Die Credit Suisse und die geheimen Schulden von Moçambique

Wie ein schmutziges Kreditgeschäft bei der Schweizer Bank zum Desaster für ein afrikanisches Entwicklungsland wurde: ein Lehrstück über Globalisierung und Verantwortung.

Von Bruno Schletti und Stefan Ehlert, 30.08.2019

Zwei Milliarden Dollar. An einem globalen Finanz­platz wie London ist das ein Schmetterlings­schlag. Doch wenn sich kriminelle Energie mit Profitgier und laxer Aufsichts­kultur vermischt, dann kann dieser Schmetterlings­schlag Tausende von Kilometern entfernt ein humanitäres Desaster auslösen.

Die dívidas ocultas, die geheimen Schulden von Moçambique, sind ein solches Desaster. Und im Zentrum dieses grössten Korruptions­falls, den Afrika in jüngerer Zeit erlebt hat, steht eine Schweizer Grossbank: die Credit Suisse.

Der Fall, der Moçambique an den Rand des Ruins getrieben hat, zeigt, welche Verantwortung auf Konzernen lastet, wenn sie lukrative Geschäfte in Entwicklungs­ländern tätigen. Und er ist zum Parade­beispiel dafür geworden, was passieren kann, wenn sie dieser Verantwortung nicht gerecht werden.

1. Die Fischflotte

Da liegen sie in der Sonne und schaukeln. Ein imposantes Bild, wenn man sich die Rost­flecken wegdenkt: 27 Fisch­trawler in Weiss und Blau. Eine Flotte, die Hunderten von Menschen Arbeit geben und wertvollen Thunfisch einbringen könnte – sowie Millionen an Devisen. In der Anfangs­zeit seien sie einmal ausgelaufen, sagt ein Arbeiter im Fischerei­hafen von Maputo, der Hauptstadt von Moçambique. Wann das war, daran kann er sich nicht mehr erinnern.

Die Rekonstruktion der Affäre zeigt: Ihr Anfang liegt ungefähr sechs Jahre zurück.

2013 wurden die Boote bestellt – durch die moçambiquanische Staats­firma Ematum, die eigens zu diesem Zweck gegründet worden war. Kredite über Hunderte Millionen Dollar wurden allein für diese Thunfisch­flotte aufgenommen. Illegaler­weise, wie wir heute wissen; für stark überteuerte Anschaffungen, wie ein Bericht von Wirtschaftsprüfern ergab; und offenbar nie dazu gedacht, Gewinne einzufahren – ausser für die Personen, die am Deal beteiligt waren, wie ein US-Gericht sagt.

Das wurde aus der stolzen Trawlerflotte: Rostend schaukeln die Boote im Hafen von Maputo. Stefan Ehlert

Als der Ematum-Kredit zusammen mit zwei anderen faulen Deals, die vorbei am Parlament und dem Internationalen Währungs­fonds (IWF) eingefädelt worden waren, Anfang 2016 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, stürzte Moçambique in eine bis heute andauernde schwere Wirtschafts­krise. Wie das Entwicklungs­land diese Krise bewältigen soll, weiss niemand.

2. Die Klage

Geldwäscherei, Betrug, Korruption: Diese Vorwürfe wurden von der Grand Jury des Eastern District of New York im Dezember in einer Klageschrift festgehalten, die detailliert beschreibt, welche Vorgänge inner- und ausserhalb der Credit Suisse am Ursprung des Schlamassels stehen.

Die Vorwürfe seien «erschütternd und bedrückend», sagte Urs Rohner anlässlich der letzten General­versammlung der CS. Der langjährige Präsident gab sich, als hätte er eben erst von der Sache erfahren. Dabei hatte seine Bank die betreffenden Kredite schon vor sechs Jahren gesprochen.

