Der Chef hat sich aus der Ehe rauszuhalten
Von Sina Bühler, 18.02.2019
Es war Ende November, als sich die Angestellte einer Laborfirma am Kreisgericht Rorschach gegen ihre Entlassung wehrte; flankiert von Rechtsanwalt Paul Rechsteiner, St. Galler SP-Ständerat und ehemaligem Gewerkschaftspräsidenten.
Die Arbeitgeberin hatte der Frau mitgeteilt, sie müsse sich scheiden lassen, wenn sie ihre Stelle behalten wolle – ihr Ehemann arbeitete bei einer Konkurrenzfirma, wenn auch in einem anderen Bereich. Der Firmenchef sprach zwar im Nachhinein von einem «lockeren Spruch», ohne aber zu verhehlen, es bestehe seiner Meinung nach die «sehr reale Gefahr», dass im Ehebett wichtige Geschäftsgeheimnisse ausgetauscht würden und quasi direkt zur Konkurrenz flössen.
Mehr als zwei Monate nach dem Prozess liegt nun das Urteil vor, und es hält fest: Weder würde das Ehepaar in einer direkten Konkurrenzsituation arbeiten, noch seien überhaupt Geheimnisse vorhanden, die verraten werden könnten.
Die Frau verkaufte Laboranalysen an Arztpraxen – das sei eine reine Vertriebstätigkeit. Ob sie Erfolg beim Verkauf habe, hänge von ihren persönlichen Fähigkeiten und der Qualität des Produktes ab und nicht von irgendwelchen Geschäftsgeheimnissen, urteilt Einzelrichter Martin Rechsteiner. Die Firma habe somit nicht beweisen können, dass die Kündigung der Frau gerechtfertigt sei.
Die Arbeitgeberin muss der Entlassenen zwei Monatslöhne plus Zins bezahlen und die Parteikosten übernehmen – insgesamt 23’577.80 Franken. Dass das Gericht so lange brauchte, um ein Urteil zu fällen, liegt im Übrigen daran, dass die Laborfirma verschiedene Berichtigungen im Verhandlungsprotokoll verlangt hatte, weil sie ihre Argumente nicht exakt abgebildet sah. Dies lehnte das Gericht ab.
Urteil VV.2081.36-Ro3ZE-MAR, noch nicht rechtskräftig.