Auf lange Sicht

Wo die Waffen sprechen

Ein Vergleich der Rüstungsbudgets in verschiedenen Weltregionen zeigt vielerorts einen sinkenden Trend. Mit einigen prominenten Ausnahmen.

Von Mark Dittli, 03.12.2018

Heute sprechen wir über Waffen. Genau gesagt: über die Rüstungsausgaben in verschiedenen Staaten.

Das Thema ist allgegenwärtig: Donald Trump kritisiert seine europäischen Nato-Partner, sie würden zu wenig in ihren Verteidigungsetat investieren. Auch die Regierung Südkoreas hat das Missfallen des US-Präsidenten bereits zu hören bekommen. Die Rüstungsausgaben Saudiarabiens dagegen scheinen Riad vor jeglicher Kritik aus dem Weissen Haus zu schützen – selbst nach dem abscheulichen Mord am Journalisten Jamal Khashoggi. China baut derweil munter an seiner Hochseeflotte weiter.

Daher ein Blick auf vier verschiedene Weltregionen: Nord- und Lateinamerika, Europa, den Nahen Osten und Asien. Vier Grafiken, mehr nicht. Und eine simple Frage: Wo wird wie viel in Rüstung investiert? Das Thema liesse sich üppig kommentieren – doch an dieser Stelle begnügen wir uns damit, zu zeigen, was ist.

Dazu zunächst ein Vorbehalt: Die Daten stammen alle aus derselben Quelle mit der gleichen Definition, sie sind also bis zu einem gewissen Grad vergleichbar. Gleichwohl sind sie etwa in den Beispielen von China oder Russland mit Vorsicht zu geniessen, da die Daten auf den von den Regierungen offiziell publizierten Statistiken basieren.

Zunächst ein Blick auf die USA und ihre Nachbarstaaten:

Nord- und Lateinamerika

Rüstungsausgaben nach Land, in Prozent des Bruttoinlandproduktes

19601979199720161,3 % Brasilien1,0 % Kanada0,6 % Mexiko3,3 % USA0510 % Prozent des BIP

Quelle: Weltbank/SIPRI

Die Vereinigten Staaten geben derzeit 3,3 Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung für den Rüstungsetat aus. Das sind ungefähr 640 Milliarden Dollar. Pro Jahr.

Eindrücklich in der Grafik zu sehen: In den 1960er-Jahren, unter anderem wegen des Vietnamkrieges, betrugen die Rüstungsausgaben der USA mehr als 8 Prozent des BIP. In den 1980ern, unter Ronald Reagan, lagen sie deutlich über 5 Prozent.

Vergleichsweise zahm zeigen sich dagegen die anderen grossen Volkswirtschaften des Doppelkontinents: Kanada hat seine Rüstungsausgaben in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich gesenkt, und Mexiko verwendet mit 0,6 Prozent einen im regionalen Vergleich deutlich unterdurchschnittlichen Teil des Staatsetats für das Militär.

Nun zu Europa:

Europa

Rüstungsausgaben nach Land, in Prozent des Bruttoinlandproduktes

19601979199720162,3 % Frankreich1,5 % Italien1,0 % Schweden0,7 % Schweiz1,8 % Grossbritannien1,2 % Deutschland5,4 % Russland0510 % Prozent des BIP

Quelle: Weltbank/SIPRI

Der Trend in allen Staaten Westeuropas zeigte im Verlauf der vergangenen knapp sechs Jahrzehnte eindeutig nach unten. Noch 1960 gaben Frankreich und Grossbritannien mehr als 5 Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung für Rüstung aus. Heute liegen sie noch bei 2,3 respektive 1,8 Prozent. Die Nato-Mächte Deutschland (1,2 Prozent) und Italien (1,5 Prozent) bewegen sich deutlich unter diesen Werten. (Die Türkei, ebenfalls eine Nato-Nation, haben wir für die Zwecke dieses Vergleichs in die Nahost-Gruppe eingestuft.)

Kein Wunder, zieht besonders Berlin den Zorn von Donald Trump auf sich, weil sich die grösste Volkswirtschaft Europas nicht an den im Jahr 2006 vereinbarten Nato-Pakt halte, 2 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Über Sinn und Unsinn einer festen BIP-Prozentgrösse zur Festsetzung der Verteidigungsausgaben schreibt Kollege Simon Schmid in diesem Kommentar.

