Serie Blutige Trophäen – Teil 5

Für solche Trophäen müssen Nashörner ihr Leben lassen: Von britischen Behörden beschlagnahmtes Rhinozeros-Horn. Britta Jaschinski/Photographers Against Wildlife Crime

Das Geschäft mit dem Töten

Allein in Südafrika schlachten Wilderer jedes Jahr 1000 Nashörner ab. Zwei Dokfilmer zeigen, wie der illegale Markt mit Rhinozeros-Horn funktioniert. Teil 5 der Serie «Blutige Trophäen».

Von Mona Fahmy, 11.10.2018

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Der Nashornschmuggel ist für die Wildtiermafia derart lukrativ, dass sie nicht zögert, über Leichen zu gehen.

Allein in Südafrika jagen Wilderer jedes Jahr über 1000 Nashörner, mit Giftpfeilen, Lanzen und Automatikgewehren, hacken ihnen, manchmal noch bei lebendigem Leib, das Horn aus dem Gesicht und lassen die Tiere dann qualvoll verenden.

Und dann wandern die Hörner auf geheimen Wegen nach Vietnam, China und Laos, wo sich der Glaube hält, Rhino-Horn könne so ziemlich alle Krankheiten heilen, bis hin zu Krebs. Und wo die Gier reicher Asiaten nach dem Verbotenen einen neuen Markt hat entstehen lassen: Schmuckstücke und Artefakte aus Rhino-Horn. Mit fatalen Folgen für die Nashörner. Waren es 2007 noch 13 Tiere, die gewildert wurden, sind es seit 2013 jedes Jahr über 1000.

Im Reich der Fälscher

Für den Dokumentarfilm «The Hanoi Connection» recherchierte der schweizerische Filmemacher Karl Ammann zusammen mit seinem südafrikanischen Kollegen Phil Hattingh während sechs Jahren in Südostasien. Sie wollten wissen, wie der illegale Markt auf Detailhandelsstufe funktioniert. Brauchbare Antworten bekommt man da nur, wenn man verdeckt recherchiert und sich als potenziellen Käufer ausgibt.

Etliche Male reisen Ammann und Hattingh nach Vietnam. Mühelos hat ihr Kontaktmann 35 Händler ausfindig gemacht. Alle behaupten, echtes Rhinozeros-Horn zu verkaufen. Der Vorwand der beiden Rechercheure: Sie würden Horn für einen kranken Verwandten suchen.

Dass der Handel mit dem Horn von Nashörnern seit 1977 gemäss dem Washingtoner Artenschutzabkommen CITES verboten ist, interessiert in Vietnam niemanden. Vietnam hat zwar auf Druck der internationalen Gemeinschaft den Handel mit illegalen Wildtierprodukten offiziell verboten. Doch die Behörden schauen weg. Niemand setzt das Verbot um.

Serie Blutige Trophäen

In der Serie von Mona Fahny geht es um den illegalen Handel mit Wildtierprodukten (etwa Elfenbein). Klingt exotisch, ist es aber nicht: Denn dieser Markt gehört zu den Tob Five der illegalen Märkte weltweit.

Teil 3

Der Kampf des Schweizers

Teil 4

Und ewig lockt das Elfenbein

Sie lesen: Teil 5

Das Geschäft mit dem Töten

Ohne Furcht oder Gewissensbisse präsentieren die Händler in und um Hanoi ihre Ware. Viele sind gesprächig: Erzählen, wie sie selbst täglich etwas Rhino-Horn-Pulver konsumieren würden, um Kraft zu tanken; prahlen, wie sie es trotz aller Widrigkeiten geschafft hätten, das seltene Horn zu besorgen. Die versteckte Kamera läuft mit.

Und dann diese Begegnung: «Um uns ein Stück abzutrennen, hackte ein Händler so dilettantisch auf dem Rhino-Horn herum, dass ein Stück absplitterte und auf die Strasse flog», erinnert sich Ammann. «Doch er machte einfach weiter und liess den Splitter achtlos liegen.»

Ein Kilogramm afrikanisches Horn kostet 20’000 US-Dollar, ein Kilo asiatisches Horn 40’000 US-Dollar. Die beiden Filmemacher werden misstrauisch: Bei echtem Rhino-Horn hätte der Händler nicht nur sorgfältiger hantiert, sondern wäre dem Splitter auch gleich hinterher­gesprungen.

So oder so: Alle erworbenen Stücke lässt Ammann in einem Labor testen. Ist das Horn echt? Und wenn ja, von welchen Tieren stammt es?

Das Veterinary Genetics Laboratory an der Universität von Pretoria in Süd­afrika soll Klarheit bringen. Dort hat ein Wissenschaftsteam um die Genetik-Expertin Cindy Harper eine DNA-Datenbank mit Proben von über 20’000 Nashörnern errichtet. Die Proben im Rhino DNA Indexing System (RhODIS) sollen helfen, Hornstücke gewilderten Tieren zuzuordnen. In über hundert Fällen sind Proben schon vor Gericht verwendet worden und haben geholfen, Wilderer und deren Auftraggeber zu überführen.

Die Ergebnisse sind eindeutig: 90 Prozent der Stücke, die Ammann und Hattingh in Vietnam gekauft haben, sind Fälschungen. Die Proben stammten von Schafen, Wasserbüffeln, Kudus und der vom Aussterben bedrohten Saiga-Antilope. Aber nicht von Nashörnern.

Warum sinken die Preise?

