Die Sache mit den Masken
Mehrere Länder Europas schreiben ihren Bürgern vor, sich mit Hygienemasken vor dem Coronavirus zu schützen. Die Schweiz rät davon ab. Wie Sie mit diesem Wirrwarr umgehen können.
Von Eva Novak, 06.04.2020
Gesundheitspolitiker rund um die Welt sind sich gerade ziemlich uneinig, ob man die Bevölkerung dazu anhalten sollte, Gesichtsmasken zu tragen.
Gesunden Menschen nütze es nichts, Masken zu tragen, betont auf der einen Seite die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sich auf diese Weise vor dem Coronavirus zu schützen, ergebe nur für die Pflege und die Behandlung von Erkrankten Sinn.
Die Schweiz ist Sitzstaat der WHO, und sie folgt dieser Empfehlung. Daniel Koch, Delegierter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Covid-19, beantwortet Journalistenfragen dazu stets im selben Sinne. «Nach wie vor gibt es keine gesicherte Evidenz, dass das Maskentragen in der Öffentlichkeit wirklich einen grösseren Schutzfaktor darstellt», sagte der Corona-Spitzenbeamte etwa vor einer Woche.
Auf der anderen Seite gab der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz seinen Landsleuten – ebenfalls vor einer Woche – die Anweisung, Läden nur noch mit einer Maske zu betreten. Wenige Tage zuvor war in der renommierten Wissenschaftszeitschrift «Science» ein Interview mit George Gao, dem Virologen und Direktor des chinesischen Zentrums für Kontrolle und Prävention von Krankheiten, erschienen. Sein Befund: «Der grosse Fehler, den Europa und die USA machen, ist, dass die Leute keine Masken tragen.»
Wer hat recht? Sind Gesichtsmasken wirklich nötig, um die Epidemie in den Griff zu kriegen? Braucht es auch in der Schweiz eine Tragepflicht?
1. Was andere Länder tun
Mit ihrem Kurswechsel ist die österreichische Politik im Trend. Noch vor kurzem hatte das dortige Gesundheitsministerium verkündet, das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit bringe nichts. Nun wird es, vorerst in Einkaufsmärkten, zur Pflicht. Bereits am 19. März verbot Tschechien seinen Bürgerinnen, das Haus ohne Mund-und-Nasen-Schutz zu verlassen. Eine Woche später folgte die Slowakei und wandelte ihre bestehende Maskentrag-Empfehlung in ein Obligatorium um. Einzelne deutsche Städte haben ebenfalls eine Tragepflicht angekündigt für Bus, Bahn, Supermarkt und überall dort, wo Mindestabstände nicht gut eingehalten werden können. Und auch der Bürgermeister der Millionenstadt Los Angeles hat die Bewohner vergangene Woche angewiesen, nur noch mit Maske aus dem Haus zu gehen. Am Wochenende folgte die US-Gesundheitsbehörde CDC und empfahl dem ganzen Land, in der Öffentlichkeit Mund und Nase mit einer einfachen Stoffmaske abzudecken.
Länder im Fernen Osten, in denen die Bevölkerung seit Beginn der Pandemie Maske trägt, haben es geschafft, die Ausbreitung besser als alle anderen unter Kontrolle zu bringen: Singapur, Südkorea, Taiwan und allen voran China.
Dies nicht mit den Masken allein, sondern mithilfe einer Reihe weiterer, teils drakonischer Massnahmen. Welche Massnahme wie viel bewirkt hat, kann niemand exakt beziffern. Eine Garantie sind Gesichtsmasken nicht: Japan, wo das Tragen verbreitet ist, aber bislang kein Lockdown ausgesprochen wurde, hat Mühe, die Epidemie einzugrenzen. Und auch in Singapur – lange ein leuchtendes Beispiel für die erfolgreiche Eindämmung – stiegen zuletzt die Fallzahlen, wenn auch auf tiefem Niveau. Schulen und Geschäfte, die keine lebensnotwendigen Güter verkaufen, werden nun geschlossen.
Umgekehrt hat es bis heute kein Land ohne Masken geschafft, die Ansteckungen nachhaltig in den Griff zu bekommen.
Asiatische Länder pflegen ein unverkrampftes Verhältnis zu Gesichtsmasken. In der Grippesaison geht kaum einer ohne aus dem Haus. Vor allem aber haben die meisten dieser Länder ihre Lehren aus der Sars-Pandemie gezogen, die sie 2003 schlimmer getroffen hat als Europa und die USA. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der medizinischen Fachzeitschrift «Journal of the American Medical Association» (Jama) am Beispiel Taiwans.
