Dritter Golfkrieg droht, Handelskrieg eskaliert – und ist Whatsapp sicher?
Woche 20/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Ronja Beck, Adrienne Fichter und Oliver Fuchs, 17.05.2019
Deutscher Seenotretter auf Malta verurteilt
Darum geht es: Der deutsche Seenotretter Claus-Peter Reisch wurde auf Malta zu einer Geldstrafe von 10’000 Euro verurteilt. Das maltesische Gericht beschuldigte Reisch der nicht ordnungsgemässen Registrierung seines Rettungsschiffes, der Lifeline. Das Geld solle verschiedenen NGOs zugutekommen, befand das Gericht.
Warum das wichtig ist: Seit die EU der libyschen Küstenwache 2017 die Hoheit über die Seenotrettung übertragen hat und Italien einen harten Anti-Migrations-Kurs fährt, haben es zivile Seenotretter im Mittelmeer schwer. Rettungsmissionen von verschiedenen NGOs wurden zunehmend behindert oder gar vereitelt. Die Anzahl an Toten stieg dramatisch. Der Deutsche Claus-Peter Reisch rettete im Rahmen der NGO «Mission Lifeline» im Juni 2018 mehr als 230 Flüchtende aus dem Meer. Fast eine Woche musste das Schiff in internationalen Gewässern ausharren, bis es schliesslich in Malta anlegen konnten. Die Lifeline wurde daraufhin im Hafen von Valletta festgesetzt. Das Schiff unter niederländischer Flagge sei nicht ordnungsgemäss registriert, begründete der maltesische Regierungschef Joseph Muscat. (Der Mitteldeutsche Rundfunk hat die wichtigsten Punkte in einer Chronik festgehalten.) Das maltesische Gericht stützte diese Woche nun Muscats Argumentation. Es ist die erste Verurteilung eines zivilen Seenotretters in Europa. Das Gericht hielt bei der Urteilsverkündung jedoch fest, dass es keine Straftat sei, Leben zu retten. Eine Freiheitsstrafe für Reisch habe es deshalb nie in Betracht gezogen.
Wie es jetzt weitergeht: Claus-Peter Reisch kündigte direkt nach Prozessende an, in Berufung gehen zu wollen. Das Urteil sei «mehr oder minder politisch motiviert». Eine Berufung hat derweil zur Folge, dass die Lifeline den Hafen von Valletta weiterhin nicht verlassen darf. Für Reisch ein fast erpresserischer Akt. «Mission Lifeline» habe jedoch bereits ein neues Schiff gekauft, welches im Juni in See stechen werde.
Handelsstreit zwischen USA und China eskaliert
Darum geht es: China hat beschlossen, die Importzölle für amerikanische Produkte im Wert von 60 Milliarden Dollar zu erhöhen – von 10 auf 20 oder 25 Prozent. Damit reagiert die chinesische Regierung auf Donald Trumps jüngsten Handelsentscheid: In der Nacht auf den 10. Mai hat die US-Regierung die Einfuhrabgaben auf chinesische Produkte im Wert von 200 Milliarden Dollar erhöht. Das ist der bisher höchste gesprochene Strafzoll in Trumps Amtszeit.
Warum das wichtig ist: Seit Beginn des Jahres 2018 befinden sich die USA und China im Handelskrieg. Die Zeit seit Trumps Amtsantritt ist geprägt von ständigen Streitereien um die Importzölle auf einer breiten Palette an Produkten wie Stahl, Weizen oder Unterwäsche. Auslöser ist das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China. Seit 2001, als China der Welthandelsorganisation beitrat, klaffen Importe und Exporte immer weiter auseinander. So exportierten die USA 2017 Waren im Wert von 130 Milliarden US-Dollar nach China – und importierten chinesische Waren im Wert von über 500 Milliarden. Für Trump ist das eine untragbare Situation. Im Wahlkampf zeigte er sich besorgt um die amerikanische Industrie und versprach, Härte zu zeigen. Dieses Versprechen versucht er seit Januar 2018 einzulösen. Im Monatsrhythmus belegt er China mit Strafzöllen, die chinesischen Behörden reagieren jeweils in gleicher Manier. Trumps konfrontative Zollpolitik zeigt bisher wenig Erfolg, im Gegenteil: Im Jahr 2018 ist das Handelsdefizit auf 419 Milliarden Dollar angestiegen, ein Rekordhoch. Zudem sorgt der Konflikt der beiden Weltmächte in beider Länder Industrien für Besorgnis und führt zu Gewinnausfällen. Und lässt laut Ökonomen bereits jetzt die Konsumentenpreise steigen.