Ein zweites Mal reisen die beiden Filmemacher nach Vietnam – und erzählen den Händlern bei dieser Gelegenheit von einem Freund, dem falsches Rhino-Horn angedreht worden sei. Wie könne man den Unterschied erkennen?

«Wir bekamen jede Menge guter Ratschläge», sagt Karl Ammann. «Wir sollten die Stücke mit einer Taschenlampe beleuchten, dann würde man den Unterschied sehen. Wir sollten auf den Ton achten, wenn wir dagegen­klopfen. Auf die Farbe.»

Alle Händler legen sich mächtig ins Zeug, um den Männern zu beweisen, dass ihre Stücke echt seien. Und ausnahmslos alle verkaufen ihnen danach wieder Fälschungen.

80 bis 160 US-Dollar für ein Gramm: Schmuck und ganze Stücke des Rhino-Horns in einem Shop in Mong Lah, Burma. Karl Ammann

Warum sind all diese Händler von echtem auf Fake Rhino umgestiegen? Die Antwort liege im Verfall der Preise, glaubt Karl Ammann. Vor wenigen Jahren zahlte man auf dem Schwarzmarkt rund 60’000 US-Dollar pro Kilogramm Horn, vergangenes Jahr noch rund ein Drittel so viel. Der Aufwand, sich echtes Horn zu besorgen, ist anhaltend hoch, der Ertrag stark gesunken. Da dachten sich offenbar etliche, es sei einfacher, Käufern Fälschungen anzudrehen.

Was aber wird aus jenen rund 1000 Nashörnern, die allein in Südafrika jährlich abgeschlachtet werden? Wo landet deren Horn, und wer sind die Käufer?

Gier nach Statussymbolen

Ammann und Hattingh finden die Antwort in mondänen Touristenorten in China, Burma, Laos und Vietnam. Dort, in Schmuck- und Souvenirgeschäften, finden sie das echte Rhino-Horn. Bei einem Ring, Armband, Medaillon oder Kamm kostet das Gramm Horn schnell einmal 80 bis 160 US-Dollar – während die Händler der Traditionellen Chinesischen Medizin kaum bereit sind, mehr als 10 oder 20 Dollar pro Gramm zu zahlen.

Und die Käufer? Sind vor allem reiche Chinesen. Das Verbotene verschafft ihnen offenbar den besonderen Kick – und der treibt die Nachfrage an. Immer wieder werden Ammann und seine Mitarbeiter Zeuge, wie Chinesen engros einkaufen – nicht nur für sich, sondern gleich für ein paar Verwandte und Bekannte mit.

Die Gier nach Statussymbolen hat die traditionelle asiatische Medizin als Treiberin der Nachfrage abgelöst.

Und diese vermögenden Kunden lassen sich nicht mit Fälschungen abspeisen. Händler berichten, dass Käufer, die Rhino-Horn für Hunderttausende US-Dollar einkaufen, die Ware erst von eigenen Experten begutachten liessen.

Wieder machen die Filmemacher Testkäufe. Wieder schicken sie die Proben ins Labor. Dieses Mal ist die Quote umgekehrt: 90 Prozent davon sind echt.

Die unbekannten toten Nashörner

Unter den Proben, die Ammann in den vergangenen drei Jahren ins Labor geschickt hat, sind auch solche vom Spitzmaulnashorn, das kurz vor dem Aussterben steht: Weltweit gibt es noch etwas über 5000 Exemplare. Noch verstörender: Die meisten Proben können keinem der 20’000 Nashörner in der DNA-Datenbank zugeordnet werden. Ist das Erfassungssystem doch nicht zuverlässig? Woher kommen denn alle diese Nashörner?

Bis heute gibt es keine Erklärung dafür, nur mehrere Thesen:

  • Besitzer von game reserves, grossen Farmen, die sich auf Fotosafaris für Touristen spezialisiert haben, könnten das Horn illegal selbst verkaufen. Dazu müssen sie die Tiere nicht töten. Etliche Besitzer schneiden den Nashörnern das Horn ohnehin ab, um sie vor Wilderern zu schützen, für die Tiere ist es nicht einmal schmerzhaft. Nur ist es verboten, dieses Horn dann zu verkaufen.

  • Horn könnte aus staatlichen Beständen oder Museen stammen. 2016 wurde zum Beispiel in einem staatlichen Laden in Sambia eingebrochen, und es wurden einige Rhino-Hörner entwendet. Diese DNA-Proben sind nicht in der RhODIS-Datenbank verzeichnet.

  • Das Horn stammt aus Lagerbeständen der chinesischen Regierung, 1992 hatte man an die 10 Tonnen Rhino-Horn gehortet. Ein Pharmaunternehmen besitzt weitere 4 Tonnen. Auch diese Bestände sind nicht in der RhODIS-Datenbank verzeichnet.

  • Oder, und das ist die beunruhigendste These, werden nicht alle gewilderten Nashörner gemeldet?

Alle gucken weg

Als Karl Ammann aus Südostasien zurückkehrte, transportierte er die Rhino-Horn-Proben in seinem normalen Gepäck. Er flog über Zürich, Nairobi, New York, Johannesburg. Scanner durchleuchteten seine Koffer, Hunde schnüffelten daran, Zöllner öffneten sie. Das Rhino-Horn war offen sichtbar. Aber niemand interessierte sich dafür. Man sucht nach Drogen, Sprengstoff oder Waffen. Nicht nach dem, was von gewilderten Tieren übrig ist.

Die Republik hat Klaus Ammanns Recherchen zum illegalen Handel mit Rhinozeros-Horn finanziell unterstützt.

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