Briefing aus Bern

Rechter Wahlkampf, illegale Spionage – und die Zahlen der Woche

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (5).

Von Elia Blülle, 29.03.2018

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Liebe Leserinnen und Leser

Im Herbst 2019 wird die Bundesversammlung neu gewählt.

Ein wegweisendes Ereignis für die Parteien: Die Wahlen werden zeigen, ob die zahlenmässige Dominanz von SVP und FDP vier weitere Jahre besteht. Die Mehrheiten sind vor allem im Nationalrat knapp. 2019 reichen kleine Verschiebungen der Sitzanteile zugunsten der Mitte und der Linken, um den Rechtsrutsch von 2015 rückgängig zu machen.

Das wollen die bürgerlichen Parteien verhindern, und deswegen beginnen sie früh mit dem Wahlkampf. Am letzten Wochenende setzten SVP und FDP ihre ersten Schwerpunkte: Die Volkspartei will mit Europathemen punkten, und die FDP hat sich vorgenommen, die Sozialdemokraten mit einer Politik gegen «Verhinderer, Abschotter und Umverteiler» zu überholen. Die wiedergewählte FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi betonte, dass sie sich – im Gegensatz zur SVP – für eine offene Schweiz engagiere.

Unter Beobachtung steht vor allem die SVP: Profitiert sie vom Rechtsrutsch der Nachbarländer? Wer rückt auf die prominenten Abgänge nach? Wird die grösste Partei der Schweiz die 30%-Hürde knacken?

Im Moment sieht es schlecht aus. Die SVP hat 2016 ihre Volksabstimmung zur Durchsetzungsinitiative verloren und musste in den letzten Monaten an kantonalen und kommunalen Wahlen Sitze abgeben. Nach der bitteren Niederlage in der Stadt Zürich schickte Übervater Christoph Blocher allen wichtigen Parteiakteuren des Kantons einen Brief, in dem er sie aufforderte, die Selbstzufriedenheit abzulegen. Ginge es so weiter, sehe er schwarz für die Parlamentswahlen 2019.

Das soll sich nun ändern. An der Delegiertenversammlung in Klosters vom letzten Wochenende läutete die SVP den Umbruch ein. Christoph Blocher meinte, die Partei sei müde geworden, sie müsse aufwachen. Den ersten Schritt geht Blocher gleich selbst. Er verlässt mit dem Leitungsausschuss das mächtigste Gremium der Partei und schafft Platz für neue Kräfte. Er wolle sich nun auf den Kampf gegen das Rahmenabkommen konzentrieren. Allerdings übernimmt seine Tochter Magdalena Martullo-Blocher neu das Vizepräsidium der Partei. Der direkte Einfluss der Familie Blocher auf die Parteileitung besteht also weiterhin.

Die Versammlung in Klosters zeigte auch, mit welchen Themen sich die rechte Partei im Wahlkampf profilieren möchte. Unter dem Motto «Aufdecken, anpacken und ausmisten» will der neue Wahlkampf-Chef und Nationalrat Adrian Amstutz mit der Verhinderung des institutionellen Rahmenabkommens und der Selbstbestimmungsinitiative die Wählerschaft überzeugen.

Die SVP rückt für die Wahlen ihre radikalen Positionen zur Europapolitik in den Fokus. Man dürfe die Schweiz nicht dem «Gaunersyndikat» der Europäischen Union preisgeben, so Blocher. Ob sich mit diesem eingefahrenen SVP-Stil noch Wahlen gewinnen lassen, ist fraglich. Ein Indiz könnte der Testdurchgang vom letzten Sonntag sein. Die SVP verlor im Kanton Bern viele Sitze: Ihr Wähleranteil sank von 29 auf 26,8 Prozent bei einer sehr tiefen Wahlbeteiligung. Offenkundig gelingt es der SVP nicht mehr, mit ihren Themen die Wählerschaft zu mobilisieren.

PS: Wenn Sie sich vertieft mit der Reorganisation der SVP auseinandersetzen möchten, empfehle ich Ihnen diesen lesenswerten Text von Samuel Tanner aus der «NZZ am Sonntag». Tanner zeichnet detailliert den Generationenwechsel innerhalb der Volkspartei nach und porträtiert die wichtigsten Köpfe.

Jetzt aber zurück ins Bundeshaus. Hier kommt das Briefing aus Bern.

Drei neue Frauen für den Nationalrat

Diese Parlamentarierinnen gehen: Letzte Woche hat Susanne Leutenegger-Oberholzer ihren vorzeitigen Rücktritt angekündigt. Die Baselbieter Nationalrätin sitzt seit 19 Jahren für die Sozialdemokraten in der grossen Kammer und ist eine profilierte Wirtschaftspolitikerin. Ebenfalls gehen werden die Grüne Christine Häsler und die Sozialdemokratin Evi Allemann. Beide geben ihr Amt ab, weil sie in die Berner Kantonsregierung gewählt wurden.

