Die Mine in der Mongolei und das CS-Konto des Ministers
Die Bundesanwaltschaft untersucht Millionenzahlungen im Zusammenhang mit einer Kupfer- und Goldmine in der Wüste Gobi. Das Bundesgericht bestätigt die Sperrung von Konten. Bleibt die Frage: Warum haben die Banken nicht gehandelt?
Von Mona Fahmy, 27.03.2018
Am 19. März veröffentlichte das Bundesgericht ein Urteil, das in der Schweiz – anders als im Ausland – kaum Wellen schlug. Dabei ist die Geschichte dahinter explosiv. Es geht um Kupfer- und Goldminen in der Wüste Gobi und um verdächtige Millionenzahlungen auf Schweizer Bankkonten, unter anderem auf ein Konto des früheren mongolischen Finanzministers.
Aber der Reihe nach.
Der Fall
Der australisch-britische Bergbaugigant Rio Tinto erschliesst in der Wüste Gobi die riesige Kupfer- und Goldmine Oyu Tolgoi. Bevor 2009 die Verträge mit dem mongolischen Staat abgeschlossen werden, fliessen Millionen auf Schweizer Bankkonten. Die Verantwortlichen bei den betroffenen Banken haben beide Augen zugedrückt.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit Sommer 2016 und liess dabei Vermögenswerte eines nicht näher definierten ausländischen Parlamentariers von 1,82 Millionen US-Dollar sperren. Der Parlamentarier gelangte mit einer Beschwerde ans Bundesstrafgericht und blitzte ab. In seinem Urteil bestätigt das Bundesgericht den Beschluss der Vorinstanz. Die Konten bleiben gesperrt. Im Zusammenhang mit Zahlungen von 8,2 Millionen Euro an einen ehemaligen mongolischen Finanzminister sei der Verdacht auf Korruption und Geldwäscherei begründet.
Beide Urteile sind stark anonymisiert. Es ist jedoch klar, dass es sich beim ehemaligen Finanzminister um Bayartsogt Sangajav handelt, der von September 2008 bis August 2012 im Amt war. Der Parlamentarier, der ihm das Geld überwiesen hat, ist laut mongolischen Medien ein Chinese.
Auf Anfrage bestätigt die Bundesanwaltschaft, dass sie unter anderem gegen einen ehemaligen mongolischen Finanzminister ermittelt, und untersucht, ob das Bergbauunternehmen Rio Tinto oder eines seiner Tochterunternehmen im Zusammenhang mit dem Oyu-Tolgoi-Projekt Bestechungsgelder gezahlt hat. Dabei spielten auch Schweizer Banken eine unrühmliche Rolle, wie jetzt die Gerichtsunterlagen zeigen.
Das Land
Die Mongolei ist eines der zehn rohstoffreichsten Länder der Welt. Es ist auch das am dünnsten besiedelte. Knapp drei Millionen Einwohner leben auf einer Fläche, die mehr als viermal so gross ist wie Deutschland. Theoretisch könnte jeder Einwohner Millionär sein. Praktisch sind es korrupte Eliten und ausländische Unternehmen, die bisher von den Bodenschätzen des Landes profitierten, während vierzig Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner unter der Armutsgrenze leben, viele von ihnen sind chronisch unterernährt.
Die Mine
Im Jahr 2000 kaufte die kanadische Bergbaufirma Ivanhoe von einem australischen Unternehmen für 40 Millionen US-Dollar die Lizenz für das Bergwerk von Oyu Tolgoi. Es liegt in der Wüste Gobi im Süden der Mongolei, 80 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt. Geologen fanden kurz darauf ein riesiges Kupferlager. Der Besitzer von Ivanhoe, der Amerikaner Robert Friedland, suchte Partner mit dem nötigen Know-how, um das Kupfer zu erschliessen, und sprach 2005 in Florida zu Investoren. Seine Rede machte ihn «zum meistgehassten Mann in der Mongolei», wie der «Spiegel» 2013 schrieb. Er habe von der Grösse des Landes geschwärmt und wie einfach es sei, es auszubeuten. «Das Nette» an der Wüste Gobi sei: «Da sind keine Eisenbahnlinien, keine Leute, keine Häuser im Weg. Es gibt keine NGOs.» Die Mine sei der Traum jedes Investors, eine Cash-Maschine.
Die Firma
2006 kaufte Rio Tinto Anteile an Ivanhoe, das heute Turquoise Hill heisst, und besitzt seit 2012 mit 50,8 Prozent die Mehrheit am Unternehmen. Rio Tinto beschäftigt weltweit 50 000 Mitarbeitende und erwirtschaftete im Jahr 2017 einen Umsatz von 40 Milliarden US-Dollar.
