Briefing aus Bern

Bund gegen Vollgeld, ein frühes Referendum und der teure Atomausstieg

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (8)

Von Elia Blülle, 19.04.2018

Liebe Leserinnen und Leser

Vor zwei Monaten starteten wir das Format Briefing aus Bern. Unser Ziel ist es, Sie in wenigen Minuten über die Schweizer Politik zu informieren – kritisch, ohne Politsprech und mit dem Auge für die Relevanz. Wir fragen: Gelingt uns das? Wie könnten wir das Briefing verbessern?

Darum geben wir Ihnen ab dieser Woche die Möglichkeit, sich in unserem neuen Forum zu äussern. Sie werden die Links dazu jeweils am Ende des Textes finden.

Letzte Woche hat sich beispielsweise eine Verlegerin bei uns gemeldet und in einer ausserordentlich freundlichen E-Mail bemängelt, das Briefing sei zu einseitig und konzentriere sich nur auf linke Themen. Kurz: Es fehle ihr die Ausgewogenheit. Finden Sie das auch? Was bräuchte es für ein ausgeglichenes Briefing? Wo müssen wir besser hinschauen?

Wenn Sie möchten, können Sie in unserem neuen Forum gerne antworten oder Ihre Fragen stellen. Wir freuen uns über Ihre Anregungen. Sparen Sie nicht mit Kritik, sie ist unser wichtigster Ratgeber.

Und hier. Wie jede Woche das Briefing aus Bern.

Bund gegen Vollgeld-Initiative

Das müssen Sie wissen: In der Schweiz darf nur die Nationalbank Geldscheine und Münzen ausgeben. Das macht einen Zehntel der Geldschöpfung aus. Die übrigen 90 Prozent werden von Geschäftsbanken erzeugt, etwa bei der Vergabe von Krediten. Dieses System führe zu Blasen und Geldentwertung, kritisiert das Komitee um die Vollgeld-Initiative. Es will, das künftig nur noch die Nationalbank Geld schöpfen darf, um Finanzkrisen wie diejenige von 2007 zu verhindern. Bundesrat Ueli Maurer findet das keine gute Idee. Am Dienstag teilte er mit, dass der Bundesrat die Initiative zur Ablehnung empfehle.

Das ist der Grund: Maurer warnte, dass die Initiative ein unnötiges und riskantes Vorhaben sei. Bankkredite würden mehr kosten, es käme zur Machtkonzentration bei der Nationalbank, und die Anforderungen für Geschäftsbanken an Eigenkapital und Liquidität seien bereits heute hoch. Die Schweiz würde durch die Annahme der Initiative zu einem Experimentierfall. Das sei zu gefährlich.

So geht es weiter: Die Initiative kommt am 10. Juni zur Abstimmung. Alle Parlamentsparteien, die bisher eine Parole beschlossen haben, empfehlen die Ablehnung der Initiative.

Das ist Ihnen zu komplex: So geht es vielen. Auch «Tageswoche»-Redaktorin Andrea Fopp fragte sich: Was will die Vollgeld-Initiative? Hier hat sie über ihre Suche nach Klärung geschrieben.


Pro Tell ergreift Referendum gegen EU-Richtlinien

Das müssen Sie wissen: Die neuen EU-Waffenrichtlinien sollen den Zugang zu halb automatischen Waffen auch in der Schweiz beschränken. Aufgrund der Schengen/Dublin-Abkommen muss die Schweiz das europäische Waffengesetz übernehmen. Einen entsprechenden Umsetzungsvorschlag hat der Bundesrat im März präsentiert. Nun regt sich früher Widerstand: Am Wochenende beschloss die Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht Pro Tell vorsorglich das Referendum. Obschon das Parlament die Umsetzung noch nicht debattiert hat.

Das ist der Grund: Pro Tell will das geltende Waffenrecht «kompromisslos» verteidigen: Die neuen Richtlinien würden zu einer allmählichen Entwaffnung der Schweizerinnen und Schweizer führen und das liberale Waffenrecht gefährden.

So geht es weiter: Der Umsetzungsvorschlag aus dem Bundesrat wird als Nächstes im Parlament behandelt. Stimmt es zu, wird Pro Tell ungeachtet von allfälligen Korrekturen das Referendum ergreifen. Das ist heikel, weil die Schweiz die Schengen/Dublin-Abkommen unterzeichnet hat, was den Bund zur Übernahme der Richtlinien zwingt. Würde ein solches Referendum angenommen, könnte das den Ausschluss der Schweiz aus den Schengen/Dublin-Abkommen zur Folge haben.

