May vor Scherbenhaufen, AfD unter Beobachtung – und ein Rekord-Ei
Woche 3/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Michael Kuratli, 18.01.2019
Brexit: Zeichen der Panik aus Westminster
Darum geht es: Premierministerin Theresa May verlor am Dienstag die Abstimmung im britischen Parlament zu ihrem Brexit-Deal. Labour-Chef Jeremy Corbyn stellte daraufhin die Vertrauensfrage, über die das Parlament am Mittwochabend befand. May überstand das zweite Misstrauensvotum innerhalb eines Monats.
Warum das wichtig ist: Es ist die schwerste Niederlage einer britischen Regierung im Parlament seit fast einem Jahrhundert. Die klare Ablehnung des mit der EU ausgehandelten Deals über das Ausscheiden Grossbritanniens aus der Staatengemeinschaft hat sich bereits abgezeichnet, nachdem May die Abstimmung darüber im Dezember verschoben hatte. Das Land steht nach der Ablehnung der einzigen konkreten Lösung verloren da. Die Deadline zum Austritt – der 29. März – rückt unausweichlich näher. May kündigte an, nach der Ablehnung durch das Unterhaus eine «konstruktive Lösung» mit den Parlamentsmitgliedern suchen zu wollen. Corbyn hatte in einer Rede letzte Woche Neuwahlen als erste Option für die Opposition aufgebracht. Bislang zeigte er sich nicht bereit, mit May an einer weiteren Lösung weiterzuarbeiten. Der Druck aus der eigenen Partei, Labour, steigt derweil, ein zweites Referendum zu unterstützen. Nach der klaren Ablehnung des Deals und des Vertrauensvotums liegt es am Parlament, eine Lösung zu erarbeiten, die einen Austritt ohne Deal verhindert – zurzeit das Einzige, worauf sich eine Mehrheit des Parlaments einigen kann.
Was als Nächstes geschieht: Die Premierministerin wird trotz ihrer Beteuerungen kaum mehr eine Mehrheit für ihren Deal im Parlament gewinnen können. Mit der Ablehnung im britischen Unterhaus wird eine zweite Abstimmung über den Verbleib in oder den Abschied aus der EU immer realistischer. Welche Optionen der Bevölkerung allenfalls überhaupt vorgelegt würden, ist jedoch unklar.
Verfassungsschutz stellt AfD unter Beobachtung
Darum geht es: Der deutsche Verfassungsschutz stuft die Alternative für Deutschland (AfD) als Prüffall ein. Damit stellt die Bundesbehörde die Partei in die Nähe rechtsextremer Kräfte.
Warum das wichtig ist: Mit dem früheren Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maassen, wäre so etwas nicht möglich gewesen, sagte Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, nach der Bekanntgabe des Bundesamtes. Sie hat damit wohl nicht unrecht. Maassen hatte mit seiner relativierenden Haltung zu den Ausschreitungen in Chemnitz vom letzten Jahr eine Regierungskrise zwischen der SPD und der CDU ausgelöst und wurde erst wegbefördert, dann zwangspensioniert. Der neue Chef, Thomas Haldenwang, kündigte vor Weihnachten an, er werde verstärkt gegen Rechtsextremismus vorgehen und die Behörde personell aufstocken. Mit der Einschätzung der AfD als Prüffall zeigen sich erste Konsequenzen des Wechsels an der Spitze des Verfassungsschutzes. Haldenwang ist vorsichtig beim Vorgehen. So werden nur Teile der Partei – die Junge Alternative und die Gruppe «Der Flügel» um Björn Höcke – zum Verdachtsfall erklärt und mit Mitteln des Nachrichtendienstes beobachtet werden. Bei den juristischen Untersuchungen gegen die Gesamtpartei darf hingegen nur öffentlich zugängliches Material eingesehen werden, weil das Amt aus den Publikationen der Partei keine Gefährdung der Verfassung sieht.
Was als Nächstes geschieht: Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel kündigten an, gegen den Verfassungsschutz ihrerseits juristisch vorgehen zu wollen.
