Sieg der Bauern, ein Rücktritt und das Referendum gegen Sozialdetektive
Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (6).
Elia Blülle, 05.04.2018
Liebe Leserinnen und Leser
Über das Osterwochenende stand auch die Schweizer Politik still. Dafür hatte ich viel Zeit zum Lesen. Hier stelle ich Ihnen drei Texte vor mit Bezug zur Bundespolitik, die ich Ihnen zur Lektüre empfehle.
In mehreren Kantonen wird zurzeit über die Senkung der Sozialhilfe diskutiert. Der Kanton Aargau will die Leistungen um 30 Prozent senken: Die vollen Bezüge soll nur bekommen, wer sich «integrationswillig, motiviert und engagiert» zeigt. Sarah Jäggi fragt in einem nachdenklichen Kommentar in der «Zeit»: Wieso macht man in der Schweiz so gerne Politik auf Kosten der Ärmsten?
Die Steuervorlage 17 ist ein kompliziertes Ungetüm. Wer wird nun mehr bezahlen müssen? Wer gewinnt? Wer verliert? Republik-Autor Simon Schmid beantwortet in einer kurzen Analyse alle wichtigen ökonomischen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der neuen Steuervorlage stellen. Nach der Lektüre sind Sie gerüstet für die ersten Debatten.
Der freischaffende Journalist Christian Schmidt hat für das «Magazin» ein Panorama gezeichnet: die Lage der Schweizer Bauern, ihre Sorgen und ihre Kritik an der Agrarpolitik. Eine Reportage über «das Leben und Sterben» auf den Schweizer Bauernhöfen. (Paywall)
Und wenn wir schon beim Thema sind: Es geht weiter mit der bundesrätlichen Agrarpolitik. Hier kommt das Briefing aus Bern.
Schlechtes Zeichen für die Agrarpolitik des Bundes
Das müssen Sie wissen: Im vergangenen November hat der Bundesrat seine Gesamtschau zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft vorgelegt. Das tut er im Hinblick auf die Ausarbeitung der Vorlage zur Agrarpolitik 2022 (AP22+), welche die Landwirtschaftspolitik für das nächste Jahrzehnt bestimmen wird.
Im Kern stellt die Gesamtschau einen Abbau des Grenzschutzes für die Landwirtschaft zugunsten weiterer Freihandelsabkommen zur Diskussion. Ebenso will der Bundesrat, dass die Schweiz in der ressourcenschonenden Produktion von Nahrungsmitteln eine Vorreiterrolle einnimmt. Die Gesamtschau dient dem Bundesrat dazu, dem Parlament seine strategischen Leitlinien und erste Ansätze mitzuteilen. Letzte Woche hat die Kommission des Nationalrates das Papier behandelt.
Das sagt die Kommission: Sie weist die Gesamtschau zurück mit dem Anliegen, die Komponenten eines Freihandelsabkommens gesondert von der Agrarpolitik zu behandeln. Der Bericht solle keine internationalen Komponenten enthalten. Die Kommission folgt so dem Wunsch der Bauernlobby. Der Bauernverband liess bereits im November verlauten: «Seine Gesamtschau kann der Bundesrat schreddern.» Sie kritisierten vor allem die Liberalisierung des Marktes, welche die Bauernfamilien in die komplette Abhängigkeit des Staates treiben würde. Die Schweizer Landwirtschaft sei auf dem internationalen Parkett nicht konkurrenzfähig.
Das passiert als Nächstes: In der Sommersession wird das Papier im Nationalrat behandelt. Nach der Rückweisungsempfehlung der Kommission stehen die Chancen für die Gesamtschau schlecht. Folgt der Nationalrat dem Entscheid der Kommission, muss der Bundesrat seine künftige Agrarpolitik in wesentlichen Punkten noch einmal überdenken. Eine Liberalisierung des Marktes dürfte es schwer haben.
Kathy Riklin tritt ab
Das müssen Sie wissen: Gemäss einer Meldung der «NZZ am Sonntag» tritt die CVP-Nationalrätin Kathy Riklin auf Ende der Legislatur 2019 ab. Die Zürcherin sitzt seit achtzehn Jahren im Parlament und gilt als profilierte Bildungs- und Europapolitikerin.
Darum ist das heikel: Tritt Riklin tatsächlich erst auf die Wahlen zurück, könnte das ihrer eigenen Partei schaden. Strategisch klug wäre, wenn sie bereits in den nächsten Monaten abträte. Damit würde sie dem Zürcher Ersatzkandidaten ermöglichen, sich vorzeitig auf nationaler Ebene zu profilieren. Erfahrungsgemäss erhalten amtierende Parlamentarier durch ihre Bekanntheit mehr Wählerstimmen als neue. Das wäre vor allem deshalb wichtig, weil die Wahlprognosen der CVP schlecht sind. Hält der Abwärtstrend an, ist die Partei im Kanton Zürich auf jede Stimme angewiesen, um ihren zweiten Sitz zu sichern.
Referendum gegen Sozialdetektive kommt
Das müssen Sie wissen: Drei Einzelpersonen, darunter Republik-Kolumnistin Sibylle Berg, lancieren heute offiziell das Referendum gegen die neue gesetzliche Grundlage zur Überwachung von Versicherten. Dies, nachdem sich in einem Onlineaufruf über 10’000 Personen bereit erklärt hatten, das Anliegen zu unterstützen.
Darum ist das wichtig: Obwohl das neue Gesetz höchst umstritten ist, hat keine Partei das Referendum ergriffen. SP-Präsident Christian Levrat meinte im Interview mit dem «Blick», dass ein Referendum kaum zu gewinnen sei und die Partei andere Prioritäten setzen müsse.
So geht es weiter: Bis Anfang Juli müssen 50’000 Unterschriften gesammelt werden, damit das Referendum zustande kommt. Bringen die Initianten die Unterstützung zusammen, kommt die Vorlage aus dem Parlament vors Volk.
Zahlen der Woche: Konkurse
In dieser Rubrik stellen wir Ihnen die neusten und wichtigsten Zahlen aus dem Bundesamt für Statistik (BFS) kurz vor. Ich empfehle Ihnen für die detaillierten Erläuterungen der Zahlen jeweils einen Besuch der BFS-Website.
Konkurse: In der Schweiz wurden noch nie so viele Konkurse verzeichnet wie im letzten Jahr. 2017 registrierte das BFS 13’257 Firmen- und Privatkonkursverfahren – 2,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Wieso es trotz guter Konjunktur zu diesem Rekord kam, hat das Bundesamt für Statistik nicht analysiert. Gleichzeitig sank aber der Gesamtbetrag der finanziellen Verluste aus Konkursverfahren um ein weiteres Drittel und erreichte den tiefsten Wert seit 1994. Das BFS relativiert die Zahlen, indem es darauf hinweist, dass die Ergebnisse von Jahr zu Jahr starken Schwankungen unterliegen. Die neue Spitzenmarke ist also nichts Ungewöhnliches.