Rücktritt vom Brexit, Fussballteam befreit – und die Segnungen der Moderne
Woche 28/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Michael Kuratli, 13.07.2018
Brexit-Hardliner treten zurück
Darum geht es: Der britische Aussenminister Boris Johnson und Brexit-Minister David Davis traten Anfang Woche von ihren Posten zurück. Premierministerin Theresa May hatte ihr Kabinett zuvor auf einen «weichen» EU-Austritt einschwören wollen.
Warum das wichtig ist: May gewinnt mit dem Austritt einen Machtkampf. Schliesslich wollte sie ihr Kabinett auf eine softe Variante des Brexit einschwören und musste diese Woche eine Vertrauensabstimmung innerhalb ihrer Partei bestehen. Ihr Plan sieht neu die Weiterführung der Zollunion für Waren und Güter mit der EU vor – und damit weiterhin eine halb offene irisch-nordirische Grenze. Für Personen, Dienstleistungen und Kapital soll aber keine Freizügigkeit mehr gelten.
Was als Nächstes geschieht: Mit dem Austritt der Hardliner ist der Weg frei für eine gemässigte Linie. Neuer Aussenminister wird Jeremy Hunt, der zuvor dem Gesundheitsministerium vorstand. Vermutet wird derweil, dass Johnson mit dem Rücktritt seinem eigentlichen Ziel näher kommen will: dereinst selbst Premierminister zu werden. Am 29. März 2019 wird Grossbritannien – ob sanft oder hart – aus der EU austreten.
Fussballteam nach 17 Tagen in der Höhle gerettet
Darum geht es: Während 17 Tagen war eine Junioren-Fussballmannschaft und ihr Trainer im Norden Thailands in einer überfluteten Höhle eingeschlossen. Beim Rettungsversuch starb ein Helfer. Schliesslich gelang die Rettung der Kinder.
Warum das wichtig ist: Das Schicksal der «Wildschweine», so der Mannschaftsname der Jungkicker, bewegte die ganze Welt. Und es zog Männer an, die sich gern profilieren. So sah sich etwa Tesla-Gründer Elon Musk dazu berufen, ein Mini-U-Boot zu konstruieren und es zur Höhle in Thailand zu bringen. Wo es nicht zum Einsatz kam. Auch Donald Trump gab seinen obligaten Senf zur Rettung dazu. Und natürlich durfte ein nichtpräsidialer Rechtspopulist nicht fehlen. Diesmal: der Schweizer Journalist Kurt W. Zimmermann, der es schaffte, in einem Tweet das Höhlendrama mit der europäischen Migrationskrise, Sozialmissbrauch und den sexuellen Übergriffen der Kölner Silvesternacht von 2015/16 in einen Zusammenhang zu bringen. Zimmermann hat den Tweet mittlerweile gelöscht.
Was als Nächstes geschieht: Die Kinder werden noch einige Zeit im Krankenhaus verbringen, um sich von den Strapazen zu erholen. Danach gehen sie auf Promo-Tour. Schliesslich lud sie bereits Manchester United zu einem Besuch ein.
Lebenslange Haft für Beate Zschäpe
Darum geht es: Nach 437 Verhandlungstagen und der Befragung von mehr als 600 Zeugen wurde am Dienstag das Urteil im Prozess gegen die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gefällt: Beate Zschäpe (43) wurde für den Mord an zehn Menschen für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie war bei den Taten ihrer Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zwar nie dabei, aber sie habe gewusst, was geplant ist, und die Morde massgeblich mit vorbereitet. Böhnhardt und Mundlos haben sich im November 2011 mutmasslich selbst getötet. Weil die Schuld «besonders schwer wiegt», wie es im Urteil heisst, hat Zschäpe keine Chance auf eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren, wie dies sonst üblich ist.
Warum das wichtig ist: Das Gericht hat zwar Zschäpe hart verurteilt, die Debatten über den Umgang mit dem NSU und Neonazis generell werden damit in Deutschland keineswegs verstummen. Denn weitere Mitwisser und Helfer, die ebenfalls angeklagt waren, kamen vergleichsweise glimpflich davon. Dies führte im Gericht zu tumultartigen Szenen, als eine Gruppe Neonazis begeistert Beifall klatschte, während Angehörige der Opfer fassungslos ihre Wut zum Ausdruck brachten. Zudem ist die Verantwortung des Verfassungsschutzes nicht geklärt: Die Behörde hatte Spitzel in der NSU-Gruppe und habe 1998 die Festnahme von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt verhindert.
