Was diese Woche wichtig war

Vatikan enttäuscht, Michael Cohen singt und Sunrise wächst

Woche 9/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, Isabelle Schwab und Oliver Fuchs, 01.03.2019

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Call me maybe: Sunrise will UPC schlucken

Darum geht es: Die zweitgrösste Schweizer Telecomanbieterin Sunrise will UPC Schweiz übernehmen. Jeder der beiden Konzerne besitzt Infrastruktur, die dem jeweils anderen fehlt: Sunrise verfügt nicht über Festnetz­kabel, UPC hat keine Mobilfunk­masten. Die Übernahme soll für 6,3 Milliarden Franken über die Bühne gehen.

Warum das wichtig ist: Das Zauberwort heisst Konvergenz. Telecom­anbieter wollen ihren Kundinnen möglichst alles auf einmal als (vergünstigtes) Paket verkaufen: Festnetz­nummer, Handy­vertrag, Internet­anschluss und Internet­fernsehen. Die Idee dahinter: Wer einmal ein solches Paket hat, wechselt seinen Anbieter nicht mehr. Sunrise bietet solche Packages bereits an, muss sich dafür aktuell aber im Festnetz der Swisscom einmieten. UPC wiederum nutzt das Mobilfunk­netz von Swisscom (und hatte es im Januar noch als das «beste Mobilnetz der Schweiz» bezeichnet). Klappt die Übernahme, erhält der Branchen­leader Swisscom eine ernst zu nehmende Konkurrentin mit eigenständiger Infrastruktur. Interessant ist, wer hier wen übernimmt. Denn eigentlich ist Sunrise deutlich weniger wert als der Preis, den sie nun für UPC bezahlt.

Was als Nächstes geschieht: Die Übernahme soll noch dieses Jahr abgeschlossen werden. Dafür müssen allerdings noch einige Hürden genommen werden. Die zwei grössten: Die Aktionäre von Sunrise müssen zustimmen. Das ist nicht garantiert, denn die Finanzierung ist kompliziert. Sunrise übernähme zum Beispiel auch Schulden in Milliarden­höhe von UPC. Und: Die Wettbewerbs­kommission muss die Übernahme ebenfalls genehmigen.

Missbrauchsgipfel des Vatikans enttäuscht Opfer

Darum geht es: Vergangenes Wochenende versammelten sich die Spitzen der weltweiten Bischofskonferenzen der katholischen Kirche in Rom. Viele Opfer erwarteten Konsequenzen für Priester, die sich sexueller Übergriffe schuldig gemacht haben. In seiner Schluss­botschaft blieb Papst Franziskus aber vage.

Warum das wichtig ist: Die Abschluss­rede nach dem viertägigen Treffen wurde am letzten Sonntag von vielen Missbrauchs­opfern weltweit mit Spannung erwartet – und enttäuschte sie. Der Papst sprach zwar von einem «allumfassenden Kampf» gegen sexuelle Missbräuche und von Richtlinien, die die Kirche etablieren müsse. «Wir werden keinen einzigen Fall von Missbrauch mehr tolerieren», sagte Franziskus. Eine Aufarbeitung der bisherigen Fälle jedoch bleibt für die Opfer und deren Organisationen Wunsch­denken. Viele erhofften sich eine Null­toleranz, was bedeuten würde, dass straffällige Priester sofort von ihren Ämtern entfernt würden. Der Vatikan war im vergangenen Jahr unter Druck geraten, die Missbräuche und Vertuschungs­manöver bis in die Reihen der Bischöfe ernst zu nehmen. Nach der Veröffentlichung eines viel beachteten Berichts zu Missbrauchs­fällen in den USA im vergangenen September wurde auch Papst Franziskus selbst beschuldigt, Vorfälle vertuscht zu haben – die Anschuldigungen entpuppten sich jedoch als unsubstanziierte Aktion von Gegnern des amtierenden Papstes.

Was als Nächstes geschieht: Die Kirche will an einer Gesetz­gebung arbeiten, die für die Würden­träger ein verbindliches Verhalten in Fällen von Missbrauch vorschreibt. Nach wie vor scheint sie aber nicht bereit, sich der jüngeren Vergangenheit zu stellen und Gerechtigkeit für die Opfer herzustellen.

Cohen nennt Trump einen Rassisten und Betrüger

Darum geht es: US-Präsident Donald Trumps langjähriger Anwalt Michael Cohen sagte am Mittwoch öffentlich vor dem amerikanischen Kongress aus. In seinem Statement nannte er Trump unter anderem einen Rassisten und einen Betrüger. Der amerikanische Präsident befand sich zu diesem Zeitpunkt am zweiten Gipfel mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un in Vietnam.