Regierungskrise in Griechenland wegen Mazedonien
Darum geht es: Die Regierungskoalition zwischen der linken Syriza und der rechtspopulistischen Anel ist zerbrochen. Grund dafür war das Versöhnungsabkommen zwischen Griechenland und Mazedonien, das künftig Nordmazedonien heissen soll. Am Mittwoch gewann Regierungschef Alexis Tsipras trotz des Rücktritts seines Koalitionspartners eine Vertrauensabstimmung im Parlament knapp. Damit verhinderte dieses vorgezogene Neuwahlen.
Warum das wichtig ist: Es wäre eine Schmach für den einstigen Hoffnungsträger der Griechinnen gewesen. Nicht etwa die borstigen EU-Funktionäre unter der Führung des ehemaligen deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble hätten ihn wegen der Kreditkrise aus dem Amt getrieben, sondern ein Prestigestück der Diplomatie. Seit dem Zusammenbruch Jugoslawiens hatte sich Griechenland gegen eine Anerkennung Mazedoniens gestellt. Das nördliche Nachbarland war deshalb 27 Jahre lang gegenüber der EU und der Nato isoliert. In einem langwierigen Prozess rang sich Mazedonien zum Kompromiss mit dem südlichen Nachbarn, zur Abänderung seines Namens in Nordmazedonien, durch. Strittig war die Namensgebung deshalb, weil nationalistische Kräfte in Mazedonien auch das griechische Territorium Makedonien als ihrem Land zugehörig betrachten. Die rechtsnationale Anel unter dem griechischen Verteidigungsminister Panos Kammenos wollte den ausgehandelten Kompromiss partout nicht unterstützen. Die unheilige Allianz der Regierungsparteien war 2015 nach dem Zusammenbruch der Volksparteien während der Eurokrise an die Macht gekommen. Anel steuerte nur 10 Sitze zur knappen Mehrheit von Syriza bei. Mit der Auflösung der Koalition sind beide Parteien im Wahljahr nicht unglücklich. Schliesslich beruhte ihre Gemeinsamkeit vor allem auf der Ablehnung des Sparprogramms, die sich mit der Entlassung Griechenlands aus den internationalen Vorgaben vergangenen Sommer erübrigte.
Was als Nächstes geschieht: Nach der dünnen Mehrheit für seine Regierung wird Tsipras den Vertrag mit Mazedonien im Parlament vorlegen und diesen wohl auch durchbringen. Seine politische Karriere dürfte aber dennoch in diesem Jahr enden. Das Abkommen mit Mazedonien ist in der Bevölkerung unbeliebt – und die konservative Opposition führt laut Umfragen in den ordentlichen Wahlen, die im Herbst dieses Jahres stattfinden.
Pierre Maudet: Parteitreue und Steuerfragen
Darum geht es: Die Parteibasis der Genfer FDP sprach ihrem in der Kritik stehenden Staatsrat Pierre Maudet am Dienstagabend das Vertrauen aus. Gleichzeitig weitet sich die Untersuchung gegen den Politiker aus. Es geht dabei auch um Wahlkampfgelder, von denen die Steuerbehörden nichts wussten.
Warum das wichtig ist: Die Hälfte war für ihn, etwas weniger als die Hälfte gegen ihn. Am Ende konnte Staatsrat Pierre Maudet zufrieden sein mit sich und seiner Partei. Die Parteispitze hatte gefordert, dass Maudet die Partei verlässt und damit indirekt auch, dass er von seinem Posten als Vorsteher des Genfer Sicherheitsdepartements zurücktritt. Zum Verhängnis war Maudet die Affäre um eine Reise nach Abu Dhabi geworden, zu der er sich und seine Familie einst einladen liess. Im Nachgang log der Politiker bezüglich der Umstände des Trips und gab erst nach und nach seine unsaubere Handhabung der Affäre zu. Auch die Präsidentin der FDP Schweiz, Petra Gössi, hatte bereits im November seinen Rücktritt gefordert. Ihre Forderung wiederholte Gössi nach der Bestätigung der Parteibasis. Wenige Stunden nachdem die Parteibasis ihrem Regierungsmitglied das Vertrauen ausgesprochen hatte, kommunizierte zudem der Genfer Staatsrat, dass er Maudet definitiv aus dem Präsidium entfernen und das Sicherheitsdepartement anderen Ratsmitgliedern unterstellen wird. Einer trat dann doch noch zurück: Alexandre de Senarclens, Präsident der Genfer FDP, der Maudets Rücktritt verlangt hatte.
