Stürme fordern Opfer, Syrien macht Pause – und Maudet verliert die Immunität
Woche 38/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Michael Kuratli, 21.09.2018
Mangkhut und Florence zerstören Küstengebiete
Darum geht es: Der Taifun Mangkhut forderte mindestens 65 Todesopfer auf den Philippinen sowie Hunderte Verletzte in Hongkong und China. In den durch Hurrikan Florence überschwemmten Gebieten an der Ostküste der USA starben mehr als 30 Menschen.
Warum das wichtig ist: Mangkhut war für Hongkong der stärkste Taifun seit Beginn der Aufzeichnungen. Vergangenes Wochenende schüttelte er die Stadt durch. Das hielt die Geschäftswelt allerdings nicht davon ab, ihre Angestellten am Montag bereits wieder zur Arbeit antanzen zu lassen – was bei reduziertem ÖV-Betrieb und gesperrten Strassen zu einem vorhersehbaren Verkehrschaos führte.
Derweil traf auch Hurrikan Florence in den USA auf Land und brachte vor allem massiven Niederschlag. Der Sturm verweilte lange an der Küste und transportierte dadurch viel Wasser in die betroffenen Gebiete. Präsident Trump nannte Hurrikan Florence in einer Videobotschaft «einen der nassesten, den wir je vom Standpunkt des Wassers her gesehen haben».
Was als Nächstes geschieht: In den Philippinen werden die Wiederaufbauarbeiten noch lange dauern, da einige Gebiete fast komplett zerstört worden sind. In den USA wurde an einigen Orten Entwarnung gegeben, während in gewissen Gebieten noch höhere Pegel erwartet werden. Etwa eine Million Menschen sind an der US-Ostküste derzeit ohne Strom.
Angespannte Kampfpause in Syrien
Darum geht es: Der Angriff auf Idlib, die letzte Hochburg der Rebellen in Syrien, ist vorerst abgewendet. Darauf einigte sich die Türkei mit Assads Unterstützern Russland und Iran.
Warum das wichtig ist: An der Front zwischen den von Assads Regierungstruppen gehaltenen und den von den Rebellen kontrollierten Gebieten in der Provinz Idlib soll gemäss der Übereinkunft zwischen den Machthabern der Türkei und Russlands, Erdogan und Putin, eine entmilitarisierte Zone entstehen. Die Provinz grenzt an die Türkei, die dort gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG kämpft und gleichzeitig verschiedene Rebellengruppen unterstützt, von gemässigt bis extremistisch. Die Truppen Assads wollten mit der Unterstützung Russlands und des Iran unlängst die pauschal zu Terroristen deklarierten Aufständischen endgültig schlagen. Eine solche Offensive wäre für die Menschen in der Region eine Katastrophe. Eine erneute grosse Fluchtbewegung wäre die Folge, die Alternative wäre nur der Tod im Bombenhagel.
Was als Nächstes geschieht: Die Übereinkunft der Mächte hinter den Kriegsparteien ist nur eine vorübergehende Verschnaufpause. Assad wird von seinem Ziel, das ganze Land wieder unter seine Kontrolle zu bringen, nicht abrücken. Die Abmachung ist denn auch bloss ein Ultimatum an die Rebellen, sich zu ergeben. Tun sie dies nicht, ist die blutige Rückeroberung nur eine Frage der Zeit.
Umstrittener Maassen wird wegbefördert
Darum geht es: Hans-Georg Maassen, Präsident des deutschen Verfassungsschutzes, wurde nach einem Streit in der Regierung aus seinem Amt wegbefördert. Zuvor war er für seine herabspielenden Äusserungen zur rechten Hetzjagd in Chemnitz massiv kritisiert worden. Seinem Amt lägen «keine belastbaren Informationen vor», dass es in Chemnitz Hetzjagden auf Menschen mit ausländischem Aussehen gegeben habe. Mit dieser Aussage stellte Maassen die Authentizität eines Videos infrage, das zu den Übergriffen kursierte.
Warum das wichtig ist: In der Regierung lösten diese Äusserungen eine Krise aus, vor allem, weil Maassen auf seiner Sicht beharrte und dafür von CSU-Chef Seehofer Rückendeckung erhielt. Dies rief die Koalitionspartnerin SPD sowie die Grünen auf die Barrikaden. Die Sozialdemokraten protestierten zunehmend, der radikalere Flügel stellte gar die Grosse Koalition infrage. Letztlich fand Parteichefin Andrea Nahles mit Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer den Kompromiss, Maassen wegzubefördern. Glücklich ist damit fast niemand, die sensible Balance der Regierung liess aber keine andere Lösung zu. Ein Rauswurf kam für Seehofer nicht infrage. Er hatte unlängst bereits laut darüber nachgedacht, die Koalition mit Merkels CDU platzen zu lassen. Nicht zu handeln, hätte andererseits die SPD zu radikaleren Schritten getrieben. Dennoch kritisiert die Partei, dass mit der Umbesetzung Fehlverhalten belohnt werde.