Michael Cohen, einst ein enger Vertrauter des Präsidenten, schonte Donald Trump nicht, als er am Mittwoch vor dem US-Kongress aussagte. Chip Somodevilla/Getty Images

Warum das wichtig ist: Zu verlieren hatte Cohen bei seiner Anhörung wenig. Im vergangenen Jahr war Trumps ehemaliger Anwalt und Mann fürs Grobe wegen Steuer­betrugs zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Vor dem Kongress packte Cohen aus: Trump und seine Familie seien während der Präsidentschafts­kampagne 2016 in ein mehrere hundert Millionen schweres Bauprojekt in Moskau involviert gewesen. Trump sei zudem darüber informiert gewesen, dass Informationen zu seiner Konkurrentin Hillary Clinton hinsichtlich ihres reglementsfremden E-Mail-Gebrauchs als Aussen­ministerin auf Wikileaks veröffentlicht werden würden. Cohen stellte sich nach seinem dreissig­minütigen Statement den Fragen der Parlamentsmitglieder. Republikanische Abgeordnete stellten dabei die Glaub­würdigkeit Cohens infrage, da dieser bei einer früheren Anhörung unter Eid gelogen hatte. Cohen gab an, zum Schutz der Familie Trump und zu seinem eigenen Vorteil Falsch­aussagen gemacht zu haben.

Was als Nächstes geschieht: Cohens Aussagen sind für Trump belastend. Er war jedoch bei der Anhörung vorsichtig, Trump nicht der geheimen Absprache in der Russland-Affäre zu bezichtigen. Er traue Trump aber jegliche Mittel zu, die zu einem Sieg bei den Wahlen geführt hätten, sagte Cohen. Einen Beweis für die Kollaboration Trumps mit Russland muss sich die Opposition jedoch noch immer von den Untersuchungen des Sonder­ermittlers Robert Mueller erhoffen. Trumps Treffen mit Kim endete derweil ohne Erfolg, da keine Einigung beim Abbau der Atomwaffen getroffen werden konnte. Die Staatschefs wollen weitere Gespräche führen.

Eskalation an der indisch-pakistanischen Grenze

Darum geht es: Pakistan zerstörte nach eigenen Angaben zwei indische Kampfjets. Entlang der indisch-pakistanischen Grenze in Kashmir kam es vergangene Woche ausserdem zu Scharmützeln. Dies, nachdem Indien ein angebliches Terrorcamp auf pakistanischem Boden als Vergeltung für ein Selbstmord­attentat der Miliz Jaish-e Mohammed bombardiert hatte. Indien hatte damit zum ersten Mal seit dem letzten Krieg im Jahr 1971 einen militärischen Schlag auf pakistanischem Territorium ausgeführt.

Indische Soldaten versammeln sich am Mittwoch neben dem Wrack des abgestürzten Indian-Air-Force-Flugzeugs in Kashmir. Kabli Yawar/NurPhoto/Getty Images

Warum das wichtig ist: Indien behauptet, bei einem Luftschlag auf pakistanischem Gebiet bis zu 300 Terroristen getötet zu haben. Es habe sich um eine nicht auf das Militär fokussierte Aktion gehandelt. Die pakistanische Armee ihrerseits sagte, die Operation sei kein Erfolg gewesen und niemand sei zu Schaden gekommen. Die gegensätzlichen Versionen reflektieren die politische Situation, in der die Nachbarn sich befinden: Pakistan muss sich dem Vorwurf anderer Staaten aussetzen, Terroristen zu beherbergen. In Indien finden im April Wahlen statt. Regierungs­chef Narendra Modi wird von der Opposition vorgeworfen, die Kriegs­treiberei zu Wahl­zwecken zu nutzen. Seit der Gründung der beiden Staaten streiten sich die beiden Nachbarn um die Region Kashmir, die beide zum Teil beherrschen. Die jüngsten Ereignisse führten zu einer neuen Eskalation im Grenz­gebiet. Zuletzt standen die beiden Staaten 2002 am Rande eines Kriegs um die Region.

Was als Nächstes geschieht: Nach der pakistanischen Vergeltung mit dem Abschuss zweier Kampfjets rief der pakistanische Premier­minister Imran Khan Indien dazu auf, sich mit dem Nachbarn an einen Tisch zu setzen. Es ist jedoch unklar, ob Indien – die weitaus stärkere der beiden Atommächte – an einer Deeskalation interessiert ist.

Venezuela: USA und Verbündete setzen Druck auf

Darum geht es: Am vergangenen Wochenende hinderte das venezolanische Militär Hilfskonvois an der kolumbianischen und der brasilianischen Grenze am Übertritt nach Venezuela. Der Oppositions­führer und selbst ernannte Interims­präsident Juan Guaidó traf sich zudem mit US-Vizepräsident Mike Pence zu Gesprächen über eine militärische Intervention.

