Was diese Woche wichtig war

Angriff auf Frauen in Genf, türkische Lira in freiem Fall – und feiern nach Ländle-Art

Woche 33/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli und Adelina Gashi, 17.08.2018

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Genf: Schläger attackieren Frauen – landesweite Proteste

Darum geht es: In Genf hat am Mittwoch vergangener Woche eine Gruppe junger Männer fünf Frauen spitalreif geschlagen. Die Täter attackierten zuerst eine der Frauen, die gerade einen Nachtclub verliess. Als vier weitere Frauen dem Opfer helfen wollten, wurden sie selbst verprügelt. Ein Opfer liegt noch immer im Koma.

Warum das wichtig ist: Der Vorfall sorgte schweizweit für Bestürzung. Auch deshalb, weil die umstehenden Passanten tatenlos zusahen. Die Täter prügelten weiter auf die Frauen ein, als diese schon am Boden lagen. Sie liessen erst von ihnen ab, als mehrere Männer einschritten. Sie flüchteten, bevor die Polizei am Tatort erschien. Tags darauf demonstrierten in Genf etwa 200 Menschen gegen Gewalt an Frauen. Auch in Basel, Bern, Zürich und Lausanne gingen am Sonntag Hunderte Personen auf die Strasse, um zu protestieren. Auf nationaler Ebene lösten vor allem Spekulationen über die allfällige Herkunft der Täter Diskussionen aus – obwohl dazu noch kaum gesicherte Fakten bekannt sind. Natascha Wey, Co-Präsidentin der SP-Frauen, sagte denn auch: «Gewalt gegen Frauen kennt keine Hautfarbe, Herkunft, soziale Schicht oder Religion. Es ist ein omnipräsentes Phänomen.» Sophie Achermann, Geschäftsführerin des Bunds Schweizerischer Frauenorganisationen Alliance F, sagt, dass es falsch sei, die Schuld für Gewalt an Frauen nur Migranten zuzuschreiben. Sie verweist darauf, dass häusliche Gewalt vor allem in Schweizer Haushalten geschähe. In der Schweiz würde alle zwei bis drei Wochen eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet und alle 35 Minuten müsse die Polizei wegen häuslicher Gewalt ausrücken.

Was als Nächstes geschieht: Die Täter konnten zwar noch nicht gefasst, aber identifiziert werden. Es handelt sich um französische Staatsangehörige. Deshalb soll das Verfahren nun an Frankreich abgetreten werden. Für die Schweiz ist das Thema damit aber nicht beendet. Politikerinnen fordern mehr Polizeipräsenz im öffentlichen Raum und härtere Sanktionen für Täter.

Genua: Über dreissig Tote bei Brückeneinsturz

Darum geht es: In Genua ist eine Autobahnbrücke eingestürzt. Mehr als dreissig Menschen kamen ums Leben, gegen zwanzig wurden verletzt. Der Grund für den Einsturz ist noch ungeklärt. Die italienische Regierung rief für die Stadt einen einjährigen Notstand aus.

Warum das wichtig ist: Die eingestürzte Brücke verläuft durch den Westen Genuas. Beim Einsturz befanden sich rund dreissig Autos und ebenso viele Fussgängerinnen auf der Brücke. In den Trümmern wird immer noch nach Vermissten gesucht. Etwa 400 Menschen in der Umgebung der Brücke wurden vorsorglich aus ihren Häusern evakuiert. Zur Zeit des Unglücks waren Bauarbeiten an der Brücke in Gange. Ob ein Zusammenhang mit der Katastrophe besteht, ist noch nicht geklärt. Mehrere Regierungsmitglieder äusserten sich zu den Ereignissen. Transportminister Danilo Toninelli forderte bereits Rücktritte bei der privaten Betreiberfirma. Der Einbruch hat eine Diskussion über die Ende der Neunzigerjahre privatisierten Autobahnen ausgelöst. Innenminister Matteo Salvini sprach davon, dass der Staat die Kontrolle wieder übernehmen müsse, wenn Private versagten. Zudem nutzte er die Gelegenheit, die Sparvorgaben der EU zu kritisieren: «Wenn äussere Zwänge uns davon abhalten, in sichere Strassen und Schulen zu investieren, dann müssen wir wirklich hinterfragen, ob es Sinn hat, diese Regeln zu befolgen.» Der Lega-Chef versucht damit, das Land gegen Sparvorgaben zu mobilisieren. Italien berät gerade über ein Budget für 2019. Die Regierung fordert ein Aussetzen der EU-Defizitregeln.

Die eingestürzte Autobahnbrücke in Genua. The Asahi Shimbun/Getty Images

Was als Nächstes geschieht: Die Brücke muss komplett abgerissen werden. Sie war Teil der A 10, einer der wichtigsten Verkehrsachsen Italiens, die entlang der Riviera Frankreich mit Norditalien und dem Hafen von Genua verbindet. Der Unterbruch wird den Verkehr und die regionale Wirtschaft stark beeinträchtigen.

Türkische Lira im freien Fall

Darum geht es: Die Währung der Türkei hat in der letzten Woche stark an Wert verloren. Die USA erheben ausserdem zusätzliche Zölle auf türkische Exporte.