Mehr dazu: Die neuen EU-Richtlinien waren auch Thema in der SRF-Sendung Arena. Mit dabei war auch Pro-Tell-Generalsekretär Robin Udry, der seinen Standpunkt erklärt.


Bürgerliche gegen höhere CO2-Abgabe

Das müssen Sie wissen: Seit 2008 erhebt der Bund Lenkungsabgaben auf fossile Brennstoffe. Das heisst, die Preise von Heizöl und Erdgas werden mit einer zusätzlichen Steuer belegt, um Sparanreize zu setzen und alternative Energieträger zu fördern. Im Rahmen des neuen CO2-Gesetzes will der Bund die Abgaben erhöhen.

Das ist passiert: Die Umweltkommission hat letzte Woche beschlossen, die CO2-Vorlage des Bundes zu behandeln. Trotzdem werden die Bürgerlichen die geplante Abgabe mit allen Mitteln bekämpfen. Das berichtete der «Tages-Anzeiger» in einem gut recherchierten Artikel. Gemäss der Zeitung möchten SVP, FDP und CVP aber zusätzlich auch eine Ausweitung der Ausnahmeregelung erwirken. Heute können sich besonders energieintensive Unternehmen von der Abgabe befreien lassen, wenn sie sich dazu verpflichten, ihren Ausstoss zu senken. Neu wollen die bürgerlichen Parteien, dass diese Option allen Firmen offensteht.

Das passiert als Nächstes: Die Vorlage wird zuerst in der Kommission behandelt und dann später im Parlament. Besonders umstritten ist die Erhöhung der Lenkungsabgaben. Gut möglich, dass sich in diesem Punkt die Linken zusammen mit der CVP durchsetzen werden.


Atomausstieg kostet mehr als ursprünglich angenommen

Das müssen Sie wissen: In den nächsten Jahrzehnten stellt die Schweiz ihre Atomkraftwerke ab. 2019 wird als Erstes das AKW Mühleberg vom Netz gehen. Die dabei anfallenden Kosten müssen die AKW-Betreiberinnen selber tragen. Darum berechnen sie alle fünf Jahre in einer Studie, wie viel der Rückbau und die Stilllegung kosten werden. Nun hat der Bund die Zahlen aus dem Jahr 2016 überprüft und die Kostenberechnung nach oben korrigiert.

Das sind die Kosten: Der Bund geht davon aus, dass der Rückbau und die Stilllegung der AKWs insgesamt 24,6 Milliarden Franken kosten werden. Eine Milliarde mehr als ursprünglich angenommen. Die Entsorgung der radioaktiven Abfälle ist mit einer geschätzten Summe von 20 Milliarden der teuerste Brocken.

Darum ist das wichtig: Die Finanzierung wird durch zwei Fonds sichergestellt, die von den AKW-Betreibern gefüttert werden. Ausschlaggebend für die Höhe der jährlichen Beiträge ist die Kostenstudie. Die nun höher ausfällt als angenommen. Mit entsprechendem Unverständnis reagiert der Branchenverband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber (Swissnuclear). Er kritisiert, dass die abweichende Beurteilung kaum begründbar sei.


Zahlen der Woche: Städte

In dieser Rubrik stellen wir Ihnen die neusten und wichtigsten Zahlen aus dem Bundesamt für Statistik (BFS) kurz vor. Wir empfehlen für die detaillierten Erläuterungen der Zahlen jeweils einen Besuch der BFS-Website.

Städte: Diese Woche hat der Bund die Statistik zu den 172 Schweizer Städten und städtischen Gemeinden veröffentlicht. In den Grossstädten wie Zürich leben vor allem junge Menschen und in Städten mit weniger als 100’000 Einwohnerinnen überwiegen die 40- bis 64-Jährigen. Die Zahlen zeigen auch, dass sich mit zunehmender Einwohnerzahl der Anteil von kinderlosen Haushalten erhöht. Zudem weist die Statistik aus, dass 60 Prozent der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer in den Städten wohnen. Die meisten davon in der Agglomeration.

Debatte zum Briefing aus Bern

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