Je falscher die Gäste, desto schlimmer der Abend
Von Michael Rüegg, 18.07.2019
Was nützt das grösste Talent am Herd, wenn man bei der Kombination der Gäste versagt? So mancher Hausmann schafft es, Zutaten wie Pfirsich und Steinpilze gekonnt zu vermählen. Doch wenn die Yogalehrerin auf den Arbeitskollegen der Gattin trifft, wird die Milch im Kühlschrank sauer.
Einmal – ich sorgte mich wieder einmal besonders um den Zustand der Welt – erschien ich betrunken bei einer Freundin zum Abendessen. Viele unbekannte Gesichter, was mich stets etwas nervös macht. Ich benahm mich derart speziell, dass die anderen Gäste bei Einladungen von ihr noch heute fragen, ob ich denn auch dabei sei. Nur um im Falle eines Ja höflich absagen zu können.
Wie sehr solche Runden danebengehen können, zeigte SRF 1 vergangenen Montag eindrücklich in der Sendung «Talk am Grill». TV-Moderatorin Andrea Jansen lud sich selbst bei einem auf argentinisches Asado spezialisierten Grilleur ein – und zwei Promis dazu. Es waren dies Dominic Deville, der eine Satiresendung hostet, und Regula Bührer Fecker, eine Werbestrategin aus Zürich.
Nun muss man zugeben: Würde einen die Jansen zu sich auf die Terrasse einladen, hätte man sicher einen ganz netten Eindruck von ihr. Doch irgendwie vermag sie die Runde nicht in Schwung zu bringen. Da ist zum Beispiel Grillmeister Pablo – man ist per Du –, der so nett ist, dass man ihm Schmerzen zufügen möchte. Wenn er spricht, tönt es wie in einem Coop-Werbefilm.
Falls Moderatorin Andrea Schalk hat, versteckt sie ihn meisterlich vor Pablo. Wäre ihr Humorniveau ein Bruttoinlandprodukt, läge es irgendwo zwischen dem eines Entwicklungs- und dem eines Schwellenlandes.
Schafft es Regula, Schwung in die Runde zu bringen? Andrea outet sie als eine «gute Freundin». Und als Zuschauerin hofft man inständig, dass sich die beiden wenigstens in privaten Gesprächen interessante Dinge zu sagen haben. Überhaupt schwindet der letzte Funke Hoffnung, dass die vier vielleicht ohne laufende Kamera eine glatte Runde abgäben, als Satiriker Dominic mit Reden an der Reihe ist. Man möchte die Rega anrufen und sie bitten, notfallmässig Devilles Pointenschreiber einzufliegen.
Was erfahren wir in den gut 45 Minuten? Das erste grosse Thema ist, dass Dominic eigentlich Vegetarier ist, kein orthodoxer, aber dennoch. Das füllt ein paar Minuten, übliches Gequatsche über Sinn und Unsinn von Fleischkonsum. Wie man es selber schon an etlichen anstrengenden Diners erlebt hat.
Immerhin erfahren wir, dass Andrea auf einer Argentinienreise keine Hoden essen wollte, weil sie gerade schwanger war. Eigentlich will sie das in der Sendung nachholen, verzichtet dann aber trotzdem. Gibt immerhin eine schöne Überleitung zurück zu Pablos Werbesprech: «Apropos Hoden, ihr macht ja nose to tail?»
Die eigentliche Werberin, Regula, darf dann noch über das Buch reden, das sie geschrieben hat. Andrea: «Sag mir, wie du das gemacht hast.» Dann erzählt Regula, wie sie es gemacht hat. «Ich habe meinem Mann gesagt, ich möchte ein Buch schreiben, er sagte: ‹Go for it.› Ich wusste aber noch nicht, was.» So hat sie sich hingesetzt und jeden Abend drei Stunden geschrieben, zwei Monate lang. Andrea: «Und dann hast du es geschrieben?» Regula: «Ja.»
Danach sagt Dominic, sein Buch habe doppelt so viele Seiten gehabt wie das von Regula. Später findet er: «Ich bin eigentlich von Natur aus nicht so lustig.»
Spulen wir aus offensichtlichen Gründen vor: Irgendwann gibts endlich Fleisch. Es scheint den Gästen aber nicht so richtig zu schmecken. Vor allem der Vegetarier hat etwas Mühe.
Was lernen wir daraus?
Im Sommer bleibt der Fernseher aus, dafür sollte man den eigenen Grill anwerfen.
Laden Sie Leute ein, die sich kennen und einigermassen mögen.
Stellen Sie klar, dass niemand am Tisch über die eigene Arbeit sprechen darf, vor allem nicht über selbst geschriebene Bücher.
Falls niemand schwanger ist, servieren Sie sicherheitshalber Hoden, die füllen ein allfälliges Konversationsvakuum.
Und ein persönlicher Geheimtipp: Sollte keine Stimmung aufkommen, schenken Sie grosszügig Wodkashots aus.