Australien brennt – was hat das mit dem Klimawandel zu tun?
Die kurze Antwort eines Wissenschaftlers – und eine etwas längere Analyse, aufgeteilt in drei Themen und Grafiken.
Von Marie-José Kolly, 13.01.2020
Im Südosten Australiens häufen sich die Buschfeuer. Sie zerstören Wald, Weideland und Wohngegenden, sie töten Menschen und Tiere – ja, sie gefährden ganze Spezies. Seit Beginn der Saison im September sind Gebiete abgebrannt von einer Fläche, die gut doppelt so gross ist wie die Schweiz.
Allerdings: In Australien gibt es jedes Jahr Brände – mal heftig, mal weniger. Entspricht die aktuelle Situation also nicht lediglich dem üblichen Lauf der Dinge, so wie es manche konservative australische Stimmen suggerieren?
Die kurze Antwort stammt von Dale Dominey-Howes, Geowissenschaftler an der Universität Sydney. Die diesjährigen Buschbrände seien absolut nicht business as usual, hatte er bereits im September gesagt. Vergangene Woche bekräftigte er seine Einschätzung und verlangte von der Politik Strategien, um Australien für die Folgen des Klimawandels zu wappnen.
Dominey-Howes’ Urteil ist in der Wissenschaft Common Sense. Ein einzelnes Wetterereignis lässt sich in der Regel nicht direkt mit dem Klimawandel in Verbindung bringen. Übergeordnete Muster hingegen schon. Und die australischen Buschbrände gehören zu einem solchen Muster.
Die etwas längere Antwort lässt sich anhand von Daten nachvollziehen.
Ja, in Australien brennt es fast immer irgendwo. In einer Visualisierung über die vergangenen fünf Jahre, auf der die Anzahl der aktiven Feuer Tag für Tag farblich codiert ist, erkennt man dies gut:
Das Muster der Brände ändert sich allerdings, wenn man nur den Südosten – ein Küstengebiet zwischen Brisbane und Melbourne – betrachtet.
Hier zeigt sich, dass die Feuer in der aktuellen Saison früher als üblich begannen, dass die abgebrannten Flächen bedeutend grösser sind als in vorangehenden Jahren und dass viel, viel mehr Feuer als früher ausbrechen:
Dramatisch an diesen Buschfeuern ist: Es brennt da, wo viele Menschen wohnen. Auch im Jahr 2011 zum Beispiel verzeichneten die Satelliten der Nasa besonders viele Brände in Australien. Aber damals frassen sie sich vor allem durch die Vegetation im Landesinneren. Die Südostküste war kaum betroffen.
Was hat das jetzt mit dem Klimawandel zu tun? Zusammen mit den steigenden Temperaturen entstehen vermehrt Situationen, die gewisse Wetter- oder Naturereignisse begünstigen – zum Beispiel mehr und intensivere Buschfeuer. Drei Protagonisten spielen hierbei eine besondere Rolle:
Die Hitze war im vergangenen Jahr so extrem wie noch nie, seit man in Australien die Temperatur systematisch misst.
Der Regen fiel im Jahr 2019 so spärlich wie nie seit Beginn der Niederschlagsmessungen.
Der Wind ist in der aktuellen Buschfeuersaison ungewöhnlich stark.
Treten diese drei Tendenzen gemeinsam auf, so können ausserordentlich heftige Brände entstehen, wie der Forstingenieur Marco Conedera der Republik sagt, der an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Cadenazzo arbeitet und auf Waldbrände spezialisiert ist.
Die Hitze
Seit einem Jahrhundert sammelt man in Australien systematisch Temperaturdaten über den ganzen Kontinent hinweg. In diesem Zeitraum hat sich die mittlere Lufttemperatur um etwa ein Grad erwärmt.
Das Jahr 2019 markiert den Höhepunkt dieser Entwicklung, wie die folgende Grafik zeigt. Die Temperatur lag im vergangenen Jahr 1,52 Grad über der mittleren Temperatur während der Referenzperiode von 1961 bis 1990. Damals war es in Australien im Schnitt 21,8 Grad warm – letztes Jahr waren es 23,32 Grad.
Würde man nur den Dezember betrachten, ergäbe sich eine sehr ähnliche Grafik: Noch nie war es in diesem Monat so warm wie 2019. Besonders heiss war es im Süden – da, wo jetzt das Land brennt.
Die Klimaerwärmung ist ein globales Phänomen. Aber in Australien sind die Temperaturen stärker gestiegen als im weltweiten Mittel. Nicht nur die Luft, auch die umliegenden Meere sind wärmer geworden. Seit etwa 1950 treten rund um die Küsten Australiens vermehrt Hitzewellen auf.
Wegen der grossen Hitze verdunstet mehr Feuchtigkeit, die Boden, Gras, Gebüsch und Bäume gespeichert haben. Sie trocknen aus.
Der Regen
Ausgetrocknete Vegetation kann durch Niederschlag im Prinzip wieder Feuchtigkeit aufnehmen. Doch im Dezember 2019 fiel in Australien so wenig Regen wie noch nie in einem Dezembermonat. Und auch der November, Oktober, September, August und Juli waren ungewöhnlich trocken.
So wurde 2019 zum regenärmsten, je gemessenen Jahr in Australien. In der Referenzperiode von 1961 bis 1990 fielen durchschnittlich 465,2 Millimeter Regen – vergangenes Jahr waren es fast 190 Millimeter weniger. Ein Rekord.
