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Klagen gegen VW-Chefs – und Leiden unter Trump

Neues zum Überlebenskampf der deutschen Autoindustrie.

Von Olivia Kühni, 08.10.2019

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Die deutschen Autobauer kämpfen gegen die Zeit, um in der Epoche günstiger Elektro­autos weiter bestehen zu können. Allerdings gilt auch für die deutsche Autobranche, was im Leben oft gilt: Läuft es erst mal schief, kommen gleich noch mehr Probleme hinzu. In diesem Fall: doppelter Ärger mit der Justiz und Ärger mit der Politik des US-Präsidenten Donald Trump.

Zur Analyse

Die Retourkutsche: Wie die deutsche Autoindustrie arrogant und träge wurde und die Trendwende zur E-Mobilität ignorierte, bis es fast zu spät war.

1. Die erste Sammelklage

Zum ersten Mal in der Geschichte Deutsch­lands kommt eine Sammel­klage vor Gericht, wie man sie sonst vor allem aus den USA kennt – gegen den Volkswagen-Konzern.

Der Konsumentenverband VZBZ klagt am Land­gericht Braun­schweig im Namen von rund 400’000­Auto­käuferinnen, die nach dem Auffliegen der Abgas­manipulationen ihre Wagen zum Umbau zurück in die Garage bringen mussten. Er will, dass VW Schaden­ersatz an die Kunden bezahlt.

Die Sammelklage wurde schon vor einem knappen Jahr eingereicht, am Montag nahmen die Richter zum ersten Mal öffentlich Stellung. Das Fazit: Die grosse Frage wird sein, welchen Schaden Volks­wagen bei den Käufern angerichtet hat. Was bleibt überhaupt noch, wenn die Software kostenlos ersetzt wurde? Die Erwartungen der unzufriedenen Kunden dürften mindestens teilweise enttäuscht werden: dass das Diesel­auto vom gefeierten Wunder­kind zum Sünden­bock abgestürzt ist – mitsamt Preis­verlusten bei Occasions­autos – ist für die Eigentümer zwar ärgerlich. Nachzuweisen, dass an dem ganzen Phänomen in direkter Linie und vorsätzlich Volks­wagen schuld ist und darum auch zu haften hat, ist in einem sorg­fältigen Rechts­staat allerdings schwierig. Möglicher­weise zahlt aber VW in einem ausser­gerichtlichen Vergleich, weil das Unter­nehmen dies für weniger schädlich hält als ständige Justiz­schlagzeilen.

Der Prozess ist spannend, weil das Instrument der Sammel­klage – oder Musterfeststellungsklage, wie das Vorgehen in Deutsch­land heisst – erst am 1. November 2018 neu eingeführt wurde. Wie die Richter vorgehen, wird das Verständnis und die Anwendung von Sammel­klagen mitprägen.

Falls Sie die Details und Argumente der Klage nachlesen möchten, können Sie das hier tun.

Verärgert sind allerdings nicht nur die Kunden. Verärgert sind auch die Investorinnen.

Am selben Gericht hat auch die Staats­anwaltschaft Anklage gegen oberste VW-Manager persönlich erhoben – es geht hier also um einen möglichen Strafprozess mitsamt möglichen Haftstrafen.

Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, der heutige Chef Herbert Diess und der heutige Aufsichtsrats­vorsitzende Hans Dieter Pötsch sollen die Öffentlich­keit nicht sofort über die juristischen Probleme in den USA informiert haben und damit gegen das deutsche Wertpapierhandels­gesetz verstossen haben. Dieses verpflichtet die Geschäfts­führer börsen­kotierter Unter­nehmen, für den Börsen­kurs wichtige Informationen sofort öffentlich zu machen, damit Investorinnen eine Chance haben, darauf zu reagieren – und nicht einfach hilflos viel Geld verlieren.

Das Gericht – zuständig sind andere Richter als bei der Sammel­klage – hört jetzt die Beschuldigten an und entscheidet, ob es die Anklage der Staats­anwälte weiter­verfolgt und ein Verfahren eröffnet. Das tut es nur, wenn «die Beschuldigten hinreichend verdächtig» sind, mit anderen Worten: wenn die Richter Chancen auf eine Verurteilung sehen. Alle drei Beschuldigten weisen die Vorwürfe von sich.

Auch dieser Fall ist spannend. Eine Markt­manipulation nachzuweisen, ist sehr schwierig – es gilt unter anderem zu beweisen, dass das Management wirklich frühzeitig Bescheid wusste. Selbst wenn es nicht zum Verfahren kommt, ist die Anklage aber interessant: Sie zeigt einmal mehr, dass Gesetze gegen Kartelle und Absprachen und für einen fairen Wettbewerb eben nicht nur im Interesse von Konsumentinnen oder irgendwelchen Idealisten sind – sondern eben auch von Investorinnen und Unternehmern.

In den USA hat der VW-Konzern wegen der aufgeflogenen Abgas­manipulation bereits über 4,3 Milliarden Dollar als Busse bezahlt; mehrere frühere Mitarbeiter sind angeklagt oder sitzen bereits in Haft.

2. Trumps Zollpolitik

Schlechte Nachrichten für die Branche kamen allerdings nicht nur aus Braunschweig. Das renommierteste Forschungs­institut zur Industrie, das Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen präsentierte letzte Woche einen düsteren Ausblick auf die nächsten Jahre.

Alle Autobauer weltweit verkaufen 2019 laut den Berechnungen von CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer rund sieben Prozent weniger Wagen als im Vorjahr. Einer der Haupt­gründe dafür ist laut dem Autor der «US-Zollkrieg» von Präsident Donald Trump.

Sowohl Trump wie auch – als Reaktion darauf – die chinesische Regierung haben Zölle eingeführt, die es schwieriger machen, in den USA produzierte Autos nach China zu verkaufen. Das trifft auch die deutschen Autobauer stark: 35 Prozent ihres Umsatzes machen sie in China. 2018 haben BMW, Daimler und Volkswagen fast 800’000 Fahrzeuge in den USA produziert.

Der Ökonom findet dabei klare Worte zur Politik des US-Präsidenten – und zwar bemerkenswerter­weise nicht nur zur Handels­politik, sondern auch zur Klimapolitik. Trump ignoriere «den Klima­wandel zu grossen Teilen» und fördere fossile Brenn­stoffe. «Trump belastet durch seine CO2-Politik das Weltklima und wälzt die Kosten auf die Welt­gemeinschaft ab.» Das Fazit Dudenhöffers: Es sei sinnvoll, «auf Distanz zu den USA zu gehen».

Die deutschen Medien konzentrierten sich (etwa hier und hier) vor allem auf die USA-Kritik des Experten.

Zwei Dinge gilt es dazu allerdings zu ergänzen. Erstens erhebt die EU mehr Zölle auf amerikanische Produkte, als dies umgekehrt der Fall ist, wie unter vielen anderen das Münchner Ifo-Institut erhoben hat.

Zweitens sieht auch Autor Dudenhöffer das Problem längst nicht nur in Trumps Politik, wie ein Beitrag zeigt, den sein Institut im Sommer in der Fach­zeitschrift «Wirtschaftsdienst» veröffentlichte. Dudenhöffer kritisierte darin deutlich die Branche, die «zu lange» auf den Verbrennungs­motor gesetzt hat, und das jahrelange Schon­programm der deutschen Politik. Die Entwicklung der Auto­industrie zeige «das grosse Versagen der deutschen Verkehrs­politik, die mit ihrem Steuer- und Abgaben­system einen Schutzwall um den Verbrennungs­motor aufgebaut hat».