Was die Schweiz reich macht
Die Schweiz ist eine offene Volkswirtschaft. Das heisst: Ihr Erfolg beruht zu einem grossen Teil auf dem Handel mit dem Ausland. Doch was – und mit wem – handelt unser Land eigentlich? Ein Überblick.
Von Mark Dittli, 23.07.2018
2018 ist ein heisses Jahr in der globalen Handelspolitik. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat auf eine Reihe von Produkten Strafzölle eingeführt. Die Handelspartner der USA, von Kanada über die Europäische Union bis China, schlagen mit Vergeltungsmassnahmen zurück. Besonders zwischen Peking und Washington herrscht eine heftige Handelskriegs-Rhetorik.
Gleichzeitig fallen andernorts die Schranken: Die EU und Japan haben vergangene Woche ein Freihandelsabkommen unterzeichnet – das bislang grösste derartige Abkommen der EU.
Das alles – Handelskrieg auf der einen Seite, Freihandelsabkommen auf der anderen – hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die Schweiz. Denn als kleine, offene Volkswirtschaft erwirtschaftet sie mehr als jeden zweiten Franken im Handel mit dem Ausland.
Vergangene Woche haben wir an dieser Stelle die Handelsstatistiken der USA betrachtet und dargelegt, weshalb Trump mit seiner Politik einen schweren Denkfehler begeht.
Dieses Mal widmen wir uns der Schweiz.
Zunächst ein kurzer Überblick über die Einfuhren und Ausfuhren von Gütern:
Im vergangenen Jahr lieferten Schweizer Unternehmen Waren im Wert von rund 310 Milliarden Dollar an Kunden im Rest der Welt (die Daten stammen von der Weltbank und sind daher in US-Dollar angegeben).
Diesem Wert stehen Einfuhren von rund 260 Milliarden Dollar gegenüber (rote Kurve), was für das Jahr 2017 per Saldo einen Handelsüberschuss von knapp 50 Milliarden Dollar ergibt (graue Kurve).
Wie die abgebildete Grafik eindrücklich zeigt, war die Warenhandelsbilanz der Schweiz bis zur Jahrtausendwende weitgehend ausgeglichen, das heisst, Importe und Exporte waren ungefähr gleich gross. Erst ab 2001 und besonders nach der globalen Rezession 2009 bildete sich im Warenhandel der Schweiz ein markanter Überschuss.
Doch ein Land wie die Schweiz handelt nicht nur mit Gütern, sondern auch mit Dienstleistungen. Dazu zählen beispielsweise Bank- und Versicherungsleistungen oder der Tourismus.
Die folgende Grafik gibt einen Überblick über den Dienstleistungshandel der Schweiz mit dem Ausland:
2017 exportierten Schweizer Unternehmen Dienstleistungen im Wert von 120 Milliarden Dollar ins Ausland (in diesen Zahlen sind auch die Ausgaben von ausländischen Touristen in der Schweiz enthalten). Gleichzeitig importierte die Schweiz Dienstleistungen im Wert von 100 Milliarden Dollar, was einen Handelsüberschuss von knapp 20 Milliarden Dollar ergibt.
Im Gegensatz zum Warenverkehr ist die Bilanz der Schweiz im Handel mit Dienstleistungen bereits seit mehr als 25 Jahren konstant im positiven Bereich.
Zusammengefasst ergibt sich für die Schweiz aus dem Handel mit Waren und Dienstleistungen aktuell also ein Exportüberschuss von knapp 70 Milliarden Dollar, was etwas mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts entspricht.
Donald Trump dürfte angesichts dieser Zahlen vor Neid erblassen – wobei ein Handelsüberschuss für eine Volkswirtschaft gar nicht zwingend ein gutes Zeichen ist. Mehr dazu ein anderes Mal an dieser Stelle.
Doch welche Güter exportiert die Schweiz denn genau in den Rest der Welt?
Die Antwort liefert die folgende Grafik:
Sie zeigt die jährlichen Warenexporte der Schweiz, aufgegliedert in die wichtigsten Güterarten. Die Daten stammen vom Bundesamt für Statistik und sind daher nun in Franken angegeben.
