Die Credit Suisse und die geheimen Schulden von Moçambique
Wie ein schmutziges Kreditgeschäft bei der Schweizer Bank zum Desaster für ein afrikanisches Entwicklungsland wurde: ein Lehrstück über Globalisierung und Verantwortung.
Von Bruno Schletti und Stefan Ehlert, 30.08.2019
Zwei Milliarden Dollar. An einem globalen Finanzplatz wie London ist das ein Schmetterlingsschlag. Doch wenn sich kriminelle Energie mit Profitgier und laxer Aufsichtskultur vermischt, dann kann dieser Schmetterlingsschlag Tausende von Kilometern entfernt ein humanitäres Desaster auslösen.
Die dívidas ocultas, die geheimen Schulden von Moçambique, sind ein solches Desaster. Und im Zentrum dieses grössten Korruptionsfalls, den Afrika in jüngerer Zeit erlebt hat, steht eine Schweizer Grossbank: die Credit Suisse.
Der Fall, der Moçambique an den Rand des Ruins getrieben hat, zeigt, welche Verantwortung auf Konzernen lastet, wenn sie lukrative Geschäfte in Entwicklungsländern tätigen. Und er ist zum Paradebeispiel dafür geworden, was passieren kann, wenn sie dieser Verantwortung nicht gerecht werden.
1. Die Fischflotte
Da liegen sie in der Sonne und schaukeln. Ein imposantes Bild, wenn man sich die Rostflecken wegdenkt: 27 Fischtrawler in Weiss und Blau. Eine Flotte, die Hunderten von Menschen Arbeit geben und wertvollen Thunfisch einbringen könnte – sowie Millionen an Devisen. In der Anfangszeit seien sie einmal ausgelaufen, sagt ein Arbeiter im Fischereihafen von Maputo, der Hauptstadt von Moçambique. Wann das war, daran kann er sich nicht mehr erinnern.
Die Rekonstruktion der Affäre zeigt: Ihr Anfang liegt ungefähr sechs Jahre zurück.
2013 wurden die Boote bestellt – durch die moçambiquanische Staatsfirma Ematum, die eigens zu diesem Zweck gegründet worden war. Kredite über Hunderte Millionen Dollar wurden allein für diese Thunfischflotte aufgenommen. Illegalerweise, wie wir heute wissen; für stark überteuerte Anschaffungen, wie ein Bericht von Wirtschaftsprüfern ergab; und offenbar nie dazu gedacht, Gewinne einzufahren – ausser für die Personen, die am Deal beteiligt waren, wie ein US-Gericht sagt.
Als der Ematum-Kredit zusammen mit zwei anderen faulen Deals, die vorbei am Parlament und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eingefädelt worden waren, Anfang 2016 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, stürzte Moçambique in eine bis heute andauernde schwere Wirtschaftskrise. Wie das Entwicklungsland diese Krise bewältigen soll, weiss niemand.
2. Die Klage
Geldwäscherei, Betrug, Korruption: Diese Vorwürfe wurden von der Grand Jury des Eastern District of New York im Dezember in einer Klageschrift festgehalten, die detailliert beschreibt, welche Vorgänge inner- und ausserhalb der Credit Suisse am Ursprung des Schlamassels stehen.
Die Vorwürfe seien «erschütternd und bedrückend», sagte Urs Rohner anlässlich der letzten Generalversammlung der CS. Der langjährige Präsident gab sich, als hätte er eben erst von der Sache erfahren. Dabei hatte seine Bank die betreffenden Kredite schon vor sechs Jahren gesprochen.
Zusammen mit der russischen Bank VTB Capital hatte sie 2013 und 2014 Kredite an drei staatliche moçambiquanische Gesellschaften vermittelt. Für die Firma Proindicus wurden 622 Millionen organisiert, für Ematum 850 Millionen und für Mozambique Asset Management 535 Millionen, insgesamt mehr als zwei Milliarden Dollar. Die Schweizer Bank zeichnete im Rahmen der ersten beiden Kredite für die Hälfte dieser Summe verantwortlich. Das Geld sollte für den Kauf von Schiffen verwendet werden, nebst der Thunfischflotte für Patrouillenboote zur Überwachung der 2800 Kilometer langen Küste.