Wie es jetzt weitergeht: Chinas neue Strafzölle sollen erst ab dem 1. Juni gelten, das gibt den beiden Parteien Zeit für Verhandlungen. Es ist gut möglich, dass es zu einer Einigung kommt. Genauso gut ist es möglich, dass diese Einigung von kurzer Dauer sein wird: Trump hat angedroht, auf sämtliche chinesischen Importe Strafzölle erheben zu wollen. Verschärft sich der Handelsstreit zwischen den USA und China weiter, droht ein weltweiter Handelskrieg.
Smartphones ausspioniert – wegen Whatsapp-Lücke
Darum geht es: Die israelische Firma NSO hat sich offenbar eine gravierende Sicherheitslücke im populären Messengerdienst Whatsapp zunutze gemacht. Diese Lücke erlaubte es, Spionagesoftware heimlich auf Smartphones zu installieren. Am Montag veröffentlichte Whatsapp ein Update, das die Lücke schliessen soll.
Warum das wichtig ist: Die Firma NSO steht immer wieder in der Kritik. Sie programmiert Spionagesoftware – und rekrutiert ihr Personal aus den Cyberkrieg-Abteilungen der Armee. Ihre Software Pegasus kann viele persönliche Daten zurück an NSO schicken. So kann Pegasus Anrufe aufzeichnen, Nachrichten öffnen, die Kamera und das Mikrofon des Smartphones für die weitere Überwachung aktivieren und Standortdaten weiterleiten. Doch zuerst muss sie unerkannt auf dem Smartphone der Zielperson installiert werden. Forscher von Citizen Lab der Universität Toronto haben festgestellt, dass NSO dafür eine Sicherheitslücke von Whatsapp ausgenutzt hatte. Pegasus wurde auf dem populären Messengerdienst installiert, sobald jemand einen Sprachanruf tätigte. Die Zielperson musste den Anruf nicht einmal entgegennehmen. Aufgeflogen ist NSO bei einem Angriff auf einen britischen Menschenrechtsanwalt, der frühere Spyware-Opfer vor Gericht gegen die israelische Firma vertreten hatte. Wie viele der 1,5 Milliarden Whatsapp-Nutzerinnen und -Nutzer betroffen sind, ist unbekannt. Mit Pegasus seien Dissidenten, Journalisten und Aktivisten im Visier gewesen und auch Organisationen wie Amnesty International. NSO liess mitteilen, dass ihre Spionagesoftware nur strikt an autorisierte Regierungsbehörden verkauft werde und sie selber an keinen Angriffen beteiligt gewesen sei.
Wie es weitergeht: Der Reputationsschaden für das Facebook-Tochterunternehmen Whatsapp ist gross. Von der Führungsetage wurde stets versichert, dass aufgrund der End-zu-End-Verschlüsselung jegliche Kommunikation mit der App abhörsicher sei. Das Whatsapp-Team hat die Sicherheitslücke vor einiger Zeit identifiziert und sie nun geschlossen. Die Ausbreitung der Schadsoftware sollte damit gestoppt sein. Alle Whatsapp-Nutzerinnen sollten dringend ein Update der App ausführen. Whatsapp schaltete auch US-Regierungsbehörden für Ermittlungen ein.
