Rassismus nach Plan
Wie ein staatliches Zonensystem aus den 1930er-Jahren die schwarze Bevölkerung bis heute benachteiligt: eine Reportage aus Oakland, Kalifornien, über räumliche Dimensionen des Rassismus in den USA.
Von Arndt Peltner (Text) und Marissa Leshnov (Bilder), 19.06.2020
«Das ist nicht Oakland», meinte der Polizist mit einem Lachen zu mir. Ich sass auf der Polizeiwache im Eastmont Town Center. Er hatte mich gefragt, wo ich wohne, und ich antwortete Montclair, ein Stadtteil von Oakland.
Was er damit meinte, wurde schnell klar. Montclair liegt in den «Hills», viele der Häuser dort haben einen Blick auf die Bay, auf San Francisco und das Golden Gate. Nur wenige Häuser werden dort unter einer Million Dollar verkauft.
Wenige Kilometer Luftlinie entfernt, in den flatlands von Oakland, liegt das Einkaufszentrum, in dem das OPD, das Oakland Police Department, eine Aussenstelle unterhält. Ein paar Polizeiwagen stehen davor, daneben ein McDonald’s Drive Through. «Ich zeige dir gleich mal das richtige Oakland», meinte der Beamte, 35-jährig, hochgewachsen und muskulös. Er sagte das in einem Ton, als ob er dem «Greenhorn» mal das wirkliche Leben zeigen wollte, und fragte, ob ich schon mal so ein ride along mitgemacht hätte. Ich erzählte ihm von meinen begleiteten Patrouillen in San Francisco, Ciudad Juárez, Kunduz und meiner Heimatstadt Nürnberg.
Das wirkte. An jenem Freitagabend fuhr ich mit ihm auf Streife.
Es wurde eine lange Nacht, in der ich Oakland neu kennenlernte. Ich wollte einen Brennpunkt der Stadt sehen und wurde durch East Oakland geführt. In jener Nacht war ich an Orten von häuslicher Gewalt, in einem Laden, der überfallen wurde, ein Mann ging mit einer Machete auf seinen Nachbarn los, es fielen Schüsse und es gab eine Verfolgungsjagd mit einem geklauten Wagen. Ich erinnere mich an die Worte des Polizisten, «you better buckle up now», schnall dich jetzt lieber mal an. Dann drückte er aufs Gaspedal.
Imaginäre Stacheldrähte
Als ich Ende der 1990er-Jahre von San Francisco nach Oakland zog, wurde ich gleich gewarnt: Ich solle nicht nur East, sondern auch West Oakland meiden. Man fragt sich als zugezogener Weisser, warum dies solche Problemviertel sind – gerade hier in der wohl liberalsten Gegend im ganzen Land, der San Francisco Bay Area. Die Antwort ist nicht offensichtlich, doch irgendwann ging mir ein Licht auf. Ich stiess in der Literatur auf Redlining – einen Begriff, mit dem selbst die meisten Amerikanerinnen kaum etwas anfangen können, der jedoch die urbane Geografie im 20. Jahrhundert stark prägte.
Redlining war eine imaginäre Stacheldrahtziehung in den amerikanischen Städten und Gemeinden. Die Regierung in Washington hatte 1934 durch den sogenannten National Housing Act Nachbarschaften in vier Klassen unterteilt: A, B, C und D. Die höchste davon, A, wurde auf Karten grün eingefärbt und bezeichnete die «besten» Gebiete: rein weisse Nachbarschaften, erstrebenswert für die Mittelklasse. Schon eine einzige nicht weisse Familie in der Gegend drückte den Grad auf B, die Farbe wechselte auf blau und die Bezeichnung auf «immer noch begehrenswert». C-Quartiere, in gelber Farbe, wurden als «eindeutig im Niedergang» taxiert. D, in Rot, als «gefährlich».
Praktisch jede amerikanische Stadt hatte eine solche Klassifizierung. Ganz offiziell festgehalten wurde sie auf Karten, die von der Home Owners’ Loan Corporation erstellt wurden, einer im New Deal geschaffenen staatlichen Agentur zur finanziellen Unterstützung von Hauseigentümern.