Die Schiffe wurden geliefert. Doch ob sie alle hochseetauglich sind, steht infrage. Ihre Aufgabe erfüllen offenbar auch die Patrouillenboote für den Küstenschutz nicht. Von den zwei Milliarden Dollar sind 500 Millionen spurlos verschwunden. Mindestens 200 Millionen sind gemäss der Anklageschrift aus New York als Schmiergelder zweckentfremdet worden.
Die CS ist zwar nicht direkt beschuldigt. Trotzdem ist sie in Erklärungsnot. Angeklagt sind – nebst einer Reihe von weiteren Involvierten – drei ihrer ehemaligen Mitarbeiter in London. Die drei CS-Banker hätten zusammen mit weiteren Personen die maritimen Projekte benutzt, um sich selbst zu bereichern und Dritte zu bestechen. Der Kopf der Dreierbande, der Neuseeländer Andrew Pearse, hat bereits seine Schuld eingestanden.
Die Öffentlichkeit hätte von den Vorgängen eigentlich nie erfahren sollen. Doch 2015, zwei Jahre nach Erhalt der Kredite, geriet Moçambique in Zahlungsverzug. Das Land sah sich mit Fragen des IWF konfrontiert. Das war besonders peinlich, weil die moçambiquanische Regierung die Kredite eingefädelt hatte, ohne den IWF zu informieren. Dazu wäre sie aber verpflichtet gewesen.
Um den Beinahekonkurs zu verstecken, hatten die Verschwörer, so die Anklageschrift, den Plan ausgeheckt, die Beteiligungspapiere der einen Kredittranche – jener für Ematum – in Eurobonds zu wandeln, also Anleihen, die von Moçambique ausgegeben und am Markt gehandelt werden sollten.
Dazu verfassten die CS-Banker Dokumente zuhanden der Investoren, um sie von der Umstrukturierung der Kredite zu überzeugen. Die Dokumente hätten «falsche und irreführende Informationen zu den Eurobonds und der Kreditwürdigkeit Moçambiques» enthalten. Konkret verschwiegen die Banker die Existenz der zwei weiteren Kredite, die Moçambique aufgenommen hatte.
3. Die Staatspleite
Im April 2016 berichtete das «Wall Street Journal» von der Umstrukturierung. Und davon, dass auch Gelder für den Kauf von Marineschiffen abgezweigt worden seien. Erstmals erfuhren die Investoren von weiteren Kredittranchen. Dies nur einen Tag nachdem sie der Umstrukturierung zugestimmt hatten.
Der Finanzskandal war perfekt, das Spiel aufgeflogen. Drei Jahre nachdem geheimes Geld nach Moçambique geflossen war, wusste die ganze Welt davon.
Der IWF und mehrere Staaten – unter ihnen die Schweiz – stoppten sofort ihre Zahlungen an den afrikanischen Staat. Die westliche Budgethilfe wurde ausgesetzt. Allein aus der EU fehlten Moçambiques Finanzminister damit 300 Millionen Euro. Wenige Monate später war Moçambique zahlungsunfähig.
Als Bedingung für eine erneute Zusammenarbeit verlangte der Währungsfonds von Moçambique die Aufklärung des Falls durch eine unabhängige Stelle. Engagiert wurde die US-Buchprüfungsfirma Kroll. 2017 veröffentlichte sie ihren von Schweden finanzierten Bericht.
In der nüchternen Sprache der Wirtschaftsprüfer gehalten, deckte dieser Kroll-Bericht so viele «Unstimmigkeiten» und «Diskrepanzen» auf, dass eine interessierte Staatsanwaltschaft ausreichend Anhaltspunkte für Ermittlungen hätte finden können. Nicht so in Moçambique im Jahr 2017.
Dabei hätte allein die Höhe der Kredite bei allen Beteiligten viel früher Bauchschmerzen auslösen müssen. Zwei Milliarden Dollar entsprechen nahezu der Hälfte des jährlichen Staatsbudgets. Von 2014 bis 2016 stieg die Staatsverschuldung, unter anderem wegen der Kredite, von rund 50 auf mehr als 110 Prozent des BIP an.
