Neue Regierung in Spanien, Trump im Handelsstreit und das Aus für «Le Matin»
Woche 23/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Michael Kuratli, 08.06.2018
Spaniens Regierungschef muss gehen
Darum geht es: Letzten Freitag verlor Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy das Vertrauensvotum im Parlament und musste zurücktreten. Sein Nachfolger wird der Sozialist Pedro Sánchez.
Warum das wichtig ist: Rajoy regierte das Land sieben Jahre lang mit einer harten Sparpolitik durch die Krise. Unzimperlich ging er zuletzt auch mit der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung um. Nun hat er definitiv das Vertrauen des Parlaments verloren, nachdem ein Korruptionsskandal um geheime Kassen innerhalb seiner Partei immer höhere Kreise erreicht hatte. Rajoy, Chef des konservativen Partido Popular, führte mit der Unterstützung der rechtskonservativen Ciudadanos seit 2016 eine Minderheitsregierung. Der neue Regierungschef, der Sozialist Pedro Sánchez, will die Belastung der Bevölkerung mit Renten- und Steuerreformen abfedern, ohne dabei aber die Vorgaben der EU zu umgehen. Sein am Mittwoch präsentiertes Kabinett gab bereits von sich zu reden: Einerseits überraschte Sánchez mit der Verteilung von neun von zwölf Ministerposten an Frauen. Andererseits ernannte er einen Madrid-treuen Katalanen – was in Katalonien umgehend kritisiert wurde. An eine lange politische Zukunft Pedro Sánchez’ glaubt zurzeit aber ohnehin niemand. Seine sozialistische Partei (PSOE) bringt es ebenfalls auf keine Mehrheit im Parlament.
Was als Nächstes passiert: Dass er nicht viel politischen Spielraum hat, weiss Sánchez. Und so kündigte er umgehend an, vor dem offiziellen Wahltermin 2020 vorgezogene Neuwahlen abzuhalten. Bis dahin wird er versuchen, einige linke Anliegen mit einer instabilen Allianz und gegen den konservativ dominierten Senat durchzubringen. Widerstand ist programmiert.
Jordaniens Ministerpräsident abgesetzt
Darum geht es: Im Königreich Jordanien trat Ministerpräsident Hani al-Mulki nach Protesten der Bevölkerung zurück.
Warum das wichtig ist: Jordanien ist ein armes Land zwischen Israel, Syrien, dem Irak und Saudiarabien. Während des Arabischen Frühlings 2011 blieb es im Land relativ ruhig. Doch mit der anhaltenden Krise in der Region hat sich die Notlage zugespitzt. Proteste gegen die Regierung entbrannten schliesslich an geplanten Steuererhöhungen. Wenig Fingerspitzengefühl für die Sorgen der Bevölkerung zeigte die Regierung, als sie die Benzin- und Strompreise am Tag nach den ersten Demonstrationen erhöhte. Bislang hatten Nachbarn wie Saudiarabien und Bahrain ein Interesse daran, dass Jordanien politisch stabil bleibt, und pumpten deshalb über Jahre Geld ins Land. Nun sind sie aber mit ihrer eigenen Wirtschaft beschäftigt. Jordanien hat derweil vierzig Milliarden US-Dollar Schulden. Der König setzte am Montag Omar Razzaz, den vorherigen Bildungsminister und Ex-Weltbank-Direktor im Libanon, an die Regierungsgeschäfte.
Was als Nächstes passiert: Die Proteste hielten diese Woche an. Mit der Absetzung hat König Abdullah zwar die Hitze weg vom verhassten bisherigen Ministerpräsidenten genommen. Grundsätzlich wird sich im Land aber auch mit dem neuen Regierungschef nichts ändern. Kommt Jordanien mittelfristig nicht zu Geld, bleibt nur der Gang zur Weltbank – die wiederum drückende Sparmassnahmen fordern wird.
Krieg der Stahlträger und Whiskeyflaschen
Darum geht es: Seit dem 1. Juni erheben die USA Strafzölle auf den Import von Aluminium und Stahl aus der EU und von anderen engen Verbündeten.
Warum das wichtig ist: Trump spielt sich gern als Retter der amerikanischen Arbeiterschaft auf. Mit dem erklärten Ziel, die Schwerindustrie im eigenen Land zu stärken, zettelte der US-Präsident einen Handelskrieg an. Die EU, allen voran Deutschland, ist brüskiert – und schlägt mit «Vergeltungszöllen» auf amerikanischen Whiskey, Harley-Davidsons und Levi-Jeans zurück. Die Botschaft ist klar: Wer mit protektionistischen Massnahmen den globalisierten Warenfluss stören will, dessen Stammwählerschaft bringen wir gegen ihn auf. Die Massnahmen der EU gelten ab Juli. Ob sie die gewünschte Wirkung haben werden, bleibt vorerst offen. Deutlich spürbar werden die US-Importzölle jedoch für die reichen EU-Staaten wie Deutschland, deren Wirtschaftspolitik auf hohe Exporte baut.
