Was diese Woche wichtig war

Brextension, Assange verhaftet – und die Erde ist ein Fernrohr

Woche 15/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Oliver Fuchs und Christof Moser, 12.04.2019

Die EU gewährt den Briten eine neue Brexit-Deadline

Darum geht es: Die 27 anderen EU-Staaten einigten sich in der Nacht auf Donnerstag auf den 31. Oktober als neuen Brexit-Termin. Die Briten können die EU aber auch früher verlassen. Dann nämlich, wenn sie das Austritts­abkommen ratifizieren.

Warum das wichtig ist: Mit dem Entscheid der EU-Staaten ist die Gefahr eines No-Deal-Austritts vorerst gebannt. Dieser hätte für die britische Wirtschaft, die Spannungen an der irischen Grenze und das Verhältnis zu Europa verheerende Folgen. Bisher sind die anderen EU-Staaten in den Verhandlungen mit den Briten geschlossen aufgetreten, nun zeigen sich erste Risse. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat auf eine kürzere Frist gepocht, Deutschland auf eine längere. Die neue Deadline ist also ein Kompromiss, mit dem kaum jemand wirklich zufrieden ist. Im Juni wollen sich die 27 verbleibenden EU-Staaten zum nächsten Sonder­gipfel treffen. Dort wollen sie bewerten, ob sich Grossbritannien gegenüber der EU konstruktiv verhält – oder deren Funktionieren aktiv untergräbt. Premierministerin Theresa May versucht derweil zu Hause in Gesprächen mit der Opposition die Blockade im Zusammenhang mit dem Austritts­abkommen zu durchbrechen. Diskutiert werden unter anderem ein Verbleib in der Zollunion mit der EU – und eine zweite Volks­abstimmung über den Brexit.

Wie es jetzt weitergeht: Nur wenn die Briten vor dem 22. Mai das Abkommen annehmen, können sie eine Teilnahme an den Europa­wahlen vermeiden. Dass bis dann eine Lösung steht, ist aber unwahrscheinlich.

Julian Assange wird in London verhaftet

Darum geht es: Der Gründer der Plattform Wikileaks wurde am Donnerstag­morgen in der ecuadorianischen Botschaft festgenommen. Ecuador hatte ihm zuvor den Asylstatus aberkannt. In Ecuador wurde laut dem Innenminister eine zweite Person «mit Verbindungen» zu WikiLeaks verhaftet.

Julian Assange auf dem Weg zur Anhörung vor Gericht. Jack Taylor/Getty Images

Warum das wichtig ist: Seit Juni 2012 hatte sich Assange in der Londoner Botschaft verschanzt. Ursprünglich, um einer möglichen Auslieferung nach Schweden zu entgehen. Dort hatten ihn zwei Frauen der Vergewaltigung bezichtigt. Assange und seine Anhänger hingegen sahen in dem Verfahren in Schweden einen Vorwand für eine Auslieferung in die USA. Assange hatte auf seiner Wikileaks-Plattform zahlreiche geheime Dokumente veröffentlicht. Darunter sind auch Aufnahmen und Dokumente des US-Militärs, die auf Folter und Kriegs­verbrechen hindeuten.

Scotland Yard bestätigte kurz nach Assanges Verhaftung, dass die USA ein Auslieferungsgesuch gestellt haben. Ecuador begründet den Asylentzug mit Assanges Verhalten in der Botschaft und Verstössen gegen internationales Recht. Fest steht: Assange bezahlte für seine Enthüllungen bereits einen hohen Preis. In den letzten Jahren isolierte sich Assange in der Botschaft zunehmend – und stiess mit erratischem Verhalten auch ehemalige Weggefährten vor den Kopf. Trotzdem stellten sich am Donnerstag bekannte Aktivisten, Journalistinnen, Politiker und Whistle­blowerinnen hinter ihn, darunter Chelsea Manning und Edward Snowden.

Wie es jetzt weitergeht: Nach einem ersten Gerichts­termin am Donnerstag­nachmittag wurde Assange nicht auf freien Fuss gesetzt. Im Mai soll über seine Auslieferung in die USA befunden werden. Dort droht ihm eine lange Haft, möglicherweise auch die Todesstrafe. Der Sonderbericht­erstatter der Vereinten Nationen hatte einen möglichen Entzug von Assanges Asyl im Vorfeld kritisiert.

Benjamin Netanyahu gewinnt die Wahlen in Israel

Darum geht es: Die Likud-Partei des amtierenden israelischen Ministerpräsidenten hat in den Parlamentswahlen voraussichtlich 35 der 120 Mandate errungen. Zusammen mit anderen rechten und religiösen Parteien hat Netanyahu damit die besten Chancen, eine Regierungs­koalition zu bilden. Hauptrivale Benny Gantz räumte am Mittwoch seine Niederlage ein und kündigte eine starke Opposition an.