Wegen der Nähe zum chinesischen Festland – über 1 Million Taiwanesen leben oder arbeiten in China, weit über 2,5 Millionen Besucher jährlich reisen von China nach Taiwan – wurden im Inselstaat eigentlich sehr viele Covid-19-Erkrankungen erwartet. Doch aktuell sind nur gut 350 Fälle bekannt, viel weniger als in der deutlich weniger dicht bevölkerten Schweiz.
Die Autoren der Jama-Studie erklären das mit dem raschen und effizienten Krisenmanagement, das auch die Kontrolle und die Zuweisung von Ressourcen einschliesslich Masken umfasst. Die Produktion wurde mit staatlichen Mitteln und mithilfe von 1800 Soldaten stufenweise auf über 5 Millionen Stück pro Tag hochgefahren. Gleichzeitig wurden die Preise der Masken staatlich festgesetzt (und mit zunehmender Produktion nach und nach gesenkt). Fürs Hamstern von Masken drohen hohe Bussen und Gefängnisstrafen zwischen 1 und 7 Jahren.
2. Was die Experten sagen
Nicht nur die Politik, auch die Fachwelt streitet über Masken. Am deutschen Fernsehen sogar zur Hauptsendezeit: Da spricht sich erst der Epidemiologe Alexander Kekulé für Gesichtsmasken aus – und sagt, dass diese zumindest einen Teil der Ansteckungen verhindern. Wenig später folgt Virologe Jonas Schmidt-Chanasit und sagt, Masken seien in asiatischen Megacitys nützlich, aber nicht in unseren Breitengraden, wo die Menschen weniger dicht gedrängt leben.
Die WHO ist auf der skeptischen Seite. Sie schreibt in ihren Empfehlungen, gesunden Trägern biete die Maske keinen Schutz («A medical mask is not required for people who are not sick as there is no evidence of its usefulness in protecting them»), Ärzten und Pflegepersonal hingegen biete die Maske Schutz («Health care workers should wear a medical mask when entering a room where patients with suspected or confirmed Covid-19 are admitted»).
Das BAG empfiehlt ebenfalls nur den Kranken, eine Maske zu tragen.
Dem gegenüber stehen zahlreiche Studien. Sie zeigen, dass Masken generell zum Schutz vor Atemwegserkrankungen beitragen. Eine Zusammenfassung von 67 solcher Studien hat das Forschungsnetzwerk Cochrane 2011 publiziert. Die Metastudie kommt zum Schluss, dass die Kombination von erstens regelmässigem Händewaschen oder Desinfizieren, zweitens dem Tragen von Handschuhen und Masken sowie drittens der Diagnose und der Isolation von Verdächtigen den besten Schutz vor Viren biete, die die Atemwege angreifen. Schon einfache Hygienemasken helfen gegen die Übertragung von Coronaviren, bestätigt auch eine neue Studie in der Zeitschrit «Nature».
«Dass Masken die Übertragung des Virus bremsen können, ist aus wissenschaftlicher Sicht eigentlich klar», sagt der Epidemiologe Marcel Salathé von der EPF in Lausanne in einem Interview mit der NZZ. Klar dürfe man sich nicht der Illusion hingeben, eine OP-Maske biete den perfekten Schutz. «Aber allein die Tatsache, dass ich mir weniger an Mund und Nase fasse, wenn ich eine Maske trage, verringert das Ansteckungsrisiko.»
Ein Hauptargument für Masken ist, dass viele Infizierte sich nicht bewusst sind, dass sie das Coronavirus in sich tragen. Dies, weil sie entweder keine Covid-19-Symptome entwickeln oder während der Inkubationszeit noch keine verspüren. Während dieser Phase, die bis 14 Tage dauern kann, verringern Masken das Risiko, dass weitere Personen angesteckt werden. Denn es gilt inzwischen als erwiesen, dass Infizierte auch ohne Symptome hoch ansteckend sein können. «Wenn alle eine Maske tragen, tragen auch die Kranken eine», bringt es Epidemiologe Kekulé auf den Punkt.
Hygienemasken «bilden eine nützliche Barriere gegen die Verbreitung und die Aufnahme von Coronaviren», sagt auch der Zuger Mediziner André Ochsenbein. Er hat mit weiteren Zentralschweizer Augenärzten einen Aufruf an die Bevölkerung verfasst. Die Ärzte weisen darauf hin, dass die Corona-Erreger hauptsächlich durch Tröpfchen übertragen werden. Primär könnten Virenträger mit Hygienemasken die Umwelt schützen. Doch auch für Gesunde böten sie einen gewissen Schutz.
