Aus der Arena

Der Mist ist geführt

Von Brigitte Hürlimann, 05.12.2018

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Die Urnerinnen und Urner haben schon ganz andere Krisen überstanden, haben Naturgewalten und dem Teufel getrotzt, den Pakt mit dem ägyptischen Investor geschlossen und mögen vielleicht Bergler sein, sind aber erstaunlich oft ganz und gar nicht hinterwäldlerisch und immer wieder für eine Überraschung gut. Vor allem gewisse kleine, abgelegene Gemeinden, die mit ihrem fortschrittlichen Abstimmungsverhalten regelmässig verblüffen.

Lokaltermin am Mittwochmorgen beim «Urner Wochenblatt» in Altdorf. Schampus aus dem ortseigenen Rebberg steht parat, an den Festtischen hat sich ein gutes Dutzend Einheimische versammelt, bei Kafi und Gipfeli, das einzige Public Viewing im Hauptort. Richterinnen und Richter sind da, Mütter mit Kleinkindern, Pensionierte, drei Journalisten, zwei Politgrössen, die Rede und Antwort stehen: der ehemalige Ständerat Hansheiri Inderkum und der zweifache Fast-Bundesrat, Alt-Nationalrat und jahrzehntelang schweizweit beliebteste Troubleshooter für alle verknorzten Fälle, Franz Steinegger.

«Der Mist ist geführt», murmelt Inderkum diskret, da ist es noch dunkel draussen, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Lange Gesichter, als es dann unerwartet schnell geht. Ein einziger Wahlgang nur, das ist enttäuschend. Ein überdeutliches Resultat zugunsten der Walliserin, die Urnerin bleibt abgeschlagen zurück: 148 Stimmen für Viola Amherd, 60 für Heidi Z’graggen, da gibt es nichts zu deuteln. Es wird wieder einmal nichts mit der ersten Urner Bundesrätin. Der Schampus bleibt im Karton. Die Schulkinder, die in einer Blitzaktion auf Fähnlischwenken und Jubeln getrimmt worden sind, erhalten Entwarnung. Das «Urner Wochenblatt» wird kein Sondermagazin produzieren. Es wäre das erste gewesen in der 142-jährigen Geschichte des Verlags.

Katzenjammer in Altdorf? Nicht die Spur. Der Kanton Uri ist zwei Wochen lang im Scheinwerferlicht gestanden, Journalistenteams sind ausgeschwärmt, haben idyllische Bilder von Bergen und Seen in die Stuben der Restschweiz gesendet, haben Stimmen aus dem Volk eingefangen, und siehe da: Wie ein Mann und wie eine Frau sind sie alle hinter ihrem Heidi Z’graggen gestanden. In einer solchen Situation, bei einer solchen Chance, hält man im kleinen Kanton zusammen, wenigstens nach aussen. Uri first. Ganz gereicht hat es nicht, aber imagemässig war die Kandidatur Z’graggens ein Riesenerfolg. Für den Kanton und für die Kandidatin, die nun karrieremässig durchstarten kann.

Franz Steinegger, bis heute eine der bekanntesten Urner Grössen (neben Bernhard Russi, aber den Sport lassen wir mal beiseite), hat es nicht so weit gebracht wie Heidi Z’graggen, das gibt er offen zu. Zweimal hatte er sich für den Bundesrat zur Verfügung gestellt, 1989 und 2003, und zweimal hat ihn die FDP-Fraktion nicht zum offiziellen Kandidaten gekürt. Das gräme ihn schon lange nicht mehr, sagt der 75-Jährige, er schaue vorwärts. Scheint eine typische Urner Eigenschaft zu sein.

Heidi Z’graggen wird 2018 nicht CVP-Bundesrätin. Kaum liegt das Resultat auf dem Tisch, tritt in ihrem Kanton der Courant normal wieder ein. Es geht weiter. Im Vordergrund stehen ganz andere Fragen. Bringt die Wintersaison genügend Schnee und Gäste? Kommt das gigantische Andermatter Tourismusprojekt von Samih Sawiris zum Laufen? «Der Kanton Uri ist gut aufgestellt», meint Franz Steinegger. Sagts und geht. Der Alltag wartet, auch auf ihn.