Stell dir vor, die UBS wird klimaneutral
Was müsste passieren, damit die Finanzindustrie keine Gelder mehr an Öl- und Kohlefirmen vergibt? Wir machen die Probe aufs Exempel.
Von Olivier Christe, 05.08.2019
Die Plakate hingen am 4. Mai überall in der Schweiz: drei kleine Hütchen aus Geldscheinen, darüber bedankt sich die UBS für die Unterstützung während der Finanzkrise – und verspricht als Gegenleistung, das Klima zu retten.
Wie sie das hinkriegen wollte, stand da ebenfalls: «100% klimaneutral».
Das Erstaunen war gross. Die UBS ist nicht irgendeine Bank. Sie gehört zu den 29 global systemrelevanten Geldinstituten, ist weltweit führend in der Vermögensverwaltung und der grösste Player auf dem Schweizer Finanzplatz.
Der Bund hatte diesen Finanzplatz nur zwei Jahre zuvor einem umfassenden Portfolioverträglichkeitstest unterzogen. Der Test zeigte: Die hiesigen Finanzflüsse unterstützen eine Klimaerwärmung von 4 bis 6 Grad Celsius.
Und nun wollte die UBS alles ändern?
Zu früh gefreut. Das Finanzinstitut distanzierte sich umgehend von der Aktion, kurz darauf bekannte sich die anonyme Gruppe Ignorance Unlimited dazu. Sie hatte über Nacht 400 gefälschte Plakate in acht Städten angebracht.
Ok, Fake. Doch – könnte die UBS das Klima retten, wenn sie wollte?
1. Was das heisst: klimaneutral
Zunächst zu den Begrifflichkeiten. «100 Prozent klimaneutral» bezieht sich auf Finanzflüsse. Darunter versteht der Bund die gesamthaft in der Schweiz verwalteten Vermögen, also etwa 7200 Milliarden Schweizer Franken.
Das Pariser Klimaübereinkommen schreibt vor, dass diese Finanzflüsse mit einer emissionsarmen Entwicklung in Einklang gebracht werden müssen. Ziel ist eine Begrenzung der Erhöhung der mittleren Erdtemperatur auf deutlich unter 2 Grad, wobei Anstrengungen für 1,5 Grad unternommen werden müssen.
Auf Banken übersetzt ist mit Finanzflüssen also von dem Geld die Rede, das von oder über Banken in die fossile oder die erneuerbare Industrie fliesst. In der Finanzwelt wird von braunen und grünen Finanzflüssen gesprochen.
«Klimaneutral» könnte vermuten lassen, dass sich ein Durchschnitt daraus berechnen liesse und dieser braungrüne Durchschnitt irgendwie Paris-kompatibel sein müsste. Das klingt gut, ist aber falsch. Um das Pariser Ziel umzusetzen, muss Geld zwar in erneuerbare Energien fliessen – doch vor allem braucht es ein rasches Absenken der Flüsse in die fossile Industrie.
Warum? Ein Irrglaube ist, dass grüne Finanzflüsse automatisch braune abschaffen. Deutlich machen das zwei Studien, die kürzlich erschienen sind.
Die Marktstudie vom Branchenverband Swiss Sustainable Finance. Sie dokumentiert, dass die nachhaltigen, darunter auch klimarelevanten Investitionen 2018 am Schweizer Finanzplatz stark zugenommen haben
Der Bericht «Banking on Climate Change» der NGOs RAN und Banktrack. Ihm zufolge haben die Finanzierungen für die fossile Industrie seit Paris deutlich zugenommen – auch durch die UBS.
Nur wegen mehr grünen Investments nehmen die braunen also nicht ab.
Soll das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden, so reicht das Kohlenstoffbudget der Erde bei gleichbleibenden Treibhausgasemissionen noch für knapp zehn Jahre. Der Klimaforscher Reto Knutti von der ETH macht deshalb klar: «Die Treibhausgasemissionen aller Sektoren müssen auf null gesenkt werden. Der Prozess muss heute beginnen, bis in zehn Jahren die Hälfte geschafft sein.»
Die Vorgabe ist also klar – doch deren Umsetzung für Banken nicht trivial.
Es gibt keine klaren Vorgaben dazu, wie ein Paris-kompatibles Portfolio auszusehen hat. «Zu komplex» sei dies, wird deshalb immer wieder gesagt. Man wisse ja nicht, wie sich einzelne Firmen in Zukunft verhalten würden.
Andererseits ist bekannt: 71 Prozent aller industriellen Emissionen können gemäss dem «Carbon Majors Report» der Vereinigung CDP auf gerade einmal hundert Unternehmen aus der fossilen Industrie zurückgeführt werden.
