An die Verlagsetage

Ihre Entscheidung

Die Konkurrenz stellt kritische Fragen, die Branchenpresse durchleuchtet unsere Geschäftszahlen. Und damit, Verlegerin, Verleger, herzlich willkommen in der Verantwortung!

Von Ihrem Expeditionsteam, 17.10.2018

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Bekanntlich sieht die Chefetage von weitem (genauer: von unten) erfreulich aus: Man trägt dort Anzug, Verantwortung und einen fetten Scheck nach Hause. Von nahem besehen bedeutet Verantwortung dann erschreckend oft: dass alle möglichen Leute versuchen, Arbeit bei einem abzuladen. Und dass man an allem schuld ist, was schiefläuft.

Kein Wunder, haben viele unter Ihnen im Geheimen gehofft, dass wir Ihnen nur so aus Marketinggründen den Titel der Verlegerin oder des Verlegers gegeben haben. Und dass der Kelch an Ihnen vorüberzieht.

Nun, wir haben ein halbes Jahr gebraucht, den Kelch zu schmieden. Aber nun ist er fertig: Heute übertragen wir Ihnen verlegerische Verantwortung. Ab sofort können Sie mit Ihrer Stimme den Kurs unseres gemeinsamen Unternehmens mitbestimmen (sofern Sie ein Jahresabonnement bei uns haben). Alles, was Sie dafür wissen müssen, finden Sie als Newsletter der Project R Genossenschaft in Ihrer Mailbox. Oder auch hier.

Kurz: Sie haben nun das Recht, Ihre Pflicht auszuüben. Oder die Pflicht, Ihre Rechte wahrzunehmen als Verlegerin, Verleger. (Je nach Beleuchtung.)

Sie erinnern sich: In der Kampagne für die Republik begründeten wir die Notwendigkeit von Medien mit dem Satz: «Ohne vernünftige Informationen keine vernünftigen Entscheidungen.»

Natürlich können Sie sofort hier klicken – und abstimmen, wählen, so, wie es Ihnen Ihr Herz oder Ihr Bauch befiehlt. Sie sind der Boss.

Andererseits, geehrte Bossin, wäre es vielleicht eine gute Idee, sich vorher zu informieren. Von uns aus können wir folgende zwei Berichte empfehlen:

den Jahresbericht (mit allen Zahlen plus noch einigen Fotos als Dessert);
den Newsletter vom 5. Oktober über alle aktuellen Umbauarbeiten.

Als Journalistinnen und Journalisten haben wir allerdings gelernt: Unternehmensnachrichten werden nicht umsonst nicht unverändert abgedruckt – nicht selten sind sie ein wenig rosa eingefärbt. Unser Jahresbericht ist natürlich die objektive Ausnahme. Aber das sagen alle.

Deshalb hier noch der Link auf zwei unabhängig von uns verfasste Berichte:

«Buchhaltung ohne Bullshit» – eine beneidenswert klare Zusammenfassung der finanziellen Lage von Project R und der Republik in der «Medienwoche». (Lesezeit: 3 Minuten.)
«Härteprobe für die Republik» – die Turbulenzen des Aufbaus und die aktuellen Herausforderungen von aussen gesehen – in der «NZZ am Sonntag». (Leider müssen Sie sich dafür bei der NZZ registrieren.)

Für letztgenannten Artikel sandte uns die «NZZ am Sonntag» eine lange Liste mit kritischen Fragen. Vielleicht sind die einen oder anderen auch die Ihren. Deshalb liefern wir Ihnen unsere Antworten auf den Fragenkatalog.

Darüber und über alles andere, was Sie interessiert und umtreibt, können Sie sich selbstverständlich mit Ihren Kollegen in der Verlagsetage austauschen – und Sie können auch uns direkt Fragen stellen: Hier gehts zur Verlegerinnen-Debatte.

Hier nochmals der Link zur Abstimmungs- und Wahlplattform.

Und hier die schmucklosen, aber präzisen Fragen der Journalistin von der «NZZ am Sonntag» und unsere steifen, aber hoffentlich präzisen Antworten:

Finanzielles

Wie viele Mitglieder habt ihr aktuell? Rund 20’000?
20’582 Mitgliedschaften und 1707 Abonnements (Stand: 12. Oktober 2018), täglicher Zuwachs: zwischen 10 und 20.