Die Zoneneinteilung hatte drastische Folgen. Nicht nur, dass eine A-Strasse «weiss» sein sollte, also ausschliesslich von Weissen bewohnt – die Stadtteile unterhalb von A wurden auch gezielt benachteiligt. Afroamerikaner erhielten für den Häuserkauf in A- oder B-Gegenden keine staatlich geförderten Hypotheken und konnten für Häuser keine Versicherungen abschliessen. Sie wurden somit in C- oder D-Stadtteile gedrängt: Quartiere, mit gelber oder roter Linie umrahmt, in denen weniger städtebauliche Investitionen getätigt wurden und wo sich kaum Geschäfte ansiedelten.
Bis in die 1970er-Jahre blieb diese Form der geografischen Diskriminierung gängige Praxis. Redlining beförderte über Jahrzehnte die Ghettoisierung in den amerikanischen Grossstädten und traf vor allem die Afroamerikanerinnen. Viele Weisse zogen nach dem Zweiten Weltkrieg und mithilfe der GI Bill, einer Fördermassnahme für rückkehrende Soldaten, weg von den Zentren in die Vorstädte. Damit wurde die Rassentrennung noch einmal zementiert, wie der Afroamerikaner Anthony Iton, verantwortlich für urbane Entwicklungsprojekte bei der gemeinnützigen Stiftung California Endowment, sagt. «Die Vorstädte wurden zum Inbegriff des amerikanischen Lebens. Die Menschen verliessen die Innenstädte, um draussen zu wohnen, mit ihrem weissen Zaun, dem kleinen Garten, dem Einfamilienhaus. Zurück liessen sie die Afroamerikaner.»
Unerwünscht in wohlhabenden Gegenden
Die räumliche Trennung hat Nachwirkungen bis heute. Zum Beispiel auf dem Immobilienmarkt. «Wir fanden einen Makler, der gleich am Anfang einen Stadtplan rausholte», erzählt mir Howard Pinderhughes, Soziologieprofessor an der University of California und selbst Afroamerikaner. Vor einigen Jahren zog er von New York nach Berkeley, der liberalen Universitätsstadt nördlich von Oakland. «Der Makler deutete auf die quer verlaufende Sacramento Street und meinte dann, dass wir nicht westlich davon leben sollten. Als wir fragten, warum nicht, antwortete er, das sei keine gute Gegend: viele Latinas, Filipinos und auch Schwarze. Er zog auf diesem Stadtplan eine rote Linie.»
Die räumliche Eingrenzung ist für Pinderhughes eine wichtige Dimension des amerikanischen Rassismus. Sie ging einher mit physischer Gewalt. Schwarze wurden in ihren Quartieren mit einer zunehmend militarisierten Polizei kontrolliert, die viel zu lange das Racial Profiling umsetzte: eine mittlerweile verbotene Praxis, die übermässig häufige Kontrollen von nicht weissen Personen umfasst. Doch auch wenn es offiziell abgeschafft wurde, gehöre Racial Profiling nach wie vor zum Alltag, sagt Pinderhughes. «Es gibt in der afroamerikanischen Community etwas, was zum Alltagswissen gehört. Und das ist, dass man mit seinem Sohn irgendwann das Gespräch führt, wenn er etwa acht Jahre alt ist. Darin bespricht man, wie man am Leben bleibt, wenn sich Polizisten nähern und man von ihnen festgehalten wird.»
Pinderhughes ist ein Mann Mitte 50 und wirkt gelassen. Doch auch er wurde mehrfach von der Polizei kontrolliert, lag mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Bürgersteig, nur wenige Meter von seinem Haus in Berkeley entfernt. «Wenn du schwarz, männlich bist, dann bist du verdächtig», sagt er. «Interessant wird es, wenn sie einen 1,90 Meter grossen Schwarzen suchen und einen 1,70 Meter grossen Mann wie mich stoppen.» Statt «interessant» könnte der Wissenschaftler auch sagen: himmelschreiend ungerecht. Auch im Jahr 2020 fühlen sich viele Afroamerikanerinnen als Menschen zweiter Klasse.