Die Sache wäre im Grunde also einfach: Kein weiteres Geld darf in die Neuerschliessung fossiler Lagerstätten fliessen. Kohle ist ein absolutes Tabu, von den Förderfirmen müssen Paris-kompatible Ausstiegsstrategien vorgelegt werden.
2. Klimaneutral: Wo steht die UBS?
Das Wichtigste vorneweg: Die UBS erfüllt keinen dieser genannten Punkte.
Über zwei Milliarden Dollar flossen von ihr alleine 2018 in die Erschliessung neuer Reserven. Der gesamten Industrie rund um fossile Brennstoffe stellte die UBS gemäss RAN/Banktrack sogar 10 Milliarden Dollar zur Verfügung.
Die klarsten Einschränkungen sieht die Bank für projektspezifische Finanzierungen von Kohlekraftwerken vor. Seit März stellt sie solche nicht mehr zur Verfügung. Der Haken: Gerade Kohlekraftwerke werden weltweit selten projektspezifisch, sondern meist über Unternehmenskredite finanziert, wie Greig Aitken von der NGO Banktrack berichtet.
Zahlen, die von Banktrack erhoben wurden und der Republik vorliegen, zeigen etwa, dass die UBS 2018 dem chinesischen Energieunternehmen Huadian Power, das neue Kohlekraftwerke errichtet, Unternehmenskredite über (nach Unternehmenssparte gewichteten) 153 Millionen Dollar gewährte. Insgesamt betrug die Summe aller Finanzierungen von Kohlekraftwerken durch die UBS vergangenes Jahr rund 332 Millionen Dollar.
Die UBS schreibt, dass sie keine Kredit- und Kapitalmarktaktivitäten für Unternehmen aus dem Kohlebergbausektor unterstütze, die sogenanntes MTR (mountaintop removal) betreiben. Allerdings umfasst diese besonders heftig kritisierte Technik des Tagebaus nur einen Bruchteil der weltweiten Kohleförderung. Der Zuger Firma Glencore etwa stellte die UBS vergangenes Jahr gemäss Banktrack rund 64 Millionen Dollar für Kohleminen zur Verfügung. Weltweit steckte die Bank 121 Millionen Dollar in Kohleminen. Auch für extreme Öl-Fördermethoden wie Fracking, Ölsand und arktische Bohrungen sprach die UBS weiterhin Geld.
Insgesamt zeigen die Nachhaltigkeitskriterien der Bank wenig Wirkung. Von rund 1650 Finanzierungsgesuchen mit Berührungspunkten bei Umwelt-, Sozial- und Governancethemen lehnte sie 2018 nur knapp 100 ab.
3. Klimaneutral: Wo stehen die UBS-Kunden?
Als Bank stellt die UBS der fossilen Industrie direkt Kredite zur Verfügung, als Vermögensverwalterin berät sie Kundinnen und bietet Anlagelösungen an. Die Bilanz sieht in diesem Bereich ebenfalls noch nicht Paris-kompatibel aus.
Mit ihren rund 3200 Milliarden Franken an verwaltetem Vermögen zählt die UBS zu den grössten Asset-Managern der Welt. Gemäss einer Analyse der britischen NGO InfluenceMap stossen die Firmen, die mit diesem Vermögen gehalten werden, jährlich Treibhausgase im Umfang von 760 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten aus – rund 16-mal so viel wie die ganze Schweiz.
Im Industrievergleich ist diese Bilanz nicht ganz schlecht. Blackrock, der Branchenprimus, ist mit rund doppelt so viel verwaltetem Vermögen für über 12-mal so viele Treibhausgasemissionen verantwortlich. Trotzdem ist klar: Auch die Kunden der UBS haben noch grösseren Umschichtungsbedarf.
«Vermögende Anleger und institutionelle Kunden interessieren sich zunehmend für das Thema Klimawandel», sagt Christian Leitz, Leiter Corporate Responsibility bei der UBS. «Im normalen Privatkundengeschäft schlägt sich die Sensibilisierung noch am wenigsten nieder.»
Der Markt für nachhaltige Anlagen wächst zwar rasant. Ebenso wächst das Engagement der UBS in diesem Bereich. Die Bank gibt an, dass sie 2018 über 87 Milliarden Dollar an Kundenvermögen klimatisch nachhaltig investiert habe. Das klingt nach viel, entspricht aber nur einem Anteil von 3 Prozent.