Im Januar wollt ihr 66 Prozent Erneuerungen erzielen (...). Das ist ambitioniert. Welche Anhaltspunkte habt ihr für die Zielvorgabe?
Wir haben im Budget konservativ gerechnet, mit einer Erneuerungsquote von 50 Prozent. Das entspricht dem internationalen Benchmark vergleichbarer Projekte. Aber wir wären nicht die Republik, würden wir den Benchmark nicht übertreffen wollen. Unsere Verlegerinnen und Verleger erwarten, dass wir ambitioniert sind. «De Correspondent» in Holland rechnete mit 50 Prozent und erreichte 60 Prozent.

Es hiess Anfang Jahr, man wolle die volle Flughöhe bis Herbst 2018 erreichen (publizistisch) – vor der anstehenden Aboverlängerung. Das ist noch nicht geschehen. Was kommt noch im Herbst/Winter?
Das ist Ihre Bewertung. Wir sind über die publizistische Entwicklung erfreut, mit ihr aber noch keinesfalls zufrieden. Ehrlich gesagt: Wir werden nie zufrieden sein, weil zur DNA der Republik die ständige Weiterentwicklung gehört. Kürzlich haben wir das Feuilleton lanciert, und das Inland-/Bundeshaus-Team ist seit Ende Sommer besetzt. Bis diese Ausbauschritte ihre volle Wirkung entfalten können, braucht es etwas Zeit. Noch nicht ausgeschöpft haben wir unsere Möglichkeiten bei den Audio- und Videoformaten. Auch das braucht Zeit. Anfang November wird eine neue Staffel des TV-Formats «An der Bar» mit Roger de Weck starten. Ausserdem haben wir drei, vier grosse Kisten in Planung. Aber wir wären töricht, der Konkurrenz zu erzählen, was wir für Herbst/Winter alles genau planen.

Wenn ihr im Januar unter 50 Prozent zu liegen kommt, wirds eng. Wird es bei diesem Szenario zeitnah zu Entlassungen kommen?
Wir sind ein betriebswirtschaftlich denkendes und handelndes Unternehmen. Als verantwortungsvoller Arbeitgeber bereiten wir uns mit dem Team auf alle möglichen Szenarien vor. Alle an Bord sind sich bewusst, dass die Republik ein Projekt gegen die Wahrscheinlichkeit war und ist. Die fortlaufende Mitgliederentwicklung deutet allerdings nicht auf das von Ihnen skizzierte Szenario hin.

Wann startet ihr mit der zweiten Finanzierungsrunde? Wie viel Geld wollt ihr mit ihr aufnehmen, bis wann und wie (Crowdfunding, Stiftungen, Investoren)?
Die strategischen Gremien sind daran, die zweite Finanzierungsrunde vorzubereiten. Der Mittelbedarf ist abhängig von der Mitgliederentwicklung im Januar. Am öffentlich kommunizierten Finanzierungsplan hat sich nichts geändert: Die Anschubfinanzierung sichern wir primär über Investoren. Alles zum Finanzierungsplan finden Sie hier.

Bis wann ist die aktuelle Finanzierung gesichert?
Nach aktuellem Budget ist die Finanzierung bis mindestens Ende des zweiten Geschäftsjahres gesichert.

Bis zum Break-even soll sich der Kapitalbedarf auf 7 Millionen Franken belaufen. Wie viel wurde bislang insgesamt aufgenommen?
1,5 Millionen Franken [plus 2 Millionen Franken Spenden]. Der Kapitalbedarf von 7 Millionen Franken entspricht dem Szenario fünf Jahre bis Break-even.

Aufgrund der aktuellen finanziellen Lage: Haltet ihr am Ziel fest, nach den ersten drei Jahren den Break-even zu erreichen, oder wird sich dieser hinauszögern?
Es gibt keinen Grund, von diesem Ziel abzusehen. Wir rechnen in Szenarien: Drei Jahre ist der Best Case, fünf Jahre geben wir uns maximal.

Vom Investor Meili könnt ihr noch einen Darlehensanteil von einer Million Franken einlösen – wann geschieht dies?
Das wird in den nächsten Wochen geschehen. Grundsätzlich streben wir einen möglichst hohen Selbstfinanzierungsgrad an. Alles zum Aktionariat finden Sie hier.