Zusammen mit der russischen Bank VTB Capital hatte sie 2013 und 2014 Kredite an drei staatliche moçambiquanische Gesellschaften vermittelt. Für die Firma Proindicus wurden 622 Millionen organisiert, für Ematum 850 Millionen und für Mozambique Asset Management 535 Millionen, insgesamt mehr als zwei Milliarden Dollar. Die Schweizer Bank zeichnete im Rahmen der ersten beiden Kredite für die Hälfte dieser Summe verantwortlich. Das Geld sollte für den Kauf von Schiffen verwendet werden, nebst der Thunfisch­flotte für Patrouillen­boote zur Über­wachung der 2800 Kilometer langen Küste.

Die Schiffe wurden geliefert. Doch ob sie alle hochsee­tauglich sind, steht infrage. Ihre Aufgabe erfüllen offenbar auch die Patrouillen­boote für den Küsten­schutz nicht. Von den zwei Milliarden Dollar sind 500 Millionen spurlos verschwunden. Mindestens 200 Millionen sind gemäss der Anklage­schrift aus New York als Schmier­gelder zweck­entfremdet worden.

Die CS ist zwar nicht direkt beschuldigt. Trotzdem ist sie in Erklärungsnot. Angeklagt sind – nebst einer Reihe von weiteren Involvierten – drei ihrer ehemaligen Mitarbeiter in London. Die drei CS-Banker hätten zusammen mit weiteren Personen die maritimen Projekte benutzt, um sich selbst zu bereichern und Dritte zu bestechen. Der Kopf der Dreier­bande, der Neu­seeländer Andrew Pearse, hat bereits seine Schuld eingestanden.

Geständig: Der frühere CS-Banker Andrew Pearse. Chris Ratcliffe/Bloomberg/Getty Images

Die Öffentlichkeit hätte von den Vorgängen eigentlich nie erfahren sollen. Doch 2015, zwei Jahre nach Erhalt der Kredite, geriet Moçambique in Zahlungs­verzug. Das Land sah sich mit Fragen des IWF konfrontiert. Das war besonders peinlich, weil die moçambiquanische Regierung die Kredite eingefädelt hatte, ohne den IWF zu informieren. Dazu wäre sie aber verpflichtet gewesen.

Um den Beinahe­konkurs zu verstecken, hatten die Verschwörer, so die Anklage­schrift, den Plan ausgeheckt, die Beteiligungs­papiere der einen Kredit­tranche – jener für Ematum – in Eurobonds zu wandeln, also Anleihen, die von Moçambique ausgegeben und am Markt gehandelt werden sollten.

Dazu verfassten die CS-Banker Dokumente zuhanden der Investoren, um sie von der Umstrukturierung der Kredite zu überzeugen. Die Dokumente hätten «falsche und irreführende Informationen zu den Eurobonds und der Kredit­würdigkeit Moçambiques» enthalten. Konkret verschwiegen die Banker die Existenz der zwei weiteren Kredite, die Moçambique aufgenommen hatte.

3. Die Staatspleite

Im April 2016 berichtete das «Wall Street Journal» von der Umstrukturierung. Und davon, dass auch Gelder für den Kauf von Marine­schiffen abgezweigt worden seien. Erstmals erfuhren die Investoren von weiteren Kredit­tranchen. Dies nur einen Tag nachdem sie der Umstrukturierung zugestimmt hatten.

Der Finanz­skandal war perfekt, das Spiel aufgeflogen. Drei Jahre nachdem geheimes Geld nach Moçambique geflossen war, wusste die ganze Welt davon.

Der IWF und mehrere Staaten – unter ihnen die Schweiz – stoppten sofort ihre Zahlungen an den afrikanischen Staat. Die westliche Budget­hilfe wurde ausgesetzt. Allein aus der EU fehlten Moçambiques Finanz­minister damit 300 Millionen Euro. Wenige Monate später war Moçambique zahlungsunfähig.

Als Bedingung für eine erneute Zusammen­arbeit verlangte der Währungs­fonds von Moçambique die Aufklärung des Falls durch eine unabhängige Stelle. Engagiert wurde die US-Buchprüfungs­firma Kroll. 2017 veröffentlichte sie ihren von Schweden finanzierten Bericht.

