Was diese Woche wichtig war

May windet sich, CDU mit neuer Führung – und faule Männertricks in Japan

Woche 50/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, 14.12.2018

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Britische Premierministerin übersteht Misstrauensvotum

Darum geht es: Theresa May brachte am Mittwochabend eine Misstrauensabstimmung in ihrer eigenen Partei erfolgreich hinter sich. Dies, nachdem das britische Unterhaus nicht über ihren Brexit-Deal hatte abstimmen dürfen. Die Premierministerin verhinderte eine Abstimmung über ihren Deal im Parlament, da sie annehmen konnte, dass er abgelehnt würde.

Vor weihnachtlichem Lichterglanz: Premierministerin Theresa May spricht nach dem überstandenen Misstrauensvotum. Justin Ng/Photoshot/Keystone

Warum das wichtig ist: Die Lawine, die die Brexit-Abstimmung lostrat, donnert immer schneller und zerstörerischer zu Tal. Theresa May kämpfte die letzten zwei Jahre damit, vom politischen Hickhack nicht überrollt zu werden und als erfolglose Verhandlerin und Premierministerin in die Geschichtsbücher einzugehen. Kaum jemand mag ihren Austrittsvertrag, auch der Widerstand aus ihren eigenen Reihen ist beachtlich. Dieser fusst vor allem auf der ungelösten Frage der Grenze zwischen Nordirland und Irland. Der von May ausgehandelte Deal mit der EU sieht vor, dass auf unbestimmte Zeit keine harte Grenze zwischen den Ländern gezogen wird – auch wenn sich Irland und Grossbritannien nicht auf eine Lösung einigen können. Der sogenannte backstop geht den Brexit-Befürwortern jedoch zu weit, da sie befürchten, der EU ausgeliefert zu sein. Es waren diese Kreise der Tories, die May das Vertrauen entzogen. May überlebte das Misstrauensvotum vorgestern mit einer Mehrheit von zwei Dritteln. Ihre politische Karriere dürfte aber dennoch mit dem EU-Austritt ein Ende finden. In ihrer Rede vor der Abstimmung erwähnte May, dass sie nicht mehr für die nächsten Wahlen 2022 antreten würde. Das klang einst ganz anders. Etwa als sie im April letzten Jahres ohne Zwang Neuwahlen ausrief und gegen die überraschend erfolgreiche Labour-Partei schwere Verluste einfuhr. Ihre damalige Selbstsicherheit rächt sich nun. May muss sich mit ihrer knappen Mehrheit zu Recht vor einer Abfuhr ihres Brexit-Deals im Parlament fürchten. Vor allem angesichts des Drittels ihrer eigenen Partei, das sie am Mittwoch gern abgesetzt hätte.

Was als Nächstes geschieht: May plante, für Nachbesserungen ihres Deals nach Brüssel zu reisen, blieb jedoch angesichts des Misstrauensvotums in London. Nach dem turbulenten Mittwoch holt sie das nun nach, um in Sachen backstop vielleicht doch noch etwas bei der EU herauszuholen. Sie hofft, so die Unterstützung in ihrem Parlament zu verbessern. Bleibt die EU wie angekündigt hart, bleibt May nichts anderes übrig, als die jetzige Version noch einmal ins Parlament einzubringen – voraussichtlich mit dem gleichen Ausgang.

Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Strassburg

Darum geht es: Am Dienstagabend tötete ein Mann mit einer Schusswaffe am Weihnachtsmarkt in der Innenstadt von Strassburg drei Menschen und verletzte mindestens ein Dutzend. Der mutmassliche Täter hatte Verbindungen in radikalislamistische Kreise.

