Liebe Leserin, lieber Leser – hallo, einmal mehr
Sie lesen gerade den vorletzten Covid-19-Uhr-Newsletter. Nach morgen ist erst mal Schluss damit, zumindest für den Moment. (Sollte die Lage wieder deutlich ernster werden, kommt er selbstverständlich zurück.)
Etwas mehr als drei Monate lang – 14 Wochen und 70 Ausgaben – haben wir versucht, Ihnen fünfmal die Woche brauchbare Informationen zur Pandemie zu liefern. Immer um 19 Uhr.
Angefangen hat das alles so: Es war die zweite Märzwoche, die Infektionszahlen stiegen in der Schweiz gerade ähnlich schnell wie in Italien – und die Ersten von uns schleppten schon Bildschirme, Schreibwaren und Druckerpapier nach Hause ins Homeoffice. Eine Handvoll von uns kam zu einer der allerletzten echten Sitzungen in der Republik-Redaktion zusammen. Da sassen wir, malten wilde Diagramme auf Papier, notierten unleserliche Stichworte, redeten aneinander vorbei – und uns zunehmend in Rage.
Dabei waren wir uns im Grundsatz eigentlich alle sehr einig: Man würde die Republik später einmal daran messen, was sie in der Pandemie journalistisch geboten hatte.
Am Schluss der Sitzung war sich niemand so richtig sicher, was wir jetzt eigentlich beschlossen hatten. Ausser, dass wir mindestens zwei Grundsätze dieses Unternehmens vorübergehend über Bord werfen würden. Dass wir ohne zusätzliches Personal täglich deutlich mehr publizieren und die Redaktion darum herumorganisieren würden. Und dass das Ergebnis von alledem ein täglicher Newsletter sein würde.
Die beiden gebrochenen Grundsätze: Die Republik liefert Hintergründe und Einordnung, wir machen keine täglichen Nachrichten. Und: Brauchbarer Journalismus kostet, wir können und wollen ihn nicht verschenken.
Ende der Woche, am Freitag, dem 13. März, verbot der Bundesrat den Präsenzunterricht in Schulen und an Universitäten. Über das Wochenende verdoppelten sich die Fallzahlen. Zum Wochenbeginn begaben wir uns alle kollektiv in den «Lockdown light». Und wir verschickten gratis an alle, die ihn wollten, den ersten Covid-19-Uhr-Newsletter. Er hiess: «Gemeinsam einsam».
Ein paar Gedanken zu dieser Aktion.
Es hat diesen Newsletter gebraucht. Das zeigen schon die Zahlen. Stand heute haben ihn 37’000 Menschen abonniert. Nur gut ein Viertel davon sind Verleger oder Abonnentinnen der Republik. Und über 1200 sind deswegen neu an Bord gekommen. Danke – und willkommen! Und an alle unter Ihnen, die uns Lob, Kritik und vor allem Ermutigung geschickt haben: Ohne Sie hätte das nicht geklappt.
Er hat Kraft gekostet – und Kraft gegeben. Wenn man so einen Newsletter sauber und gut machen will, dann arbeiten pro Ausgabe zwei Journalistinnen je etwa einen Tag daran. Dazu kommen dann Korrektorat und Faktencheck. Das sind Ressourcen, die anderswo gefehlt haben. Denn wir haben beim Magazin keine Abstriche gemacht. Wir sind jetzt, ehrlich gesagt, langsam müde. Und gleichzeitig sehr froh über den Halt und die Routine, die uns dieses Projekt besonders in den schwersten Lockdown-Wochen gegeben hat. Uns – und hoffentlich auch Ihnen.
Wir haben relativ wenig Unsinn verbreitet. Sie bekommen nur das geliefert, was wichtig ist und tatsächlich stimmt. Das war unser Versprechen am Anfang. Wir hoffen, Sie würden uns weitgehend zustimmen, dass das gelungen ist. (Obwohl wir zum Beispiel Nablus und Nairobi verwechselt und das Infektionsrisiko von Cornflakes-Packungen eher überbewertet haben – und uns beim Thema Ibuprofen wohl besser ein paar Tage Zeit gelassen hätten.)
Den richtigen Moment zum Aufhören gibt es nicht. Diese Krise ist in der Schweiz im Moment unter Kontrolle. Aber sie ist noch lange nicht vorbei. Trotzdem setzen wir den täglichen Newsletter erst einmal aus. Wir melden uns aber sicher nochmals, spätestens in ein paar Monaten. Mehr dazu morgen.
Die Republik ist ein unabhängiges, werbefreies, leserfinanziertes Medium. Wenn Sie diesen Newsletter nützlich, hilfreich, nötig fanden: Dann würde es uns freuen, wenn Sie das nun mit einem Abo oder einer Mitgliedschaft honorierten. Und mithülfen, unseren Journalismus möglich zu machen.