In der nüchternen Sprache der Wirtschafts­prüfer gehalten, deckte dieser Kroll-Bericht so viele «Unstimmigkeiten» und «Diskrepanzen» auf, dass eine interessierte Staats­anwaltschaft ausreichend Anhalts­punkte für Ermittlungen hätte finden können. Nicht so in Moçambique im Jahr 2017.

Dabei hätte allein die Höhe der Kredite bei allen Beteiligten viel früher Bauch­schmerzen auslösen müssen. Zwei Milliarden Dollar entsprechen nahezu der Hälfte des jährlichen Staats­budgets. Von 2014 bis 2016 stieg die Staats­verschuldung, unter anderem wegen der Kredite, von rund 50 auf mehr als 110 Prozent des BIP an.

4. Die Katastrophe

In einem der ärmsten Länder der Welt ist dies lebens­bedrohlich. Moçambique liegt auf Platz 180 von 189 im UN-Index der menschlichen Entwicklung. Als Folge der wirtschaftlichen Misere gab es in den letzten Jahren keine deutlichen Verbesserungen mehr bei der Bekämpfung von HIV oder Malaria. Die Kinder- und Mütter­sterblichkeit blieb auf hohem Niveau. Das widerspricht den offiziellen Entwicklungs­zielen der Regierung, die für die Jahre 2018 und 2019 mit einer Verschlechterung der humanitären Lage rechnen muss.

Verwüstet: Die Region Macomia, nachdem der Zyklon «Kenneth» darübergezogen ist. Saviano Abreu/OCHA/AP/Keystone

Wie wenig Spielraum das Land hat, erwies sich nach den Zyklonen «Idai» und «Kenneth» im März und April dieses Jahres. Die schwer betroffenen Regionen Cabo Delgado im Norden und Sofala im Zentrum waren schon zuvor bitterarm. Nun richteten die Stürme mit Windstärken bis zu 200 Kilometern pro Stunde und anhaltendem Starkregen eine Katastrophe an, die fast zwei Millionen Menschen in Mitleidenschaft zog.

Noch Monate später klagen Bauern im Küsten­dorf Chiconjo über Hunger. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen verzeichnet in ihrem mobilen Behandlungs­zelt einen Ansturm von Malaria­kranken. Familien leben in Zelten, nachdem ihre Häuser von den Überschwemmungen zerstört wurden und sie teils nur mit Glück nach vier Tagen auf einem Dach gerettet worden sind.

Zehntausenden geht es wie diesen Menschen, die keine Reserven haben, um sich etwas Neues aufzubauen. Und denen vor allem die jüngste Ernte fehlt. Mais, Reis, Avocados – alles ist auf einer Fläche von einer Million Hektaren zerstört. Bis zur nächsten Ernte – Süsskartoffeln, wenn keine Dürre kommt – vergeht noch Zeit, die mit internationaler Hilfe überbrückt werden muss.

Hohe Kredit­kosten treiben Hunderte von den Zyklonen zerstörte Betriebe in die Pleite, weil sie sich den Wieder­aufbau nicht leisten können. Beira, eine Küsten­stadt mit 500’000 Einwohnern, ist auch drei Monate später ohne Dächer – kaum jemand kann sich neue Bleche für die Abdeckung leisten.

Dass durch regierungs­amtliches Handeln Unsummen von Geld verschwand, überrascht zwar kaum eine Moçambiquanerin. Aber allen ist klar geworden, dass Korruption in dieser Dimension Menschen­leben kostet. Die dívidas ocultas haben das Vertrauen von Geld­gebern in die Regierung zerstört. Und diese hat selbst nicht die Mittel, den katastrophalen Zuständen zu begegnen.

