Der Sicherheitsmann und die fehlende Bewilligung
Hat der Chef seinen Sicherheitsangestellten pflichtgemäss bei der Polizei angemeldet oder nicht? Und ist die Bewilligung erteilt worden? Offene Fragen, fehlende Beweise, ein wehrhafter Beschuldigter – und ein klares Verdikt.
Von Sina Bühler, 06.02.2019
Ort: Kreisgericht St. Gallen
Zeit: 29. Januar 2019, 9 Uhr
Fall-Nr.: ST.2018.18734
Thema: Bewilligungspflicht für Sicherheitsangestellte
Vor einem halben Jahr flatterte dem Geschäftsführer einer grösseren St. Galler Sicherheitsfirma ein Strafbefehl ins Haus: eine Busse von 250 Franken plus Gebühren von 300 Franken. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Chef vor, einen Mitarbeiter angestellt und ausgebildet, jedoch nicht gesetzeskonform bei der Kantonspolizei angemeldet zu haben. Wie andere Kantone kennt auch St. Gallen eine gesetzliche Bewilligungspflicht für private Sicherheitsleute. Die Kantonspolizei bewilligt deren Einsatz nur, wenn keine Vorstrafen vorliegen, die mit dem Beruf unvereinbar sind, und kein aktuelles Strafverfahren läuft. Sicherheitsleute müssen zudem eine anerkannte Grundausbildung absolviert haben. Im Falle eines Mitarbeiters sei diese Anmeldung nicht erfolgt, behauptet die Staatsanwaltschaft. Die Polizei habe den Mangel festgestellt, als der betroffene Sicherheitsmann im März 2018 kontrolliert worden sei.
Eine nachträgliche Bewilligung für den Mitarbeiter erhält die Firma deshalb nicht, weil gegen den Mann prompt ein Strafverfahren hängig ist.
Doch der Geschäftsführer ist sich keiner Schuld bewusst. Er akzeptiert den Strafbefehl nicht und zieht die Angelegenheit vor Gericht. Vor den Schranken macht er geltend, der Mitarbeiter habe sehr wohl eine Bewilligung erhalten – so sei es auf jeden Fall im firmeninternen Personaldossier vermerkt. Vorlegen kann er sie jedoch nicht, und während des Strafprozesses wird klar, dass die Polizei das wichtige Dokument jeweils bloss per E-Mail verschickt. Ein erstaunlicher Befund. Und was im konkreten Fall die Sache erheblich erschwert: Weder die Polizei als Bewilligungsausstellerin noch der Geschäftsführer als Empfänger haben die besagte E-Mail gespeichert oder ausgedruckt.
Der Firmeninhaber schiebt den Schwarzen Peter der Kantonspolizei zu und moniert vor Gericht, es sei nicht das erste Mal, dass diese im Umgang mit den Bewilligungen unpräzis arbeite. Darum habe er den Strafbefehl angefochten: Er wolle endlich wissen, wie die Bewilligungspflicht funktioniere, teilt er Einzelrichter Christoph Bossart mit. Natürlich wisse er theoretisch Bescheid, als Geschäftsführer einer Sicherheitsfirma mit 220 Mitarbeitenden. Doch die Staatsanwaltschaft interpretiere die Sache offenbar anders.
War eine Bewilligung nötig?
Der wehrhafte Beschuldigte wirft noch ein anderes, gewichtiges Argument in den Raum – die Frage, ob der betroffene Mitarbeiter überhaupt für eine bewilligungspflichtige Arbeit eingesetzt worden sei. Auch diesen Beweis ist die Staatsanwaltschaft schuldig geblieben, und es obliegt ihr, die Vorwürfe hieb- und stichfest zu erhärten. Er sei nie nach dem konkreten Einsatz des Mitarbeiters befragt worden, so der Geschäftsführer weiter. Seine Firma decke auch Einsätze im Bereich der Immobilienbewirtschaftung ab, und dafür braucht es keine polizeiliche Bewilligung.
Noch deutlichere Worte verwendet sein Verteidiger. Roger Burges kritisiert in seinem Plädoyer auf recht hemdsärmelige Art und Weise die «Tendenz subalterner Beamter, das Gewerbe mit übermässigen Schikanen zu behindern». Burges hat die Statur eines Boxers und sieht genauso aus, wie man sich Sicherheitsleute vorstellt. Das kommt nicht von ungefähr: In den 1990er-Jahren gründete Burges einen Sicherheitsdienst, machte die Detektivprüfung. Der Anwalt betont, er und sein Mandant unterstützten den Bewilligungsartikel 51bis des St. Galler Polizeigesetzes vollumfänglich; ja, dieser Artikel stamme sogar von ihm: «Mir ist dieser Wildwuchs im Gewerbe aufgefallen, als es in St. Gallen noch keine Bewilligungspflicht gab. Dann habe ich das angeregt, und die Bewilligung kam ins Gesetz. Das ist richtig und gut so.»
Was den Gesetzgebungsprozess betrifft, steckt allerdings ein anderer hinter der Bewilligungspflicht für private Sicherheitsleute: Sie geht auf eine Motion des früheren SP-Kantonsrats und Anwalts Fredy Fässler zurück. Er hatte den Vorstoss 2001 eingereicht, nachdem mehrere seiner Klienten von Türstehern brutal verprügelt worden waren. Vier Jahre später stand die Bewilligungspflicht im kantonalen Polizeigesetz. Heute ist Fässler Regierungsrat und steht dem Sicherheits- und Justizdepartement vor – damit auch der St. Galler Staatsanwaltschaft und der Kantonspolizei. Jenen Behörden also, die in diesem Verfahren nicht gerade den besten Eindruck hinterliessen.
Richter Bossart spricht den Geschäftsführer frei, weil die Staatsanwaltschaft nicht nachweisen kann, dass dieser den betroffenen Mitarbeiter von 2015 bis 2018 für eine bewilligungspflichtige Tätigkeit eingesetzt hat. Nicht nur die Staatsanwaltschaft habe Fehler gemacht, erklärt Bossart, auch die Polizei gehe anscheinend ungenau vor. Nach Ansicht des Richters müsste die Bewilligung per Einschreiben oder zumindest per Brief versendet werden. Eine E-Mail sei kaum ausreichend – vor allem dann nicht, wenn sie von niemandem archiviert werde.
Damit ist der korrekte Ablauf einer Bewilligungserteilung zwar noch nicht restlos geklärt, Christoph Bossart hat bei der mündlichen Urteilsbegründung aber immerhin Vorschläge skizziert. Und der freigesprochene Geschäftsführer beteuert, künftig jede E-Mail von der Kantonspolizei aufzubewahren: auch schon ein Fortschritt.
Illustration: Friederike Hantel