Vor noch nicht allzu langer Zeit sah es das BAG noch ähnlich. Im aktuellen Pandemieplan aus dem Jahr 2018, in dem Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung einer Grippepandemie aufgeführt sind, steht: «Schutzmasken verringern das Übertragungsrisiko», und durch die einfacheren Hygienemasken «reduziert sich das allgemeine Infektionsrisiko». Dies gelte auch für das Coronavirus, sagt Huldrych Günthard, stellvertretender Direktor der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich. Die Übertragungswege der beiden Viren seien praktisch dieselben.
Auf dem Campus des Unispitals Zürich gilt generell eine Maskenpflicht. Dies als Vorsichtsmassnahme gegen Ansteckungen durch Virusträger, die keine Symptome aufweisen. «Wenn man weiss, dass man mit einem Covid-Patienten in Kontakt ist, steckt man sich nicht an, da man sich entsprechend schützt», sagte Peter Steiger, stellvertretender Direktor des Instituts für Intensivmedizin, diese Woche an einer Pressekonferenz. Viel gefährlicher seien Kontakte mit Personen, von denen man nicht wisse, ob sie angesteckt sind – und bei denen man daher den Abstand nicht einhalte oder keine Maske trage.
Ein häufiges Argument gegen eine Maskenpflicht ist, dass viele Menschen nicht wüssten, wie man mit Hygienemasken umgehen müsse – eine falsche Handhabung könne das Risiko sogar erhöhen. Ein weiteres Argument, das vom BAG seit Beginn der Krise ins Feld geführt wird, besagt: Das Tragen einer Maske könnte die Leute dazu verleiten, den gebotenen Abstand zu anderen, das social distancing, weniger konsequent einzuhalten. Diese Sichtweise wird von manchen Fachleuten kritisiert: Man sei schliesslich auch nicht gegen die Gurtenpflicht, weil sie Autofahrer zu riskanterem Fahren verleiten könnte.
3. Um welche Masken es geht
«Holt eure Hygienemasken aus dem Keller», appellieren die Zentralschweizer Ärzte an die Bevölkerung. Tatsächlich lagern in vielen Schweizer Kellern und Estrichen Kisten mit Masken aus der Zeit der Vogelgrippe- und der Schweinegrippe-Pandemie von 2007 und 2009, als das BAG die Anschaffung noch offiziell empfahl und viele Arbeitgeber und Konsumenten pflichtbewusst der Aufforderung folgten. «Masken für die Bevölkerung im Pandemiefall gemäss Empfehlung BAG» steht darauf.
In den Kisten sind einfache Hygienemasken, die auch chirurgische Masken oder OP-Masken genannt werden. Diese schützen vor Tröpfchen und werden auch vom Gesundheitspersonal zur Pflege von Corona-Patienten verwendet. Voraussetzung ist allerdings, dass sie korrekt angewendet werden: Beim An- und Ausziehen sind die Hände zu waschen oder zu desinfizieren, und während des Tragens gilt: Hände weg von der Maske.
Grösseren Schutz bieten die sogenannten Atemschutzmasken vom Typ FFP2 oder FFP3, die auch feinste in der Luft schwebende Teilchen – sogenannte Aerosole – abhalten, jedoch nur für besonders anspruchsvolle medizinische Eingriffe an Corona-Patienten verwendet werden. Wie gross ihr Mehrwert gegenüber einfachen Hygienemasken ist, ist allerdings umstritten.
Darüber hinaus gibt es Masken nach dem Prinzip «do it yourself». Diese selbst genähten oder gebastelten Masken schützen nicht ganz so stark wie gekaufte. Aber sie schützen. Das ist insofern von Bedeutung, als es nicht möglich ist, bis auf die Kommastelle genau anzugeben, wie gut Masken generell vor einer Corona-Infektion schützen – das Ausmass des Schutzes hängt immer auch von der Anwendung und vom lokalen Kontext ab.
In manchen Ländern setzen die Behörden auf solche Do-it-yourself-Masken. Zum Beispiel hat das Sars-erprobte Hongkong seiner Bevölkerung eigens eine Anleitung ins Netz gestellt. Nach dieser lässt sich eine Einfachst-Maske herstellen, welche gemäss Labortests 80 bis 90 Prozent des Schutzes einer gekauften Hygienemaske bieten soll. Ähnlich geht Tschechien vor, wobei hier bereits ein Schal als ausreichender Gesichtsschutz gilt, um sich ohne Busse in der Öffentlichkeit fortzubewegen.