5. Der Aufklärer

Dass der Fall in der Schweiz bekannt wurde, ist vor allem Thomas Kesselring zu verdanken. Der Philosoph und Ethiker war bis 2013 Professor an der Pädagogischen Hochschule Bern. Bis 2016 wirkte er als Dozent an der Pädagogischen Universität von Moçambique. Akribisch hat Kesselring auf dem Portal «Infosperber» dokumentiert, was über den Skandal bekannt ist.

An der vorletzten General­versammlung der Credit Suisse im April 2018 konfrontierte Kesselring die Führung der Bank mit den dannzumal bekannten Fakten. Und er verlangte Auskunft darüber, weshalb die Credit-Suisse-Zentrale dieses Geschäft überhaupt genehmigt hatte.

Präsident Urs Rohner wischte die Fragen damals mit dem ersten Satz seiner Antwort vom Tisch: «Die Realität entspricht leider nicht der Karikatur unserer Prozesse, die Sie hier vorgetragen haben.» Rohner verteidigte die Bank: «Jeder Kredit, der bei uns gesprochen wird, geht nach ganz klaren Richt­linien und Prozessen durch. Es wird eine rigorose und angemessene Sorgfaltspflicht­prüfung durchgeführt, bevor eine Kunden­beziehung eröffnet wird.» Er verwahrte sich gegen ein «vorschnelles Zuweisen von Schuld».

Doch Kesselring liess nicht locker. An der General­versammlung 2019 brachte er Moçambique erneut aufs Tapet. Und Rohner hütete sich diesmal, die Sache als «Karikatur» abzutun. Kein Wunder, denn um die Jahres­wende waren fünf mutmassliche Draht­zieher des Zwei-Milliarden-Deals verhaftet worden: in London die drei ehemaligen Banker der Credit Suisse, dazu in Südafrika der Ex-Finanz­minister von Moçambique, Manuel Chang, und in New York ein Manager einer inter­national bekannten Schiffs­werft. Kurz danach machte ein US-Gericht die Klage gegen die Verhafteten und weitere Beschuldigte öffentlich.

Verhaftet: Manuel Chang, Ex-Finanzminister von Moçambique. Phill Magakoe/AP/Keystone

Die bisher bekannten Fakten und Hinweise werfen ein äusserst schlechtes Licht auf die internen Abläufe der Bank. Man muss annehmen, dass die Vergabe der Kredite an Moçambique in keiner Weise der von Rohner behaupteten rigorosen Sorgfaltspflicht­prüfung unterzogen worden ist.

Gemäss dem Kroll-Bericht setzte die Credit Suisse eigentlich die Erfüllung dreier Bedingungen voraus, um die Kredite zu genehmigen: die Billigung durch die Zentral­bank Moçambiques, die Prüfung des Geschäfts durch ein Verwaltungs­gericht in Moçambique und die Information des Inter­nationalen Währungs­fonds über die Kredit­aufnahme. Obwohl keine dieser Bedingungen erfüllt wurde, gab die Credit Suisse die Kredite frei.

Nach moçambiquanischer Rechtslage hätten die Kredite obendrein mit Staats­garantien abgesichert werden müssen. Solche wurden durch den damaligen Finanz­minister Manuel Chang auf rechtswidrige Art erteilt, unter anderem ohne erforderlichen Parlaments­beschluss. Chang gab später zu, dass er mit seiner Unter­schrift wissentlich Gesetze verletzt habe. Er wird beschuldigt, mehrere Millionen Dollar Schmier­gelder erhalten zu haben.

Vertreter der Credit Suisse betonen zwar bei jeder Gelegenheit, dass sie alle geltenden Gesetze einhalten. Doch im Fall Moçambique wurde offenbar die nicht gesetzes­konforme Staats­garantie entweder von der Compliance-Abteilung durchgewinkt oder nicht auf ihre Gesetz­mässigkeit überprüft.

6. Die Machtelite

Wer in Moçambique an Aufklärung interessiert ist, sieht nun vor allem einen Elefanten im Raum, wie Entwicklungs­helfer in Maputo sagen – und das ist der amtierende Präsident Filipe Nyusi. Er war in den Jahren der dubiosen Kredit­beschaffung Verteidigungsminister.

