Trauriger Vorfall in Frankfurt, Entlastung in der Kasachstan-Affäre – und ein diabolischer Anwalt
Woche 31/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Ronja Beck, 02.08.2019
Kind wird in Frankfurt vor den Zug gestossen und stirbt
Darum geht es: Am vergangenen Montag werden im Frankfurter Hauptbahnhof ein 8-jähriger Junge und seine Mutter vor einen einfahrenden ICE gestossen. Der Junge erliegt noch vor Ort seinen Verletzungen. Die Mutter kann sich zwischen die Gleise retten und überlebt. Der mutmassliche Täter versuchte auch, eine 78-jährige Frau aufs Gleis zu stossen. Er floh nach der Tat und wurde kurze Zeit später von Passanten aufgehalten und von der Polizei festgenommen. Ihm werden Mord und versuchter Mord in zwei Fällen vorgeworfen.
Warum das wichtig ist: Im Nachgang zur Tat machten die deutschen und die Schweizer Behörden verschiedene Details zum Verhafteten bekannt. Der 40-jährige Familienvater war seit 2006 im Kanton Zürich wohnhaft. Zudem war er seit dem 25. Juli in der Schweiz zur Fahndung ausgeschrieben. Zuvor soll er seine Nachbarin mit einem Messer bedroht und in ihrem Haus eingeschlossen haben. Auch seine Frau und seine Kinder habe er eingesperrt. Ursprünglich war der Verhaftete aus Eritrea in die Schweiz gekommen. Letzteres sorgte für heftige Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, feuerte auf Twitter gegen die «grenzenlose Willkommenskultur» Deutschlands. Vertreter der SVP sehen in dem Vorfall ebenfalls ein Versagen der Migrationspolitik. Die Instrumentalisierung wirft ein Schlaglicht auf die unterschiedliche öffentliche Wahrnehmung von Tötungsdelikten. In Deutschland brach zudem die Debatte los, ob Medien die Herkunft eines Täters nennen sollen oder nicht. Zum Thema wurde auch die Sicherheit der Bahnhöfe. So war zuletzt am 20. Juli eine Frau im Ruhrgebiet vor einen Zug gestossen worden und verstorben. Die deutsche Gewerkschaft der Polizei schlug Sicherheitsschranken vor, die einen Sturz ins Gleisbett verhindern sollen. Innenminister Horst Seehofer forderte am Dienstag, die Polizeipräsenz an den Bahnhöfen zu erhöhen.
Was als Nächstes geschieht: Der Tatverdächtige befindet sich zurzeit in Untersuchungshaft. Mit welchem Motiv er handelte, werden die fortlaufenden Ermittlungen zeigen. Er hat sich laut Staatsanwaltschaft noch nicht dazu geäussert. Seehofer hat derweil ein Treffen mit dem Bundesverkehrsminister und der Deutschen Bahn angekündigt. Im Mittelpunkt soll die Sicherheit der 5600 Bahnhöfe in Deutschland stehen.
Proteste in Hongkong: China macht Druck
Darum geht es: Seit zwei Monaten kommt es in Hongkong regelmässig zu grossen, teilweise gewalttätigen Protesten. Ausgelöst hatte sie Anfang Juni der Entwurf eines Gesetzes, der Auslieferungen nach Festlandchina ermöglicht hätte. Vergangenen Montag hat sich die für Hongkong zuständige chinesische Behörde erstmals zu den Unruhen geäussert. Sprecher Yang Guang hat die Proteste an einer Pressekonferenz aufs Schärfste verurteilt und sich hinter die Hongkonger Regierung gestellt.
Warum das wichtig ist: Der Gesetzesentwurf ist zwar auf Eis gelegt, doch die Proteste in Hongkong ebben nicht ab. Die Protestierenden skandieren Parolen gegen die Regierung und fürchten weiterhin eine wachsende Einflussnahme durch den Zentralstaat. Am 1. Juli drohte die Situation zu eskalieren, als Tausende Demonstranten für kurze Zeit den Legislativrat in Hongkong besetzten. Auch vergangenes Wochenende kam es zu Strassenkämpfen, die Polizei reagierte mit Tränengas und Gummischrot. Das Statement vom Festland verschärft die Situation nun zusätzlich. China gibt darin nicht nur der unbeliebten Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam Rückendeckung, sondern auch der Polizei. Dieser werfen die Demonstrantinnen Korruption vor. Sie fordern den Einsatz einer unabhängigen Kommission, die das Vorgehen der Polizei untersuchen soll. So soll sie beispielsweise kaum gegen zivile Schlägertrupps vorgegangen sein, die am 21. Juli auf Protestierende eingeprügelt hatten.
Was als Nächstes geschieht: Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht, weitere Demonstrationen sind angekündigt. Einen Lösungsvorschlag gibt es zurzeit weder von der chinesischen noch von der Hongkonger Regierung. Regierungschefin Lam verkündete erst kürzlich, den Protestierenden keine Zugeständnisse mehr machen zu wollen. Das chinesische Verteidigungsministerium drohte derweil damit, militärisch gegen die Protestanten vorzugehen, sollte sich die Situation nicht beruhigen.
Wurde Kreml-Kritiker Alexei Nawalny vergiftet?
Darum geht es: Der in Moskau inhaftierte russische Oppositionelle Alexei Nawalny wurde vergangenen Sonntag ins Krankenhaus eingeliefert. Er habe eine ernsthafte allergische Reaktion erlitten, sagte seine Sprecherin zunächst. Nawalny soll Rötungen und Abszesse am Körper gehabt haben. Seine Hausärztin und seine Anwältin äusserten daraufhin die Vermutung, er könnte vergiftet worden sein. Der Aktivist befindet sich seit dem 24. Juli im Gefängnis. Er hatte die Proteste am letzten Wochenende mitorganisiert und wurde in der Folge zu einer 30-tägigen Haftstrafe verurteilt.