4. Die Katastrophe
In einem der ärmsten Länder der Welt ist dies lebensbedrohlich. Moçambique liegt auf Platz 180 von 189 im UN-Index der menschlichen Entwicklung. Als Folge der wirtschaftlichen Misere gab es in den letzten Jahren keine deutlichen Verbesserungen mehr bei der Bekämpfung von HIV oder Malaria. Die Kinder- und Müttersterblichkeit blieb auf hohem Niveau. Das widerspricht den offiziellen Entwicklungszielen der Regierung, die für die Jahre 2018 und 2019 mit einer Verschlechterung der humanitären Lage rechnen muss.
Wie wenig Spielraum das Land hat, erwies sich nach den Zyklonen «Idai» und «Kenneth» im März und April dieses Jahres. Die schwer betroffenen Regionen Cabo Delgado im Norden und Sofala im Zentrum waren schon zuvor bitterarm. Nun richteten die Stürme mit Windstärken bis zu 200 Kilometern pro Stunde und anhaltendem Starkregen eine Katastrophe an, die fast zwei Millionen Menschen in Mitleidenschaft zog.
Noch Monate später klagen Bauern im Küstendorf Chiconjo über Hunger. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen verzeichnet in ihrem mobilen Behandlungszelt einen Ansturm von Malariakranken. Familien leben in Zelten, nachdem ihre Häuser von den Überschwemmungen zerstört wurden und sie teils nur mit Glück nach vier Tagen auf einem Dach gerettet worden sind.
Zehntausenden geht es wie diesen Menschen, die keine Reserven haben, um sich etwas Neues aufzubauen. Und denen vor allem die jüngste Ernte fehlt. Mais, Reis, Avocados – alles ist auf einer Fläche von einer Million Hektaren zerstört. Bis zur nächsten Ernte – Süsskartoffeln, wenn keine Dürre kommt – vergeht noch Zeit, die mit internationaler Hilfe überbrückt werden muss.
Hohe Kreditkosten treiben Hunderte von den Zyklonen zerstörte Betriebe in die Pleite, weil sie sich den Wiederaufbau nicht leisten können. Beira, eine Küstenstadt mit 500’000 Einwohnern, ist auch drei Monate später ohne Dächer – kaum jemand kann sich neue Bleche für die Abdeckung leisten.
Dass durch regierungsamtliches Handeln Unsummen von Geld verschwand, überrascht zwar kaum eine Moçambiquanerin. Aber allen ist klar geworden, dass Korruption in dieser Dimension Menschenleben kostet. Die dívidas ocultas haben das Vertrauen von Geldgebern in die Regierung zerstört. Und diese hat selbst nicht die Mittel, den katastrophalen Zuständen zu begegnen.
5. Der Aufklärer
Dass der Fall in der Schweiz bekannt wurde, ist vor allem Thomas Kesselring zu verdanken. Der Philosoph und Ethiker war bis 2013 Professor an der Pädagogischen Hochschule Bern. Bis 2016 wirkte er als Dozent an der Pädagogischen Universität von Moçambique. Akribisch hat Kesselring auf dem Portal «Infosperber» dokumentiert, was über den Skandal bekannt ist.
An der vorletzten Generalversammlung der Credit Suisse im April 2018 konfrontierte Kesselring die Führung der Bank mit den dannzumal bekannten Fakten. Und er verlangte Auskunft darüber, weshalb die Credit-Suisse-Zentrale dieses Geschäft überhaupt genehmigt hatte.
Präsident Urs Rohner wischte die Fragen damals mit dem ersten Satz seiner Antwort vom Tisch: «Die Realität entspricht leider nicht der Karikatur unserer Prozesse, die Sie hier vorgetragen haben.» Rohner verteidigte die Bank: «Jeder Kredit, der bei uns gesprochen wird, geht nach ganz klaren Richtlinien und Prozessen durch. Es wird eine rigorose und angemessene Sorgfaltspflichtprüfung durchgeführt, bevor eine Kundenbeziehung eröffnet wird.» Er verwahrte sich gegen ein «vorschnelles Zuweisen von Schuld».
