Was diese Woche wichtig war

Die Gewerkschaften bleiben hart, «Tante Ju» stürzt ab – und die Netzkatzen sind auf dem Rückzug

Woche 32/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, 10.08.2018

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Gewerkschaften zeigen Muskeln bei EU-Verhandlungen

Darum geht es: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und der Dachverband Travailsuisse liegen mit dem Bundesrat im Streit. Am Donnerstag nahmen die Gewerkschaften aus Protest nicht an Gesprächen über die flankierenden Massnahmen im Zusammenhang mit einem neuen EU-Rahmenabkommen teil. Bundesrat Johann Schneider-Ammann zeigt sich von Gewerkschaftsbundspräsident Paul Rechsteiner enttäuscht.

Warum das wichtig ist: Die Verträge zwischen der Schweiz und der EU haben einen Komplexitätsgrad erreicht, der nur schwer überschaubar ist. Die Union drängt auf ein Rahmenabkommen, bei dem unter anderem auch über die flankierenden Massnahmen beim Arbeitnehmerschutz verhandelt werden soll – in den Augen der EU eine unliebsame Spezialregelung. Die Massnahmen gelten als der grösste Erfolg der Linken bei der Ausgestaltung der bilateralen Verträge. Konkret bedeuteten diese Errungenschaften erhöhte Kontrollen gegen Lohndumping, die unter anderem mit einer Meldefrist für ausländische Arbeitnehmer möglich sind. Ausserdem die Einrichtung eines Sanktionssystems für säumige Firmen. Aussenminister Cassis stach bereits Anfang Sommer in ein Wespennest, als er eine Diskussion über die flankierenden Massnahmen anstiess. Im Sommer sondierte Bundesrat Schneider-Ammann dann bilateral bei Kantonen, Arbeitgebern und Gewerkschaften, um die Verhandlungslage abzuklären. Und nun hätten am Donnerstag alle für «technische Gespräche» zusammensitzen sollen. Doch der Gewerkschaftsbund sieht sich offenbar in eine Diskussion hineingezogen, die er nie führen wollte. Nun spielen die Gewerkschaften mit den Muskeln. Denn ohne sie wird es keine gesamtschweizerische Lösung mit der EU geben.

Was als Nächstes passiert: Die Gewerkschaften haben gezeigt, dass sie gewillt sind, die Pläne des Bundesrates bachab zu schicken, sollten die flankierenden Massnahmen aufgeweicht werden. Sie drohen mit dem Referendum gegen den Vertrag. Mit dem gemeinsamen Widerstand von SVP und Gewerkschaften hätte das Rahmenabkommen bei einer Volksabstimmung keine Chance.

«Tante Ju»-Absturz: 20 Menschen sterben

Darum geht es: Vergangenen Samstag stürzte ein Flugzeug des Typs Ju-52 oberhalb von Flims ab. Alle 20 Menschen an Bord kamen ums Leben.

Nach dem Absturz der Ju-52 nahe Flims GR: Am 6. August bergen Einsatzkräfte mit Helikoptern menschliche Überreste und Trümmerteile. Ennio Leanza/Keystone

Warum das wichtig ist: Die Ju-Air betreibt mit drei Maschinen des Typs Junkers Ju-52 touristische Flüge. Die rund 80 Jahre alten Maschinen, liebevoll «Tante Ju» genannt, sind ausgemusterte Transportflugzeuge des Militärs. Die Unglücksmaschine war auf dem Weg von Locarno nach Dübendorf, verlor aus noch ungeklärten Gründen abrupt an Höhe und prallte mit hoher Geschwindigkeit senkrecht auf dem Boden auf. Eine Abklärung der Unfallursache gestaltet sich als schwierig, da die Maschinen keine Blackbox oder andere Flugschreiber eingebaut haben. Erst wurde die Hitze als fatales Element vermutet, als Unfallursache wird nun ein Strömungsabriss diskutiert. Die Flugzeuge fliegen über den Alpen in sehr naher Distanz zum Boden, was Manöver bei Problemen stark einschränkt.

Was als Nächstes geschieht: Nachdem die Ju-Air freiwillig die Flüge pausiert hatte, kündigte sie an, den Betrieb mit den verbleibenden Maschinen am 17. August wiederaufzunehmen. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) nahm die Mitteilung zur Kenntnis und behielt sich vor, den Flugbetrieb zu sperren, sollten technische Mängel als Absturzursache aus den Untersuchungen hervorgehen.