«Geduldig ungeduldig bleiben»
Der Wahlsieg von Donald Trump hat erneut tiefe Wunden aufgerissen. Unter Barack Obama war für Afroamerikaner und Latinas zwar nicht alles perfekt, auch wenn er der erste schwarze Präsident war. Seine Administration hat etwa mehr Einwanderer aus Mexiko und Mittelamerika abgeschoben als Vorgänger George W. Bush. Aber unter Präsident Trump hat sich die Lage verschlimmert. Nicht nur der Ton in Washington hat sich verändert, sein Justizministerium hat Schritt für Schritt wichtige Reformen aus der Zeit von Obama rückgängig gemacht. Unter anderem hat Trump die Finanzierung von landesweiten Sensibilisierungsprogrammen bei Polizeieinheiten gestrichen.
«Der Bogen der Geschichte ist lang, aber er neigt sich der Gerechtigkeit zu», sagte einst Martin Luther King. Wenn Soziologe Pinderhughes den grossen Bürgerrechtler zitiert, tut er dies halb verzweifelt, halb hoffnungsvoll. «Man kann leicht das Gefühl bekommen, dass nichts vorangeht. Und trotzdem muss man im Kampf um Gleichberechtigung kontinuierlich drängen, ‹geduldig ungeduldig› bleiben, sich nicht mit dem Unrecht abfinden.»
Geduld braucht man in den USA tatsächlich. Vor über 50 Jahren forderte die Bürgerrechtsbewegung ein Ende des strukturellen Rassismus. Während im Süden der Vereinigten Staaten mit zivilem Ungehorsam und Fussmärschen auf die Missstände aufmerksam gemacht wurde, gründete sich in Oakland die Black Panther Party (BPP), eine revolutionäre, sozialistisch ausgelegte Organisation. Martialisch traten die Mitglieder damals auf, marschierten in Formation, trugen Waffen, zeigten so ihre Stärke. Die BPP organisierte die Afroamerikanerinnen, gab Mahlzeiten für Schulkinder aus und baute Gesundheitskliniken auf – auch um zu zeigen, wie unterversorgt die schwarze Bevölkerung war. Ableger der Partei entstanden im ganzen Land.
Das ehemalige Hauptquartier der Black Panthers steht in West Oakland, einer früheren Redlining-Zone an der Rampe der Bay Bridge, die nach San Francisco führt. Heute ist die Gegend aufgewertet, Künstler leben hier. Das zweistöckige Haus mit grüner Täferung und schmucken Erkern ist eine Touristenattraktion. In einer Ausstellung im Oakland Museum of California wurden die Black Panthers vor vier Jahren gross gefeiert. «All Power to the People» zeigte auf, welche Rolle Oakland in der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre spielte, aber auch, wie Polizei und FBI die Bewegung mit Waffengewalt, Unterwanderung und finanzieller Gängelung unterdrückten.
Der Bogen der Geschichte, er führt von den Black Panthers direkt in die Gegenwart. Das haben die landesweiten Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd in Minneapolis klargemacht. Immer wieder sterben Menschen wegen Polizeigewalt. Allein 2019 verloren 1098 Menschen bei Polizeieinsätzen ihr Leben. Rund ein Zehntel der Todesopfer waren unbewaffnet. Schwarze waren fünfmal mehr betroffen als Weisse. Doch in 99 Prozent der Fälle gab es keine Folgen für die Polizisten, die am Tod eines Menschen beteiligt waren.
Auch wenn das Redlining offiziell mit der Verabschiedung des «Fair Housing Act» von 1968, des «Home Mortgage Disclosure Act» von 1975 und des «Community Reinvestment Act» von 1977 abgeschafft wurde: Amerika bleibt ein zutiefst gespaltenes Land. Durch das Redlining wurden über Jahrzehnte unsichtbare Grenzen in den Städten gezogen. Dabei sind es nicht nur die Grundstückspreise, die eine weisse Nachbarschaft von einer schwarzen unterscheiden (weisse Familien haben im Durchschnitt ein zehnmal grösseres Vermögen als schwarze): Es sind fehlende Parks, kaum Supermärkte, keine Fahrrad- und Fussgängerwege, eine stärkere Umweltbelastung durch angesiedelte Fabriken und den Bau von Schnellstrassen mitten durch Nachbarschaften wie East Oakland. Sogar Bürgersteige bleiben in vielen ehemaligen Redlining-Areas verwahrlost.
