Eidgenössische Randnotizen

Die künstliche Insel der Gleichberechtigung

Von Michael Kuratli, 12.09.2018

Schreiben Männer die Geschichtsbücher, schrumpfen die Meilensteine der Frauenbewegung oft zu Kieselsteinen am Wegrand. Und dies selbst wenn sie kubikmetergross sind und sich Menschen täglich darauf bewegen.

Die Saffa-Insel liegt am südlichen Ende der Landiwiese, scheinbar natürlich schmiegt sie sich an die Flanke des Zürcher Seebeckens. Ihr Name mit der Häufung von schleifenden Lauten ruft Bilder eines von Nebelschwaden umwehten, mythischen Eilands aus den Tagebüchern verwegener Seefahrer hervor.

Doch eigentlich ist Saffa ein nüchternes Akronym und steht für die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit. Vom Grossanlass blieb in den Geschichtsbüchern wenig hängen – ganz im Gegensatz zur grossen Schwester, der Landi 39, die als identitätsbestärkender Kraftakt und schicksalshafter Gegenanlass zum Zweiten Weltkrieg gilt.

Dabei legten sich die Organisatorinnen um Architektin Annemarie Hubacher-Constam ins Zeug. Sie reanimierten anlässlich der Ausstellung von 1958 sogar die beliebte Gondelbahn der Landi, die Besucherinnen das Ufer entlang zur Ausstellung schweben liess. Mit verhältnismässig kleinem Budget realisierten ausschliesslich Frauen historische und zeitgenössische Einblicke in den weiblichen Alltag. Nach der ersten Ausgabe von 1928, die unter der Leitung von Lux Guyer in Bern stattgefunden hatte, wurde auch die zweite Saffa ein Besuchererfolg.

Obwohl oder vielleicht eher weil die Frauen keine Revolution forderten.

Denn auch wenn an der Ausstellung die politische Gleichberechtigung mit dem Mann als Zukunftsvision gezeigt wurde, präsentierten die konservativen Organisatorinnen einen eher traditionellen Blick auf die Frau. Ihre Tätigkeiten als Lehrerin, Fabrikarbeiterin, Samariterin, Künstlerin und als Frau um Hof, Herd und Heim standen im Zentrum der Saffa.

Auch distanzierten sich die Organisatorinnen von der gleichzeitig zur Ausstellung erschienenen, gnadenlosen Analyse «Frauen im Laufgitter» von Iris von Roten. Mitunter wahrscheinlich ein Grund, wieso die Saffa keinen Eingang in die Emanzipationsgeschichte linker Frauen fand.

Wenn auch nicht politisch, so prägten die Frauen der Saffa die Landschaft Zürichs dennoch nachhaltig. Was viele Badende und Sonnende, die jeden Sommer die Insel besuchen, nicht wissen: Das Stück Land wurde 1958 eigens für die Ausstellung aufgeschüttet. Und offenbar war diese Idee nicht etwa ein schwerwiegender Kostenpunkt im knappen Budget, sondern sogar eine Geldquelle: An jedem Lastwagen Aushub von umliegenden Baustellen, den die Frauen im See versenkten, verdiente die Saffa nämlich rund sechs Franken.

Sechzig Jahre ist das nun her, und zum Jubiläum hat sich der Verein Créatrices zum Ziel gesetzt, die verschütteten Erinnerungen wieder freizulegen. Mit einem Pavillon auf der Insel, Veranstaltungen und Stadtrundgängen soll die Saffa 1958 wieder ins Gedächtnis gerufen werden.

Von der künstlichen Insel der Gleichberechtigung heben sich damit im besten Fall die mythischen Nebelschwaden der Vergesslichkeit.

«60 Jahre SAFFA 1958 – Was bewegen Frauen heute» – temporärer Pavillon auf der Saffa-Insel vom 13. bis 29. September mit einer Ausstellung, Abendveranstaltungen und Stadtspaziergängen.

Eidgenössische Randnotizen

Unter diesem Titel erscheinen in loser Folge Anekdoten zur Schweizer Geschichte. Hier gehts zur Sammlung der bisher erschienenen Beiträge.

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