Was diese Woche wichtig war

Ein Komiker wird Präsident, Gewalt in Nordirland – und eine wichtige Uno-Resolution

Woche 17/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Christof Moser und Oliver Fuchs, 26.04.2019

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Terror auf Sri Lanka

Darum geht es: In einer Reihe von Bomben- und Selbstmord­anschlägen sind am Oster­sonntag auf der Insel Sri Lanka mehr als 350 Menschen getötet worden. Hunderte weitere wurden verletzt. Die Regierung spricht von neun Attentätern, darunter eine Frau, die sich in Kirchen, Luxushotels und einer Wohnsiedlung in die Luft gesprengt haben.

Angehörige trauern um ihre Mutter und Schwiegermutter, die beim Selbstmord­anschlag auf die Kirche St. Sebastian in Negombo getötet wurde. Bei dem Attentat kamen mehr als hundert Menschen ums Leben. Carl Court/Getty Images

Warum das wichtig ist: Es ist die Serie von Selbstmordanschlägen mit den meisten Todesopfern in der Geschichte Sri Lankas. Aber bei weitem nicht die erste. Das Land wird immer wieder von Terrorismus geplagt, auch nach Ende des blutigen Bürgerkriegs vor rund zehn Jahren. Unterdessen steigt die Wut in der Bevölkerung; die Regierung hat zuvor offenbar Warnungen über Anschlagspläne ignoriert. Der Verteidigungs­minister und ein hochrangiger Polizist sind bereits zurückgetreten. Die Regierung machte zunächst eine lokale Gruppe von islamischen Extremisten für die Anschläge verantwortlich. Inzwischen hat die Terrororganisation Islamischer Staat die Attacke für sich beansprucht und Fotos der angeblichen Attentäter veröffentlicht. Ob und inwiefern er wirklich involviert war, ist unbestätigt.

Wie es jetzt weitergeht: Die Anschläge überschatten die geplanten Wahlen – und dürften die politische Krise im Land weiter verschärfen. Sri Lanka ist ein multiethnisches und multireligiöses Land. Es gibt Berichte über Vandalismus an muslimischen Geschäften, als Vergeltung für die Attentate. Ob die Gesellschaft Sri Lankas in Solidarität und Trauer zusammenkommt oder ob sie sich spaltet, werden die nächsten Wochen zeigen.

Ein Komiker wird Präsident der Ukraine

Darum geht es: Der Sitcom-Darsteller und Komiker Wolodimir Selenski hat sich in der Stichwahl durchgesetzt. Mit 73 Prozent der Stimmen liess er den bisherigen Amts­inhaber Petro Poroschenko weit hinter sich. Selenski, ein politischer Novize, hat im Wahl­kampf versprochen «aufzuräumen», blieb aber ein konkretes politisches Programm weitgehend schuldig.

Warum das wichtig ist: Qualifiziert es für die Präsidentschaft, in einer Fernseh-Sitcom den Präsidenten gespielt zu haben? Die Ukraine wird das nun vorführen. Selenski und sein Widersacher Petro Poroschenko haben sich einen gehässigen, oft bizarren Wahl­kampf geliefert. So forderten sie sich zum Beispiel gegenseitig zum öffentlichen Drogentest auf. Poroschenko, einer der reichsten Männer der Ukraine, war vor fünf Jahren von einer Welle der Anti-Establishment-Empörung ins Amt getragen worden – nun hat ihn dieselbe Stimmung aus dem Amt gefegt. Zu wenig, so seine Kritiker, habe er getan, um die Macht der Oligarchen im Land zu brechen. Offene Fragen gibt es zu Selenskis Verbindungen zu einem Oligarchen, der sich im Exil einer Straf­verfolgung entzieht. Die beiden teilen sich den Anwalt und Body­guards – und ukrainische Investigativ­journalisten konnten nachweisen, dass Selenski mehrfach nach Genf und Tel Aviv reiste, wo besagter Oligarch lebt.