Was als Nächstes passiert: Trump kämpft an mehreren Fronten. Auch mit China ist er wegen Importen und Exporten im Streit. So unberechenbar die Vorstösse aus dem Weissen Haus sind, so unklar ist die nächste Wendung im Wirtschaftsstreit. Am Freitag und Samstag steht der G7-Gipfel in Kanada an – mit wütenden Delegationen aus Deutschland, Italien, Frankreich, Grossbritannien und Kanada. Doch Trump wird das tun, was er als Geschäftsmann schon gemacht hat: den Druck aufrechthalten, um den besten Deal für sich herauszuholen.
Bundesrat reagiert auf Exportskandal
Darum geht es: Carla Del Ponte forderte es an der Bar mit Roger de Weck. Zwei Tage später kündigte der Bundesrat eine Bewilligungspflicht für Exporte gewisser Chemikalien und Werkstoffe nach Syrien an.
Warum das wichtig ist: In Syrien wurde 2013 das Nervengift Sarin eingesetzt – mutmasslich auch von der Regierung Assad. Das Land trat 2014 auf internationalen Druck hin dem Chemiewaffen-Übereinkommen der Uno bei. Darauf wurden alle staatlichen Vorräte der Chemikalien, die zur Herstellung des Nervengifts benötigt werden, entsorgt und die Einfuhr von den meisten westlichen Ländern mit Kontrollen belegt. Darunter der Stoff Isopropanol. Das alles hinderte das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nicht daran, im gleichen Jahr eine Lieferung Isopropanol einer Schweizer Firma an ein privates syrisches Unternehmen zu erlauben. Das Seco argumentierte, das Mittel werde nachweislich nicht zur Produktion von Nervengift eingesetzt. Isopropanol wird auch für die Herstellung von Desinfektionsmittel gebraucht. Doch vergangenen April wurde klar, dass die belieferte Firma eng mit dem Regime Assad verbunden ist.
Was als Nächstes passiert: Mit dem Entscheid für eine Bewilligungspflicht sendet der Bundesrat nicht nur ein Signal an die Kritikerinnen im eigenen Land, sondern auch an die internationalen Partner wie die EU und die USA. Diese sanktionieren Syrien seit den mutmasslichen Kriegsverbrechen. Ob dennoch eine Untersuchung der Entscheidung des Seco im Parlament angestossen wird, bleibt offen. Geht es nach dem grünen Nationalrat Balthasar Glättli, werden sich die zuständigen parlamentarischen Kommissionen mit dem Exportentscheid des Seco beschäftigen.
Zum Schluss: Abendrot für «Le Matin» (ein Nachzug)
Die Indizien hatten sich ja bereits vor zwei Wochen verdichtet. Am Donnerstagmorgen wurde es dann offiziell: Tamedia stellt die Printausgabe von «Le Matin» im Juli ein. Das überregionale Blatt war trotz einer Auflage von 220’000 in den letzten Jahren defizitär, vor allem wegen des schwindenden Werbemarktes im Print. 45 Mitarbeitende in Lausanne verlieren ihre Stelle. Tamedia will den Titel online weiterführen.
Ganz zum Schluss: Von neuen und alten Krönchen (nur kurz)
Die feministischen Errungenschaften eines Landes lassen sich auch am Zustand seiner Schönheitswettbewerbe ablesen. So wollen die neuen Miss-Schweiz-Organisatorinnen hierzulande nach einer Phase der Unsicherheit dieses Jahr wieder «eine richtige Schönheitswahl» ausrichten. Damit gaben sie allen eine Ohrfeige, die halb nackte Frauen auf Laufstegen als unserer Zeit unwürdig empfinden. In den USA ist man in dieser Frage gespalten. Da ist einerseits die Wahl zur Miss America: Deren neue Organisatorinnen kündigten diese Woche an, als Folge von #MeToo den berühmten Bikini-Contest mit feministischen Inhalten zu ersetzen. Parallel dazu existiert das jährliche Schaulaufen zur Miss USA. Die Organisation spaltete sich in den Fünfzigerjahren vom Miss-America-Wettbewerb ab, wegen eines Streits um Bademodefotos. Miss USA gehörte über Jahrzehnte Donald Trump. Dort denkt man im Traum nicht daran, etwas am Konzept zu ändern. Ob die Einschaltquoten der jeweiligen Shows als Indikatoren für die nächsten Präsidentschaftswahlen taugen?