Indonesien wählt, AfD wird gebüsst – und der Mueller-Bericht ist da
Woche 16/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Oliver Fuchs und Christof Moser, 19.04.2019
Der «Obama Indonesiens» bleibt wohl Präsident
Darum geht es: Der indonesische Präsident Joko Widodo schafft sehr wahrscheinlich die Wiederwahl – und sichert sich damit fünf weitere Jahre im Amt. Das zeigen Hochrechnungen. Er selber hat seinen Sieg auch schon offiziell verkündet. Sein Konkurrent, der Ex-General Prabowo Subianto, sieht das Rennen allerdings noch offen und könnte das Resultat anfechten.
Warum das wichtig ist: Indonesien ist das viertbevölkerungsreichste Land der Welt. Und in keinem Land leben mehr Muslime. An über 800’000 Wahlstationen verteilt über Tausende indonesische Inseln wurde gewählt – ein logistischer Kraftakt. Joko Widodo kann nach seiner ersten Amtszeit ein solides Wirtschaftswachstum und Infrastrukturprojekte vorweisen. Der ehemalige Möbelhändler Widodo gab sich während des Wahlkampfs moderat und volksnah – was ihm in den Medien den Spitznamen «Obama Indonesiens» eingetragen hat. Kritiker werfen ihm vor, zu wenig gegen Umweltzerstörung und Korruption und für die Aufarbeitung der Diktatur und den Schutz religiöser Minderheiten zu unternehmen.
Was als Nächstes geschieht: In der Vergangenheit haben sich Hochrechnungen jeweils bewahrheitet. Nach der Wiederwahl dürfte Widodo seinen Kurs fortsetzen und den Ausgleich mit konservativen Kräften im Land suchen.
Finnlands Rechtspopulisten halten Wähleranteil
Darum geht es: Seit Mittwoch ist es amtlich, die Sozialdemokraten sind Wahlsieger in Finnland. Allerdings extrem knapp. Auf dem zweiten Platz liegt die rechtspopulistische Partei «Die Finnen», welche die Wahlprognosen deutlich übertraf.
Warum das wichtig ist: Das Wahlresultat in Finnland folgt einem europäischen Trend: Die Parteienlandschaft zersplittert, und ehemalige Volksparteien schrumpfen. Die Sozialdemokraten liegen mit 17,7 Prozent Wahlanteil nur gerade 0,2 Prozent vor den «Finnen». Diese euro- und migrationskritische Partei war Teil der bisher regierenden Mitte-rechts-Koalition. 2017 verliessen die Hardliner die Regierung – die Moderaten verblieben unter neuem Namen. Damit zerschlug sich auch die Idee, den rechten Rand durch Einbindung zu befrieden. Die Finnen sind gemäss Erhebungen der Uno das glücklichste und eines der egalitärsten Länder der Welt. Trotzdem stossen nationalistische und offen fremdenfeindliche Parolen auch im hohen Norden auf Anklang.
Wie es jetzt weitergeht: Es ist nun an dem Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Antti Rinne, eine Regierung zu bilden. Die Koalitionsgespräche dürften kompliziert werden. Eine Koalition mit den Rechtspopulisten schloss Rinne bereits aus.
Der Mueller-Report ist (teilweise) öffentlich
Darum geht es: Am Donnerstagabend europäischer Zeit veröffentlichte das US-Justizministerium den Bericht des Sonderermittlers Robert Mueller. Bisher war nur in ganz groben Zügen bekannt, was dieser über die Einmischung Russlands in die Präsidentschaftswahl 2016 und eine Justizbehinderung durch Präsident Trump herausgefunden hatte.
Warum das wichtig ist: Nun wird sich zeigen, ob Präsident Trumps «No Collusion!»-Siegestaumel verfrüht war. Rund einen Monat ist es her, dass Sonderermittler Mueller seinen Bericht abschloss. Justizminister Barr hielt das Papier bis anhin unter Verschluss. Er teilte der Öffentlichkeit lediglich mit, dass die Trump-Kampagne sich nicht mit Russland abgesprochen hatte – und dass er den Präsidenten nicht wegen Justizbehinderung anklagen werde. Trump wertete das als vollständige Entlastung. Aus Muellers Team war hingegen zu vernehmen, dass dies eine sehr verkürzte Version der Ermittlungsergebnisse sei. Auch der jetzige Bericht ist in Teilen geschwärzt. Die Presse und die Opposition werden den Bericht nun Zeile für Zeile sezieren. Erste Auszüge zeigen: Es gab zahlreiche Kontakte zwischen Russland und Trumps Wahlkampfteam. Allerdings seien diese nicht krimineller Natur gewesen.
Wie es jetzt weitergeht: Ob und wie der Bericht Präsident Trump schaden wird, werden die nächsten Tage zeigen. Mit einer extrem parteiischen Pressekonferenz kurz vor Veröffentlichung hat der Justizminister sein Ansehen untergraben. Das dürfte der Opposition neuen Schub verleihen – um weitere geschwärzte Stellen im Bericht aufdecken zu lassen und neue Untersuchungen im Kongress anzusetzen. Sonderermittler Mueller wurde noch am Donnerstagabend für eine Befragung im Justizausschuss aufgeboten.
