Für das Leben, gegen den Hass – und ein später Freispruch
Woche 13/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Ihrem Expeditionsteam, 30.03.2018
Russland schlägt gegen Sanktionen zurück
Darum gehts: Der Konflikt zwischen Russland und dem Westen spitzt sich weiter zu. Als Reaktion auf den vermeintlich von Russland ausgeübten Anschlag auf einen ehemaligen russischen Spion und seine Tochter haben bis heute insgesamt fast 30 Länder über 100 mutmassliche Geheimdienst- und Botschaftsmitarbeiter des Landes verwiesen. Nun hat Russland die bereits angekündigten Gegenmassnahmen ergriffen und seinerseits die Schliessung des US-Konsulats in St. Petersburg angeordnet.
Warum das wichtig ist: Eine derart orchestrierte Aktion gegen Russland gab es seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Dem internationalen Druck zum Trotz schliessen sich nicht alle Länder den Sanktionen an, wie zum Beispiel die Schweiz oder Österreich. Einige Länder wie Luxemburg, Malta und die Slowakei haben ihre Botschafter in die Heimat berufen, zu Konsultationen. Neuseeland hätte übrigens auch gern bei der Aktion mitgemacht, konnte aber leider keine russischen Geheimdienstmitarbeiter im Land finden.
Was als Nächstes passiert: Neben der Schliessung des amerikanischen Konsulats müssen gemäss Russlands Aussenminister Sergej Lawrow auch 60 US-Diplomaten das Land verlassen. Ausserdem würden Diplomaten anderer Länder ausgewiesen, die ihrerseits russische Vertreter zu unerwünschten Personen erklärt hatten. Die russische Regierung rechnet genau: Mehr als 150 Diplomaten sollen raus – das entspreche der Zahl der Russen, die andere Länder verlassen mussten. US-Regierungsstellen haben die russische Reaktion als «nicht gerechtfertigt» bezeichnet. Das alles erinnert gesamthaft noch mehr an die Zeiten des Kalten Krieges.
Dazu: Warum Russen rausschmeissen kein gutes Mittel ist und was der Westen stattdessen tun müsste, hat Edward Luce in einem Kommentar für die «Financial Times» gut erklärt.
«March for Our Lives»: Hunderttausende auf den Strassen
Darum gehts: In den USA protestierten letzten Samstag über eine Million Menschen für ein schärferes Waffenrecht. In New York, in Chicago, in Los Angeles und in vielen weiteren grossen Städten. In Washington DC allein gingen über 800’000 Menschen auf die Strasse und taten ihren Unmut kund.
Warum das wichtig ist: Neben dem Traueraspekt waren die Menschen vor allem wütend. Wütend, dass es immer wieder zu Amokläufen wie dem in Parkland Florida – bei dem 17 Menschen erschossen wurden – kommt. Wütend, dass in den USA sämtliche Verschärfungen des Waffenrechts an den Republikanern und der diese unterstützenden Waffenlobby NRA scheitern.
Was als Nächstes passiert: Trotz der massiven Proteste – denen übrigens US-Präsident Trump seinem Handicap auf dem Golfplatz zuliebe fernblieb – dürfte sich das amerikanische Waffenrecht nicht allzu bald verschärfen lassen. Spätestens nach den Zwischenwahlen des Kongresses im November 2018 könnte sich, falls der Druck bis dahin weiterbesteht, aber etwas ändern.
OECD: Schweiz macht noch zu wenig gegen Korruption
Darum gehts: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat am Dienstag ihren vierten Bericht über die Anstrengungen der Schweiz gegen Korruption vorgestellt. Laut diesem macht sich die Schweiz zwar besser als auch schon, könnte aber deutlich mehr Effort leisten. Unter anderem wird zum Beispiel kritisiert, dass die Schweiz immer noch keinen ausreichenden Schutz von Whistleblowern kennt.
Warum das wichtig ist: Die Schweiz wird international immer wieder kritisiert, weil sie im Bereich der Korruptionsvermeidung einfach nicht so richtig warmlaufen will. Doch, und das hat die OECD lobend festgestellt, wurden seit 2012 immerhin 6 natürliche und 5 juristische Personen wegen Korruption verurteilt. Und das sei wichtig, denn die Schweiz sei für Korruption besonders anfällig. Einerseits aufgrund der überdurchschnittlich stark exportorientierten Wirtschaft und andererseits weil gerade unsere Exportschlager – wie zum Beispiel Finanzdienstleistungen, Arzneimittel sowie Edelmetalle – im Ausland tendenziell hohe Bestechungsrisiken mit sich bringen.
Was als Nächstes passiert: Jetzt hat die Schweiz erneut Zeit, die von der OECD kritisierten Mängel zu beheben. 2019 muss sie bei der Arbeitsgruppe, die den Bericht verfasst hat, antraben und mündlich vorstellen, was sie in der Zwischenzeit unternommen hat.
85-jährige Holocaust-Überlebende in Paris ermordet
Darum gehts: Letzten Freitag wurde die 85-jährige Holocaust-Überlebende Mireille Knoll mit 11 Messerstichen getötet und anschliessend mitsamt ihrer Wohnung in Paris verbrannt. Die Behörden behandeln den Mordfall als Hassverbrechen, das sich höchstwahrscheinlich gegen die jüdische Abstammung Knolls gerichtet haben soll. Am Wochenende darauf wurden bereits zwei Verdächtige festgenommen, unter anderem der Sohn von Knolls Nachbarin.