Über die letzten Wochen sind Gesichtsmasken im westlichen Mainstream angekommen. Medienhäuser wie die «New York Times» stellen ihren Lesern zurzeit an prominenter Stelle eine Anleitung zum Selbernähen bereit. Im deutschsprachigen Raum hat die Feuerwehr der deutschen Stadt Essen als eine der ersten Institutionen eine Anleitung ins Netz gestellt. Auch die Kleiderindustrie hat sich ans Werk gemacht. Der Sportschuhhersteller New Balance gab bekannt, mit der Produktion von Masken zu beginnen. Und in der Schweiz verkauft eine Basler Handarbeitslehrerin selbst genähte Masken an Modebewusste.
Zur Selbsthilfe greifen mittlerweile auch Ärzte und Zahnärzte in der Schweiz. Geht ihr Vorrat zur Neige, lassen sie Masken aus Windeln oder ähnlichen Stoffen nähen. Das geht aus Diskussionen in geschlossenen Onlineforen hervor, welche die Republik eingesehen hat. Oder sie verwenden Hygienemasken mehrfach und kochen sie aus, statt sie wie vorgeschrieben gleich wegzuwerfen. «Bei sorgfältiger Behandlung kann eine Maske bis zu 8 Stunden getragen werden – was bei zwei Einkaufstouren à 15 Minuten bis zu 16 Wochen entspricht», schreiben die Zentralschweizer Ärzte in ihrem Aufruf.
Selbst gemachte Masken zu tragen, sei besser als gar nichts, finden Forscher wie Sui Huang, ein Schweizer Molekular- und Zellbiologe, der am Institut für Systembiologie bei Seattle forscht. «Wir dürfen nicht länger zulassen, dass das Perfekte der Feind des Guten bleibt», schreibt er in einem Aufsatz.
4. Woher die Masken kommen
Mehrere deutsche Landespräsidenten haben sich gegen eine Maskenpflicht ausgesprochen – weil dadurch eine Knappheit entstehen könnte, die auch den medizinischen Bereich treffen könnte. Auch in der Schweiz spielen diese Überlegungen eine Rolle. Laut einem BAG-Mitarbeiter, der anonym bleiben will, ist die mangelnde Verfügbarkeit der entscheidende Grund für die aktuelle Empfehlung. Das Amt rate der Bevölkerung primär wegen dieser mangelhaften Verfügbarkeit vom Tragen ab, da sonst für das Gesundheitspersonal nicht genügend Hygienemasken übrig bleiben könnten.
Auch in offiziellen Statements klang bereits Ähnliches an: «Im Moment fordern wir die Bevölkerung nicht auf, Masken zu kaufen; weil es ist wirklich ein rares Gut, und die Masken werden im Moment wirklich im professionellen Bereich gebraucht», sagte der BAG-Verantwortliche für Covid-19, Daniel Koch, vor zwei Wochen an einer Medienkonferenz.
Mittlerweile hat sich die Situation ein wenig entspannt. Für Ärzte und Pflegende, die täglich 1 bis 2 Millionen Masken brauchen würden, reiche der Vorrat, erklärte Koch diese Woche. Den Bedarf für die gesamte Bevölkerung beziffert eine ETH-Studie auf 300 Millionen Hygienemasken. Diese würden für rund 3 Monate reichen, wie Andreas Bucher, Sprecher des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (Babs), auf Anfrage sagt.
Wie weit der bestehende Maskenvorrat in der Schweiz reicht, ist unklar. Der Bund verfügte am 1. April gemäss Bucher über rund 10 Millionen Hygienemasken sowie rund 1 Million Schutzmasken. Diese Zahl ändert sich allerdings täglich, weil ein Teil verbraucht wird und laufend neue geliefert werden. Am Samstag nannte Daniel Koch ein Vielfaches: 90 Millionen Hygienemasken und über 4 Millionen Schutzmasken seien auf Lager. Ob das die Bestände der Kantone und Spitäler umfasst, liess er offen.
Hygienemasken einzukaufen, ist für Letztere zurzeit nicht einfach. Das Universitätsspital Zürich etwa bezieht einen Teil aus dem Pandemielager des Kantons. In die Schweiz gelangen die Masken zurzeit nach dem folgenden Mechanismus: Die Spitäler erheben ihren Bedarf und bestellen Masken bei den Kantonsapothekern, welche die Bestellungen bei der im BAG angesiedelten Sanitätskommission des Bundes einreichen, die wiederum die Armeeapotheke mit der Beschaffung beauftragt, welche die Masken dann importiert – sofern dies aktuell auf dem Markt überhaupt möglich ist. Immerhin: Die Lieferungen laufen gemäss Babs-Sprecher Bucher wieder an.