Doch Kesselring liess nicht locker. An der Generalversammlung 2019 brachte er Moçambique erneut aufs Tapet. Und Rohner hütete sich diesmal, die Sache als «Karikatur» abzutun. Kein Wunder, denn um die Jahreswende waren fünf mutmassliche Drahtzieher des Zwei-Milliarden-Deals verhaftet worden: in London die drei ehemaligen Banker der Credit Suisse, dazu in Südafrika der Ex-Finanzminister von Moçambique, Manuel Chang, und in New York ein Manager einer international bekannten Schiffswerft. Kurz danach machte ein US-Gericht die Klage gegen die Verhafteten und weitere Beschuldigte öffentlich.
Die bisher bekannten Fakten und Hinweise werfen ein äusserst schlechtes Licht auf die internen Abläufe der Bank. Man muss annehmen, dass die Vergabe der Kredite an Moçambique in keiner Weise der von Rohner behaupteten rigorosen Sorgfaltspflichtprüfung unterzogen worden ist.
Gemäss dem Kroll-Bericht setzte die Credit Suisse eigentlich die Erfüllung dreier Bedingungen voraus, um die Kredite zu genehmigen: die Billigung durch die Zentralbank Moçambiques, die Prüfung des Geschäfts durch ein Verwaltungsgericht in Moçambique und die Information des Internationalen Währungsfonds über die Kreditaufnahme. Obwohl keine dieser Bedingungen erfüllt wurde, gab die Credit Suisse die Kredite frei.
Nach moçambiquanischer Rechtslage hätten die Kredite obendrein mit Staatsgarantien abgesichert werden müssen. Solche wurden durch den damaligen Finanzminister Manuel Chang auf rechtswidrige Art erteilt, unter anderem ohne erforderlichen Parlamentsbeschluss. Chang gab später zu, dass er mit seiner Unterschrift wissentlich Gesetze verletzt habe. Er wird beschuldigt, mehrere Millionen Dollar Schmiergelder erhalten zu haben.
Vertreter der Credit Suisse betonen zwar bei jeder Gelegenheit, dass sie alle geltenden Gesetze einhalten. Doch im Fall Moçambique wurde offenbar die nicht gesetzeskonforme Staatsgarantie entweder von der Compliance-Abteilung durchgewinkt oder nicht auf ihre Gesetzmässigkeit überprüft.
6. Die Machtelite
Wer in Moçambique an Aufklärung interessiert ist, sieht nun vor allem einen Elefanten im Raum, wie Entwicklungshelfer in Maputo sagen – und das ist der amtierende Präsident Filipe Nyusi. Er war in den Jahren der dubiosen Kreditbeschaffung Verteidigungsminister.
Dass damals ohne sein Wissen Militärgüter zum Küstenschutz beschafft wurden, glaubt niemand in Maputo. Denn die verschwundenen Summen bewegen sich in einer Grössenordnung, die darauf hindeutet, dass das Geld nicht nur der persönlichen Bereicherung dienen sollte – sondern, wie mancher hinter vorgehaltener Hand sagt, dem übergeordneten Machtinteresse der Regierungspartei Frelimo, die diese für Wahlkämpfe und Manipulationen einsetzen könnte.
Für Präsident Nyusi und die Frelimo kommt es jetzt darauf an, die Zeit bis zu seiner geplanten Wiederwahl am 15. Oktober zu überstehen. Vor diesem Hintergrund ist auch Moçambiques verzweifeltes Bemühen zu verstehen, die Auslieferung von Ex-Finanzminister Manuel Chang von Südafrika an die USA zu verhindern, wo er in einem Prozess weitere Details und Hintermänner verraten könnte. Die südafrikanische Justiz hat ein Hearing dazu jüngst verschoben – ausgerechnet auf den 16. und 17. Oktober, unmittelbar nach den Wahlen.
Zwar hat Moçambique mehrere mutmassliche Strippenzieher der dívidas-Affäre verhaftet. Die Staatsanwaltschaft hat in London Klage gegen Einheiten der Credit Suisse eingereicht und beschuldigt sogar den Sohn des Ex-Präsidenten Armando Guebuza, in den Skandal verwickelt zu sein. Dies als Zeichen des guten Willens an Südafrika, die USA und die Geberländer. Doch NGOs wie das Centro de Integridade Pública in Maputo, das sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hat, haben grosse Zweifel, dass der Staat an einer echten Aufarbeitung interessiert ist.