Die Schweiz und Schweden liegen mit 0,7 Prozent respektive 1 Prozent des BIP am unteren Ende der Vergleichsgruppe in Europa.

Grösster Ausreisser: Russland. Dort verschlingen die Rüstungsausgaben mehr als 5 Prozent des Staatsbudgets. Tendenz deutlich steigend.

Kurz zusammengefasst kann also gesagt werden, dass die Rüstungsausgaben in Westeuropa und auf dem amerikanischen Doppelkontinent mit sinkender Tendenz auf einem Niveau von gegenwärtig 1 bis 4 Prozent des BIP liegen.

Im Nahen Osten liegen die Dimensionen auf einer anderen Skala:

Naher Osten

Rüstungsausgaben nach Land, in Prozent des Bruttoinlandproduktes

19601979199720162,7 % Iran5,6 % Israel1,7 % Türkei1,7 % Ägypten9,8 % Saudiarabien0,05,010,015,020,025,030,0 % Prozent des BIP

Quelle: Weltbank/SIPRI

Die Grafik zeigt eindrücklich, welch grossen Teil ihres erwirtschafteten Wohlstandes die Staaten im Nahen Osten historisch für ihren Rüstungsetat ausgegeben haben. In Zeiten offener Militärkonflikte (Sechstagekrieg 1967, Jom-Kippur-Krieg 1973, Erster Golfkrieg 1980 bis 1988, Zweiter Golfkrieg 1990/1991) lagen die Rüstungsbudgets zum Teil bei weit über 10 Prozent des BIP.

Zwei regionale Grossmächte, die Türkei und Ägypten, liegen heute – zumindest gemäss den offiziellen Statistiken – auf westeuropäischem Niveau. Der Iran hat sich um 2,7 Prozent eingependelt.

Auffällig hoch liegt weiterhin Saudiarabien mit rund 10 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Mehr als 60 Milliarden Dollar gibt Riad jährlich für den Militäretat aus.

Und zum Schluss noch zu Asien:

Asien

Rüstungsausgaben nach Land, in Prozent des Bruttoinlandproduktes

19601979199720162,5 % Indien0,9 % Japan3,6 % Pakistan2,6 % Südkorea1,9 % China0510 % Prozent des BIP

Quelle: Weltbank/SIPRI

Auffallend zunächst Japan (grün), das sich nach dem Zweiten Weltkrieg klare Limiten im Verteidigungsetat gesetzt hat – und damit auch über entsprechende Mittel verfügte, eine hervorragende öffentliche Infrastruktur zu finanzieren. In Südkorea (violett) hat die Regierung nach dem Ende der Diktatur Mitte der 80er-Jahre eine deutliche Re-Allokation der Ausgaben vollzogen und den Rüstungsetat von klar über 5 auf aktuell 2,6 Prozent gekürzt.

Die beiden Nuklearmächte Pakistan und Indien geben einen im Regionalvergleich überdurchschnittlich hohen Anteil ihres Budgets für Rüstung aus.

China (blau) schliesslich – die Datenreihe beginnt erst 1989 – sieht mit einem Rüstungsbudget von relativ konstanten knapp 2 Prozent recht friedlich aus. Chinas Wirtschaftsleistung hat sich in den Jahren seit 1989 allerdings mehr als verdreissigfacht, was bedeutet, dass die effektiven Rüstungsausgaben stark gestiegen sind.

Die Daten

Die in diesem Beitrag verwendeten Daten stammen alle aus der World-Development-Indicators-Datenbank der Weltbank. Die Weltbank benutzt dazu wiederum die Daten des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Gemäss der SIPRI-Definition sind in den Rüstungsausgaben alle Zahlungen für Personal, Materialkäufe, Unterhalt, laufende Operationen, Forschung und Entwicklung sowie Militärhilfe an andere Nationen enthalten. Eine sehr gute Übersicht über die Entwicklung zahlreicher Indikatoren zu Rüstungsausgaben bietet der Datenblog Ourworldindata.org – ohnehin eine sehr empfehlenswerte Ressource für Datenvisualisierungen.

Was verändert sich auf die lange Sicht?

Haben Sie Anregungen zu unseren Datenbeiträgen? Wünschen Sie sich bestimmte Themen? Diskutieren Sie im Forum der Rubrik «Auf lange Sicht».