Wie es jetzt weitergeht: Das Verhältnis der Ukraine zum Nachbarn Russland dürfte sich weiter verschlechtern. Russland reagierte erst verhalten bis vorsichtig optimistisch auf das Wahlergebnis. Am Mittwoch setzte Wladimir Putin auf Konfrontation: Er erliess ein Dekret, der es Ostukrainern in den besetzten Gebieten erleichtern soll, die russische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Selenski forderte umgehend eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland.

Angst vor weiterer Gewalt in Nordirland

Darum geht es: In der Nacht auf Karfreitag wurde die Journalistin Lyra McKee in der nordirischen Stadt Derry erschossen. Am Mittwoch bekannte sich die sogenannte Neue IRA (Real Irish Republican Army) zu der Tat. In einem Bekenner­schreiben sprach sie von einem «Versehen» und bat McKees Angehörige um Verzeihung. Die Regierung wies die Entschuldigung umgehend zurück und drohte allen gewaltbereiten Gruppierungen mit Konsequenzen.

Hoffnung, Drohung oder Prophezeiung? Das Graffiti an einer Wand in Londonderry zeugt davon, dass viele Menschen nach der Ermordung der Journalistin Lyra McKee einen politischen Wendepunkt Nordirlands fordern. Charles McQuillan/Getty Images

Warum das wichtig ist: Nordirland hat eine blutige jüngere Vergangenheit. Unionistische Protestanten und irisch-nationalistische Katholiken bekriegten sich jahrzehntelang. Die meisten Opfer dieser Gewalt: unbeteiligte Zivilisten. Dieser Konflikt fand mit dem Karfreitags­abkommen 1998 offiziell ein Ende. Ebendieses Abkommen wird nun durch den geplanten Brexit aber ernsthaft infrage gestellt. Die Neue IRA lehnt ihren Namen an die IRA an, eine am Nordirland­konflikt beteiligte Terror­organisation, die nach dem Karfreitags­abkommen an Bedeutung verlor. Die Investigativjournalistin Lyra McKee befasste sich in ihrer Arbeit mit den Auswirkungen des Nordirlandkonflikts. Sie beobachtete eine Demonstration und stand in der Menschen­menge, als sie erschossen wurde. Mit 14 Jahren gründete Lyra McKee eine eigene Zeitung in Belfast, seither widmete sie ihr Leben dem Journalismus. Sie wurde 29 Jahre alt.

Wie es jetzt weitergeht: An Lyra McKees Beisetzung in Belfast riefen Angehörige und Freunde die Politik dazu auf, nun endlich etwas gegen die zunehmende Polarisierung in Nordirland zu tun. Wie tief diese sitzt, beschreibt der «Guardian» in seinem Kommentar.

Uno verabschiedet Resolution gegen Sexualverbrechen

Darum geht es: Gegen den angedrohten Widerstand der USA, Russland und China hat der Uno-Sicherheitsrat unter der Führung von Deutschland eine Resolution zur Aufarbeitung von sexueller Gewalt in Kriegen und Konflikten verabschiedet. Das Ziel der Resolution: Opfer von Sexual­verbrechen sollen Täter einfacher vor Gericht bringen können – und einen besseren Zugang zu medizinischer und psychologischer Hilfe erhalten.

Warum das wichtig ist: Vor zehn Jahren hat die Uno die Sonderbeauftragte Pramila Patten eingesetzt, die sich mit Sexual­verbrechen als Kriegswaffe beschäftigt. Den Anstoss für ein geeintes Vorgehen der internationalen Staaten­gemeinschaft gaben Berichte von systematischen Vergewaltigungen in Bosnien und Herzegowina sowie in Ruanda in den 1990er-Jahren. Aktuell und akut ist das Thema derzeit im Konflikt um die Rohingya in Burma. Von «Tausenden Geschichten, die die Welt noch nie gehört hat» sprach der deutsche Aussenminister Heiko Maas, der die Sitzung des Sicherheits­rats leitete. Die USA störten sich im Resolutions­entwurf an Begrifflichkeiten rund um Abtreibungen, auch Russland und China äusserten Einwände. Nachdem die US-Delegation mit einem Veto drohte, wurden Passagen abgeschwächt. Diesem neuen Text­entwurf stimmten schliesslich 13 Mitglieds­staaten des Sicherheits­rats zu. Russland und China enthielten sich der Stimme.