Was als Nächstes geschieht: Die Verteidiger von Zschäpe haben bereits angekündigt, dass sie beim Bundesgerichtshof Revision einlegen werden. Dort gibt es keine neue Beweisaufnahme, es wird lediglich geprüft, ob dem Gericht beim Urteil Rechtsfehler unterlaufen sind. Bevor Revision eingelegt werden kann, muss das schriftliche Urteil vorliegen, das kann bis zu 91 Wochen dauern.
Der «grösste Handelskrieg der Wirtschaftsgeschichte»
Darum geht es: Der Handelskrieg zwischen den USA und China eskaliert. Seit vergangenem Freitag gelten Strafzölle auf chinesischen Produkten in einem Gesamthandelswert von 34 Milliarden Dollar. Die chinesische Regierung nannte den Konflikt den «grössten Handelskrieg in der Wirtschaftsgeschichte».
Warum das wichtig ist: Der protektionistische Kurs von Donald Trump bringt das Welthandelssystem durcheinander. Die Aktien- und Rohstoffmärkte erlitten Verluste. China reagierte mit eigenen Strafzöllen auf amerikanischen Produkten wie Schweinefleisch, Sojabohnen und Autos. Trumps Ziel: die amerikanische Wirtschaft vor ausländischen Produkten zu schützen, getreu dem Motto: «America first.» Die Zölle haben derweil ganz unterschiedliche Auswirkungen in den USA: Während hier Fabriken für Solarpanels wieder konkurrenzfähig werden, leiden dort Unternehmer unter gestiegenen Kosten, etwa für Stahl.
Was als Nächstes geschieht: China klagt bei der Welthandelsorganisation WTO gegen die Zölle. Auch die EU und Kanada streben eine Verurteilung der USA an. Die Schweiz hat am 10. Juli ebenfalls eine WTO-Klage gegen die US-Zölle eingereicht. Die Regierung Trump kündigte derweil an, die gegen China gerichteten Zölle auf weitere Produkte im Handelswert von bis zu 200 Milliarden Dollar auszudehnen.
Zivildienst im Sperrfeuer
Darum geht es: Die Kantone fordern die Abschaffung des Zivildienstes zugunsten eines «Katastrophenschutzes». Bereits Ende Juni hat der Bundesrat angekündigt, die Zulassungsbedingungen zum Zivildienst zu verschärfen.
Warum das wichtig ist: Die wenigsten jungen Männer wollen heute noch Militärdienst leisten. Und noch weniger wollen danach zum «Weitermachen» verpflichtet werden. Also melden sich viele Soldaten nach der Rekrutenschule beim Zivildienst an. Heute genügt dazu ein Formular. Der Bundesrat will die in den Zivildienst wechselnden Soldaten jetzt bestrafen: mit längeren Wartezeiten, mehr Diensttagen, kürzeren Fristen. Noch radikaler sind die Kantone: Weil dem Zivilschutz die Leute davonlaufen, wollen sie Zivildienst und Zivilschutz in einen «Katastrophenschutz» zusammenführen. Also faktisch den Zivildienst abschaffen.
Was als Nächstes geschieht: Der Bundesrat ist gegen den Vorschlag der Kantone, der Zivildienstverband Civiva drohte mit einem Referendum gegen den Bundesrat. Rettung für die wehrhafte Schweiz könnte von weiblicher Seite kommen: Das Verteidigungsdepartement soll die Dienstpflicht für Frauen nun «vertieft» prüfen.
Zum Schluss: Kontaktlos für ein Halleluja (nur kurz)
«Leere Taschen haben noch nie jemanden aufgehalten. Nur leere Köpfe und leere Herzen können das.» Als der amerikanische Pfarrer und Schriftsteller Norman Vincent Peale dies schrieb, hatte er wohl nicht das bargeldlose Bezahlen im Kopf. Doch mit der Initiative der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz gewinnen seine Worte eine neue Dimension. In deren Klingelbeutel der Zukunft wird die Kollekte nämlich auch kontaktlos per EC-Karte eingesammelt. Die Kirchen begründen die Innovation unter anderem damit, dass Banken für die Einzahlung von Münzen immer mehr Gebühren verlangen. Die Tasche darf in Zukunft also auch leer bleiben, solange es die Köpfe und Herzen der Kirchgänger nicht sind – und sie ihre Bankkarte dabei haben.