Feuilleton-Finanzierung: Wie viel Geld floss bislang in die Finanzierung des Feuilletons? Gemäss Geschäftsbericht: 144’696 Franken der G+B Stiftung sowie 322'000 Franken Fonds?
Was im Geschäftsbericht steht, ist korrekt. Die Anschubfinanzierung des Feuilletons über Stiftungen ist noch nicht abgeschlossen.

Wie hoch ist nochmals euer Einheitslohn, 8000 Franken?
Das kommt hin, er variiert je nach Anzahl Kinder und Alter. Eine leichte Altersprogression federt den Effekt höherer Arbeitnehmerinnenbeiträge für die Pensionskasse ab.

Organisation/Reorganisation

Es gibt das Start-up Project R und das publizistische Produkt Republik. Wie funktioniert die Firmenstruktur genau?
Den Bauplan finden Sie hier. Grundsätzlich ist die Genossenschaft die Trägergesellschaft der Republik AG (Mutter-Kind-Modell). Kommende Woche lancieren wir den Genossenschaftsrat. Damit institutionalisieren wir die Republik-Community in der Project-R-Genossenschaft. Der Rat soll eine Mischung werden aus Parlament, Aufsichts- und Kontrollgremium, Thinktank, Debattierklub und Ideenentwicklungslabor. Aus allen Regionen der Schweiz haben sich Kandidatinnen und Kandidaten gemeldet. Näheres zu diesem Membership-Projekt, bei dem wir in einem internationalen Austausch mit vergleichbaren Medien stehen, finden Sie hier.

Was beide eint, ist die basisdemokratische Vorgehensweise. Diese scheint zum Stolperstein geworden zu sein. Der basisdemokratische Prozess ist extrem ineffizient und teilweise zermürbend. Keine Hierarchie zu haben, scheint nicht zu funktionieren. Zu viel Freiheit verhindert Fokussierung, jeder macht was er will, es besteht viel Reibungsverlust – und letztlich publizistisch eine gewisse Beliebigkeit. Wie wollt ihr das ändern?
Wir waren nie ein basisdemokratisches Unternehmen. Vor dem Start hatten wir viel Zeit, um alles gemeinsam zu entscheiden. Seit dem Start ist die Geschäftsleitung mit den relevanten Kompetenzen ausgestattet. Grob gesagt funktioniert die Republik zweigeteilt. Das Geschäftliche klassisch: Ein Buchhaltungsprozess ist, wie er ist. Da braucht es keine neuen Ideen. Mit der Rechnungslegung von Swiss GAAP FER ist auch schon vieles vorgegeben. HR- und Buchhaltungsprozesse unterscheiden sich jedoch wesentlich von einem Produktentwicklungsprozess. Das Produkt entwickeln wir agil und in eigenverantwortlichen Teams. Das ist ein wesentlicher Faktor des Erfolgs. Denn will man im rauen Medienumfeld bestehen, braucht es ständige Innovation. Und Innovationsprozesse involvieren viele Personen, und das verlangsamt die Prozesse. Dessen waren wir uns immer bewusst. Es haben sich in den vergangenen Monaten Prozesse und Entscheidungswege etabliert, die funktionieren. Andere funktionieren noch nicht so, wie wir uns das wünschen. Das ist normaler Start-up-Alltag. Haben wir in den letzten Monaten ein paar Extrarunden gedreht? Ja. Haben wir viel dabei gelernt? Und wie! Wichtig ist uns, dass wir nicht wie andere Medien ideologische Vorgaben einer Chefetage kennen, die unsere Redaktionsmitglieder umsetzen müssen. Wie es in unabhängigen Medien sein soll, trifft die Redaktion Entscheide ab einer gewissen Tragweite gemeinsam. Wir alle bestimmen die Weiterentwicklung der Republik – sehr bewusst und auch sehr gezielt zusammen mit den Verlegerinnen und Verlegern.

Die Rede ist von «Reibungsverlusten». Was war los? Kams zum Eklat?
Nein, es gab keinen Eklat. Der Übergang vom Start-up ins unternehmerische Alltagsgeschäft geht nicht ohne Reibungen und Diskussionen. Beim Aufbau der Republik haben wir ganz bewusst auf möglichst unterschiedliche Perspektiven gesetzt. Es gab seit der Gründung des Unternehmens immer wieder unterschiedliche Ansichten zu einzelnen Fragen, aber nie über die grundsätzliche Ausrichtung der Republik.