Alles hängt davon ab, ob Stadtplanerinnen einen Wert in den betroffenen Gegenden erkannten. «Überall in den USA wurden Nachbarschaften geschaffen, in die nicht investiert wurde, abhängig davon, wie viele schwarze und braune Menschen dort leben», beschreibt Stadtentwickler Anthony Iton von der California Endowment diese Politik.
Anfällig für das Coronavirus
East Oakland ist so ein Stadtteil mit mehreren Nachbarschaften, in dem die Folgen des Redlining bis heute spürbar sind. Es reicht vom Lake Merritt in Downtown bis zur südlichen Stadtgrenze zu San Leandro. Im Westen liegt der Flughafen, zwei Autobahnen durchschneiden das Gebiet. Hier ist das Oakland Coliseum, in dem lange Jahre die Golden State Warriors Basketball und die Raiders Football spielten. Unweit davon, an der Fruitvale Station, prangt das Wandbild von Oscar Grant, der in der Neujahrsnacht 2009 von einem Polizisten des Verkehrsunternehmens BART erschossen wurde. Grant lag auf dem Bauch, Polizisten hielten ihn fest, einer zog eine Waffe und schoss dem unbewaffneten Schwarzen in den Rücken. Oakland brannte in den folgenden Nächten, Grants Bild erinnert an die Polizeigewalt.
Lange Zeit wurde Besuchern von San Francisco davon abgeraten, nach Oakland zu fahren. Zu gefährlich sei die Stadt, hiess es. Immerhin, im vergangenen Jahr gab es 74 Morde, 1992 lag die Zahl noch zweieinhalbmal so hoch. Der Grund ist sicherlich ein Umdenken in der Polizeiarbeit, es wird mehr auf Früherkennung von Gefahrenlagen wie drohenden Bandenkriegen reagiert. Aber auch die Gentrifizierung spielt eine Rolle. Die Mieten und Grundstückspreise steigen in der gesamten San Francisco Bay Area. Vormalig schwarze Nachbarschaften verändern sich rasant. Mit dem Verlust des Wohnraums gehen auch weite Teile der afroamerikanischen Kultur verloren. Die Problemzonen in East Oakland werden derweil immer weiter von Downtown an die Südgrenze der Stadt verlagert.
Genau hier hat die Ärztin Noha Aboelata 2008 die Roots Clinic gegründet – am International Boulevard, zwischen der 99. und der 100. Avenue. An der Ecke ein Fast-Food-Restaurant, gegenüber ein Tätowierladen, daneben ein Corner-Store, in dem man von Chips bis zu Alkohol alles kaufen kann. Dr. Noha, wie sie hier alle nennen, wartet am Rande des Parkplatzes, der in diesen Tagen für «Walk-up»-Corona-Tests genutzt wird. Anfangs richteten die Stadt und der Bezirk Alameda Testmöglichkeiten für Autofahrerinnen ein, man konnte im Wagen bleiben, bekam dort einen Abstrich. Doch Aboelata merkte schnell, dass damit ihre Klientel nicht erreicht wird. In East Oakland haben viele keinen Wagen, ihnen fehlt das Geld dafür, sie konnten sich deshalb nicht testen lassen.
Also reagierte die Roots Clinic, Zelte wurden auf dem Parkplatz aufgestellt, nun kann man zu Fuss zum Test kommen. Das Ergebnis war schockierend, wie die Ärztin und Aktivistin erklärt. Von 1400 Tests fielen mehr als 12 Prozent positiv aus. Nur wenige Kilometer weiter östlich, in den Oakland Hills, einer wohlhabenderen Gegend, liegt die Infektionsrate gerade mal bei 4 Prozent. In Alameda County, dem Bezirk, in dem Oakland liegt, machen Afroamerikaner nur 10 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Doch 25 Prozent der Corona-Todesfälle im Bezirk sind Schwarze.
Die Gesundheitsprobleme in East Oakland seien gross, erzählt Noha Aboelata: Viele Bewohnerinnen hätten hohen Blutdruck, Diabetes, Herzerkrankungen, Asthma, chronische Lungenkrankheiten. Ideale Bedingungen also für das Coronavirus. «Was Redlining geschaffen hat, ist eine Unterversorgung, die unsere Nachbarschaft für solche Krankheiten besonders anfällig macht.»