Immerhin gibt es Anzeichen, dass die Geber Moçambique entgegenkommen. Nachdem die Zyklone geschätzte Wiederaufbaukosten von 3 Milliarden Dollar auslösten, lockerte der IWF sein Regime und sagte Kredite über 118 Millionen Dollar zu. Man spekuliert auf üppige Erlöse aus der Gasförderung vor der Küste im Norden, die ab Mitte der 2020er-Jahre die Staatskasse füllen könnten.
Ob diese Gelder je im Sinne der Armutsbekämpfung eingesetzt werden, ist jedoch ungewiss. Moçambique gilt als Land, in dem die Korruption blüht. Auf den jährlich publizierten Korruptionsindizes von Transparency International rangiert der Staat regelmässig auf den hinteren Rängen. Mia Couto, moçambiquanischer Schriftsteller, sagte vor Jahren schon: «Wir leben in einem Reich, in dem Gangster die Führung übernommen haben.»
Das ist keine poetische Übertreibung, wie der jüngste Bericht der Globalen Initiative gegen transnationale organisierte Kriminalität über «die Heroinküste» belegt. Gemäss diesem ist Moçambique ein Umschlagplatz im globalen Drogenhandel. Drogen seien die zweitwichtigste Einnahmequelle nach Kohle. Nach dem von Interpol mitfinanzierten Bericht ist kaum eine Regierung so tief in den Heroinhandel verstrickt wie die in Maputo.
Hinweise dafür gibt es seit vielen Jahren. Anlass genug also, Kreditgeschäften mit Moçambique mit einem gewissen Misstrauen zu begegnen. Speziell wenn es um Geschäfte mit Rüstungsbezug geht, wie sie vor sechs Jahren getätigt wurden. Mit einer illustren, manche sagen auch einschlägig bekannten Firma.
7. Die Schiffswerft
Ihr Name: Privinvest, eine Unternehmensgruppe mit Sitz im Libanon und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie plant und konstruiert Schiffe.
Privinvest tätigt Geschäfte in über 40 Ländern. Die Gruppe verfügt über Werften im Mittelmeer- und im arabischen Raum, aber auch in Deutschland und Frankreich. Sie verspricht Toptechnik bei Hochseejachten, Handels- und Militärschiffen, Küstenschutz und maritimer Kommunikation.
Einer ihrer Mitarbeiter ging der Polizei in New York am selben Tag ins Netz, an dem auch die CS-Banker in London verhaftet wurden: Jean Boustani. Er spielt im Skandal eine Schlüsselrolle, davon sind die Ankläger überzeugt. Kaum ein Name taucht häufiger in ihrer Anklageschrift auf. Der 40-jährige Verkaufsmanager soll das Geschäft in Südostafrika mit unlauteren Mitteln mit angeschoben und dafür 15 Millionen Dollar eingestrichen haben.
«Erfolgsgebühren», so nannten es laut US-Anklageschrift die Lieferanten. Von «Hühnchen» sprachen dagegen die Empfänger auf moçambiquanischer Seite, wie aus einem E-Mail an Boustani hervorgeht: «Ich habe nachgefragt. Bitte liefern sie 50 Millionen Hühnchen.» Gemeint war harte Währung.
Auch Privinvest sieht sich nicht als Beklagte. Ihre Anwälte weisen den Vorwurf zurück, Moçambique überteuerte Schiffe verkauft zu haben, und behaupten, mit dem Anfüttern der Käufer habe man nichts zu tun gehabt. Eine Darstellung, die immer unglaubwürdiger wird: In seinem Geständnis beschuldigt CS-Banker Andrew Pearse auch den Inhaber von Privinvest, den franko-libanesischen Geschäftsmann Iskandar Safa, involviert gewesen zu sein. Kürzlich hat Moçambique gegen Safa in London eine Klage eingereicht.
Man kann davon ausgehen, dass der Credit Suisse bewusst war, mit wem sie es zu tun hatte. Bei der Bank muss gemäss Anklageschrift auch einer der Privinvest-Manager bereits als «unerwünschter Kunde» registriert gewesen sein – möglicherweise handelt es sich dabei um Jean Boustani oder um Firmenchef Iskandar Safa selbst. Ein CS-Mitarbeiter soll besagte Person im Überprüfungsprozess sogar als master of kickbacks bezeichnet haben, also als Meister der Schmiergeldzahlungen – allerdings ohne Folgen.
