14 Wochen Urlaub, Kiffen jeden Tag und 23 Züge, die nicht kommen
Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (47).
Von Andrea Arezina, Urs Bruderer und Carlos Hanimann, 07.03.2019
Es gibt Züge, die öfter Verspätung haben, und es gibt solche, die seit Jahren nie ankommen: die FV-Dosto-Züge von Bombardier, auch bekannt als Pannen- oder Schüttelzüge.
Vor neun Jahren bestellte die SBB 62 solcher Doppelstockzüge für 1,9 Milliarden Franken. Angepriesen wurden sie damit, dass sie in der Kurve schneller fahren und die Strecke zwischen Bern und Lausanne in weniger als einer Stunde zurücklegen können. Bis heute wurden 39 geliefert. Auf die übrigen 23 wartet man seit 2013.
Nun zeigen Dokumente, die Radio SRF vorliegen, dass die SBB schon 2013 wussten, dass es zu Lieferverspätungen kommen würde. Die Bahn steckt im Dilemma: Sie ist völlig abhängig vom Hersteller Bombardier. Und der behauptet, er sei völlig unschuldig.
Die SBB sagen, die Züge erfüllten «die minimalen Anforderungen für einen schweizweiten Einsatz noch nicht». Bombardier bestreitet das. Die Dostos sind die ersten Doppelstöcker mit Neigetechnik. Ein Experte bezweifelt, dass sie je verlässlich funktionieren werden.
Die SBB steckt in der Zwickmühle. Eigentlich sollte sie die Zusammenarbeit mit Bombardier aufgeben. Zugleich ist sie dringend angewiesen auf die neuen Züge, weil ihr das Rollmaterial ausgeht. Eine Zwickmühle, die sich schon vor Jahren abzeichnete.
Und damit kommen wir pünktlich zu den übrigen Themen des Briefings aus Bern.
Bussen von den Steuern abziehen
Worum es geht: Unternehmen sollen ausländische Bussen unter gewissen Umständen von den Steuern abziehen können. Das entschied letzten Herbst der Nationalrat. Der Ständerat hat die Vorlage jetzt entschärft und lässt sie nochmals überprüfen.
Was Sie wissen müssen: Im Nationalrat folgte eine Mehrheit dem SVP-Nationalrat und Banker Thomas Matter. Sein Vorschlag war unglaublich dreist: Insbesondere hätten die Grossbanken ihre ausländischen Milliardenbussen neu zum Teil auf die Steuerzahler abwälzen können. Davon wollte der Ständerat diese Woche nichts mehr wissen. Bussen, so sein Vorschlag, sollen nur abziehbar sein, wenn sie den in der Schweiz geltenden «ordre public» verletzen. Oder wenn das betroffene Unternehmen beweisen kann, dass es nicht in böser Absicht gehandelt hat. Ein Gummiparagraf, und darum wurde auch diese entschärfte Version vom Ständerat noch einmal zurück in die Kommission geschickt.
Wie es weitergeht: Der Vorschlag, dass die Bussen von Grossbanken zum Teil mit staatlichen Steuergeldern gedeckt werden, ist vorerst vom Tisch. In einem Wahljahr dürfte das auch den Anhängern der Idee bei der SVP und der FDP nur recht sein. Wie die Sache nach den Wahlen weitergeht, bleibt offen.
14 Wochen Vaterschaftsurlaub
Was bisher geschah: Letzte Woche ging die Vernehmlassung zum geplanten Vaterschaftsurlaub zu Ende. Jetzt liegen die Positionen von Parteien und Verbänden vor. Ausgelöst hat die Debatte die 2017 eingereichte Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub. Der Bundesrat lehnt diese ab. Aus dem Parlament kam ein anderer Vorschlag: zwei statt vier Wochen.
Was Sie wissen müssen: Wer heute in der Schweiz Vater wird, der hat von Gesetzes wegen Anrecht auf einen freien Tag. Der von der Initiative geforderte vierwöchige Vaterschaftsurlaub würde über Lohnprozente finanziert, also je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Kostenpunkt: 420 Millionen Franken. Zu teuer, befand das Parlament und schlug einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub vor. Dabei ist man vielerorts schon längst weiter. Bei Novartis sollen es 14 Wochen werden. Ikea gewährt heute schon sechs Wochen. Und mit 21 Vaterschaftstagen ist Lausanne die grosszügigste Stadt der Schweiz. Die Vernehmlassung zeigt, dass die Parteien sich immer noch uneinig sind. Die SVP will die Entscheidung den Unternehmen überlassen. Die Linke will mehr als vier Wochen, während die FDP auch zwei Wochen eher ablehnt und stattdessen eine zwischen Vater und Mutter aufteilbare Elternzeit von insgesamt 16 Wochen vorschlägt. Die Zwei-Wochen-Variante kommt aus den Reihen der CVP und wird auch von GLP, EVP und BDP befürwortet.
Wie es weitergeht: Das Parlament könnte sich schon in der Sommersession mit dem Thema befassen. Eine Volksabstimmung ist frühestens im November möglich.
Drogenpolitik: Smoke weed everyday
Was bisher geschah: Und er bewegt sich doch! Der Bundesrat will neue Wege in der Cannabis-Politik gehen. In einem Pilotversuch sollen künftig verschiedene Städte – streng reglementiert und zu Forschungszwecken – Cannabis abgeben dürfen. So will man alternative Regulierungsformen testen können.
Was Sie wissen müssen: Rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung hat Erfahrungen mit Cannabis. Über 200’000 Menschen in der Schweiz kiffen regelmässig. Cannabis ist die am häufigsten illegal konsumierte Droge in der Schweiz. Trotzdem ist der Konsum von Cannabis mit mehr als einem Prozent THC-Gehalt seit 1951 verboten und wird gebüsst. Sämtliche Regularisierungsbestrebungen scheiterten in der Vergangenheit. Mittlerweile wird der Konsum aber in aller Regel mit einer einfachen Busse bestraft, und der blosse Besitz von bis zu 10 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum ist straffrei. (Ausser Sie leben im Oberwallis – aber das ist eine andere Geschichte.)
Wie es weitergeht: Der Gesetzesartikel für die Pilotversuche ist maximal zehn Jahre gültig. Danach werden die Ergebnisse der Studien zusammengetragen. In der Zwischenzeit bereitet ein neuer Verein die Lancierung einer Volksinitiative vor: Cannabis soll legalisiert werden – mit starkem Jugendschutz und staatlicher Kontrolle.
Wo sollen wir nachhaken? Wie beurteilen Sie unsere Arbeit? Hier geht es zur Debatte.