AfD wegen illegaler Parteispenden aus der Schweiz bestraft
Darum geht es: Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) muss wegen der Annahme illegaler Parteispenden eine Strafe von 402’900 Euro bezahlen. Die Schweizer Werbeagentur Goal hat zwei AfD-Politiker mit Flyern, Plakaten und Anzeigen im Gegenwert von 134’300 Euro unterstützt. Die beiden Politiker sind Spitzenkandidaten für die Europawahlen im Mai. Die Bundestagsverwaltung sieht darin illegale Parteispenden und verhängt gegen die Partei eine Geldstrafe, die dem dreifachen Gegenwert der illegalen Spenden entspricht.
Warum das wichtig ist: Der deutsche Staat schüttet Millionen Euro zur Finanzierung an die Parteien aus. Im Gegenzug verlangen die Behörden Transparenz. Spenden über 10’000 Euro müssen angegeben, Spenden über 50’000 Euro sofort gemeldet werden. Spenden von ausserhalb der EU, also auch aus der Schweiz, sind illegal, ausser sie stammen von deutschen Spendern. Anders als in der Schweiz, die diesbezüglich eine Blackbox ist, gibt es in Deutschland klare Transparenzregeln bei der Parteienfinanzierung.
Wie es jetzt weitergeht: Die AfD hat insgesamt eine Million Euro zurückgestellt, um diese und allfällige weitere Strafen zu bezahlen. Noch offen ist der Fall der Spende in der Höhe von rund 132’000 Euro, die aus der Schweiz an den AfD-Kreisverband Bodensee der Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel zugeflossen sind. Der Bundestag untersucht auch diese Spende.
Zum Schluss: Notre-Dame oder Votre-Dame?
Jetzt ist plötzlich ganz viel Geld da, über eine Milliarde Euro, um genau zu sein. Das Wahrzeichen von Paris war nämlich schon vor dem Brand am Montag in einem desolaten Zustand. Dies vor allem deshalb, weil sich der Staat und die Kirche jahrelang die Verantwortung für Reparaturen gegenseitig zugeschoben hatten. Wegen der strengen Trennung von Kirche und Staat in Frankreich gehört die Notre-Dame offiziell dem Staat – und die Erzdiözese nutzt die Kirche gratis. Dafür, so der Deal, hätte die Kirche für Reparaturen aufkommen müssen. Die Kirche richtete dafür vor zwei Jahren eine Spendenorganisation ein. Unter anderem diese Organisation wird nun mit Spenden regelrecht überflutet, besonders die Crème de la Crème der französischen Gesellschaft tut sich hervor. Das gefällt nicht allen. Kritiker, zum Beispiel Vertreterinnen der gilets jaunes, monieren, dass schwerreiche Franzosen plötzlich spendabel würden, wenn es nicht um arme Mitbürger, sondern «alte Steine» gehe. Den Spendern winken grosszügige Steuerabzüge. In fünf Jahren, so will es Präsident Macron, soll die Kirche in alter Pracht erstrahlen.
Top-Storys: Für ein tieferes Verständnis
Apropos Trump: Diese Woche wurden in den USA die begehrten Pulitzer-Preise vergeben. Gewonnen haben auch die «Failing New York Times!» und die «Amazon Washington Post!». Wir gratulieren.
Rechtsrutsch: Ulrich Kulke hat die linke deutsche Tageszeitung TAZ mitgegründet. Dann arbeitete er für die Grüne Partei im Bundestag. Heute kritisiert er die «Walze der linken Deutungshoheit». Und er verteidigt mit Verve die AfD. Was ist da passiert? Die TAZ hat ihn gefragt.
OK Computer? Computer werden immer besser darin, Gesichter zu erkennen. Pardon, die Gesichter von Menschen mit heller Hautfarbe. Die Forscherin Joy Buolamwini hat nachgewiesen, dass Erkennungssoftware von Anbietern wie Microsoft oder IBM bei dunkelhäutigen Menschen deutlich mehr Fehler macht. Das kann für die versehentlich Identifizierten gefährlich werden. Etwa dann, wenn die Polizei damit arbeitet.
Guter Gonzo: Im Dezember 2017 nahm sich die Pornodarstellerin August Ames das Leben. Sie wurde 23 Jahre alt. Davor hatte sich wegen eines unglücklich formulierten Tweets eine regelrechte Hasswelle über die junge Frau ergossen. Der britische Gonzo-Jounalist Jon Ronson, bekannt für Bücher wie «The Men Who Stare at Goats» und «So You’ve Been Publicly Shamed» widmet ihr die zweite Staffel seiner Podcast-Serie über die Pornobranche. Ein einfühlsames, trauriges und nachdenklich machendes Stück narrativer Journalismus.
Schluss mit Gittern: Seit drei Jahrzehnten kämpft Ruth Wilson Gilmore unermüdlich für ein Anliegen: alle Gefängnisse abzuschaffen. Klingt radikal? Die «New York Times» hat ihr ein grosses Porträt gewidmet – und mit genügend Platz und Kontext klingen ihre Argumente plötzlich gar nicht mehr so abwegig.