Die Angst der FDP vor den Antworten der Mitglieder
Von Urs Bruderer, 29.03.2019
Die FDP will es anscheinend ganz genau wissen. Über 140 Fragen unterbreitet sie ihren Mitgliedern.
Der Fragebogen zur Umwelt- und Klimapolitik hält für jeden Geschmack etwas bereit, von «Klimawandel gab es immer» über «Abfall trennen» bis zu «digitalen, verknüpften Steuerungsinstrumenten für Netzoptimierungen (Smart Grid)». Und ja, wer nicht weiss, ob er etwas sehr, eher, eher nicht oder überhaupt nicht gut findet, kann auch «Verstehe nicht» anklicken.
Angstfrei und entschlossen gehe man diesen Weg einer Mitgliederbefragung, sagte Parteipräsidentin Petra Gössi vor den Medien. Doch die Angst vor den Antworten der eigenen Mitglieder ist gross: Die Parteileitung hat nicht im Sinn, die Ergebnisse der Umfrage zu veröffentlichen. Sie verspricht lediglich, ihre Schlüsse daraus zu ziehen und den Delegierten im Juni vorzulegen.
Verständlich: Gössi hat schon vor den Wahlen in Zürich gemerkt, dass Parteien ohne grünen Anstrich in diesem Wahljahr den Schwarzen Peter ziehen. Sie weiss aber auch, dass drei Viertel der FDP-Wählerschaft den Klimawandel nicht für eine wichtige politische Herausforderung halten.
Die Befragung ist ein Ausweg aus diesem Dilemma. Sie ist weder wissenschaftlich noch transparent noch demokratisch. Sie kostet 100’000 Franken, weil die FDP eine Adressdatei mit 120’000 Mitgliedern und Sympathisanten hat und allen dort Erfassten ein Couvert mit einem Zugangscode zur Onlineumfrage schickt.
Aber mit der Umfrage im Rücken wird Gössi ihrer Partei endlich den Weg weisen können. Sie kennt ihn nämlich. «Ich versichere Ihnen», sagte sie vor den Medien, «wir wollen nicht zurück, wir wollen nach vorne!»