Das meistgehasste Fahrzeug der Stadt
Von Elia Blülle, 19.10.2018
Ich rolle mit einem Lime-S-Elektro-Tretroller durch die Zürcher Bäckeranlage, vorbei an den Frühstückslokalen, vor denen sich übernächtigte Partygänger im Sonnenschein die ersten Gläser Prosecco einspülen.
Sie verfolgen mich mit Blicken, die ich ansonsten nur aus meinem Aargauer Heimatkaff kenne. Wenn der ortsansässige Punk mit struppigem Hund auf dem Dorfplatz sein Bier trinkt, so wird er mit demselben Gesichtsausdruck gemustert wie ich und mein Elektroroller im Zürcher Hipsterquartier.
Diese Trottinetts der amerikanischen Firma Lime füllen seit dem Frühling die Stadt, blockieren Gehwege und Fahrradständer. Man kann die Fahrzeuge über eine App ausleihen und an einem beliebigen Standort wieder abstellen. Die Scooter, gehalten in giftgrünem Plastik, sehen aus wie etwas, das man in den Neunzigern cool gefunden hätte, aber heute – na ja.
Am Sonntag fuhr ich das erste Mal auf einem solchen Tretroller durch den Kreis 4. Und stiess auf eine Verachtung, wie ich sie in dieser Stadt noch nie erlebt habe.
Beim Helvetiaplatz schnauzt mich ein Typ mit Velokappe und Skateboard an, ich solle gefälligst den Gehsteig verlassen. 200 Meter weiter vorne stoppe ich vor dem Zebrastreifen und stütze mich an der Ampel. Eine alte Dame dreht eulenhaft ihren Kopf, tippt mit dem Gehstock mein Gefährt an und knurrt, ich solle absteigen.
«Das hier ist kein Spielplatz, junger Mann.»
Weiter gehts. Ich holpere über die Tramschienen am Stauffacher, finde einen der seltenen Fahrradstreifen und beschleunige. Mit 25 km/h, der Höchstgeschwindigkeit, brause ich über den Asphalt. Ein Sportradler stellt sich mit angestrengtem Gesicht in meinen Windschatten, als ginge es um den Sieg an der Tour de France.
«Weg hier! Das ist ein Velostreifen, du Trottel!»
Ich erschrecke. Lenke ein, zurück aufs Trottoir, wo ich anscheinend hingehöre, und schneide einem spazierenden Paar unbeholfen den Weg ab. Ich entschuldige mich. Er schüttelt den Kopf; sie flüstert etwas von «Scheiss-Touris» und zwängt sich an mir vorbei.
Endlich passiere ich die Grenze. Vielleicht wird man mir hier – im Kreis 2 – mit mehr Wohlwollen begegnen.
Der Bahnhof Enge ist mein Ziel. Ich stelle den Tretroller vor dem Gebäude ab. Ich habs geschafft. Ein alter Mann beobachtet mich argwöhnisch. Sein Hund bellt. Der Alte zeigt mit dem Ernst eines Verkehrspolizisten auf den Haken in der Wand.
«Der Platz da, mein Herr, ist für Hunde reserviert. Das wissen Sie schon. Oder?»