Besonders im Süden Australiens – da, wo momentan die Buschfeuer wüten – gibt es tendenziell immer weniger Niederschlag. Und zwar speziell während der kälteren Monate in der Jahresmitte. Zu Beginn der Buschfeuer-Saison im September ist die Vegetation deshalb staubtrocken. So entsteht perfektes Brennmaterial: Schlägt ein Blitz ein oder gerät durch menschliche Aktivität ein Funken in die Natur, fängt sie Feuer.
Blickt man in der Grafik auf die vergangenen paar Jahrzehnte, fallen vermehrt Extremwerte auf – die Balken schlagen stärker nach oben oder nach unten aus als in der ersten Jahrhunderthälfte. Das ist kein Zufall, wie Heini Wernli, Klimatologe an der ETH Zürich, gegenüber der Republik erklärt: Schwankungen gab es zwar auch schon zu Zeiten, als Menschen das Klima noch nicht gross beeinflussten. Aber sie seien extremer geworden, sagt er: Es gebe starke Evidenz dafür, dass die Klimaerwärmung extreme Wetterereignisse begünstige – und das gelte insbesondere für den Wasserkreislauf.
Künftig sind demnach weniger moderat nasse oder trockene Perioden zu erwarten. Dafür vermehrt heftige Regenfälle oder extrem trockene Perioden.
Der Wind
Haben Hitze und Trockenheit einmal dafür gesorgt, dass Brände entstehen, kommt der Wind ins Spiel. Er ist ein Katalysator, intensiviert das Feuer und hilft ihm, sich zu verbreiten. Wind kann glühende Asche oder brennende Kohlestücke über viele Kilometer transportieren. Fallen sie auf trockenes Material, entstehen neue Brände.
Die gefährlichsten Winde kommen in Australien vom Landesinneren. Sie transportieren trockene Luftmassen aus der Wüste an die dicht besiedelte Südostküste. Dafür sorgt im Moment ein Phänomen, das Meteorologinnen «Antarktische Oszillation» nennen: Der Westwind, der um die Antarktis konstant weht, bewegt sich mal weiter nördlich, mal weiter südlich – er oszilliert. Momentan weht er weiter nördlich – gerade auf jener Höhe, auf der der australische Kontinent liegt.
Nun gibt es gewisse Hinweise darauf, dass der Klimawandel zusätzlich auch Winde aus dem Landesinneren begünstigen könnte. Doch das ist schwierig zu beweisen: «Wind ist der komplizierteste der drei Protagonisten», sagt ETH-Klimatologe Wernli. Luftströmungen werden von Vorgängen auf mehreren Ebenen beeinflusst. Dazu zählen grosse Luftbewegungen in der Atmosphäre, Druckunterschiede, aber auch Gebirge oder lokale Gewittervorkommen. Das erschwert es, den Wind mittels globalen Klimamodellen vorherzusagen.
Aussagen aufgrund von Winddaten sind deshalb mit besonders viel Unsicherheit behaftet – wir müssen sie mit Vorsicht interpretieren.
Fazit
Dass Wald- und Buschbrände auftreten, gehört zum Courant normal. Dass sich ihre Frequenz und Intensität von Jahr zu Jahr unterscheidet, ebenfalls.
Doch die aktuellen Brände übersteigen das Ausmass, das insbesondere an der australischen Ostküste bis jetzt zu erwarten war.
Und sie sind ein Vorbote der künftigen Verhältnisse, die Down Under blühen könnten. «Australien wird künftig weit mehr Brandkatastrophen erleben», warnt Geowissenschaftler Dale Dominey-Howes von der Universität Sydney.
Warum?
Weil der Klimawandel bisherige Wahrscheinlichkeiten über den Haufen wirft. Höhere Temperaturen, häufigere Dürren und unberechenbare Winde: Das heisst in der Summe, dass die Gefahr von ausgedehnten Bränden überproportional steigt. Vermeintlich kleine Veränderungen im langjährigen Temperatur- und Niederschlagsschnitt ziehen extreme Auswirkungen nach sich.
Fire weather nennt man in Australien jenes Wetter, das aktuell herrscht. Besonders im Südosten des Landes wird man sich daran gewöhnen müssen.
Zu Daten, Methode und Inspiration
Die Temperatur- und Niederschlagsdaten in unseren Grafiken stammen vom Bureau of Meteorology in Australien. Dieses stellt Zeitreihen für verschiedene Variablen, Regionen und Zeiträume zur Verfügung.
Die Daten zur Anzahl Brände pro Zeiteinheit stammen von der Nasa. Der MODIS-Algorithmus ermittelt sie aufgrund der von Satelliten gemessenen Infrarotstrahlen der Feuer. Wir betrachten nur Messungen, die mit einer Sicherheit von 50 Prozent oder mehr als Feuer auf dem Festland eingestuft wurden – das heisst, dass wir etwa die Hälfte der Daten herausfiltern. Da sich die Buschbrand-Muster zwischen den Jahren 2000 und 2015 nicht gross von denen der Jahre 2015 bis 2018 unterscheiden, zeigen wir nur einen Ausschnitt des Datensatzes. Für die Farbgebung klassifizieren wir die Daten mit einem k-means-Algorithmus und ordnen jeder Kategorie einen Farbwert zu. Für die Grafik zu Südostaustralien haben wir die Daten ebenfalls gefiltert:
– Längengrade zwischen 140,91 und 153,6 Grad,
– Breitengrade zwischen -43,64 und -26,90 Grad.
Das ergibt einen rechteckigen Ausschnitt zwischen Brisbane und Südtasmanien sowie zwischen der Westgrenze von New South Wales und dem Pazifischen Ozean.
Eine historische Visualisierung der Brände in Streifen erschien zuerst beim «Guardian». Wir haben sie auf unsere Datenauswahl hin adaptiert und bedanken uns für die Inspiration.