Briefing aus Bern

Freihandel mit den USA, Keller-Sutter sagt Ja – und die SVP im Abwärtstrend?

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (28).

Von Elia Blülle, 11.10.2018

Es ist so weit. Nachdem der amerikanische Präsident Donald Trump einen Handelskrieg angezettelt und sich rund um die Welt verkracht hat, kommt jetzt auch die Schweiz an die Reihe. Sie muss ihre Handelsbeziehungen zu den USA überdenken. Aber haben Sie keine Angst. Es drohen nicht Feuer und Zorn. Im Gegenteil. Es steht ein alter Schweizer Traum zur Debatte: das Freihandelsabkommen mit den USA.

Um diesen Traum zu verwirklichen, reist nächste Woche die oberste Schweizer Handelsdiplomatin, Staatssekretärin Marie Ineichen-Fleisch, nach Washington und führt Sondierungsgespräche. Damit reagiert die Schweizer Regierung vor allem auf Bestrebungen der USA und der EU, ein ähnliches Handelsabkommen aufzugleisen. Denn käme eine solche Vereinbarung zustande, ohne dass die Schweiz im Voraus ein vergleichbares Abkommen vorzuweisen hat, wären Schweizer Exportprodukte auf dem amerikanischen Markt nicht mehr konkurrenzfähig.

Und das wäre verheerend: Die USA sind der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz. Pro Jahr exportiert die hiesige Wirtschaft Waren im Wert von 36 Milliarden Franken in die Staaten. Das war der Grund, weshalb sich die Schweiz bereits 2006 in Washington um ein Freihandelsabkommen bemühte. Damals stellte Präsident George W. Bush die Schweiz vor die Wahl: Entweder ihr akzeptiert ein Abkommen, das die Agrarwirtschaft einschliesst, oder ihr vergesst es.

Für die Schweizer Bauern war das ein Tabu. Sie torpedierten die Verhandlungen, bis sie scheiterten. Zwölf Jahre später stehen die Diplomatinnen wieder vor derselben Herausforderung wie 2006: Sind die USA bereit, die Agrarwirtschaft aus einem Abkommen auszuklammern?

Die Verhandlungsposition der Schweizer Delegation ist hart. Ineichen-Fleisch sagte im Interview mit dem «Tages-Anzeiger»: «Agrar-Freihandel mit den USA schliessen wir aus.» Sie weiss: Ohne die Gunst der Landwirte wäre ein schweiz-amerikanisches Freihandelsabkommen innenpolitisch chancenlos. Wird sie aber damit beim «grossartigsten Dealmaker aller Zeiten» durchkommen?

PS: Welche Ziele verfolgt die Handelspolitik von Donald Trump? Unser Wirtschaftsautor Mark Dittli hat im Artikel «Der eskalierende Handelskonflikt» die wichtigsten Fragen beantwortet.

Und jetzt zum Briefing aus Bern – mit dem Wichtigsten in Kürze aus dem Bundeshaus.

Plötzlich Bundesrätin – Karin Keller-Sutter kandidiert

Das müssen Sie wissen: Vor zwei Wochen hat FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann seinen Rücktritt bekannt gegeben. Als Kronfavoritin auf seine Nachfolge wurde seit Monaten die Ständeratspräsidentin Karin Keller-Sutter gehandelt. Nun sind die Spekulationen vorbei: Am Dienstag hat sie ihre Kandidatur bekannt gegeben.

Das ist Keller-Sutter: Die ehemalige Sicherheits- und Justizdirektorin des Kantons St. Gallen ist seit sieben Jahren Ständerätin. Sie ist gelernte Konferenzdolmetscherin – und zum zweiten Mal Bundesratskandidatin: 2010 verlor sie gegen Schneider-Ammann. Damals war sie für viele Linke nicht wählbar, da sie sich vor allem über eine harte Asyl- und Sicherheitspolitik profiliert hatte. Heute ist die Ausgangslage eine andere. Keller-Sutter konnte sich in den vergangenen Jahren auch mit anderen Themen behaupten. So spielte sie etwa beim AHV-Steuerpaket eine wichtige Rolle.