Warum das wichtig ist: Knoll konnte als Kind im Juli 1942 fliehen, als im Pariser Wintervelodrom rund 13’000 jüdische Menschen, darunter rund 4000 Kinder, zusammengetrieben und anschliessend in deutschen Vernichtungslagern ermordet wurden. Der französische Innenminister Gérard Collomb zeigte sich in einer Stellungnahme entsetzt über den «barbarischen Akt», der an Frankreichs dunkelste Stunden erinnere. Juden anzugreifen, heisse, Frankreich anzugreifen. Just eine Woche zuvor hatte Frankreichs Premierminister Edouard Philippe Pläne der Regierung vorgestellt, antisemitische und rassistische Hassrede im Internet stärker zu verfolgen. Am Mittwochabend gingen in Paris Tausende Menschen auf die Strasse, um Knolls zu gedenken und gegen Antisemitismus zu demonstrieren.
Was als Nächstes passiert: Collomb versprach, Frankreich werde alle nötigen Mittel mobilisieren, um das Verbrechen aufzuklären. Auch Präsident Emmanuel Macron verurteilte die Tat und bekräftigte erneut seine Entschlossenheit, den Antisemitismus zu bekämpfen.
Amazon stürzt sich auf die Schweiz
Darum gehts: Der Online-Händlerriese Amazon und die Schweizerische Post haben sich in Sachen Importabwicklung vertraglich geeinigt. Damit wird das komplette Sortiment von Amazon – laut «Handelszeitung» rund 300 Millionen Produkte – in der Schweiz erhältlich.
Warum das wichtig ist: Wer bei Amazon bisher Artikel bestellen wollte, wurde oftmals durch die Nachricht erzürnt, das gewünschte Produkt sei nicht in die Schweiz lieferbar. Oder dann aber mit massiven Verzollungskosten. Beides soll in Zukunft nicht mehr passieren, da der Vertrag zwischen Post und Amazon genau diese Punkte regelt. Die «Handelszeitung» rechnet ausserdem vor, dass Amazon mit diesem Schritt den Jahresumsatz auf rund 2,5 Milliarden Franken erhöhen könnte.
Was als Nächstes passiert: Momentan laufen noch Tests, aber in den nächsten drei bis vier Monaten sollte die Zusammenarbeit anlaufen.
Carles Puigdemont in Deutschland verhaftet
Darum gehts: Carles Puigdemont, der ehemalige Regionalpräsident von Katalonien, wurde letzten Sonntag in Deutschland verhaftet. Dies aufgrund eines europäischen Haftbefehls, ausgestellt von Spanien. Laut Madrid habe sich Puigdemont der Aufruhr, der Rebellion sowie der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gemacht. Auf Rebellion steht in Spanien eine Haftstrafe von dreissig Jahren. Klar, dass Puigdemonts Anwälte am Mittwoch die Bundesregierung dazu aufriefen, die Auslieferung nach Spanien nicht zu bewilligen.
Warum das wichtig ist: Laut einer repräsentativen Umfrage der «Welt» lehnen rund 51 Prozent der Deutschen die Auslieferung ab, die meisten Gegenstimmen kommen dabei aus dem Lager der Linken und der rechtsextremen AfD. Bei der SPD und den Grünen schwächt sich das negative Ergebnis leicht ab, nur Wählerinnen der CDU scheinen mehrheitlich für die Auslieferung zu sein. Und auch in der Politik wird darüber gestritten: So hat die Linke – naturgemäss mit scharfer Kritik – bereits Sondersitzungen in zwei Ausschüssen des Bundestags beantragt, um über die Auslieferung zu debattieren. Vor einer politischen Einmischung Deutschlands wird aber von vielen Seiten bereits gewarnt.
Was als Nächstes passiert: Zurzeit befasst sich die deutsche Justiz mit der Frage, ob sie Puigdemont nach Spanien ausliefern soll oder nicht. Die Auslieferung ist zwar sehr wahrscheinlich, aber noch nicht definitiv. Sicher ist bisher nur, dass Puigdemont Ostern im Gefängnis verbringen wird.
Dazu: Puigdemont sitzt zwar im Gefängnis, aber auch der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy ist momentan ein Gefangener. Warum und was die Basken damit zu tun haben, lesen Sie in der Analyse von Diego Torres für «Politico Europe».
Zum Schluss: Ein Freispruch (nur kurz)
Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Manchmal jedenfalls. So etwa im Fall eines damals 49-jährigen Italieners, der 2009 beim Diebstahl einer Aubergine erwischt wurde. Trotz der Begründung, er könne es sich nicht leisten, seine Familie zu ernähren, wurde er erst zu 5 Monaten Gefängnis und 500 Euro Busse verurteilt. Die Strafe wurde danach auf 150 Euro und 2 Monate Gefängnis gesenkt, der Mann zog das Urteil trotzdem weiter zum Kassationshof, dem obersten Gericht in Zivil- und Strafsachen. Dieses hob die Strafe mit der Begründung auf, das Motiv, die eigene Familie verzweifelt ernähren zu wollen, sei nicht ganz unberechtigt. Ausserdem kritisierte es die etwa 7000 bis 8000 Euro Gerichtskosten, die durch die Verfolgung eines Auberginendiebstahls verursacht wurden.