Wie es jetzt weitergeht: Der deutsche Aussen­minister bezeichnete die Resolution trotz den Abschwächungen als «Meilen­stein». Harsche Kritik äusserte dagegen Frankreichs Uno-Botschafter: Seine Regierung sei «konsterniert» über die Veto-Drohung der USA – sie untergrabe «die Würde von Frauen». Tatsächlich wurde damit die Schaffung einer Arbeits­gruppe verhindert, die Sexual­verbrechen systematisch erfasst. Ebenso unterstützt die Resolution des Sicherheits­rats jetzt nicht mehr explizit Abtreibungen nach Vergewaltigungen. Prominente Unterstützerinnen der Resolution, darunter die Menschen­rechts­anwältin Amal Clooney, fordern ein eigenes Gericht ähnlich dem Internationalen Straf­gerichtshof für Kriegs­verbrechen, das sich gezielt mit der Aufarbeitung von sexueller Gewalt in Kriegs­gebieten beschäftigen soll. «Dies ist Ihr Nürnberg-Moment», sagte Clooney vor dem Uno-Sicherheits­rat – und spielte damit auf die Nürnberger Prozesse gegen führende National­sozialisten nach Ende des Zweiten Weltkriegs an.

Zum Schluss: Brunei fordert «Toleranz und Respekt» – für die Tötung von Homosexuellen

Das Sultanat Brunei hat die international heftig kritisierte Einführung der Todes­strafe gegen Homosexuelle in einem Brief an das Europäische Parlament verteidigt. Der «Guardian» zitierte aus dem vierseitigen Brief des Sultanats an die Europa­abgeordneten. Darin hiess es, Steinigungen als Strafe für gleichgeschlechtlichen Sex seien nur sehr selten, da zwei Männer von «hohem moralischem Rang und Frömmigkeit» als Zeugen erforderlich seien. Im Hinblick auf den Wunsch des Landes, seine traditionellen Werte zu bewahren, fordere man «Toleranz, Respekt und Verständnis». Davon will das EU-Parlament allerdings nichts wissen: Geprüft wird die Einfrierung von Vermögen des Sultans und dessen Entourage, Visaverbote und eine schwarze Liste von Hotels, die dem islamischen Land gehören.

Top-Storys: Glück und Grauen

Kein Staat hat die Überwachung seiner Bürger so weit getrieben wie China. Jetzt wird die Technik dahinter zum Export­gut – zum Beispiel für Ecuador. Die «New York Times» berichtet.

Wie wäre es mit einem Tages­ausflug nach Tschernobyl? 80 Euro kostet der Spass. Die «Süddeutsche Zeitung» hat den Trip gemacht – und berichtet über das Geschäft mit dem Unglück.

Schreiben Sie Ihrem früheren Ich einen Brief. Sie kennen die Übung? Die in Derry ermordete Journalistin Lyra McKee hat vor ein paar Jahren der 14-jährigen Lyra McKee einen Brief geschrieben. Über Journalismus, das Gay-Sein – und das Glück.

Das amerikanische Coachella-Festival ist für spektakuläre Bühnenshows bekannt. Eine Show dieses Jahr stach sogar speziell hervor. Und zwar nicht wegen dem, was man auf der Bühne sah – sondern was man nicht sah. Denn die Bühne war bedeckt mit Vantablack, dem schwärzesten Schwarz überhaupt. «The Verge» erklärt die Wissenschaft hinter dem Bühnenbau.

Wie gehts dem Netz? So gehts dem Netz. Der umfassende Internet-Gesundheit-Report der Mozilla Foundation. Darunter Themen wie «Warum Sie Ihre DNA nicht zum Jux testen lassen sollten» oder «Social-Media-Steuern in Afrika». Lesenswert auch für Laien.

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