Warum das wichtig ist: Der mutmassliche Täter war vorbestraft und den Behörden bekannt. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland war er bereits für verschiedene Delikte verurteilt worden, hatte seine Strafen jedoch abgesessen. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei Granaten. Der Verdächtige soll Verbindungen in radikalisierte salafistische Kreise gehabt haben. Gemäss Zeugen soll der Täter bei der Tat «allahu akbar» (Gott ist gross) geschrien haben. Der Verdächtige soll mit einem Taxi zum Tatort gefahren sein, der Taxifahrer gab später der Polizei Hinweise bezüglich der Person. Mehrere Organisationen gaben bekannt, die landesweiten Demonstrationen im Namen der gilets-jaunes-Bewegung zum Zeichen der Einigkeit gegen den Terrorismus zu unterbrechen. Während des Anschlags blieb das Europäische Parlament aus Sicherheitsgründen abgeriegelt. Die Abgeordneten mussten bis zum Morgen im Gebäude ausharren.

Was als Nächstes geschieht: Trotz verschärften Sicherheitsmassnahmen an Weihnachtsmärkten nach diversen Anschlägen in den letzten Jahren ist dem Terror offenbar auch diese Weihnachten nicht beizukommen. Die Polizei konnte den mutmasslichen Täter am Donnerstag Abend nach Hinweisen in einem Versteck in Strassburg aufspüren. Bei der Festnahme wurde er von den Sicherheitskräften erschossen.

AKK übernimmt CDU

Darum geht es: Die neue Chefin der CDU heisst Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Delegierten wählten damit nach Angela Merkel die zweite Frau in den Vorsitz ihrer Partei.

Warum das wichtig ist: Mit nur 17 Stimmen über der nötigen Mehrheit von 500 Delegierten ist das Resultat von AKK, wie sie gemeinhin genannt wird, nicht fulminant. Doch die Wahl zum Vorsitz der Christkonservativen war auch selten so spannend. Neben AKK stellten sich Jens Spahn und Friedrich Merz zur Wahl. Zugute kam der bisherigen Generalsekretärin der CDU ihre lange politische Erfahrung als Ministerpräsidentin und zuvor als Ministerin in verschiedenen Posten des Bundeslandes Saarland. Sie schaffte es offenbar, in den konservativen und wirtschaftsliberalen Flügeln der Partei Stimmen zu gewinnen. Die Partei erhofft sich nach der Spaltung in zerstrittene Lager unter der neuen Führung eine Einigung.

Doppelte Freude: Als Parteivorsitzende hat Annegret Kramp-Karrenbauer (rechts) Angela Merkel abgelöst, folgt sie ihr dereinst auch als Kanzlerin? Ulrich Baumgarten/Getty Images

Was als Nächstes geschieht: Die Wahl zur CDU-Chefin könnte nur der Zwischenschritt einer Karriere sein. Mit AKK steht eine Nachfolgerin von Merkel nicht nur als CDU-Chefin, sondern auch als Kanzlerin bereit. Möglich ist, dass Merkel vor Ablauf ihrer Amtszeit das Kanzleramt zugunsten von Kramp-Karrenbauer aufgibt und dieser damit einen besseren Start in den Wahlkampf ermöglicht.

Indien: Gandhi-Partei triumphiert in Regierungshochburgen

Darum geht es: Die Kongresspartei (INC) legte bei Wahlen in drei Teilstaaten beachtlich zu. In Rajasthan und Chhattisgarh – zwei Hochburgen des Premierministers Narendra Modi – übernimmt die Opposition die Regierung. Damit verkehren sich die Vorzeichen für die nationalen Wahlen im kommenden Jahr.

Warum das wichtig ist: 2014 war ein bitteres Jahr für die Partei der Landesikone Mahatma Gandhi. Die Kongresspartei verlor flächendeckend gegen die konservative Regierung unter Narendra Modi. Seine Partei BJP konnte seither auf nationaler Ebene, aber auch in den meisten Teilstaaten, ohne merklichen Widerstand der ehemals grossen Kontrahenten regieren. Von seiner Politik scheinen jedoch viele Wählerinnen und Wähler nun enttäuscht zu sein. Die Erfolge der Kongresspartei in den Regionalwahlen sind deshalb in erster Linie dem Versagen der regierenden Partei zu verdanken und erst ein schwaches Erfolgszeichen für die Politik des Gandhi-Clans. Dennoch: Nach den letzten nationalen Wahlen traute kaum jemand dem zögerlichen Parteichef Rahul Gandhi – dem jüngsten Spross der Gandhi-Dynastie – zu, das Schicksal der Partei zu wenden.