Und damit zum Tag.
Die wichtigsten Nachrichten
Die neuesten Fallzahlen: Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit zählten die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein heute Morgen insgesamt 31’200 positiv auf Covid-19 getestete Personen. Im Vergleich zu gestern sind das 17 Fälle mehr. Und die wissenschaftliche Taskforce des Bundes schätzt rückwirkend, dass eine infizierte Person vor zwei Wochen im Schnitt 0,9 bis 1,5 weitere Menschen angesteckt hat.
Was sind uns die Pflegerinnen wert? Der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, Lukas Engelberger, hat zwar Verständnis für die Forderung des Pflegepersonals nach höheren Löhnen. Er spricht sich in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» aber gegen pauschale Erhöhungen aus und «warnt vor Illusionen». Insgesamt dürften die Personalkosten im Pflegebereich nicht steigen. Denn die Bevölkerung würde höhere Gesundheitskosten nicht akzeptieren.
Wer trägt Maske im Zug und im Bus? Das Unternehmen Swisstraffic hat ausgezählt, wie viele Menschen im Schweizer ÖV eine Maske tragen. Gemäss dieser Auswertung ist es nirgendwo mehr als ein Zehntel. In der Schweiz gilt keine Pflicht – lediglich die Empfehlung, sich und vor allem andere mit einer Maske zu schützen, da, wo genügend Abstand nicht möglich ist.
Keine falsche Sicherheit: Diese Woche haben mehrere Länder empfindliche Rückschläge erlitten, die das Virus gut unter Kontrolle zu haben oder sogar komplett besiegt glaubten. China hat nach einem lokalen Ausbruch Peking teilweise abgeriegelt – nun vermuten die Behörden, dass das Virus schon länger in der Hauptstadt zirkuliert. Im deutschen Rheda-Wiedenbrück sind nach einem Ausbruch in einer Fleischerei über 600 Fälle bestätigt und 7000 Menschen in Quarantäne. Und in Neuseeland ist ein dritter Fall aufgetaucht – und mehren sich die Berichte über Mängel im Quarantäne-System.
Hollywood muss weiter warten: Langsam gehen in den USA die Vorräte an frischem Fernsehfutter zur Neige. Gestern Mittwoch hatte nun die erste Serie die Dreharbeiten offiziell wieder aufgenommen, nur um sie gleichentags schon wieder einzustellen. Man habe noch nicht alle Sicherheitsmassnahmen wie geplant umsetzen können. Der Name der seit 1987 laufenden Seifenoper lautet übrigens: «The Bold and the Beautiful» («die Mutigen und die Schönen»).
Frage, die vielleicht aus der Community kommt: Ich möchte nochmals wissen, wie ich dieses tolle unabhängige und werbefreie Magazin direkt mit meinem Geld unterstützen kann.
Oh, gut, dass Sie fragen. Vielen Dank – wir hätten uns nicht getraut, Sie nochmals auf die beiden direkten Links zum jederzeit kündbaren Monatsabo und hier zur Jahresmitgliedschaft mit fairen Konditionen hinzuweisen.
Zum Schluss: Aaaaah, P’hariish, Schdatt der Liiiebe!
Nach seiner längsten Schliessung seit dem Zweiten Weltkrieg geht kommende Woche der Eiffelturm wieder auf. Wenn Sie jetzt vorhaben, den pandemieverhinderten Hochzeitsantrag in Paris wieder aufzunehmen: Die Sache hat einen Haken. Aus Sicherheitsgründen bleibt der Lift geschlossen, und die Besucher müssen die 114 Höhenmeter bis zur Aussichtsplattform zu Fuss angehen. Und wenn Sie dann, dort angekommen, in die (zittrigen) Knie gehen – dann wird Ihre grosse Liebe die Antwort auf den Antrag ziemlich laut in den Wind brüllen müssen. Denn ihr Gesicht wird von einer Maske verdeckt sein, die ist nämlich obligatorisch.
À demain, und bis dahin: Bleiben Sie umsichtig, bleiben Sie freundlich, bleiben Sie gesund.
Bis morgen.
Oliver Fuchs
PS: Unsere E-Mail ist weiter offen, und wir freuen uns über Grüsse, Feedback oder Abschiedsworte. Schreiben Sie an: covid19@republik.ch.
PPS: Für die Titel dieses Newsletters sind Stunden draufgegangen. Manchmal hat sich die Zeit gelohnt («Sverige Situation»), manchmal eher nicht («Leider Cyber»). Hier ein Titel, den wir unbedingt mal noch setzen wollten, der aber nie recht gepasst hat: Impf, impf, impf, der Corona-Beat.