Personalpolitik: Da habt ihr bislang primär Autoren ohne Ressortzugehörigkeit eingestellt, es gibt geringe Dossierkompetenzen, damit sind Themen oft nicht umfassend abgedeckt, es fehlt an der Balance zwischen Aktualität und Hintergrund. Gibt es konkrete Verbesserungsmassnahmen?
Es ist falsch, dass unsere Redaktionsmitglieder geringe Dossierkompetenz haben. Unsere Autorinnen und Autoren verfügen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Digitales, Kultur und Gesellschaft über ausgezeichnete Expertisen. Richtig ist: Wir haben die Redaktion nicht im herkömmlichen Sinn nach Ressorts geordnet. Das hängt auch damit zusammen, dass wir keine redaktionellen Räume rund um gebuchte Inserate füllen müssen. Wir arbeiten daran, etwas mehr Teamstruktur in die Redaktion zu bringen, aber nicht im Sinne von fixen Ressorts. In der Balance zwischen Aktualität und Hintergrund (wobei das keine Gegensätze sind) haben wir seit dem Start des Inlandteams zugelegt, und wir entwickeln uns in diese Richtung weiter.

Heute soll ein neues Chef-Trio (Chefredaktion) gewählt werden. Kannst du die Namen bekannt geben?
Es liegt ein Vorschlag des Verwaltungsrats zuhanden der Redaktion auf dem Tisch. Konkrete Informationen zu Personalien gehen immer zuerst an unsere Verlegerinnen und Verleger. [Inzwischen hat die Redaktion die Chefredaktion bestätigt, und wir haben die Verleger im aktuellen Newsletter informiert.]

Reorganisation: Wann und mit welcher Einsicht wurde der Entscheid gefällt?
Im August vom Verwaltungsrat und mit der Einsicht, dass wir die internen Weiterentwicklungsprozesse von einem Organisationsprofi begleiten lassen wollen.

Wie hilft euch [Organisationsberaterin] Elisabeth Michel Alder?
Die Herausforderung liegt vor allem darin, unterschiedliche Arbeitskulturen (Journalisten, Entwicklerinnen, Community- und Marketingexperten) in einem publizistischen Weiterentwicklungsprozess zu vereinen. Diese Herausforderung teilen wir mit ähnlichen Projekten weltweit, mit denen wir ständig im Austausch stehen. Mit Elisabeth Michel Alders Engagement sind wir sehr zufrieden.

Was sind die bisherigen Learnings?
Dass wir klarer definierte Entscheidungsplattformen brauchen, die alle Bereiche des Unternehmens schlank und zielführend miteinander verknüpfen.

Transparenz

Von Anfang an stand die Republik für Transparenz. Warum legt ihr euren Verlegerinnen und Verlegern keine Kennzahlen (Klickzahlen, Verweildauer, andere Online-KPIs, Interaktion mit Community) vor?
Weil Klickzahlen für uns keine Währung sind. Wir müssen keinen Werbemarkt befriedigen und optimieren Vertrauen, nicht Reichweite. Dabei orientieren wir uns an vergleichbaren Projekten im Ausland, die ebenfalls sehr zurückhaltend Daten erheben. Entscheidend für den Erfolg und die Weiterentwicklung der Republik ist der ständige, intensive Dialog mit den Leserinnen und Lesern. Im weiteren Entwicklungsprozess sind jedoch Analytics vorgesehen, und wenn wir Daten auswerten, werden wir diese auch transparent mit unseren Verlegerinnen teilen. Die wichtigste Kennzahl für den Erfolg ist für uns die Entwicklung bei Mitgliedern und Abonnements, die wir fortlaufend aktualisiert öffentlich kommunizieren. Darüber hinaus werfen wir hin und wieder einen Blick auf die Unique Clients pro Monat, und diese Kennzahl steigt seit dem Startmonat im Januar kontinuierlich an.

Haben Sie Fragen an uns?

Hier gehts zum Dialog mit der Project-R-Crew. Und hier finden Sie die Wahl- und Abstimmungsplattform, um Ihre Stimme als Verlegerin, Verleger abzugeben.