Die inländische Maskenproduktion wurde hingegen, da wenig rentabel, bereits vor Jahren aufgegeben. Nun wird sie wieder hochgefahren. So wurden in China mit Vermittlung von Guy Parmelins Wirtschaftsdepartement zwei Maschinen bestellt, mit denen die St. Galler Hygieneartikelfabrik Flawa AG ab Ostern 80’000 Schutzmasken pro Tag produzieren will. Man sei aktuell dabei, die logistischen Herausforderungen zu lösen, sagt die Firma auf Anfrage. «Auch müssen wir uns um die Rohmaterialien kümmern, welche in Europa auf Monate ausverkauft oder überteuert sind.»
Ähnliche Pläne hegt die Verbandsstoff-Firma Wernli AG im aargauischen Rothrist: Hier wird der Output auf bis zu 140’000 Masken pro Tag beziffert. Mit den beiden Produzenten ergäbe sich ein Total von 220’000 Masken pro Tag. Dies wäre aber nur ein Bruchteil dessen, was die Gesamtbevölkerung benötigen würde, sollte sie regelmässig Masken tragen müssen oder wollen.
Um den Engpass zu beseitigen, ist inzwischen auch der Branchenverband der Textilhersteller aktiv geworden. «Wir versuchen, die Lieferketten wieder zusammenzubringen», sagt Peter Flückiger, Direktor von Swiss Textiles. Der Verband hat dieser Tage eine Aktion lanciert: Hersteller und Händler diverser Teile – vom Garn bis zum Gummiband – können sich via Website melden. Innerhalb von 4 Tagen kamen über zwei Dutzend Meldungen zusammen.
Was nun?
Die offiziellen Empfehlungen des BAG stossen nicht überall auf Anklang. In Uri bittet eine Physiotherapeutin ihre Patienten beispielsweise, mit eigenen Schutzmasken zur Behandlung zu kommen. Und im St. Galler Rheintal lässt eine Apotheke Kunden nur mit Maske ins Geschäft hinein – jene, die keine haben, müssen 3 Franken für eine solche bezahlen. Dies sehr zum Ärger der Stiftung für Konsumentenschutz, die gegenüber der Republik darauf hinweist, dass Apotheken zur systemkritischen Infrastruktur gehörten und zurzeit eine ethische Pflicht hätten, allen Personen den Zugang zum Geschäft zu gewähren, solange die BAG-Empfehlungen anderweitig erfüllt würden.
Wie lange diese Empfehlungen noch ohne Maskentrag-Pflicht auskommen, steht auf einem anderen Blatt. Der Druck auf Bundesrat und BAG steigt. Die zwangsstillgelegten Zweige der Wirtschaft sehen in den Masken eine Möglichkeit, den Betrieb nach und nach wieder aufzunehmen. Und aus der Politik, namentlich von der SVP, werden Forderungen laut, eine Maskenpflicht einzuführen, sobald genügend Masken vorhanden sind.
Die wissenschaftliche Taskforce, von der sich das BAG neuerdings beraten lässt, hat bereits Signale in diese Richtung ausgesandt. Ihr Leiter Matthias Egger nannte das Maskentragen als eine von drei Massnahmen (neben massiv viel mehr Tests und einer Tracking-App), «um die Epidemie zu stabilisieren» und die Einschränkungen nach und nach zu lockern.
Gut möglich, dass der Bund seine Maskenpolitik noch einmal überdenkt. «Sobald der Peak überschritten ist, kann man nichts ausschliessen», sagte Bundesrat Alain Berset am Freitag. Hygienemasken doch noch zu empfehlen, wäre jedenfalls nicht der erste Schwenker im Zuge der Corona-Epidemie.
Wenn Sie unsicher sind, was Sie in der Zwischenzeit tun sollen – benutzen Sie am besten den gesunden Menschenverstand. Das heisst: Befolgen Sie die allgemeinen Verhaltensregeln – Hände waschen, Abstand halten, den Kontakt zu Risikogruppen vermeiden. Und schützen Sie mindestens in Situationen, wo dies partout nicht möglich ist – zum Beispiel in der dicht gedrängten Menge im Tram –, sich und Ihr Umfeld zusätzlich mit einer Hygienemaske. Notfalls auch mit einer selbst gebastelten.