Benjamin Netanyahu und seine Frau Sara freuen sich auf einer Wahlparty über die vielversprechende Hochrechnung. Abir Sultan/EPA/Keystone

Warum das wichtig ist: Netanyahu ist bereits zehn Jahre im Amt. Im Sommer würde er zum Premier­minister mit der längsten Amtszeit seit der Gründung Israels. Zuletzt war Netanyahu wegen Korruptionsermittlungen unter Druck geraten. Er reagierte darauf im Wahlkampf mit einem harten Rechtskurs. So hatte er kurz vor dem Wahlgang die Annektierung jüdischer Siedlungsgebiete im Westjordanland in Aussicht gestellt und immer wieder seine persönliche Freundschaft mit dem US-Präsidenten Donald Trump hervorgehoben. Benny Gantz, ehemaliger Armeechef und Polit­novize, hatte sich als liberale Alternative zur Wahl empfohlen. Zwar erreicht seine Blau-Weiss-Liste ebenfalls 35 Stimmen, mögliche Koalitions­partner schnitten aber schlecht ab. Für die traditionsreiche linke Arbeits­partei war die Wahl ein Desaster, sie kommt nur noch auf eine Handvoll Sitze. Trump wertete das Resultat in einer Stellung­nahme als «gutes Zeichen für den Frieden». Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sprach hingegen von einer Wahl gegen den Frieden – und für die Besetzung.

Wie es jetzt weitergeht: Das Wahlergebnis dürfte Netanyahu in seiner Siedlungs­politik, der Konfrontation mit dem Iran und den Zugeständnissen an die ultraorthodoxen Koalitions­partner bestärken. Derweil ermittelt der General­staatsanwalt weiter gegen ihn. Netanyahu hat bereits klargemacht, dass er auch im Falle einer Anklage weiter regieren will.

Weitere Abgänge in Präsident Trumps Regierung

Darum geht es: Im Ministerium für innere Sicherheit der Vereinigten Staaten sind mehrere hochrangige Offizielle freiwillig zurückgetreten oder dazu gezwungen worden. Den Anfang machte am Sonntag die zuständige Ministerin Kirstjen Nielsen. Auch der Leiter des Secret Service trat zurück.

Warum das wichtig ist: Beobachter sprechen von einer regelrechten Säuberung im Ministerium. Nach Medien­berichten war Kirstjen Nielsen in den vergangenen Wochen beim Präsidenten in Ungnade gefallen. Sie habe sich gegen die extremsten Auswüchse von Trumps Politik der Abschreckung an der mexikanischen Grenze ausgesprochen – und die Trennung von Migranten­kindern von ihren Eltern zu zögerlich vorangetrieben. In den letzten Monaten sind die Asylgesuche an der Südgrenze gestiegen.

Kirstjen Nielsen ist bereits der 15. Abgang auf Kabinettsstufe seit Trumps Amtsantritt. Dazu kommen zahllose Botschafter, Unter­sekretärinnen, Behörden­vorsteher und andere Beamte, die zurückgetreten sind oder entlassen wurden. Viele Posten im amerikanischen Regierungs­apparat sind deshalb nur interimistisch besetzt oder vakant.

Wie es jetzt weitergeht: Trump kündigte bereits an, dass er seine Immigrationspolitik nochmals verschärfen wolle. Allerdings wurde er von der Justiz bereits mehrmals ausgebremst, etwa bei der Einreisesperre für Personen aus mehrheitlich muslimischen Ländern oder bei der Familien­trennung an der mexikanischen Grenze.

Proteste und Militärputsch im Sudan

Darum geht es: Am Donnerstag verkündete der sudanesische Militärchef die Verhaftung von Präsident Omar al-Bashir. Das Militär wolle nach einer zweijährigen Übergangs­phase freie Wahlen organisieren. Gleichzeitig verhängte er den Ausnahmezustand.

Demonstranten in der Hauptstadt Khartum am Donnerstag. Str/EPA/Keystone

Warum das wichtig ist: Damit dürfte der Sturz von Diktator Omar al-Bashir nach über 25 Jahren an der Macht besiegelt sein. In den vergangenen Monaten hatten Tausende Sudanesen gegen die Regierung demonstriert, manche Beobachter sprachen bereits von einem «zweiten Arabischen Frühling». Am vergangenen Wochenende eskalierten die Proteste in der Hauptstadt Khartum. Mindestens 22 Personen wurden getötet, darunter auch Soldaten, welche sich auf die Seite der Demonstranten gestellt hatten. Bashir war einst selbst durch einen Putsch an die Macht gekommen. Gegen ihn läuft ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Völkermord, «Verbrechen» gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Darfur-Konflikt.