Warum das wichtig ist: Wenn sich Politiker in die Währungspolitik ihres Landes einmischen, wird das von den Märkten meist nicht goutiert. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat genau das gemacht. Im Mai kündigte er an, die geldpolitischen Zügel stärker in die Hand zu nehmen; im Juni ernannte er seinen Schwiegersohn zum Finanzminister. Dies schadete der Glaubwürdigkeit der türkischen Geldpolitik. Anleger begannen, Gelder aus der Türkei abzuziehen, die Lira verlor an Wert. Erdogan suchte derweil Schuldige für das Schlamassel – und fand die USA: Ihnen wirft er vor, sein Land schwächen zu wollen. Dass Trump in dieser Krisenzeit neue Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei ankündigte, spielt Erdogan dabei politisch in die Hände. Unterstützung suchte und fand Erdogan in Russland, ein heikles Manöver für das Nato-Land Türkei. Für die Bevölkerung wird die Abwertung der Lira derweil zum handfesten Problem. Importierte Güter, aber auch Alltagsartikel werden mit der steigenden Inflation immer teurer.

Was als Nächstes geschieht: Wer insgeheim hofft, Erdogan würde politisch geschwächt, sollte sich nicht zu früh freuen. Eine Mehrheit der Bevölkerung steht hinter dem Präsidenten. Die Währungskrise weitet sich allerdings mehr und mehr zur Schuldenkrise aus, die Unternehmen und Banken in den Bankrott treiben könnte. Eine internationale Ausweitung der Turbulenzen auf andere Schwellenländer ist nicht ausgeschlossen.

Glyphosat: Erstes Urteil bei Krebsklage gegen Monsanto

Darum geht es: Monsanto hat vor einem kalifornischen Gericht einen wichtigen Prozess verloren. Die Klage eines Krebskranken drehte sich um den Einsatz von Glyphosat, das weltweit umstritten ist. Der zu Bayer gehörende Agrochemie-Konzern benutzt das Mittel in seinem Unkrautvernichter Roundup.

Warum das wichtig ist: Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Dennoch wird es flächendeckend eingesetzt. Die EU erteilte vergangenen Dezember nach eigener Prüfung die Erlaubnis für den Einsatz für weitere fünf Jahre. In Brasilien ist der Stoff neuerdings vorerst verboten. Laut dem Urteil eines Gerichts in San Francisco muss Monsanto dem an Krebs erkrankten Kläger 289 Millionen US-Dollar Schadenersatz zahlen. Der Konzern will den Entscheid weiterziehen. Ohnehin trägt das Urteil wenig zur Gewissheit bei, ob der Stoff tatsächlich krebserregend ist. Die Unsicherheit bezüglich des Umweltgifts ist jedoch hoch. Dies vor allem aufgrund eines Befundes der Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO von 2015. In Österreich flammte nach dem Urteil die Diskussion um den Einsatz des Gifts erneut auf. Die SBB hatten bereits im Juli mitgeteilt, in Zukunft auf den Einsatz von Glyphosat entlang ihrer Gleise verzichten zu wollen.

Was als Nächstes geschieht: Die Agrochemie-Lobby wird mit aller Kraft für einen weiteren Einsatz von Glyphosat kämpfen. Spezielles Interesse daran hat der deutsche Chemiekonzern Bayer, der sich Monsanto unlängst einverleibte. Monsanto verkauft das mit Glyphosat versetzte Roundup ausserhalb der EU zusammen mit genmanipuliertem Saatgut, das «Roundup-ready» ist, also immun gegen das Pestizid. Umweltverbände kritisieren neben den Gesundheitsrisiken auch das Artensterben aufgrund der Monsanto-Produkte.

Zum Schluss: Liechtenstein rundet auf (nur kurz)

Denkt eine durchschnittliche Schweizerin an Liechtenstein, kommt ihr meist nicht viel in den Sinn – ausser vielleicht das strikte Abtreibungsverbot des Zwergstaats. Offenbar fällt aber auch den Liechtensteinern selber wenig zu ihrer Heimat ein: Mangels Botschaft zum 299. Staatsfeiertag, der vergangenen Mittwoch über die Bühne ging, begann bereits die Aufwärmphase für den anstehenden 300. Geburtstag: Die Marketingabteilung des Fürstentums schickt eine 600 Kilogramm schwere Leuchtschrift mit den Zahlen Drei, Null, Null auf eine einjährige Reise durchs Ländle. Zugegeben: Ein kleines Wunder ist die drei Jahrhunderte währende Existenz des Fürstentums schon. Das Land war einst sozusagen aus der Konkursmasse der bankrotten Grafen von Hohenems heraus gekauft worden. Mehr Patriotismus brauchen pragmatische Investoren nicht.

Ganz zum Schluss: Soul für die Seele (ein Nachruf)

Ein Song für Frauen, ein Song für Bürgerrechte, ein Song für die Freiheit.

Ein Leben für den Soul.

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Aretha Franklin Think feat The Blues Brothers
«Think about what you’re trying to do to me. Yeah, think, let your mind go, let yourself be free.»
«Think», Aretha Franklin, 1942 bis 2018

Was diese Woche wichtig war

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