Was wusste er? Filipe Jacinto Nyusi, amtierender Präsident von Moçambique. Siphiwe Sibeko/EPA Reuters Pool/Keystone

Dass damals ohne sein Wissen Militär­güter zum Küsten­schutz beschafft wurden, glaubt niemand in Maputo. Denn die verschwundenen Summen bewegen sich in einer Grössen­ordnung, die darauf hindeutet, dass das Geld nicht nur der persönlichen Bereicherung dienen sollte – sondern, wie mancher hinter vorgehaltener Hand sagt, dem übergeordneten Macht­interesse der Regierungs­partei Frelimo, die diese für Wahlkämpfe und Manipulationen einsetzen könnte.

Für Präsident Nyusi und die Frelimo kommt es jetzt darauf an, die Zeit bis zu seiner geplanten Wiederwahl am 15. Oktober zu überstehen. Vor diesem Hinter­grund ist auch Moçambiques verzweifeltes Bemühen zu verstehen, die Auslieferung von Ex-Finanz­minister Manuel Chang von Südafrika an die USA zu verhindern, wo er in einem Prozess weitere Details und Hinter­männer verraten könnte. Die südafrikanische Justiz hat ein Hearing dazu jüngst verschoben – ausgerechnet auf den 16. und 17. Oktober, unmittelbar nach den Wahlen.

Zwar hat Moçambique mehrere mutmassliche Strippen­zieher der dívidas-Affäre verhaftet. Die Staats­anwaltschaft hat in London Klage gegen Einheiten der Credit Suisse eingereicht und beschuldigt sogar den Sohn des Ex-Präsidenten Armando Guebuza, in den Skandal verwickelt zu sein. Dies als Zeichen des guten Willens an Südafrika, die USA und die Geber­länder. Doch NGOs wie das Centro de Integridade Pública in Maputo, das sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hat, haben grosse Zweifel, dass der Staat an einer echten Aufarbeitung interessiert ist.

Immerhin gibt es Anzeichen, dass die Geber Moçambique entgegen­kommen. Nachdem die Zyklone geschätzte Wiederaufbaukosten von 3 Milliarden Dollar auslösten, lockerte der IWF sein Regime und sagte Kredite über 118 Millionen Dollar zu. Man spekuliert auf üppige Erlöse aus der Gas­förderung vor der Küste im Norden, die ab Mitte der 2020er-Jahre die Staatskasse füllen könnten.

Ob diese Gelder je im Sinne der Armuts­bekämpfung eingesetzt werden, ist jedoch ungewiss. Moçambique gilt als Land, in dem die Korruption blüht. Auf den jährlich publizierten Korruptionsindizes von Transparency International rangiert der Staat regelmässig auf den hinteren Rängen. Mia Couto, moçambiquanischer Schrift­steller, sagte vor Jahren schon: «Wir leben in einem Reich, in dem Gangster die Führung übernommen haben.»

Das ist keine poetische Über­treibung, wie der jüngste Bericht der Globalen Initiative gegen transnationale organisierte Kriminalität über «die Heroinküste» belegt. Gemäss diesem ist Moçambique ein Umschlag­platz im globalen Drogen­handel. Drogen seien die zweit­wichtigste Einnahme­quelle nach Kohle. Nach dem von Interpol mitfinanzierten Bericht ist kaum eine Regierung so tief in den Heroin­handel verstrickt wie die in Maputo.

Hinweise dafür gibt es seit vielen Jahren. Anlass genug also, Kredit­geschäften mit Moçambique mit einem gewissen Misstrauen zu begegnen. Speziell wenn es um Geschäfte mit Rüstungs­bezug geht, wie sie vor sechs Jahren getätigt wurden. Mit einer illustren, manche sagen auch einschlägig bekannten Firma.