Die Roots Clinic ist zu einem zentralen Treffpunkt im Stadtteil geworden. Hier werden nicht nur Corona-Tests durchgeführt und eine medizinische Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung angeboten, sondern es wird allen geholfen, die hierherkommen. In den Räumen dieses Gesundheitszentrums können sich viele fortbilden, an Computern Bewerbungen schreiben, sich austauschen. 120 Mitarbeiter hat Noha Aboelata mittlerweile, viele von ihnen ehemalige Strafgefangene, denen sie eine neue Chance bietet. Denn gerade Afroamerikanerinnen mit einer Vorstrafe haben massive Schwierigkeiten, einen Job zu finden und sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Die Quote des Rückfalls in die Kriminalität liegt bei nahezu 75 Prozent. «Es fällt mir schwer, nicht zynisch zu werden, wenn ich daran denke, dass sich das rassistische System in den USA nicht grundsätzlich verändert, denn es wurde ja errichtet, um den Status quo zu erhalten», meint Noha Aboelata.
«I can’t breathe» hat in Gegenden wie hier, wo die Roots Clinic steht, daher nicht nur metaphorische Bedeutung. Die Luftbelastung ist viel grösser als in den weissen Nachbarschaften. Seit Generationen wachsen Afroamerikaner und Latinas in diesen Stadtteilen auf. Die hohen Zahlen der Black-and-brown-Personen in den Corona-Statistiken drücken genau diese Folgen des strukturellen Rassismus aus. In manchen Städten sind 30 und mehr Prozent der Betroffenen Afroamerikanerinnen, Latinos und Native Americans.
«Die unverhältnismässigen Auswirkungen der Pandemie in den ehemaligen Redlining-Nachbarschaften sind offensichtlich», sagt Soziologe Howard Pinderhughes. Statistisch betrachtet bedeutet das, dass ein schwarzes Kind, das in West Oakland aufwächst, eine 15 Jahre kürzere Lebenserwartung hat als ein weisses Kind, das nur wenige Kilometer entfernt in den Oakland Hills gross wird. Forscher der University of California in San Francisco und Berkeley haben einen direkten Zusammenhang zwischen den ehemaligen Redlining-Zonen und erhöhten Asthma-Erkrankungen nachgewiesen.
In Oakland wird nun offen ein «New Black Deal» eingefordert. Und auch in anderen Städten wie Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin. Auch dort hat Covid-19 die schwarze Bevölkerung hart getroffen. Jamaal Smith, der dortige Koordinator für Gewaltprävention im Gesundheitsamt, sieht enge Zusammenhänge zwischen dem Redlining, der Polizeigewalt und den hohen Corona-Zahlen in seiner Community: Der Rassismus sei nie weg gewesen, sagt er im Gespräch, auch wenn die USA Gesetze wie den «Civil Rights Act» von 1964, das Wahlgesetz von 1965 oder die Wohngesetze am Ende der 1960er- und in den 1970er-Jahren verabschiedet hätten. «Das alles bedeutete nicht, dass der Rassismus auf einmal verschwunden und ausgemerzt war.»
Smith fordert daher eine breite Debatte nach dem Vorbild in Südafrika, die Gründung einer «Wahrheits- und Versöhnungskommission», die 1994 am Ende des Apartheid-Regimes eingerichtet wurde. «Aber derzeit glaube ich nicht, dass Amerika bereit ist, die Folgen des Rassismus anzuerkennen. Es gibt noch immer genügend Menschen in diesem Land, die diesen Zusammenhang bestreiten.»
In einer früheren Version unterliefen uns in zwei Bildlegenden Fehler, für die wir uns entschuldigen: Vor der Skyline von San Francisco ist weder die Bay Bridge noch die Golden Gate Bridge zu sehen. Und das Fox Oakland ist ein Konzertort, kein Kino.
Arndt Peltner arbeitet seit 1996 als freier Korrespondent in der San Francisco Bay Area, seit 1999 lebt er in Oakland. Er hat viel über Gangs, Gewalt und Gefängnisse in den USA berichtet. Für sein Hörfunkfeature «Als Zäune Amerikas weites Land eroberten», in dem er die Geschichte des Stacheldrahts und des Redlining darstellt, wurde er 2018 mit dem RIAS-Radiopreis ausgezeichnet.