Wie es jetzt weitergeht: Bilder aus Khartum zeigten nach der Verlautbarung des Militärs jubelnde Massen auf den Strassen. Doch gerade wegen der Parallelen zum Arabischen Frühling ist Skepsis angezeigt. So inszenierten sich die Militärs nach dem Putsch gegen Diktator Hosni Mubarak im Nachbarland Ägypten ebenfalls als Befreier, nur um schliesslich eine neue Diktatur zu installieren.

Astronomen gelingt erstes Bild eines Schwarzen Lochs

Darum geht es: Mit einem Netzwerk aus acht Ereignishorizont-Teleskopen rund um den Erdball ist es Astronomen erstmals gelungen, ein Schwarzes Loch abzubilden, genauer: seinen Schatten. Das Schwarze Loch liegt 50 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt in der Galaxie Messier 87. Mit der Aufnahme sichern sich die 200 beteiligten Wissenschaftler einen Platz in den Geschichtsbüchern.

Das erste echte Bild eines Schwarzen Lochs. EHT Collaboration

Warum das wichtig ist: Die Aufnahme bestätigt die Existenz von Schwarzen Löchern. Zwar hat die Wissenschaft nicht mehr daran gezweifelt, dass es sie geben muss – aber sie sichtbar zu machen, ist ein wissenschaftlicher Durchbruch. Schwarze Löcher sind eine Folgerung und Konsequenz aus der allgemeinen Relativitäts­theorie von Albert Einstein. Gemäss Einsteins Theorie krümmt eine ausreichend kompakte Masse die Raumzeit in ihrem unmittelbaren Umfeld derart stark, dass von dort nicht einmal Licht entkommen kann. Wie also etwas abbilden, was eigentlich nicht sichtbar ist? Die Grundlage dafür lieferte die MIT-Studentin Katie Bouman mit einem Algorithmus, der die gigantische Daten­menge der acht Teleskope – nötig dafür war eine halbe Tonne Festplatten – zu einem Bild zusammenfügte. Die Aufnahme des Bildes basiert auf einer Technologie, die Interferometrie genannt wird. Ähnlich wie bei einem Kiesel, der ins Wasser geworfen wird und dank Sensoren aufgrund der Wellen des Wassers Rückschlüsse zulässt, setzt der Algorithmus die Signale aller Teleskope zu einem Bild zusammen, die das Schwarze Loch zeigen.

Was als Nächstes geschieht: Die bisher veröffentlichten Bilder sind erst der Auftakt. Im vergangenen Jahr wurden in Grönland und Frankreich zwei weitere Radio­teleskope in Betrieb genommen, die im Verbund mit den bestehenden Teleskopen eine noch bessere Sicht auf die Galaxie Messier 87 ermöglichen sollen. Auch auf dem afrikanischen Kontinent ist ein Teleskop geplant. Die Forscher planen zudem, bald das Bild eines Schwarzen Lochs aus unserer Milchstrasse zu veröffentlichen.

Top-Storys: Bunt gemischt und hübsch verpackt

Die Packungsbeilage: 12,5 Millionen Franken. So viel Geld floss 2017 direkt von Pharmafirmen an rund 4270 Schweizer Ärztinnen. Eine lesenswerte Recherche vom «Beobachter» in Kooperation mit der «Handelszeitung», dem «Blick» und «Le Temps» schlüsselt auf, wie die Pharma- und die Gesundheitsbranche finanziell verbandelt sind.

Freude schönerer Götterfunken: Es muss nicht immer Beethoven sein. Der europhile «Guardian» feiert den verschobenen Brexit mit einer Top-50-Liste der schönsten Songs über Europa.

Die Hölle, das sind die anderen: «Diese Woche in unserer Serie ‹Herzerwärmende Geschichten aus dem ökonomischen Scheisssumpf, den wir Heimat nennen ...›» – das Fresh-Hell-Briefing des US-Magazins «The Baffler» ist harte Kost. Jede Woche die deprimierendsten Meldungen aus aller Welt – garniert mit tiefschwarzem Humor.

Du bist ja wie Jon Snow: Keine Serie hat derzeit mehr Einfluss auf die Popkultur als «Game of Thrones». Ein Essay von «The Outline» über die Marotte, alles Mögliche und Unmögliche mit dem blutigen Machtkampf von Westeros zu vergleichen.

Fuchsjagd: «Letzten Sommer hat Foxconn eine ganze Flut von Geschäftsprojekten in Wisconsin angekündigt. Wir sind sie suchen gegangen.» So beginnt eine Reportage des Tech-Portals «The Verge» über die Expansion der umstrittenen chinesischen Firma in die amerikanische Provinz. Über geplatzte Träume, leere Versprechen – und Trumps Amerika.

Was diese Woche wichtig war

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