Was diese Woche wichtig war

Start ins neue Jahr – was alles wichtig wird

Woche 1/2019 – der Jahresausblick der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, Michael Rüegg und Simon Schmid, 04.01.2019

Wer die Zukunft voraussagt, kann nur gewinnen. Entweder hat man recht und kann stolz darauf sein, die richtige Vorhersage getroffen zu haben. Oder sie stellt sich als falsch heraus. In diesem Fall kann man im Nach­hinein wortreich begründen, weshalb es gar nicht möglich war, ein Ereignis richtig vorher­zusagen. Wir bleiben mit Prognosen vorsichtig. Ein paar anstehende Themen scheinen uns dennoch eine Erwähnung wert zu sein.

Grossbritannien stolpert auf die Zielgerade des Brexit

Darum geht es: Wird das britische Unterhaus dem Scheidungs­vertrag von Premier­ministerin Theresa May zustimmen? Oder scheidet Gross­britannien Ende März ohne Deal aus der EU aus? Oder kommt es gar zu einem zweiten Referendum? Bis zum 29. März muss das Vereinigte Königreich eine Lösung gefunden haben.

Warum das wichtig ist: In einem letzten Anlauf, ihren lange verhandelten Vertrag zum Austritt des Vereinigten König­reichs aus der EU zu retten, verschob die Premier­ministerin die Abstimmung über den Deal kurzerhand ins neue Jahr. Voraussichtlich wird sich inhaltlich trotz versuchter Nach­verhandlungen mit den europäischen Regierungen nicht viel ändern. Das Unterhaus soll am 16. Januar darüber befinden. Das Land bleibt damit weiterhin im Ungewissen, wie es nach dem Austritt weiter­gehen soll. Die Labour-Partei übt Druck auf ihren Vorsitzenden Jeremy Corbyn aus, sich für ein zweites Referendum stark­zumachen. Dieser sagte vor Weihnachten, er würde sich auch im Falle eines Labour-Sieges bei vor­gezogenen Neuwahlen für einen besseren Deal in Brüssel einsetzen. Klarheit in der Frage, wie es allenfalls ohne May weitergehen soll, schuf Corbyn damit nicht.

Europa wählt sein Parlament

Darum geht es: Vom 23. bis 26. Mai wählen die Bürgerinnen und Bürger der 27 EU-Staaten das neue Europaparlament.

Warum das wichtig ist: Das Europäische Parlament entscheidet nicht nur über das ganze Budget der Staaten­gemeinschaft, zusammen mit dem Rat der EU bildet es auch die Legislative für wichtige Gesetze auf europäischer Ebene. Die grösste Fraktion stellt zudem den Präsidenten der Europäischen Kommission, der Exekutive der EU. In den letzten zwanzig Jahren hat das Parlament stets an Bedeutung gewonnen, obwohl die Wahl­beteiligung in die andere Richtung zeigte. Die EU startete deshalb eigens eine Informations­kampagne, die die Menschen von der Wahl überzeugen sollte. Seit der letzten Wahl 2014 haben EU-kritische Kräfte in den Mitglieds­ländern an Bedeutung gewonnen. Der Aufstieg rechtsgerichteter und EU-skeptischer Parteien wird deshalb voraussichtlich auch vor dem EU-Parlament nicht halt­machen. Die EU befindet sich derzeit nicht in einer Position der Stärke. Der Brexit nahm viel medialen Raum ein, ebenso der Budgetstreit mit Italien. Kommt hinzu: Während des ersten Halbjahrs 2019 übernimmt Rumänien die EU-Rats­präsidentschaft (von Österreich, das sie die vergangenen sechs Monate innehatte). In Brüssel schaut man mit einer gewissen Sorge in Richtung Bukarest. EU-Kommissions­­präsident Jean-Claude Juncker sagte, die rumänische Regierung habe «noch nicht in vollem Umfang begriffen», was der Vorsitz bedeute.

Wo sonst noch gewählt wird: Natürlich in der Schweiz, wo neben einigen kantonalen auch eid­genössische Wahlen stattfinaden. Indien hält im kommenden Frühling seine general elections ab, Amtsinhaber Narendra Modi von der BJP rechnet wohl mit einer Wieder­wahl. Mit Indonesien und Nigeria bestimmen zwei weitere bevölkerungs­reiche Länder 2019 ihre politische Zukunft. Auch Israel und Südafrika halten Wahlen ab.

Auch Deutschlands Osten wählt

Darum geht es: Nach der Europawahl ist in einigen deutschen Bundes­ländern vor der Landtags­wahl. Brandenburg, Sachsen und Thüringen bestimmen im Herbst ihre Landtage und damit auch ihre Regierungen.

Warum das wichtig ist: Wird die CDU unter der neuen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karren­bauer weiter absteigen, wie bei einigen Landtags­wahlen im Jahr 2018? Wird die andere einst staatstragende Partei, die SPD, noch tiefer fallen? Und legt die AfD zu? Letztere ist bereits in allen drei Landtagen vertreten. Und erste Umfragen weisen auf satte Gewinne hin. Die nächste Bundestags­wahl – voraussichtlich mit Kramp-Karrenbauer als Kanzler­kandidatin der CDU – ist erst für 2021 anberaumt.

Wird Trump straucheln?

Darum geht es: Egal, mit welchen Vorwürfen sich der amerikanische Präsident Donald Trump konfrontiert sieht – alles scheint mirakulöser­weise an ihm abzuperlen. Doch dieses Jahr könnte ihm Ungemach drohen.

