Shutdown in den USA, Malta erpresst die EU – und des Premiers neue Schuhe
Woche 2/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Michael Kuratli, 11.01.2019
Trumps Sturheit bringt Teile des Staats zum Erliegen
Darum geht es: In den USA sind Teile der staatlichen Dienste seit dem 22. Dezember geschlossen. Das bedeutet einen Lohnausfall für viele Staatsangestellte und Engpässe bei staatlichen Dienstleistungen. Der government shutdown ist ein Kräftemessen zwischen dem neu von den Demokraten dominierten Repräsentantenhaus und Präsident Donald Trump.
Warum das wichtig ist: Viele Staatsangestellte sind verzweifelt, weil sie für ihre Arbeit nicht mehr bezahlt werden und sie sich Nahrungsmittel und Medikamente nicht mehr leisten können. Museen, Nationalparks und Dienste verschiedener Ämter bleiben im ganzen Land geschlossen oder arbeiten in reduziertem Betrieb. Bleibt die Blockade morgen Samstag bestehen, wird der Shutdown als längster seiner Art in die Geschichte eingehen. Mit ernsten Mienen traten die unversöhnlichen Streitparteien vor die Kameras. In seiner ersten Botschaft aus dem Oval Office im Weissen Haus seit seinem Amtsantritt begründete Trump die erpresserische Massnahme des Shutdown mit einer «humanitären und die nationale Sicherheit betreffenden Krise an der südlichen Grenze». Trump will um jeden Preis im Parlament einen Vorstoss durchbringen, der 5,7 Milliarden Dollar für den Bau einer Mauer an der Grenze und weitere Verstärkungen der Grenzschutzpatrouillen vorsieht. Mit genauso ernsten Gesichtern wandten sich Nancy Pelosi, die neue Sprecherin des Repräsentantenhauses, und Chuck Schumer, der Anführer der demokratischen Minderheit im Senat, an die Öffentlichkeit und den Präsidenten. Auch sie machten nicht den Anschein von Kompromissbereitschaft und wiesen die Schuld für die Blockade Trump zu. Solche Shutdowns der Staatsdienste wurden in der Geschichte der USA bereits mehrmals als Kräftemessen zwischen Regierung und Parlament benutzt. Der längste fand Mitte der Neunzigerjahre zur Zeit von Präsident Bill Clinton statt und dauerte 27 Tage.
Was als Nächstes passiert: Trump brachte die Finanzierung seiner im Präsidentschaftswahlkampf prominent verkauften Mauer an der Grenze zu Mexiko schon während seiner ersten zwei Amtsjahre nicht durch die Legislative. Und das, obwohl die Republikaner in beiden Kammern die Mehrheit hielten. Die Demokraten sehen deshalb mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus keinen Grund, sich erpressen zu lassen. Wie lange der Shutdown noch andauern wird, ist deshalb vor allem eine Frage der Sturheit des Präsidenten.
Niederlage für May im britischen Unterhaus
Darum geht es: Premierministerin Theresa May musste eine empfindliche Niederlage im britischen Parlament einstecken. Eine parteiübergreifende Mehrheit stimmte für eine Beschränkung der Steuerbefugnisse der Regierung für den Fall, dass das Vereinigte Königreich die EU am 29. März ohne Brexit-Deal verlassen sollte.
Warum das wichtig ist: Die Abstimmung über die Vorlage im britischen Unterhaus scheint auf den ersten Blick eher nebensächlich. Die Kräfteverschiebung, die mit ihr einhergeht, ist jedoch wegweisend für die Machtverhältnisse auf der Insel. Zum ersten Mal in vierzig Jahren verlor eine Regierung eine Abstimmung über eine Finanzierungsvorlage. Die Mehrheit der Abgeordneten bezeichnete die von Labour ins Parlament gebrachte Abstimmung als wichtigen Schritt, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern.