Demonstranten tragen einen verwundeten Mann weg, nachdem es am Samstag, 23. Februar, auf der Brücke Simón Bolívar an der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela zu gewaltsamen Protesten kam. Federico Rios/Bloomberg/Getty Images

Warum das wichtig ist: Es ist das vielleicht bekannteste militärische Manöver der westlichen Kriegs­geschichte: das mythische Trojanische Pferd. Genau vor diesem Trick fürchtete sich der venezolanische Präsident Nicolás Maduro, er verhinderte mit dem Einsatz von Tränengas und Gummi­schrot, dass von den USA und Nachbar­ländern gestützte Hilfs­lieferungen am Wochen­ende ins krisengeschüttelte Land gelangen konnten. Maduro liess verlauten, dass die Lieferungen weder erwünscht noch benötigt seien. Die Opposition erhoffte sich, dass das Militär bei der Konfrontation zur Gegenseite desertieren würde, was jedoch nicht geschah. Die USA hatten zuvor ihre Sanktionen gegenüber Venezuela verschärft und damit den Erdöl­markt weltweit in Aufregung versetzt. Juan Guaidó, der von den USA und der EU als Präsident anerkannt wird, beriet sich derweil in Kolumbien mit US-Vizeminister Mike Pence und dreizehn weiteren Staaten, darunter Kanada. Pence signalisierte, die USA würden ihren Partner Kolumbien militärisch unterstützen, sollte es an der Grenze zu ernsthaften Problemen kommen.

Was als Nächstes geschieht: Die USA und Kolumbien wollen mit einer UN-Resolution im Sicherheits­rat erwirken, dass sie Hilfsgüter nach Venezuela liefern können. Russland warnt derweil vor einer militärischen Intervention im Land.

Brexit-Stars der Woche: Jeremy Corbyn und Jacob Rees-Mogg

Es war ein seltener Moment der Einigkeit: Labour-Chef Jeremy Corbyn und Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg verbündeten sich im Unterhaus. Beide unterstützten das sogenannte «Costa Amendment». Es verpflichtet die Regierung von Theresa May, die Rechte von Arbeit­nehmerinnen zu schützen, egal, was während der Brexit-Verhandlungen passiert. Und zwar jene von Briten, die in der EU arbeiten, genauso wie jene von EU-Bürgerinnen, die in Gross­britannien arbeiten. Zum ersten Mal hat das britische Parlament damit in einem wichtigen Brexit-Aspekt gesagt, was es will. Nun könnte die EU unter Druck kommen. Ihr Standpunkt bisher: Der Austritts­vertrag ist nur als Ganzes zu haben. Juristisch wäre es aber möglich, die Arbeitnehmer­rechte aus dem Austritts­vertrag zu lösen und separat zu regeln. Premier­ministerin Theresa May bereitet derweil eine mögliche Verschiebung des Brexit vor: Gibt es weder für den überarbeiteten Brexit-Deal noch für einen No-Deal-Brexit eine Mehrheit im Unterhaus, wird am 14. März darüber abgestimmt, ob May ein neues Austritts­datum mit der EU verhandeln soll.

Zum Schluss: Lawinengefahr im Schwimmbad?

Die einzige Lawine, die dem Berner Freibad Weyermanns­haus, genannt «Weyerli», droht, ist die Blech­lawine der benachbarten Autobahn. Dass die Badi dennoch einen Lawinenfachmann benötigt, ist dem Umstand geschuldet, dass das Freibad sich im Winter in ein Mikro-Skigebiet für Kinder verwandelt. Und um das kleine Pisten­fahrzeug zu bedienen, das den Schnee und den Abrieb der Berner Kunsteis­bahnen zum Skihügel präpariert, braucht man nun mal einen Kurs in Schnee- und Lawinenkunde – so will es das Gesetz.


Top-Storys: Schlauer lesen

Facebook-Moderation: Von rund 15’000 Menschen, die die übelsten Inhalte von Mark Zuckerbergs Netzwerk fernhalten, arbeiten rund 1000 für die Firma Cognizant in Phoenix, Arizona. Die Reportage von «The Verge» zeigt, wie schlecht es um die Angestellten steht.

Fake News: Plötzlich glauben Menschen nicht mehr an Bakterien. Oder sie wollen wissen, dass die Erde eine Scheibe ist. Die Wissenschafts-Philosophen Cailin O’Connor und James Owen Weatherall haben über das Phänomen ein Buch geschrieben – und sich mit «Nautilus» zum Gespräch getroffen.

Die beste Diät ist keine Diät: Ein neuer Ernährungs­trend erobert die Massen. Denn er ist einfach zu befolgen, nachzulesen in «The Atlantic»: Jeder soll das essen, auf was er oder sie Lust hat.

Universale Zunahme: Alles begann mit einem grossen Knall. Danach dehnte sich das Universum immer weiter aus. Wissenschaftler vermuten jetzt, dass das schneller passiert ist als gedacht. Das könnte eine Zukunft zur Folge haben, in der Atome zerrissen werden und die Zeit endet – Düsteres in der «New York Times».

Tinder-Schwindler: Ein junger Mann betrügt eine junge Frau. Um ihr Geld. Dank der Dating-App Tinder ist die Betrugs­methode einfach skalierbar. Simon Leviev hat sich so über Jahre seinen Jetset-Lifestyle finanziert. In einer multi­medialen Geschichte deckt eine Journalistin von VG seine Machenschaften auf.

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