Warum das wichtig ist: Wird der Bericht von Sonder­ermittler Robert Mueller zu den Russland-Verstrickungen des Präsidenten je erscheinen? Für den Fall, dass das Weisse Haus den Bericht unter dem Deckel halten will: Der neue Vorsitzende des Geheimdienst­ausschusses im US-Repräsentanten­haus, der Demokrat Adam Schiff, hat angekündigt, dass er jedes nötige Mittel anwenden will, um den Report zu veröffentlichen. «Der Fall ist zu wichtig für die amerikanische Öffentlichkeit», sagte Schiff. Die neue demokratische Mehrheit in der grossen Parlaments­kammer könnte den Präsidenten durchaus aus seiner bisherigen Komfort­zone hinaus­katapultieren. Sollten sich die Anschuldigungen gegen Trump als so gravierend entpuppen, wie teilweise spekuliert wird, könnten die Demokraten ein Amts­enthebungs­verfahren in Betracht ziehen. Ausserdem dürfte sich dieses Jahr langsam zeigen, gegen wen Trump bei den nächsten Präsidentschafts­wahlen 2020 antreten könnte. Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren bringt sich in Stellung. Weniger als zwei Jahre vor den nächsten Präsidentschafts­wahlen beginnt sich das Karussell der Kandidatinnen zu drehen. Über zwanzig mögliche Anwärter hat «The Independent» ausgemacht.

Die Zinswende kommt auch in der Schweiz

Darum geht es: Seit der Finanzkrise bewegen sich die Zinsen in der Schweiz nur in eine Richtung – nach unten. Vielleicht nicht mehr lange. Gegen Ende 2019 könnte die Schweizerische National­bank die hiesigen Leitzinsen einen kleinen Schritt anheben. Und damit die Zinswende, die in den USA bereits vor einiger Zeit vollzogen wurde, auch in der Schweiz einleiten.

Warum das wichtig ist: Die Geldpolitik bestimmt mit, zu welchen Kosten sich Firmen und Privat­personen verschulden können. Die Kreditaufnahme ist seit mehreren Jahren extrem billig – entsprechend haben sich viele Schweizerinnen und Schweizer verschuldet, um ein Eigenheim zu kaufen. Steigen die Zinsen, werden Hypotheken wieder teurer. Die Nachfrage nach Immobilien geht zurück, die Preis­entwicklung wird gedämpft. Die SNB warnt seit mehreren Jahren, dass gewisse Schuldner im Falle steigender Zinsen ihre Hypotheken nicht mehr tragen könnten. Diese Warnungen sollte man ernst nehmen. Allerdings steht ein heftiger Zinsschock kaum vor der Tür: Die Konjunktur hat in Europa jüngst nachgelassen. Die Europäische Zentralbank und in ihrem Schlepptau auch die SNB werden sich hüten, die Zinsen allzu rasch und allzu stark anzuheben. Die Zinswende kommt – aber gemächlich.

Stellvertreterkriege gehen weiter

Darum geht es: Der Begriff Stellvertreter­krieg weckt unter Umständen Erinnerungen an Korea, Vietnam, Angola und Afghanistan. Tatsächlich ist das Thema hochaktuell: Militärisch potente Staaten sind derzeit wieder in Dritt­gebieten tätig, wo sie die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln betreiben.

Warum das wichtig ist: Weil Kriege, auch wenn sie andernorts gefochten werden, die globale Stabilität gefährden. Saudiarabien und der Iran bekämpfen sich derzeit im Jemen – und in Syrien: Neben dem Iran unterstützt auch Russland das Regime von Bashar al-Assad. Derweil unterstützen Saudiarabien und die Türkei unterschiedliche Rebellen­gruppen. Israel wiederum ist besorgt über die Einflussnahme des Erzfeindes Iran. Die USA haben bislang kurdische Verbände unterstützt, wollen sich gemäss Präsident Donald Trump zurückziehen, aber nicht mehr so rasant, wie der Präsident das ursprünglich angekündigt hatte. Als Unterstützer der Kurden bleiben danach noch Frankreich und Gross­britannien. Die Türkei streckt unter Präsident Erdogan bereits die Finger nach kurdischen Territorien in Syrien aus, ein Einmarsch der Türkei könnte bevorstehen. Um das abzuwenden, rief die geschwächte kurdische Miliz YPG Assads Truppen zu Hilfe. Als Stellvertreter­krieg dürfte sich auch der Konflikt in der Ostukraine quali­fizieren, wo Russland mit Waffen­gewalt gegen die Regierung in Kiew agitiert.

Zum Schluss: Wi-Fi und anderer Schrott im All

Elon Musk schickt nicht nur Tesla zum Mars. Der Milliardär hat letztes Jahr auch damit begonnen, ein weltweites orbitales System aufzubauen, das mit der wahnwitzigen Zahl von 12’000 Satelliten globales Internet unter dem Namen Starlink ermöglichen soll. Doch die Konkurrenz schläft nicht. In diesem Jahr will auch OneWeb, eine Firma aus London, mit knapp 600 Satelliten einen vergleichbaren Service aufbauen. Derweil fliegt bereits ziemlich viel Müll im Weltraum herum, der bestehende Satelliten­systeme und Raum­missionen gefährdet. Vielleicht sollte man da erst mal aufräumen, bevor die Privat­wirtschaft das All flutet. Sonst wirds dann doch nichts mit dem guten Empfang.

Was diese Woche wichtig war

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