Was als Nächstes passiert: Am kommenden Dienstag wird das Unterhaus über Mays Brexit-Deal abstimmen. Viele rechnen damit, dass er abgelehnt wird. Damit stünde die Premierministerin mit leeren Händen da. Ob mit der Abstimmung auch ihr Rücktritt, Neuwahlen oder ein zweites Referendum verbunden ist, ist nach wie vor unklar. Sollte das Parlament im Fall einer Ablehnung des Deals den Austritt des Landes aus der Staatengemeinschaft verhindern wollen, wird es von sich aus eine Alternative aufzeigen müssen. Ein blosses «Nein» zum harten Brexit dürfte nichts ändern.
Flüchtlingsschiff kann nach Garantien endlich anlegen
Darum geht es: 49 Geflüchtete mussten während Wochen vor der Küste Maltas auf zwei Rettungsschiffen ausharren. Am Mittwoch durften die Schiffe schliesslich anlegen, nachdem die maltesische Regierung von acht EU-Staaten die Garantie zur Übernahme mehrerer hundert Migranten erhalten hatte.
Warum das wichtig ist: Maltas Regierung spielte ein hartes Spiel. Die Lage auf den Schiffen war aufgrund schwindender Essens- und Treibstoffvorräte zunehmend kritisch geworden. Die Regierung von Premierminister Joseph Muscat erpresste sich mit dem Faustpfand der beiden Schiffe eine Verhandlungsposition, die mehrere EU-Länder schliesslich dazu bewegte, den Inselstaat von 298 Migrantinnen zu entlasten. Die Küstenwache des Landes hatte die meisten dieser Menschen im Dezember gerettet. Nun werden sie auf Deutschland, Frankreich, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Rumänien und Italien verteilt.
Was als Nächstes passiert: Für Malta ging der Poker auf. Das Land hatte sich wie Italien schon im letzten Jahr immer wieder geweigert, Schiffe mit Flüchtlingen anlegen zu lassen. Eine annehmbare Lösung für den gesamten Schengen-Raum ist allerdings noch lange nicht in Sicht, und weitere Dramen dieser Art sind nach dem Kräftemessen absehbar.
Überraschender Sieg bei Wahlen im Kongo
Darum geht es: In der Demokratischen Republik Kongo gewann Félix Tshisekedi die Wahl zum Präsidenten des bevölkerungsmässig viertgrössten afrikanischen Landes. Mit der Wahl wird nach siebzehn Jahren mit Machthaber Joseph Kabila eine neue Ära eingeläutet.
Warum das wichtig ist: Lange hatte die Wahlkommission auf die Resultate warten lassen. Und das klare Ergebnis überrascht. Tshisekedi konnte fast 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Hinter ihm lag der zweite Oppositionskandidat Martin Fayulu, der eine Koalition oppositioneller Parteien anführte und lange als Favorit galt. Keine Chance hatte der Kandidat der Regierungspartei. Für die Wahl in das Amt reicht eine einfache Mehrheit. Die Bevölkerung wählte damit vor allem einen Wechsel und das Versprechen, im korrupten Staat aufzuräumen. Und sie erkor jemanden zum Staatschef, dessen Vater die Opposition über Jahrzehnte anführte. Die Wahl wurde von einem Ebola-Ausbruch im Osten des Landes überschattet. Eine katholische Wahlbeobachtungsmission stellte im 80-Millionen-Einwohner-Staat zahlreiche Unregelmässigkeiten an den Urnen fest.
Was als Nächstes passiert: Der Verlierer Martin Fayulu wird das Resultat vermutlich anfechten. Dass es in der Folge auch zu Auseinandersetzungen auf der Strasse kommen könnte, wird derzeit befürchtet. Bleibt die Gewalt aus, wäre das der erste friedliche Machtwechsel im Land seit der Entlassung in die Unabhängigkeit von Belgien im Jahr 1960.
USA verärgern die Türkei beim Truppenabzug in Syrien
Darum geht es: Der nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, kündigte in einer Rede an, die 2000 amerikanischen Soldaten nur dann aus Nordsyrien abzuziehen, wenn die Türkei garantiere, die Kurdenmiliz YPG nicht anzugreifen. Damit widersprach Bolton Präsident Donald Trumps Ankündigung vom Dezember bezüglich eines sofortigen Truppenabzugs.