Kommt hinzu, dass der Begriff schwammig definiert ist. Nach wirklich Paris-kompatiblen Anlagelösungen sucht man vergebens. Der klimafreundlichste UBS-Fonds ist nach eigenen Aussagen der Climate Aware Fund. Dieser reduziert den CO2-Fussabdruck gegenüber dem globalen Durchschnitt jedoch nur um 40 bis 50 Prozent und ist damit weiterhin kohlenstoffintensiv.
Gegenüber Privatkunden positioniert sich die UBS vermehrt als Anbieterin grüner Investments. In Grossbritannien diskutiert sie mit Pensionskassen über Klimarisiken und -ziele. Die Bank analysiert, welche Öl- und Kohlefirmen einen CO2-Verringerungsplan haben und welche nicht.
Eine Vorreiterin auf diesem Gebiet ist die Bank indes nicht. Kleinere Privatbanken und Versicherungen am hiesigen Finanzplatz sind weiter.
Möchte die UBS also 100 Prozent klimaneutral sein, wie die Fake-Kampagne nahelegt, müsste viel angepasst werden. Ist die Bank dazu gewillt?
Der UBS-Verantwortliche für Nachhaltigkeit, Christian Leitz, sagt: «Wir bestehen nicht auf einem sofortigen und radikalen Ausstieg.» Die Bank lege den Schwerpunkt auf direkte Kundengespräche und den Dialog: Man müsse den Unternehmen eine Chance geben, den Übergang zu schaffen.
Diese Methode, Bedingungen ans Geld zu knüpfen, ist neben dem Ausstieg eine andere Möglichkeit einer Paris-kompatiblen Strategie. Die UBS wendet sie nicht alleine an. Wichtige Akteure der Finanzindustrie und aus dem regulatorischen Umfeld vertreten ähnliche Positionen. Um sie glaubwürdig umzusetzen, müsste die UBS allerdings klare Bedingungen formulieren und Konsequenzen ziehen, wenn Unternehmen ihre Ziele nicht einhalten.
Szenenwechsel.
Angenommen, UBS-Chef Sergio Ermotti wacht eines lauen Sommermorgens auf, blickt aus dem Fenster und sagt: «Diese Erde hat Besseres verdient.» Einen Monat später liegt eine Paris-kompatible Strategie auf dem Tisch.
4. Was wäre, wenn die UBS klimaneutral würde?
Die naheliegende Annahme ist: Wenn sich eine Bank bei ihren Geschäften einschränken muss, kann ihr das nicht nützen – sondern nur schaden.
Ob sie stimmt, ist in diesem Fall allerdings sehr schwer zu beurteilen.
Der betriebswirtschaftliche Schaden bei einem Kreditstopp an die fossile Industrie hängt von der Summe der betroffenen Vermögenswerte, den Zinsmargen sowie der möglichen Kompensation durch andere Geschäfte ab.
Die UBS gibt an, dass fossile Kredite vergangenes Jahr 1,2 Prozent des gesamten Kreditengagements ausgemacht haben. Auch wenn Banktrack und RAN klar höhere Zahlen ausweisen, ist klar: Kohle-, Öl- und Gasfirmen bilden nur einen Bruchteil der Einträge im Kreditbuch. Im Vergleich zu den grössten US-Banken ist die UBS nicht ein riesiger Fisch. In der Banktrack-Rangliste der 33 grössten Kohle-, Öl- und Gasfinanzierer liegt die Bank nur auf Rang 25.
Wie hoch die Margen bei diesen Finanzierungen sind, bleibt Geheimnis der UBS. Allzu stark von gewöhnlichen Kreditgeschäften abweichen dürften sie aber nicht: Bislang sprach eher die Kreditsicherheit für solche Engagements.
Ähnlich ist es im Bereich der Aktien: Die Rendite eines Portfolios ohne fossile Industrien unterscheidet sich nur unmerklich vom Gesamtindex. Zu diesem Schluss kommt etwa Jeremy Grantham, ein weltbekannter Investor.
Aus fossilen Anlagen auszusteigen, wäre selbst für einen Supertanker wie die UBS über kurz oder lang also ohne weiteres möglich, sagt Reto Ringger, Gründer der Globalance-Bank, die auf nachhaltige Anlagen spezialisiert ist.
Michael Diaz, Leiter Anlegen bei der Alternativen Bank Schweiz, betont, dass Selbstbeschränkungen, beispielsweise im Rüstungsbereich, für Banken im Grunde nichts Aussergewöhnliches sind: «Sie gehören zum Daily Business.»
