Meine gescheiterten Google-Romanzen
Von Adrienne Fichter, 30.08.2018
Seit kurzem weiss ich: Google drängt mich in die Polyamorie.
Der Reihe nach: Wie viele Touristen haben Sie diesen Sommer mit einem Stadtplan in der Hand gesehen? Sie müssen erst überlegen? Genau. Das Smartphone hat das unpraktische A3-Faltpapier ersetzt. Google Maps ist zum unverzichtbaren Reisebegleiter geworden.
Doch wussten Sie auch, dass Google Sie neuerdings verkuppeln möchte, und zwar mit gastronomischen Einrichtungen? Mit akkuraten Prozentangaben, ob ein Café wirklich zu Ihnen passt?
Diese Erkenntnis habe ich diesen Sommer gewonnen. Voraussetzung für die Beziehungsprognose ist natürlich die Bekanntgabe meines Standorts. Und obwohl ich partout keine Lokalität mit Sternchen bewertet und auch noch nie einen einzigen Besuch «bestätigt» habe, stellt Google Mutmassungen an: Ob ich und das Restaurant Soundso ein Paar werden könnten, ob ich Schweizer Küche mag, ob mir ein bestimmter Kaffee schmeckt.
Nicht weil ich etwa eindeutige Signale von mir gäbe. Sondern allein aufgrund meiner (stillen) Aufenthaltsdauer. Google spielt also Parship. Nur ohne Psycho-Fragebogen.
Das führt zu bizarren Kuppelei-Versuchen. Zum Beispiel im Fall der Zürcher Starbucks-Filialen, die ich aufsuche, weil wir hier leider keine sympathischeren Kaffeehausketten haben. Dem Starbucks am Central wird mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Liaison mit mir zugetraut. In der Tat: Ich suche den Ort immer wieder auf. Und verweile.
Der Grund dafür ist jedoch weniger spektakulär: Ich habe darin temporär mein Homeoffice eingerichtet, um die Zeit zwischen zwei Terminen zu überbrücken. Reiner Pragmatismus. Doch Google schliesst daraus: Amour fou!
Mein Beziehungsstatus zum Starbucks Sihlquai geht jedoch nicht über das Platonische hinaus. Es flammt nur ein laues Feuerchen zwischen uns: 36 Prozent. Bei der Begründung dieser doch etwas eigenartigen Zahl steht auf meinem Smartphone:
«Offenbar findest Du ‹Hervorragenden Kaffee› weder gut noch schlecht.»
Das Restaurant Viadukt – das ich in der Tat sehr schätze – ist ein 100-prozentiger Treffer. Ich kam, ich blieb, ich ass. Dreieinhalb Stunden lang. Es muss mindestens ein Drei-Gänge-Menü gewesen sein. It’s a match! Dass die Bedienung vielleicht nervtötend langsam arbeitet, haben die Google-Ingenieure als mögliche Variable von vornherein ausgeschlossen.
Dieses Parship-Prinzip für Restaurants ist seit Juni 2018 bei Google Maps in Kraft.
Warum macht das der Suchmaschinen-Konzern? Weil es zu viele Leute wie mich gibt. Die die Annehmlichkeiten von Maps geniessen, aber zu faul sind, um Bewertungen zu schreiben. Oder kennen Sie irgendjemanden, der lieber für Google statt Tripadvisor Empfehlungen verfasst?
Eben. Also greift das Unternehmen auf bekannte Zwangsmassnahmen zurück: Daten. Seit letzter Woche wissen wir auch, dass wir niemals verbergen können, wo wir gerade sind. Google findet uns trotzdem. Und missinterpretiert unsere Vorlieben dank irreführender Prämissen gründlich.
Im besten Fall bestätigt mir Google, was ich schon weiss: wo ich war. Damit ist bewiesen: In gastronomischen Fragen scheitert die künstliche Liebesintelligenz.
Mögen die Paarschliessungen auf Parship etwas nachhaltiger sein.