Warum das wichtig ist: Recep Tayyip Erdogan, der türkische Präsident, reagierte ungehalten auf die Rede von Trumps Sicherheitsberater. Die Türkei lasse sich nicht aufhalten, und die Bedingungen seien nicht akzeptabel, die Forderungen ein grosser Fehler. Bolton verlangte, dass die Türkei militärische Aktionen in Syrien nur dann ausführen dürfe, wenn sie mit den USA koordiniert und von diesen akzeptiert seien. Die Türkei betrachtet die kurdische Miliz in Syrien als Terroristenorganisation und verlängerten Arm der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Für die amerikanischen Truppen waren die YPG die wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.
Was als Nächstes passiert: Offenbar konnten die Kommandanten der US-Streitkräfte ihren Präsidenten Trump davon überzeugen, dass ein sofortiger Abzug kontraproduktiv wäre. Der Präsident widersprach seinem Berater jedenfalls nicht – anders als bei anderen Gelegenheiten. Erdogan ist mit der Forderung der USA in der Zwickmühle, ist die Türkei doch wie die USA ein Nato-Mitglied. Eine offene Konfrontation mit den Amerikanern macht den Einmarsch der Türkei in die kurdisch gehaltenen Gebiete für ihn heikel.
Zum Schluss: Des Premiers neue Schuhe
Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn das eigene Team den Chef als zu wenig elegant gekleidet empfindet. Zumindest, wenn es sich dabei um den australischen Premierminister Scott Morrison handelt. Noch unglücklicher ist es, wenn ohne dessen Wissen neue Schuhe in das offizielle Familienporträt des Regierungschefs hineinretuschiert werden. Richtig peinlich wirds allerdings, wenn man dem Chef auch noch zwei linke Füsse verpasst. Über #shoegate lachte diese Woche ganz Down Under. Der Premier nahms mit Humor und stellte ein Bild seiner ausgetragenen Lieblingsturnschuhe auf Twitter. Mit der Bemerkung, dass, wenn schon zu Photoshop gegriffen werde, man sich doch besser um seine schwindende Haarpracht gekümmert hätte.
Top-Storys: Winterwandernd weilen wir
Millennials: Warum schafft es ein 18-Jähriger nicht einmal, wählen zu gehen? Die Antwort, so schreibt Anne Helen Petersen für «BuzzFeed», hat viel mit den diffusen (Über-)Forderungen an junge Menschen zu tun. Eine erhellende Analyse einer Generation.
Methan on the Rocks: Wenn der Eisschild auf Grönland schmilzt, steigt nicht nur der Meeresspiegel. Eine neue Studie bringt Hinweise darauf, dass in den Sedimenten unter dem Eis auch Vorkommen des Treibhausgases Methan gespeichert sind, was beim Abschmelzen alles noch schlimmer macht, wie Lauren C. Andrews in «Nature» schreibt.
«Nachtwach»: Nach zwölf Jahren und unzähligen Nächten des Zuhörens ist für Barbara Bürer Schluss. SRF setzt die Sendung ab, die den Menschen in der Schweiz einen ungewöhnlichen Service public bot: einfach nur zuhören. Der «Tages-Anzeiger» lauschte in einem Interview zum Abschluss der Moderatorin.
Vertrauensverlust: Zugeben, dass man in einer Sache falsch lag, ist nicht einfach. Forschende des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung sind dem Eingeständnis des Fehlers auf den Grund gegangen. «Vox» berichtet vom Versuch, ein Umdenken in der Akademie zu erreichen.
Anti-Feminismus: Der Kampf gegen Frauenrechte hat System. Wie Autoritäre weltweit Jahrzehnte des politischen Fortschritts rückgängig machen wollen, schreibt Peter Beinart in der aktuellen Ausgabe von «The Atlantic».