Warum das wichtig ist: Nawalny ist eine der lautesten Stimmen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Seit den 1990er-Jahren ist er aktiver Korruptionsbekämpfer und Regierungskritiker. Wiederholt war Nawalny – selber nicht unumstritten – in fragwürdige Gerichtsverfahren involviert und wurde unter anderem der Veruntreuung schuldig gesprochen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederum erachtete mehrere Prozesse gegen Nawalny als unfair. 2017 verlor der Oppositionelle beinahe die Sehkraft auf einem Auge, nachdem er mit einer Chemikalie angegriffen worden war. In einem Blog-Eintrag argumentierte Nawalny am Montag, noch nie in seinem Leben eine Allergie gehabt zu haben. Zudem habe sich das Krankenhauspersonal auffällig verhalten. Was die Symptome ausgelöst hatte, konnten die Ärzte im Krankenhaus nicht feststellen. Nawalny verlangt nun Einsicht in die Überwachungsvideos im Gefängnis. Sollten sich seine Vorwürfe bewahrheiten, wäre er nicht der erste russische Oppositionelle, dem nach dem Leben getrachtet wird.
Was als Nächstes geschieht: Nawalnys Anwältin hatte nach dem Vorfall eine vorzeitige Haftentlassung beantragt, die das Gericht jedoch abwies. Kommendes Wochenende soll es zu weiteren Protesten für freie Wahlen in Moskau kommen. Gut 1300 Demonstranten wurden vergangenes Wochenende bereits verhaftet, über 40 von ihnen mit Arrest bestraft. Putin hat sich bisher weder zu Nawalny noch zu den jüngsten Protesten geäussert.
Bundesanwaltschaft stellt Verfahren gegen Christian Miesch und Thomas Borer ein
Darum geht es: Die Bundesanwaltschaft hat ein im Herbst 2018 eingeleitetes Verfahren gegen den ehemaligen SVP-Nationalrat Christian Miesch und den Lobbyisten Thomas Borer eingestellt. Ihnen wurden Bestechung und Vorteilsnahme vorgeworfen. Der Tatverdacht habe sich nicht erhärten lassen, schreibt die NZZ basierend auf der ihr vorliegenden Einstellungsverfügung.
Warum das wichtig ist: Der ehemalige Schweizer Botschafter und heutige Lobbyist Thomas Borer war Protagonist der sogenannten Kasachstan-Affäre. Anfang 2015 machte die NZZ dank geleakter E-Mails publik, wie Borer im Schweizer Parlament Einfluss für einen seiner Auftraggeber genommen hatte: das kasachische Justizministerium. Die Recherche brachte verschiedene Parlamentsmitglieder in Erklärungsnot, so etwa die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. Oder eben Christian Miesch, den damaligen Baselbieter SVP-Nationalrat und Sekretär der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kasachstan. Eine auf unveröffentlichten Dokumenten basierende Recherche des «Tages-Anzeigers» erhob im Februar 2018 sodann den Verdacht, Miesch habe drei Jahre zuvor gegen Bezahlung eine Interpellation für Borer lanciert – sich also bestechen lassen. Konkret habe Miesch dem Lobbyisten ein SBB-Generalabonnement in Rechnung gestellt, obwohl er als Nationalrat bereits eines besessen habe. Kostenpunkt: 4600 Franken. Miesch bestätigte dem «Tages-Anzeiger», dass Geld geflossen sei. Dieses habe er 2017 aber wieder an Borer zurücküberwiesen. Im September 2018 wurde Miesch schliesslich seiner Immunität enthoben, als erster Parlamentarier überhaupt. Die Bundesanwaltschaft nahm daraufhin die Ermittlungen auf, die sie nun eingestellt hat. Die Entgegennahme der 4600 Franken für die von ihm erledigten Sekretariatsaufgaben stelle keinen «nicht gebührenden Vorteil» dar, zitiert die NZZ aus der Einstellungsverfügung.
Was als Nächstes geschieht: Thomas Borer bezichtigt den «Tages-Anzeiger» der Verbreitung von «Fake News» und spricht von einer «medialen Hetzkampagne», Miesch nennt die Berichterstattung «Medienterror». Dennoch wolle man die Sache nicht weiterziehen, so der Ex-Parlamentarier. Wie die NZZ schreibt, sollen Borer und Miesch eine Entschädigung erhalten. Wie hoch diese ausfällt, ist unklar.
Top-Storys: Was zu lesen und zu hören fürs Wochenende
Nummer 1 der Smartphone-Generation Wie es hinter den Kulissen von Ringiers Jugendmagazin und Kommerzmaschine «Izzy» zu- und hergeht, hat die «NZZ am Sonntag» höchst lesenswert aufgeschrieben.
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Devils Advocate Er war gern geladener Talkshow-Gast und hat Jeffrey Epstein 2008 den ungeheuerlichen Deal erkämpft: der Staranwalt und Harvard-Professor Alan Dershowitz. Der «New Yorker» blickt hinter seine Fassade – und offenbart eine hässliche Fratze, die Epstein ähnlicher sein könnte als gedacht.
Bang Bang Man kann von seinen Filmen halten, was man will. Aber Musikgeschmack hat Quentin Tarantino allemal. Das Beste aus seinen Filmen hat der Kultregisseur nun in eine Playlist gepackt. Please enjoy.
Apropos tolle Musik Faber, der Schweizer Musiker, den Sie einfach kennen müssen, hat ein neues Video veröffentlicht. Politisch, blutig, grossartig. Please enjoy again.