Erdbeben zerstört Ferienparadies – Bevölkerung obdachlos

Darum geht es: Bei einem schweren Erdbeben am Sonntag und mehreren Nachbeben kamen auf der indonesischen Ferieninsel Lombok laut öffentlichen Angaben mehr als 300 Menschen ums Leben. Das Militär geht gar von mehr als 380 Toten aus. Die Zahl dürfte weiter steigen. Über 270’000 Bewohner sind obdachlos, Feriengäste verlassen die Insel.

Warum das wichtig ist: Der Gouverneur der Region sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass ein Erdbeben dieser Stärke für die Region neu sei und deshalb nur wenige Ressourcen für die Katastrophenbewältigung zur Verfügung stünden. Viele Dörfer sind komplett zerstört. Die Zahl der Verletzten wurde von 200 auf fast 1500 korrigiert. Bereits in der Woche zuvor hatte ein Beben auf der Insel 17 Todesopfer gefordert.

Was als Nächstes geschieht: Viele zerstörte Gebiete liegen im weniger touristischen Norden und Osten der Insel. Manche sind schwer zugänglich und durch das Beben von der Umwelt abgeschnitten. Im Zuge der prekären Versorgungslage ist mit weiteren Opfern zu rechnen.

Die Beben auf der indonesischen Insel Lombok beschädigten gegen 70’000 Häuser sowie rund 470 Schulen und 65 Moscheen, 270’000 Menschen sind obdachlos. Ulet Ifansasti/Getty Images

Proteste im Iran nach neuen US-Sanktionen

Darum geht es: Am Dienstag traten die US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder in Kraft. In mehreren iranischen Städten flammten erstmals seit Januar wieder Proteste auf. Sie richteten sich gegen die Politik des Regimes.

Warum das wichtig ist: Die USA hatten im Mai einseitig den unter Präsident Obama verhandelten Vertrag zur Einschränkung des iranischen Atomprogramms aufgekündigt. Der Deal versprach eine wirtschaftliche Entspannung des Landes durch Wegfall der westlichen Sanktionen bei Verzicht auf atomare Aufrüstung. Er war die Krönung einer Politik der Öffnung von Irans Präsident Rohani. Diese Politik liegt nun in Scherben, Unsicherheit macht sich breit. Die Landeswährung verlor seit der Ankündigung der neuen Sanktionen stark an Wert, die Menschen leiden unter der heruntergekommenen Infrastruktur. Nach einer kurzen Phase der Hoffnung sind die neuen Sanktionen ein harter Schlag für das Land. Sie sind noch strenger als diejenigen vor 2015. Seit Dienstag ist etwa der Handel in US-Dollar verboten. Die Bevölkerung versucht, auf dem Schwarzmarkt zu Devisen und Handelsgütern zu kommen. Die USA interpretieren die Unruhen im Land als Bestätigung für ihre Politik.

Was als Nächstes geschieht: Ab November sollen beispielsweise auch europäische Firmen in den USA bestraft werden, wenn sie weiterhin mit dem Iran kooperieren. Die Bestrebungen der EU, den Atomdeal zu retten, werden bereits jetzt unterwandert, da europäische Firmen sich aus Geschäften mit dem Iran zurückziehen. Auch die Schweizer Stadler Rail gab bekannt, dass sie ihr Angebot für 960 U-Bahn-Waggons aufgrund der amerikanischen Handelssanktionen zurückzieht. Politisch profitieren werden im Iran voraussichtlich die konservativen Kräfte.

Zum Schluss: Internet-Miezen vor dem Aus? (nur kurz)

Am 8. August war «Welttag der Katzen». Bei Watson, der Schweizer Zentrale für Katzennews, fast ein Tag wie jeder andere: Nur schlappe vier Storys veröffentlichte das Onlineportal dazu. Ganz anders auf Social Media: Mit #internationalcatday hatten für einmal alle Büsifans einen einigermassen legitimen Grund, ihren Vierbeiner der Welt zu präsentieren. Doch gesamthaft wirkte die Berichterstattung zum Weltkatzentag etwa so bemüht wie 1.-August-Reden auf ausgetrockneten Wiesen. Über Letzteres hat Daniel Binswanger schon die treffenden Worte verloren. Warum der Katze als Maskottchen des Internets vom Hund der Rang abgelaufen wird, hat hingegen Amanda Hess für die «New York Times» treffend analysiert. Kleiner Spoiler: Katzen stehen für das befreiende, chaotische Netz, das es einmal war. Hunde für die domestizierte, professionalisierte Version, die wir über die Jahre daraus gemacht haben. Für ein Internet, das sich widerstandslos an die Leine nehmen lässt.

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Cats vs. Dogs: Who Rules the Internet? | Internetting Season 2

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