Den Strukturwandel anzupacken, wie ihn das Pariser Abkommen verlangt, sei mach- und zumutbar, sagt Peter Fanconi, Präsident der nachhaltigen Investmentfirma Blue Orchard und der Graubündner Kantonalbank. Es gehöre zur strategischen Positionierung eines modernen Finanzinstituts.
Die verschiedenen Aussagen und Analysen deuten darauf hin, dass die UBS eine Klimawende durchaus schaffen könnte, ohne dabei Verluste zu erleiden.
5. Die Kohlenstoffblase
Chancen würden sich sogar bieten: Die UBS könnte durch die Umschichtung von fossilen in Paris-kompatible Geschäfte anderen Banken zuvorkommen und weniger stark betroffen sein, wenn die sogenannte Kohlenstoffblase platzt und die Preise fossiler Vermögenswerte in den Keller rasseln – ein Szenario, das unter Finanzexperten zuletzt ausgiebig diskutiert wurde.
Steven Ongena, Professor für Banking an der Universität Zürich, schreibt in einer Spezialpublikation, dass sogenannte Stranded Assets, also Vermögenswerte, deren Marktwert unerwartet drastisch sinkt, im Bereich der fossilen Industrie immer wahrscheinlicher werden. Er rechnet vor, dass dadurch global 560 Milliarden Dollar verdampfen könnten und sich dies in Form einer Finanzkrise auf die internationale Wirtschaft ausweiten würde.
Ob dieses Szenario wirklich eintritt, wissen wir erst in ein paar Jahren. Sergio Rossi, Professor für Finanzökonomie an der Universität Fribourg, glaubt, ein überstürzter CO2-Ausstieg einer systemrelevanten Bank wie der UBS könnte sogar der Auslöser sein, der die Kohlenstoffblase zum Platzen bringt. Egal, ob das stimmt oder nicht: Erneut auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen, ist ein Risiko, das sich eine Bank wie die UBS nicht leisten kann.
Eine an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften erarbeitete Masterarbeit schätzt, dass in der UBS-Bilanz bereits heute klimabedingte Finanzrisiken über 14 Milliarden Dollar schlummern. Das ist zwar nicht so viel, wie die Bank in der US-Hypothekenkrise von 2007 und 2008 verlor, aber genug, um das Finanzinstitut ein weiteres Mal in die Knie zu zwingen.
Die Risiken lassen eigentlich nur eine Strategie zu: 100 Prozent klimaneutral.
Zu diesem Schluss kommen nicht nur Klimaaktivisten, sondern auch Leute wie Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds. Ohne einen globalen Effort zur Verminderung der Emissionen würden steigende Temperaturen bald zur Auslöschung ganzer Wirtschaftssektoren führen, sagte sie am diesjährigen World Economic Forum in Davos.
Knapper sagte es der französische Finanzminister Bruno Le Maire in einer Rede vom November 2018: «Notre finance sera verte – ou elle ne sera pas.»
Unsere Wirtschaft wird grün sein – oder gar nicht.
6. Klimaneutral: Was tut die Politik?
Die Politik schlief lange – nun wacht sie langsam auf. Zurzeit gibt es zwei Empfehlungen, wie mit klimabedingten Finanzrisiken umzugehen ist.
Eine stammt von der Task-Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD), einer Initiative unter Leitung des New Yorker Ex-Bürgermeisters Michael Bloomberg. Sie wurde 2015 gegründet und empfahl Unternehmen 2017, freiwillig ihre Risiken offenzulegen: Wie stark sind sie von physischen Risiken wie etwa Überschwemmungen, Zyklonen oder Dürren betroffen? Wie wirkt sich die Klimapolitik von Staaten auf ihr Geschäft aus?
Die durch TCFD geförderte Transparenz ist grundlegend – aber sie beinhaltet keine Absenkziele. Die Bedeutung dieses Unterschieds beweist die UBS selbst. Sie stellt bereits heute klimabezogene Kennzahlen nach TCFD zur Verfügung. So gibt sie für 2018 an, keine signifikanten klimabezogenen Finanzrisiken in ihrer Bilanz erkannt zu haben. Diese Feststellung erstaunt.
Entweder wettet die UBS darauf, dass das 1,5-Grad-Ziel verfehlt wird, oder sie stützt sich darauf, dass Versicherungen schon für den Schaden aufkommen werden. Ein Spiel mit dem Feuer: So kommunizierte der Versicherungsriese AXA, dass spätestens eine Plus-4-Grad-Welt nicht mehr versicherbar sei.