Diese Parlamentarierinnen kommen: Samira Marti erbt den Sitz von Leutenegger-Oberholzer. Die 24-jährige Studentin hat sich zuvor bei den Jungsozialisten engagiert und ist seit 2017 Vizepräsidentin der SP Baselland. Sie wird in der kommenden Session als jüngste Parlamentarierin der laufenden Legislatur vereidigt.

Auf Christine Häsler folgt Aline Trede. Die grüne Bernerin ist 2015 überraschenderweise aus dem Nationalrat ausgeschieden und kommt nun wieder zurück. Das Amt von Evi Allemann übernimmt Flavia Wasserfallen. Die ehemalige Berner Grossrätin ist Co-Leiterin des Generalsekretariats der SP.


Nachrichtendienst hat illegal gehandelt

Das müssen Sie wissen: Der Zürcher Privatdetektiv Daniel M. hat im Auftrag des Schweizer Nachrichtendiensts von 2010 bis 2014 deutsche Steuerbehörden ausspioniert. Es ging darum, Informationen über die Aktivitäten deutscher Ermittler auf dem Schweizer Finanzplatz zu beschaffen. Im vergangenen April wurde der Schweizer Daniel M. in Frankfurt wegen Verdachts der Spionage verhaftet. Nun hat die Geschäftsprüfungsdelegation das Vorgehen des Nachrichtendienstes untersucht und am Montag ihre Ergebnisse veröffentlicht. Die Geschäftsprüfungsdelegation ist ein parlamentarisches Gremium, welches die Tätigkeit des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste überwacht.

Das sagt die Geschäftsprüfung: Sie kommt zum Schluss, dass der Nachrichtendienst keine Berechtigungen hat, solche Informationen gezielt im Ausland zu beschaffen. Die Operation verstiess nicht nur gegen das deutsche Spionage-Gesetz, sie war auch aus Schweizer Sicht illegal. Zudem hält die Prüfungsdelegation fest, dass die beschaffenen Informationen zwar «nice to have» waren, aber letztlich nicht notwendig.

So geht es weiter: Der Nachrichtendienst äussert sich nicht zu den Vorwürfen der Prüfungsdelegation und verweist auf den Bundesrat. Dieser muss bis am 1. Oktober Stellung beziehen.


Einzelpersonen planen Referendum gegen Observationsartikel

Das müssen Sie wissen: Sozialdetektive dürfen künftig verdächtige Invalidenrentner und Unfallversicherte mit Bild, Ton und Peilsendern überwachen. In der Frühlingssession hat der Nationalrat die entsprechende gesetzliche Grundlage verabschiedet. Trotz der massiven Kritik der linken Parlamentarierinnen ergriff bisher keine Partei das Referendum.

Das ist passiert: Gestern lancierten vier Einzelpersonen auf der unabhängigen Non-Profit-Plattform WeCollect eine Umfrage. Mit diesem Vorgehen eruiert die kleine Gruppe, ob es realistisch ist, die verlangten 50’000 Unterschriften bis zum Ablauf der Referendumsfrist im Juli zu sammeln.

So geht es weiter: Tragen sich innerhalb von einer Woche mindestens 5000 Personen ein, ergreifen die Initiantinnen das Referendum. Sie hoffen dabei auf die Unterstützung der Gewerkschaften und linken Parteien.


Zahlen der Woche: Sozialhilfe und Kriminalität

In dieser Rubrik stellen wir Ihnen die neusten und wichtigsten Zahlen aus dem Bundesamt für Statistik (BfS) kurz vor. Diese Bundesbehörde ist für die statistische Beobachtung von allen relevanten Bereichen des Staates zuständig und liefert damit eine essenzielle Entscheidungsgrundlage für die Politik. Ich empfehle Ihnen für die detaillierten Erläuterungen der Zahlen jeweils einen Besuch der BfS-Website.

Sozialhilfe: Im Jahr 2016 sind die Ausgaben für die wirtschaftliche Sozialhilfe um fast 4 Prozent gestiegen. Insgesamt waren es 2,7 Milliarden Franken. Als Grund für den Anstieg nennt das BfS die gestiegene Zahl der Bezüger. Dieser Anstieg steht aber proportional zum Bevölkerungszuwachs. Das heisst, der Anteil der Bezügerinnen an der Gesamtbevölkerung hat prozentual nicht zugenommen.

Kriminalität: Die Zahl der Straftaten ist in der Schweiz 2017 erneut zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr hat die Polizei 6 Prozent weniger kriminelle Taten registriert. Seit 2012 nimmt diese Zahl kontinuierlich ab. Der Rückgang ist vor allem auf die starke Abnahme von Vermögensdelikten zurückzuführen. Einziger Wermutstropfen: Die Zahl der beschuldigten Minderjährigen ist um 8 Prozent angestiegen – erstmals seit 7 Jahren.