7. Die Schiffswerft

Ihr Name: ­Privinvest, eine Unternehmens­gruppe mit Sitz im Libanon und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie plant und konstruiert Schiffe.

Privinvest tätigt Geschäfte in über 40 Ländern. Die Gruppe verfügt über Werften im Mittelmeer- und im arabischen Raum, aber auch in Deutschland und Frankreich. Sie verspricht Toptechnik bei Hochsee­jachten, Handels- und Militär­schiffen, Küsten­schutz und maritimer Kommunikation.

Einer ihrer Mitarbeiter ging der Polizei in New York am selben Tag ins Netz, an dem auch die CS-Banker in London verhaftet wurden: Jean Boustani. Er spielt im Skandal eine Schlüssel­rolle, davon sind die Ankläger überzeugt. Kaum ein Name taucht häufiger in ihrer Anklage­schrift auf. Der 40-jährige Verkaufs­manager soll das Geschäft in Südost­afrika mit unlauteren Mitteln mit angeschoben und dafür 15 Millionen Dollar eingestrichen haben.

«Erfolgsgebühren», so nannten es laut US-Anklage­schrift die Lieferanten. Von «Hühnchen» sprachen dagegen die Empfänger auf moçambiquanischer Seite, wie aus einem E-Mail an Boustani hervorgeht: «Ich habe nachgefragt. Bitte liefern sie 50 Millionen Hühnchen.» Gemeint war harte Währung.

Auch Privinvest sieht sich nicht als Beklagte. Ihre Anwälte weisen den Vorwurf zurück, Moçambique überteuerte Schiffe verkauft zu haben, und behaupten, mit dem Anfüttern der Käufer habe man nichts zu tun gehabt. Eine Darstellung, die immer unglaub­würdiger wird: In seinem Geständnis beschuldigt CS-Banker Andrew Pearse auch den Inhaber von Privinvest, den franko-libanesischen Geschäfts­mann Iskandar Safa, involviert gewesen zu sein. Kürzlich hat Moçambique gegen Safa in London eine Klage eingereicht.

Sie wollten doch nur helfen: Frankreichs damaliger Präsident François Hollande (rechts) trifft sich mit seinem Amtskollegen aus Moçambique, Armando Guebuza (Mitte), und Privinvest-Chef Iskandar Safa (links) am 30. September 2013 auf einer Werft in Cherbourg (Fr). Philippe Wojazer/Reuters

Man kann davon ausgehen, dass der Credit Suisse bewusst war, mit wem sie es zu tun hatte. Bei der Bank muss gemäss Anklage­schrift auch einer der Privinvest-Manager bereits als «unerwünschter Kunde» registriert gewesen sein – möglicher­weise handelt es sich dabei um Jean Boustani oder um Firmenchef Iskandar Safa selbst. Ein CS-Mitarbeiter soll besagte Person im Überprüfungs­prozess sogar als master of kickbacks bezeichnet haben, also als Meister der Schmiergeld­zahlungen – allerdings ohne Folgen.

Auch weitere Personen hätte die Bank als politisch exponiert einstufen müssen. Dazu zählen Ex-Finanz­minister Chang sowie Geheimdienst­chef António do Rósario, der die drei kredit­nehmenden Staats­gesellschaften leitete. Politisch exponierte Personen unter­liegen bezüglich Geldwäsche strengen Anforderungen. Vermutlich wurde diese Analyse nicht oder nicht ernsthaft abgewickelt.

Die US-Anklage­schrift bringt weitere Ungereimtheiten zum Vorschein. So leuchteten im Kredit­überprüfungs­prozess der CS früh rote Warnlampen auf. Ein Mitarbeiter habe darauf hingewiesen, dass bei der Auftrags­vergabe an Privinvest kein Ausschreibungs­wettbewerb durchgeführt worden sei. Offenbar wurden auch das Volumen und das Preisniveau der Geschäfte bei der CS nicht gründlich geprüft. Der Kroll-Bericht kommt zum Schluss, dass die Schiffs­aufträge um insgesamt 713 Millionen Dollar überteuert waren.

