roosevelt: «I guess I’m just locked into that tradition» – er sei wohl in dieser Tradition gefangen. «Zu sehr ins Detail zu gehen, ist irrelevant. Der Song ist wie ein Gemälde; wenn man zu nahe steht, kann man das ganze Bild nicht erfassen. Die individuellen Bestand­teile sind nur Teile des Ganzen. (…) [«Murder Most Foul»] spricht aus dem Augenblick heraus zu mir. Das war immer so, und besonders, als ich die Verse niederschrieb.»

Bob Dylan versetzt uns in die Gegenwart.

«The future for me is already a thing of the past.»

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«Rough and Rowdy Ways». Columbia Records (19439780982), veröffentlicht am 19.06.2020, 2 CDs. Bob Dylan (vocals, guitar, harmonica), Charlie Sexton (guitar), Robert Britt (guitar), Donnie Herron (steel guitar, violin, accordion, mandolin), Tony Garnier (bass guitar, acoustic bass), Matt Chamberlain (drums). Weitere Musiker: Blake Mills, Benmont Tench, Alan Pasqua, Fiona Apple, Tommy Rhodes.