Was als Nächstes geschieht: Am Fall Maassen entbrannte eine weitere Krise in der Regierung Merkel. Einmal mehr zeigt sich, wie instabil die Verhältnisse in der Grossen Koalition sind und dass der konkrete Fall nur ein Symptom für tiefere Gräben ist. Die nächste Krise ist angesichts der verhärteten Fronten bloss eine Frage der Zeit.
Maudet wird langsam gegangen
Darum geht es: Das politische Parkett wird für den Genfer Regierungspräsidenten Pierre Maudet immer mehr zum Glatteis. Letzte Woche entzogen ihm die Kollegen im Genfer Staatsrat bereits seine präsidialen Kompetenzen sowie die Kontrolle über Polizei und Flughafen. Gestern Abend entzog ihm das Parlament zudem die Immunität.
Warum das wichtig ist: Zuerst sei es nur eine private Reise gewesen, die er 2015 nach Abu Dhabi unternommen habe, und den Kronprinzen und Transportminister der Vereinigten Arabischen Emirate habe er nur per Zufall getroffen, beteuerte Pierre Maudet, Regierungspräsident von Genf. Als er vor zwei Wochen dann doch zugab, «einen Teil der Wahrheit unterschlagen zu haben», und sagte, dass er von Anfang an gewusst habe, dass er die Reise inklusive Unterkunft in einem Luxushotel in seiner Funktion als Exekutivmitglied geschenkt bekommen hatte, fing sein Niedergang an. Doch der ehemalige Bundesratskandidat für die FDP bleibt bis heute im Amt, obwohl ihn sogar Parteichefin Petra Gössi kritisierte und seine Handlungsfähigkeit infrage stellte. Das neuste Kapitel im Fall Maudet sind nun seltsam anmutende Vorwürfe zweier Staatsratskollegen, er habe ihre Telefone abhören lassen.
Was als Nächstes geschieht: Gestern Abend hob das Parlament die Immunität Maudets in einer ausserordentlichen Sitzung auf. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass dies bei einem amtierenden Regierungsmitglied geschieht. Eine Resolution, die seinen Rücktritt forderte, lehnte das Parlament jedoch ab. Der Weg ist mit dem Entscheid frei für Untersuchungen zur Affäre.
The times they are a-changin’ (nur kurz)
Milliardäre stellen sich gerne teure Trophäen in die Vitrine. Und sie kaufen millionenschwere Unternehmen wie andere Swarovski-Kristalle. So auch Marc Benioff, neuer Besitzer des traditionsreichen «Time Magazine». «Vor zwei Wochen habe ich nicht gedacht, dass ich das Magazin kaufen werde», sagte Benioff in einem Interview. 190 Millionen US-Dollar liessen er und seine Frau Lynne sich das 1923 gegründete Magazin kosten. Doch dem Anschein nach ging es der alten Besitzerin nicht nur um Geld. Das Medienunternehmen Meredith hatte offenbar ein Angebot des Medienmoguls David J. Pecker über 325 Millionen Dollar ausgeschlagen. Interessant zu wissen: Im Präsidentschaftswahlkampf hatte dieser den Abdruck eines Artikels zu einer angeblichen Affäre Trumps mit einer Pornodarstellerin gegen Bezahlung verweigert.
Top-Storys: Das Beste der anderen
Kavanaugh: In den USA wird der von Trump für den Obersten Gerichtshof nominierte Brett Kavanaugh beschuldigt, als Teenager eine Frau sexuell attackiert zu haben. Weshalb gewisse Männer lieber Übergriffe verteidigen, als sie zu verurteilen, erklärt dieser lesenswerte Artikel von «Slate».
Strenge deutsche Mütter: «Das Kind wird gefüttert, gebadet und trockengelegt, im Übrigen aber vollkommen in Ruhe gelassen»: Wie ein Erziehungsratgeber aus der Nazizeit noch immer in den Köpfen der Kinder rumgeistert, zeigt der Artikel in der «Zeit» auf.
Connected USA: Was macht es aus, dass Menschen miteinander verbunden sind? Die aufschlussreiche Datengeschichte der «New York Times» wirft Schlaglichter auf Geschichte, Geografie und Grenzen.
Pierre Maudet: Der Aufstieg des vielversprechenden Politikers war steil. Die Chronik seines Niedergangs hat «L’illustré» zwar schon vorletzte Woche geschrieben, dafür aber gründlich.