So geht es weiter: Am 5. Dezember werden die Nachfolgerinnen von Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard gewählt. Bei der FDP haben die Kantonalparteien bis zum 24. Oktober Zeit, weitere Kandidaten zu melden. Bei den Christdemokraten dürfte es etwas länger dauern, weil sie zuerst die Wahlstrategie der FDP abwarten.


Wer gewinnt in einem Jahr die Wahlen?

Das müssen Sie wissen: Ein Jahr vor den Parlamentswahlen hat die SRG SSR ihr erstes Wahlbarometer veröffentlicht. Es gibt keine Überraschungen.

Das zeigen die Zahlen: Die SVP wird gemäss Umfrage 2 Prozentpunkte, die CVP deren 1,5 verlieren. Zum jetzigen Zeitpunkt würden die SP, die Grünen und die FDP etwas zulegen. Es sind also keine grossen Veränderungen zu erwarten. Für die richtige Interpretation der Zahlen muss man bedenken, dass mit einem Stichprobenfehler von plus/minus 1,5 Prozent zu rechnen ist. Das heisst, die Zahlen können bei den tatsächlichen Wahlen noch stark von den Umfragewerten abweichen. Mögliche Trends sind trotzdem erkennbar.

Das ist die Interpretation: Der potenzielle Wählerrückgang bei der SVP ist vor allem damit zu erklären, dass Zuwanderungsfragen die Debatte nicht mehr so stark prägen wie noch vor drei Jahren. Dafür haben Themen der sozialen Sicherheit wieder an Bedeutung gewonnen. Eine perfekte Ausgangslage für die linken Parteien.


Schweizer sorgen sich um Fake-News

Das müssen Sie wissen: Fake-News sind manipulative und bewusst erstellte Falschnachrichten. Solche Fehlinformationen wurden zum Beispiel bei den US-Wahlen 2016 oder den Bundestagswahlen eingesetzt, um die Wählerschaft zu beeinflussen. Angesichts der Schweizer Parlamentswahlen in einem Jahr fragt man sich nun: Wie gefährlich sind Fake-News für die Schweiz? Um diese Frage zu beantworten, hat die Forschungsstelle Sotomo im Auftrag des Stapferhauses Lenzburg eine repräsentative Umfrage durchgeführt.

Das zeigt die Studie: Vier von fünf Schweizern erachten Fake-News als Gefahr für die Demokratie und sehen sich von solchen Falschmeldungen in ihrer politischen Meinungsbildung beeinträchtigt. Zudem spannend: Private Medien werden nur von jedem Neunten als vertrauenswürdig eingestuft. Öffentlich-rechtliche Medien von 44 Prozent der Befragten.

Diese Institutionen müssen handeln: Ein Grossteil der Befragten fordert, dass es die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien und des Staates sei, die Gefahr von Fake-News einzudämmen. An dritter Stelle sehen sie die Betreiber der sozialen Medien in der Verantwortung. Auch bemerkenswert: Ansonsten eher staatskritische Rechte forderten in ähnlicher Zahl wie die Linken, dass die öffentlich-rechtlichen Medien und der Staat aktiv werden sollen, damit Fake-News keine Wahlen gefährden.


Zahl der Woche: Das Land der Zugverrückten

Die Schweiz ist Europameisterin im Zugfahren – schon wieder. 2016 bestieg im Durchschnitt jede Schweizerin 72-mal einen Zug und legte pro Jahr 2500 Kilometer auf Schienen zurück. Das ergab die Auswertung des Informationsdienstes für den öffentlichen Verkehr. Auf dem zweiten Rang landete mit grossem Abstand Luxemburg mit 38 Bahnfahrten. Danach folgen Dänemark und Deutschland.

Welche Informationen wollen Sie aus Bern?

Wo sollen wir nachhaken? Wie beurteilen Sie unsere Arbeit? Hier geht es zur Debatte.