Was als Nächstes geschieht: Für den einstigen Bundesratskandidaten bedeutet der Rückhalt seiner Partei nur eine Verschnaufpause in den Untersuchungen gegen ihn. Er werde erst zurücktreten, falls er verurteilt werde, sagte Pierre Maudet. Zuvor hatte er bekannt gegeben, dass er zurücktrete, falls es zu einer Anklage komme. Eine Strafuntersuchung wegen Maudets Abu-Dhabi-Reise läuft bereits, ebenso interessiert sich die Staatsanwaltschaft für Wahlkampfspenden, die über eine versteckte Kasse abgewickelt wurden.
Danzigs Bürgermeister ermordet
Darum geht es: Vergangenen Sonntag wurde der Bürgermeister der polnischen Stadt Gdansk (Danzig), Pawel Adamowicz, auf einer Veranstaltung niedergestochen. Er erlag am Montag seinen Verletzungen. In dieser Tat spiegelt sich die Spaltung der polnischen Gesellschaft.
Warum das wichtig ist: Mit Adamowicz ist eine wichtige Stimme gegen die Regierungspartei PiS verstummt. Kritiker machen die gehässige Atmosphäre, die seit dem Amtsantritt der rechtskonservativen Regierung herrscht, für die Tragödie verantwortlich. Adamowicz wurde von einem ehemaligen Häftling auf einer Benefizveranstaltung mit einem Messer angegriffen. Der Täter begründete den Mord mit seiner angeblichen Unschuld und der Folter, die er unter der Stadtregierung der Partei Bürgerplattform (PO) erlitten habe. Im ganzen Land fanden spontan Trauermärsche und Demonstrationen gegen Gewalt statt. In der Folge des Attentats verlangten andere Stadtpräsidenten Polizeischutz. Unter anderem ging auch eine Morddrohung gegen den EU-Ratspräsidenten und ehemaligen polnischen Regierungschef Donald Tusk ein. Der Danziger gehört ebenfalls der liberalkonservativen Opposition an.
Was als Nächstes geschieht: Heute wird Pawel Adamowicz in Gdansk beerdigt. Im Land herrscht zurzeit die Angst vor Nachahmungstätern. In den von der liberalen Opposition gehaltenen Grossstädten fürchtet man im Hinblick auf die Lokalwahlen im Herbst ein gewalttätiges Klima.
Zum Schluss: Das Internet liebt ein Ei
Sie werden womöglich in nächster Zeit Menschen begegnen, die ein Ei als Aufdruck auf ihren Kleidern tragen. Den Grund dafür liefert Instagram. Genauer die anonyme «Egg Gang», deren Foto eines simplen Eis zum meistgelikten Bild auf der Fotoplattform avancierte. Das Ziel des Posts war so einfach wie ambitioniert: Kylie Jenner, das It-Girl aus dem Kardashian-Clan, hatte mit dem Bild ihres Neugeborenen mit mehr als 18 Millionen Likes den Rekord aufgestellt. Sie sollte vom Thron gestossen werden. Und das Ei, das am 4. Januar antrat, Jenner das Fürchten zu lehren, brachte die Herzchenflut ohne Mühe zusammen. Inzwischen zählt der Post bereits über 45 Millionen Likes. Und wer wäre so dumm, aus diesem unheimlichen Erfolg keinen Profit zu schlagen? Inzwischen verkauft die «Egg Gang» darum Pullover und T-Shirts mit Ei-Aufdruck.
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