Auch weitere Personen hätte die Bank als politisch exponiert einstufen müssen. Dazu zählen Ex-Finanzminister Chang sowie Geheimdienstchef António do Rósario, der die drei kreditnehmenden Staatsgesellschaften leitete. Politisch exponierte Personen unterliegen bezüglich Geldwäsche strengen Anforderungen. Vermutlich wurde diese Analyse nicht oder nicht ernsthaft abgewickelt.
Die US-Anklageschrift bringt weitere Ungereimtheiten zum Vorschein. So leuchteten im Kreditüberprüfungsprozess der CS früh rote Warnlampen auf. Ein Mitarbeiter habe darauf hingewiesen, dass bei der Auftragsvergabe an Privinvest kein Ausschreibungswettbewerb durchgeführt worden sei. Offenbar wurden auch das Volumen und das Preisniveau der Geschäfte bei der CS nicht gründlich geprüft. Der Kroll-Bericht kommt zum Schluss, dass die Schiffsaufträge um insgesamt 713 Millionen Dollar überteuert waren.
Der in New York verhaftete Privinvest-Manager Jean Boustani hat gemäss Anklageschrift den Verzicht auf ein Bieterverfahren gegenüber der Credit Suisse damit begründet, der Deal sei dank «Beziehungen auf höchster Ebene» zwischen Privinvest und der Regierung Moçambiques zustande gekommen. Allein diese Aussage ist ein Alarmzeichen höchster Güte bezüglich möglicher Korruption – offenbar nicht für die Credit Suisse.
8. Der Bankenkodex
Die Bank setzte bereits im Dezember 2010 einen für alle Mitarbeitenden geltenden Verhaltenskodex in Kraft. Da liest man: «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die angesehenste Bank weltweit zu werden.» Man wolle eine beispielhafte Kontrollkultur leben und setze «alles daran, Geldwäscherei, die Finanzierung terroristischer Aktivitäten sowie Korruption zu verhindern».
Dass es die Bank damit ernst meint, zweifelte der Wirtschaftsethiker Bruce Weinstein im Juli 2018 im Wirtschaftsmagazin «Forbes» an. «Ihre Gesellschaft muss ihren Verhaltenskodex ernst nehmen, sonst wird sie einen gewaltigen finanziellen Tiefschlag erleiden», warnte er CS-Präsident Urs Rohner in einem Aufruf. «Sie können nicht länger etwas sagen und etwas anderes tun.»
Letzten September rügte auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die Grossbank öffentlich scharf. Sie warf ihr Mängel bei der Geldwäschereibekämpfung, im Kontrollsystem und im Risikomanagement vor. Die Rüge betraf Geschäftsbeziehungen rund um die Fifa, die Ölkonzerne Petrobras und PDVSA sowie den Umgang mit einer nicht genannten politisch exponierten Person. Der Fall Moçambique spielte sich im gleichen Zeitraum ab.
Die Finma stehe seit längerem mit der CS in Kontakt, sagt ein Sprecher. Er weist aber darauf hin, dass die Kreditvergabe in London abgewickelt worden sei. Damit fällt der Fall in den Bereich der britischen Finanzaufsicht.
Die britische Finanzmarkt-Aufsichtsbehörde FCA gab den Fall an die dortige Strafverfolgungsbehörde ab. Da es sich um einen Bestechungsfall handle, sei die Polizei zuständig, begründete dies FCA-Chef Andrew Bailey im vergangenen Januar. Inzwischen scheint sich bei der FCA aber die Einsicht durchgesetzt zu haben, dass der Fall Moçambique nicht nur drei einzelnen Mitarbeitenden der Credit Suisse anzulasten ist. Gut informierte Quellen in London bestätigen, dass die FCA jetzt untersucht, ob die Kontrollsysteme der Credit Suisse angemessen funktionierten und ob die für die Kreditabwicklung zuständigen Personen «fit and proper» waren.