Eine zweite Empfehlung richtet sich an Aufsichtsbehörden. Sie stammt vom Network for Greening the Financial Sector (NGFS), einem weltweiten Zusammenschluss solcher Institutionen. Die Autorinnen betonen, dass der Klimawandel sich von anderen Risiken unterscheide: Er sei unumkehrbar, Massnahmen seien dringend. Der NGFS-Bericht hält fest, dass klimabedingte finanzielle Risiken noch nicht ausreichend an der Börse abgebildet seien. Massnahmen zur Schadensbegrenzung und Anpassung seien deshalb jetzt nötig und fielen in die Mandate von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden.
Nach fast zweijährigem Zögern traten die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) im Frühling dem Netzwerk bei. Sie waren damit eine der letzten solchen Institutionen globaler Finanzplätze. Die Empfehlungen würden geprüft, sagen sie auf Anfrage. Die Dringlichkeit, die der Bericht nennt, scheint aber nicht angekommen zu sein.
So schreibt die SNB, dass das Ziel der Mitgliedschaft Erfahrungsaustausch und Erkenntnisgewinn sei. Die Finma evaluiert, wo und wie Klimarisiken stärker in die Aufsichtstätigkeit integriert werden könnten. Es sei aber in erster Linie an den Finanzinstituten selbst, Klimarisiken zu minimieren.
Die NGFS-Empfehlungen richten sich weiter an die Finanzmarktpolitik. In der Schweiz ist dafür das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) zuständig. Diesem empfehlen sie Massnahmen für die Etablierung der TCFD-Richtlinien sowie die Erarbeitung klarer Definitionen von Grün und Braun.
Das EFD sah für beides bislang keinen Bedarf. So schrieb es Ende Mai auf Anfrage, dass ein Verbot der direkten und indirekten Finanzierung von Kohlekraftwerken oder von Firmen, die in die Ölförderung oder in Flüssiggas investieren, schwer mit der Wirtschaftsfreiheit zu vereinbaren wäre.
Wie die Dekarbonisierung auf diesem Weg der Freiwilligkeit vorankommen soll, ist unklar. Bei der UBS war gemäss Banktrack zuletzt eine Zunahme der braunen Finanzflüsse zu beobachten; und bei der Credit Suisse bewegen sich diese Flüsse sogar noch auf höherem Niveau als bei der UBS.
Immerhin: Ende Juni berichtete der Bundesrat unerwartet, dass er Klimaregulierungen für den Finanzmarkt prüfe. In seiner Medienmitteilung erwähnt er den Aktionsplan für nachhaltige Finanzanlagen, den die EU im März vorgelegt hat. Dieser sieht vier Punkte vor:
klare Nachhaltigkeitsdefinitionen
Offenlegungspflichten
kohlenstoffarme Vergleichsindizes
Richtlinien für Kundengespräche
Das Paket wird noch in diesem Jahr dem EU-Parlament vorgelegt und wird, falls verabschiedet, zum Gesetz für alle Mitgliedsstaaten.
In der Schweiz ist das passende Gefäss für solche Regulierungen das CO2-Gesetz. Zurzeit prüft die Umweltkommission des Ständerats, wie die Finanzflüsse darin eingebunden werden können. In der Herbstsession soll über den Entwurf informiert werden. Anschliessend ist der Ball beim Nationalrat. Das Gesetz kann wohl frühestens 2021 in Kraft treten.
Fazit
Vor wenigen Wochen haben sich Teile eines nationalen Klimastreiks im deutschen Aachen mit einer Aktion der aktivistischen Gruppe Ende Gelände gegen das Kohlebergbauunternehmen RWE zusammengeschlossen. Während mehrerer Tage blockierten sie die dortigen Tagebauminen.
Ende Gelände ist Teil des europaweiten Netzwerks By2020weriseup. Bei diesem dabei ist auch die Gruppe Collective Climate Justice, deren Mitglieder sich letzte Woche aus Protest gegen die Anlagepolitik vor den Eingangstüren der Credit Suisse in Zürich und der UBS in Basel anketteten.
Nun wird viel darüber diskutiert, ob das zu weit ging. Spätestens seit der Rio-Konferenz von 1992 sind die Folgen des Klimawandels aber bekannt. Damals wäre ein langsamer Übergang noch möglich gewesen – heute nicht mehr.
100 Prozent klimaneutral: Ob die UBS das kann, ist deshalb die falsche Frage.
Die richtige lautet, wie sie und alle anderen Finanzmarktakteure sofort dazu gebracht werden können, Paris-kompatible Strategien aufzugleisen. Denn eine Alternative dazu gibt es für den Planeten und seine Bewohner nicht.