Hoffnungsträger auf Pappe: Nach Wahlerfolgen in indischen Teilstaaten feiern Fans der oppositionellen Kongresspartei Rahul Gandhi. Rajat Gubta/EPA/Keystone

Was als Nächstes geschieht: In sechs Monaten wählt Indien ein neues nationales Parlament. Bis dahin muss die Kongresspartei noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten, um an Modis Thron zu rütteln. Die für die Partei erfolgreichen Regionalwahlen deuten aber zumindest wieder auf ein offenes Rennen hin.

Zum Schluss: Wenn Männer Männer fördern

«Frauen erlangen schneller geistige Reife als Männer, und ihre Kommunikationsfähigkeit ist zu der Zeit höher, in der sie die Universitätsprüfung ablegen»: So zitierte eine japanische Zeitung den Dekan der Juntendo-Universität. Es war die faule Ausrede dafür, dass Frauen eine höhere Punktzahl bei der Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium erreichen mussten. Enthüllungen derselben Praktik an der Tokyo Medical University im Oktober führten dazu, dass die Regierung eine landesweite Untersuchung einleitete – begleitet von Protesten. Zwei weitere Universitäten mussten nun zugeben, die Aufnahme zugunsten von Männern manipuliert zu haben. In einem Ranking des WEF 2017 rangierte Japan bei der Geschlechtergleichheit – wenig erstaunlich – auf Platz 114 von 144.

Top-Storys: Geschichten fürs Wochenende

People of the Year: Das «Time Magazine» wählte den getöteten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi zur «Person des Jahres». Doch der Titel ist gleichzeitig auch Journalistinnen und Journalisten weltweit gewidmet, die sich für die Verteidigung von Freiheit und Demokratie gegen autoritäre Staaten starkmachen.

Marine Le Pen und die Identitären: Sie hat sich solche Mühe gegeben, das Schmuddelimage ihres Vater Jean-Marie Le Pen abzustreifen. Doch eine Recherche von al-Jazeera zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist: Der Front national hat den Fuss noch immer tief im braunen Sumpf.

Black Sites – Erdogans Guantánamo: Türkische Oppositionelle leben gefährlich. Doch das nicht nur im Vaterland, sondern überall. Die Recherche eines Investigativteams rund um «Correctiv» und das ZDF zeigt die Systematik der Entführungen und der Folter unter Erdogans Augen auf.

Bot-Politik: Werden Onlinedebatten zu politischen Themen wesentlich von Bots beeinflusst? Diesen Eindruck schürt ein Artikel der «Welt». Damit sind nicht alle einverstanden. Die Gegenthese lesen Sie bei «Netzpolitik.org».

Merkels Shitstorm: Die deutsche Sprache ist kompliziert. Noch komplizierter wird sie, wenn die Kanzlerin ein neudeutsches Wort benutzt, das im Englischen als vulgär gilt. Die «New York Times» hat den komplizierten Umstand ihren Leserinnen nähergebracht.

Mother of all Demos: Vor fünfzig Jahren hat die Gegenwart begonnen. Am 9. Dezember 1968 demonstrierte Douglas Engelbart nämlich das oN-Line System, das alle grundlegenden Elemente der heutigen Computertechnik – wie die Maus oder den Hypertext – aufwies. Der Pionier hatte aber eigentlich eine viel weitreichendere Vision, wie ein Artikel bei «Wired» aufzeigt.

Was diese Woche wichtig war

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