USA und der Iran bereiten sich auf einen Konflikt vor
Darum geht es: Ein amerikanischer Flugzeugträger nimmt derzeit Kurs in Richtung Persischer Golf. Am Mittwoch setzte das Aussenministerium zudem einen teilweisen Abzug der Botschaftsangestellten aus Irans Nachbarland Irak in Gang. Seit die USA einseitig aus dem multilateralen Nuklearvertrag ausgestiegen sind – und der Iran seinerseits in Teilen nachzog –, steigt die Kriegsgefahr zwischen den beiden Ländern.
Warum das wichtig ist: Seit der Iranischen Revolution vor gut vierzig Jahren sind die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran angespannt – und zuzeiten offen feindselig. Die USA sehen den Iran als fanatischen Gottesstaat, der Iran die USA als aggressive Imperialmacht. Auf beiden Seiten befeuern Hardliner den Konflikt. Einer davon ist Trumps einflussreicher Sicherheitsberater John Bolton, der seit Jahren vom Umsturz im Iran schwärmt. Seit er im Amt ist, erhöht er den Druck – zum Beispiel mit neuen Wirtschaftssanktionen. Iranische Diplomaten wiederum warnen die USA, ihre Kampfbereitschaft «nicht auf die Probe zu stellen». Die europäischen Staaten bringen die Spannungen in eine Zwickmühle. Einerseits sind sie traditionellerweise mit den USA verbündet. Andererseits äussern viele mehr oder minder diplomatisch ihr Unverständnis über den aggressiven Kurs Washingtons.
Wie es jetzt weitergeht: Die Geschichte lehrt, dass sich Konflikte im Nahen Osten schnell zum Flächenbrand ausweiten können. Mit verheerenden Folgen. Die Gefahr für einen ausgewachsenen Krieg ist also real. Gleichzeitig werden kritische Stimmen lauter. Selbst Donald Trump soll unterdessen gemäss der «Washington Post» Bedenken gegen Boltons Kurs äussern – schliesslich hatte er als Kandidat versprochen, die USA aus neuen Kriegen herauszuhalten.
Zum Schluss: Reichlich Besuch aus China
Ja, wieder China, aber diesmal geht es um was Lustiges. Eine Reisegruppe von 12’000 Chinesen besucht in diesen Wochen nämlich die Schweiz, allein am Montag strömten in Luzern gut 4000 Menschen aus den Cars. Bei allen Reisenden handelt es sich um Angestellte von Jeunesse Global, einem in Florida ansässigen Kosmetikkonzern. Dieser belohnt seine tüchtigsten Mitarbeiter gerade mit einer sogenannten Incentive-Reise durch die Schweiz. Auf den zweiten Blick ist die Meldung dann leider nicht mehr ganz so lustig. Bei Jeunesse Global müssen die Angestellten die Luxuskosmetika zuerst aus der eigenen Tasche bezahlen, um sie danach weiterzuverkaufen, neue Vertriebspartner zu rekrutieren und in der Firmenhierarchie Stufe um Stufe emporzuklettern. Multi-Level-Marketing nennt sich das. Und ganz oben lockt ein Bonus von einer Million Dollar. Ob den schon jemals jemand eingesackt hat, ist unklar. Klar ist hingegen, dass 2015 ordentliche 97 Prozent der Vertriebspartner in den USA im Jahr weniger als 10’000 Dollar verdienten.
Top-Storys
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Rassismus als Wahlhelfer: In einer bulgarischen Kleinstadt streiten sich drei Roma vor einem Supermarkt. Eine Alltäglichkeit, nach der eine «Säuberung» gefordert wird. Vor den Wahlen zeigt sich in Bulgarien der Hass gegen die Roma in voller Blüte – zu lesen in der «Zeit online».
Wenn die Kamera wegguckt: Ausgerechnet San Francisco, Heimat vieler Techies aus dem Silicon Valley, will den Gebrauch von Software zur Gesichtserkennung teilweise verbieten. Als erste Stadt in den USA. Wieso und für wen das Verbot gilt, steht in der «New York Times».