Der in New York verhaftete Privinvest-Manager Jean Boustani hat gemäss Anklage­schrift den Verzicht auf ein Bieter­verfahren gegenüber der Credit Suisse damit begründet, der Deal sei dank «Beziehungen auf höchster Ebene» zwischen Privinvest und der Regierung Moçambiques zustande gekommen. Allein diese Aussage ist ein Alarm­zeichen höchster Güte bezüglich möglicher Korruption – offenbar nicht für die Credit Suisse.

8. Der Bankenkodex

Die Bank setzte bereits im Dezember 2010 einen für alle Mitarbeitenden geltenden Verhaltens­kodex in Kraft. Da liest man: «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die angesehenste Bank weltweit zu werden.» Man wolle eine beispiel­hafte Kontroll­kultur leben und setze «alles daran, Geld­wäscherei, die Finanzierung terroristischer Aktivitäten sowie Korruption zu verhindern».

Dass es die Bank damit ernst meint, zweifelte der Wirtschaftsethiker Bruce Weinstein im Juli 2018 im Wirtschaftsmagazin «Forbes» an. «Ihre Gesellschaft muss ihren Verhaltens­kodex ernst nehmen, sonst wird sie einen gewaltigen finanziellen Tiefschlag erleiden», warnte er CS-Präsident Urs Rohner in einem Aufruf. «Sie können nicht länger etwas sagen und etwas anderes tun.»

Letzten September rügte auch die Eidgenössische Finanzmarkt­aufsicht (Finma) die Grossbank öffentlich scharf. Sie warf ihr Mängel bei der Geldwäscherei­bekämpfung, im Kontroll­system und im Risiko­management vor. Die Rüge betraf Geschäfts­beziehungen rund um die Fifa, die Ölkonzerne Petrobras und PDVSA sowie den Umgang mit einer nicht genannten politisch exponierten Person. Der Fall Moçambique spielte sich im gleichen Zeitraum ab.

Die Finma stehe seit längerem mit der CS in Kontakt, sagt ein Sprecher. Er weist aber darauf hin, dass die Kredit­vergabe in London abgewickelt worden sei. Damit fällt der Fall in den Bereich der britischen Finanzaufsicht.

Die britische Finanzmarkt-Aufsichts­behörde FCA gab den Fall an die dortige Strafverfolgungs­behörde ab. Da es sich um einen Bestechungs­fall handle, sei die Polizei zuständig, begründete dies FCA-Chef Andrew Bailey im vergangenen Januar. Inzwischen scheint sich bei der FCA aber die Einsicht durchgesetzt zu haben, dass der Fall Moçambique nicht nur drei einzelnen Mitarbeitenden der Credit Suisse anzulasten ist. Gut informierte Quellen in London bestätigen, dass die FCA jetzt untersucht, ob die Kontroll­systeme der Credit Suisse angemessen funktionierten und ob die für die Kredit­abwicklung zuständigen Personen «fit and proper» waren.

9. Die Uneinsichtigen

Vorerst gibt es also keine Entwarnung für die Chefs der Credit Suisse. Diese haben bis heute keinerlei Fehler eingestanden. Zur Abwehr­strategie gehört der Hinweis darauf, dass die drei angeklagten ehemaligen Mitarbeitenden der Credit Suisse den Deal ausserhalb der Bank eingefädelt hätten.

So sagte der oberste Rechts­verantwortliche der Credit Suisse, Romeo Cerutti, an der General­versammlung im April: «Die haben alles über private E-Mails hinter der Bank und hinter unserem Rücken organisiert.» Gemäss Anklage begannen sich die drei CS-Banker aber erst ab Sommer 2013 über ihre privaten E-Mail-Kontos auszutauschen – zu einem relativ späten Zeitpunkt, als der erste Kredit bereits ausbezahlt war. Die Frage stellt sich, was ein Kontroll­apparat einer Grossbank wert ist, der sich aushebeln lässt, indem sich drei Mitarbeitende über private E-Mail-Accounts verständigen.