9. Die Uneinsichtigen
Vorerst gibt es also keine Entwarnung für die Chefs der Credit Suisse. Diese haben bis heute keinerlei Fehler eingestanden. Zur Abwehrstrategie gehört der Hinweis darauf, dass die drei angeklagten ehemaligen Mitarbeitenden der Credit Suisse den Deal ausserhalb der Bank eingefädelt hätten.
So sagte der oberste Rechtsverantwortliche der Credit Suisse, Romeo Cerutti, an der Generalversammlung im April: «Die haben alles über private E-Mails hinter der Bank und hinter unserem Rücken organisiert.» Gemäss Anklage begannen sich die drei CS-Banker aber erst ab Sommer 2013 über ihre privaten E-Mail-Kontos auszutauschen – zu einem relativ späten Zeitpunkt, als der erste Kredit bereits ausbezahlt war. Die Frage stellt sich, was ein Kontrollapparat einer Grossbank wert ist, der sich aushebeln lässt, indem sich drei Mitarbeitende über private E-Mail-Accounts verständigen.
Dennoch bleibt Präsident Rohner uneinsichtig. An der Generalversammlung sagte er zum wiederholten Mal: «Wenn am Schluss dabei herauskommt, dass es bei uns Dinge gegeben hat, die nicht in Ordnung waren, dann werden wir das auch ganz sicher entsprechend korrigieren.» CS-Konzernchef Tidjane Thiam sagte bei derselben Gelegenheit, er selbst sei nicht bei der Bank gewesen, als diese Vorfälle stattgefunden hätten.
Thiam liess sich im vergangenen Geschäftsjahr mit 12,7 Millionen Franken entschädigen, Rohner mit 4,7 Millionen. Das sind unvorstellbare Summen für Moçambiquaner wie Leonel Mambasso. Er fährt täglich aus der Provinz nach Maputo, um in einer der Hauptstrassen Schuhe zu flicken. Pro Monat verdient er 2400 Meticais, knapp 40 Franken. Seine Frau Orquidia Tembe verdient als Haushaltshilfe 2800 Meticais, beide zusammen also rund 90 Franken im Monat. Das Geld reicht kaum, um die vier Kinder zu ernähren.
2018 erkrankte eines der Kinder. Malaria wurde diagnostiziert, Medikamente gab es in der örtlichen Gesundheitsversorgung keine. Die Eltern konnten sie schliesslich in einer privaten Apotheke kaufen. «Viele haben das Geld für solche Anschaffungen aber nicht», sagt Denise Namburete, Direktorin von N’weti, einer NGO für Gesundheitsfragen in Maputo. «Sie sterben.»
Verschiedene Hilfswerke und Nichtregierungsorganisationen fordern die Credit Suisse und weitere Gläubiger auf, Moçambique die dívidas ocultas zu erlassen. «Ich zahle nicht für die geheimen Schulden», hat das Centro de Integridade Pública zehntausendfach auf T-Shirts drucken lassen.
Moçambiques Verfassungsrat, das höchste Gericht, hat Anfang Juni einen Teil der dubiosen Kredite, die 850 Millionen für Ematum, für illegal erklärt und damit jegliches Verwaltungshandeln unter Strafe gestellt, das der Beschaffung, Rückzahlung oder Umwandlung des Kredits dient. Es ist noch unklar, ob das Verdikt Bestand haben wird. Aber mit dem Urteil dürfte es den Gläubigern schwererfallen, ihr Geld von Moçambique zurückzuverlangen.
Wie das Verdikt ausfällt, kann der CS zu einem gewissen Grad egal sein. Die von ihr organisierten Kredite waren zum Zeitpunkt der Vergabe gegen Ausfall versichert oder befinden sich gar nicht mehr auf ihrer Bilanz. Die Bank hat ihre Risiken auf andere abgewälzt.
Nicht so die Einwohner von Moçambique. Viele von ihnen schlafen nach den Überschwemmungen weiter im Zelt. Ein Grossteil der Menschen leidet Not, während sich die Aufklärung eines der grössten Korruptionsskandale des Kontinents weiter in die Länge zieht.
Zwei Milliarden Dollar: Für die Credit Suisse ist das bloss ein Jahresgewinn. Für das fragile Moçambique ist es eine tödliche Summe. Die dívidas ocultas werden noch viele Jahre auf dem südostafrikanischen Land lasten.