Zunächst ein wichtiger Hinweis: Die Schweiz ist eine bedeutende Drehscheibe im Handel mit Edelmetall, vor allem mit Gold. 2017 etwa floss Edelmetall im Wert von knapp 78 Milliarden Franken in die Schweiz, und gleichzeitig wurde Edelmetall im Wert von 72 Milliarden Franken exportiert. Typischerweise gelangt dabei Gold in grossen Barren aus London in die Schweiz, wird hier in kleine Barren umgeschmolzen und wieder nach Indien, Dubai, Hongkong oder China exportiert. Weil die Schweiz im Edelmetall-Handelsstrom nur ein Durchgangsland mit unbedeutender Wertschöpfung ist, haben wir diese Werte in der obigen Grafik ausgeklammert.
Was in der Exportstatistik sofort auffällt: Das mit Abstand wichtigste Exportgut der Schweiz sind chemisch-pharmazeutische Produkte. Im vergangenen Jahr machten diese Exporte fast 100 Milliarden Franken oder fast die Hälfte aller Ausfuhren (ohne den Goldhandel) aus.
An zweiter Stelle folgen Maschinen mit rund 32 Milliarden Franken und Uhren mit einem Wert von knapp 20 Milliarden Franken.
Die Grafik zeigt auch eindrücklich, wie markant die Bedeutung der Pharma in der Schweizer Exportstatistik seit 1990 gewachsen ist, während beispielsweise die Maschinenexporte weitgehend stagnieren.
Und nun ein Blick auf die Gütereinfuhren:
Daten für den grenzüberschreitenden Handel werden in der Regel von den Zollbehörden der einzelnen Staaten erhoben. Organisationen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds oder die OECD bieten die Daten in aggregierter Form an. Die ersten zwei Grafiken in diesem Beitrag, zum Handel der Schweiz mit Gütern und mit Dienstleistungen, stammen aus der World-Development-Indicators-Datenbank der Weltbank. Die Daten für die Aufgliederung der Importe und Exporte nach Güterarten und Handelspartnern stammen vom Bundesamt für Statistik.
Grosse Brocken in der Schweizer Importstatistik sind Maschinen (30 Milliarden Franken im Jahr 2017) und Fahrzeuge (19 Milliarden Franken). Unter dem Sammelbegriff «Andere Güter» finden sich auch Energieträger wie Erdöl und Erdgas im Wert von gut 8 Milliarden Franken.
Grösste Einzelposition in den Importen sind ebenfalls die chemisch-pharmazeutischen Produkte mit einem Gesamtwert von aktuell rund 47 Milliarden Franken. Dabei handelt es sich zu einem grossen Teil um Chemikalien, die in der Schweiz zu Pharmazeutika verarbeitet werden.
Die beiden Grafiken zu den Exporten und Importen verdeutlichen die Wichtigkeit der Pharmaindustrie für die Schweiz. Allein in dieser Branche erwirtschaftet das Land einen Handelsüberschuss von mehr als 50 Milliarden Franken. Oder anders gesagt: Ohne die Pharma hätte die Schweizer Warenhandelsbilanz einen negativen Saldo.
Bleibt die Frage, mit wem die Schweizer Unternehmen Handel betreiben.
Die Grafik zeigt die wichtigsten Handelspartner der Schweiz, ausgedrückt in Prozenten der Gesamtexporte und -importe. Für diese Betrachtung wurde nur der Güterhandel (ohne Dienstleistungen) berücksichtigt.
Die Aussage ist deutlich: Mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Schweiz ist Deutschland. Nimmt man die gesamte EU zusammen, fliesst fast die Hälfte der Schweizer Güterexporte (134 Milliarden Franken) nach Europa. Auf der Importseite stammen deutlich mehr als die Hälfte der Einfuhren (156 Milliarden) aus der EU.
Zweitwichtigster Handelspartner sind die USA, mit Exporten im Wert von 36 Milliarden Franken und Importen im Wert von 21 Milliarden.
China liegt mit einem Exportvolumen von 24 Milliarden Franken in der Bedeutung als Schweizer Absatzmarkt schon weit vor Japan (7,5 Milliarden) oder Russland (2,3 Milliarden Franken).
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