Trägt die oberste Verantwortung: Urs Rohner, Präsident der CS. Melanie Duchene/EQ Images/Keystone

Dennoch bleibt Präsident Rohner uneinsichtig. An der General­versammlung sagte er zum wiederholten Mal: «Wenn am Schluss dabei herauskommt, dass es bei uns Dinge gegeben hat, die nicht in Ordnung waren, dann werden wir das auch ganz sicher entsprechend korrigieren.» CS-Konzernchef Tidjane Thiam sagte bei derselben Gelegenheit, er selbst sei nicht bei der Bank gewesen, als diese Vorfälle stattgefunden hätten.

Thiam liess sich im vergangenen Geschäfts­jahr mit 12,7 Millionen Franken entschädigen, Rohner mit 4,7 Millionen. Das sind unvorstellbare Summen für Moçambiquaner wie Leonel Mambasso. Er fährt täglich aus der Provinz nach Maputo, um in einer der Haupt­strassen Schuhe zu flicken. Pro Monat verdient er 2400 Meticais, knapp 40 Franken. Seine Frau Orquidia Tembe verdient als Haushalts­hilfe 2800 Meticais, beide zusammen also rund 90 Franken im Monat. Das Geld reicht kaum, um die vier Kinder zu ernähren.

2018 erkrankte eines der Kinder. Malaria wurde diagnostiziert, Medikamente gab es in der örtlichen Gesundheits­versorgung keine. Die Eltern konnten sie schliesslich in einer privaten Apotheke kaufen. «Viele haben das Geld für solche Anschaffungen aber nicht», sagt Denise Namburete, Direktorin von N’weti, einer NGO für Gesundheits­fragen in Maputo. «Sie sterben.»

Verschiedene Hilfswerke und Nicht­regierungs­organisationen fordern die Credit Suisse und weitere Gläubiger auf, Moçambique die dívidas ocultas zu erlassen. «Ich zahle nicht für die geheimen Schulden», hat das Centro de Integridade Pública zehntausend­fach auf T-Shirts drucken lassen.

Moçambiques Verfassungsrat, das höchste Gericht, hat Anfang Juni einen Teil der dubiosen Kredite, die 850 Millionen für Ematum, für illegal erklärt und damit jegliches Verwaltungs­handeln unter Strafe gestellt, das der Beschaffung, Rück­zahlung oder Umwandlung des Kredits dient. Es ist noch unklar, ob das Verdikt Bestand haben wird. Aber mit dem Urteil dürfte es den Gläubigern schwerer­fallen, ihr Geld von Moçambique zurückzuverlangen.

Wie das Verdikt ausfällt, kann der CS zu einem gewissen Grad egal sein. Die von ihr organisierten Kredite waren zum Zeitpunkt der Vergabe gegen Ausfall versichert oder befinden sich gar nicht mehr auf ihrer Bilanz. Die Bank hat ihre Risiken auf andere abgewälzt.

Nicht so die Einwohner von Moçambique. Viele von ihnen schlafen nach den Über­schwemmungen weiter im Zelt. Ein Grossteil der Menschen leidet Not, während sich die Aufklärung eines der grössten Korruptions­skandale des Kontinents weiter in die Länge zieht.

Zwei Milliarden Dollar: Für die Credit Suisse ist das bloss ein Jahres­gewinn. Für das fragile Moçambique ist es eine tödliche Summe. Die dívidas ocultas werden noch viele Jahre auf dem südost­afrikanischen Land lasten.

Zu den Autoren

Bruno Schletti ist Wirtschafts­journalist. Er hat viele Jahre für den «Tages-Anzeiger» über den Schweizer Finanzplatz geschrieben.

Stefan Ehlert ist Korrespondent in Maputo und schreibt für diverse deutsch­sprachige Medien über Moçambique und Afrika.