Die Politik
Im September 2008 trat Bayartsogt Sangajav sein Amt als Finanzminister der Mongolei an. Im August 2009 änderte das Parlament ein Gesetz, das Rio Tinto massive Steuer- und weitere finanzielle Vorteile verschafft. Kurz darauf unterschrieben der mongolische Staat, Rio Tinto und Turquoise Hill ein «Investment Agreement». Für die Mongolei unterschrieben Finanzminister Bayartsogt, der Energieminister und der Umwelt- und Tourismusminister. Sie waren alle Mitglieder der Arbeitsgruppe, die den Vertrag ausgehandelt hatte.
Der Deal
Der Vertrag besagte, dass die Mongolei 34 Prozent von Oyu Tolgoi besitzen soll und Rio Tinto / Turquoise Hill den Rest. Rio Tinto verpflichtete sich, fünf Milliarden US-Dollar in den Ausbau der Mine zu investieren. Ein Schnäppchen beim in Aussicht stehenden Gewinn. Oyu Tolgoi soll 37 Millionen Tonnen Kupfer und 1300 Tonnen Gold enthalten. Der IWF schätzt, dass die Mine bis 2020 ein Drittel des BIP der Mongolei erwirtschaften wird.
Es geht um sehr viel Geld.
Die Offshore-Leaks
Nachdem die «Demokratische Partei» 2012 die Parlamentsmehrheit gewonnen hatte, endete Bayartsogts Amtszeit als Finanzminister. Er wurde Vizesprecher des Parlaments.
Im April 2013 wurde dank den Offshore-Leaks bekannt, dass Bayartsogt eine Million US-Dollar auf dem Konto seiner Briefkastenfirma Legend Plus Capital Ltd. bei der Credit Suisse in Zürich hatte. In der Mongolei hatte er nichts davon deklariert. Er habe die Firma gegründet, um mit Aktien zu handeln, rechtfertigte sich Bayartsogt damals. Das meiste Geld gehöre Geschäftsfreunden. Es sei ein Fehler gewesen, die Firma nicht anzugeben, aber er habe gar nicht daran gedacht. Steuern habe er nicht hinterzogen, da die Firma sowieso kein Geld abgeworfen habe. Bayartsogt trat als Vizesprecher zurück. Mehr war nicht. Auch nicht in der Schweiz.
Der Streit
Im Juni 2013 kam es zum Streit zwischen der mongolischen Regierung und Rio Tinto, weil das Bergbauunternehmen die Baukosten um Hunderte Millionen Dollar überschritten hatte. Dem «Spiegel» sagte der Planungschef im Bergbauministerium damals, Rio Tinto zahle seinen Managern zu hohe Gehälter und rechne Beratungs- und Materialkosten ab, die nicht nachzuvollziehen seien. Da die Regierung 34 Prozent der Kosten zu tragen hatte, waren die Schulden der Mongolei gegenüber Rio Tinto dermassen gewachsen, dass erst in Jahrzehnten mit einem Gewinnanteil zu rechnen war.
Zwei Jahre später, im Mai 2015, beendeten die mongolische Regierung und das Management von Rio Tinto ihren Streit und einigten sich auf weitere Investitionen von über 5 Milliarden US-Dollar. Die nächste Phase des Ausbaus von Oyu Tolgoi begann.
Die Kritiker
Von Anfang an standen die Betreiber von Oyu Tolgoi in der Kritik. Zur Gewinnung der Rohstoffe braucht es viel Wasser. 3,5 Milliarden Liter im Monat sollen es Schätzungen zufolge sein. Da die Mine in einer der trockensten Gegenden des Landes liegt, fehlt das Wasser den ansässigen Hirten und den Nomaden. Die Arbeiten gefährden den Lebensraum bedrohter Arten. Und die Hirten, die der Mine weichen mussten, erhielten keine angemessene Entschädigung, wie Rio Tinto später selber zugab.
Vergeblich hatte eine Gruppe von mongolischen Anwältinnen und Aktivisten immer wieder bei den Behörden in der Mongolei beantragt, die Vorwürfe wegen Bestechung im Zusammenhang mit Oyu Tolgoi zu untersuchen. Ihrer Einschätzung nach hatte nicht nur Bayartsogt ungebührlich vom Vertrag mit Rio Tinto profitiert, sondern noch weitere Amtsträger. Womöglich sogar der ehemalige Premierminister, dessen Familie im Ausland plötzlich zu Immobilienreichtum gekommen war. Die Anwaltsgruppe gab trotz Drohungen keine Ruhe, die Antikorruptionsbehörde bewegte sich nicht.
Die Strafuntersuchung
2016 erreicht der Fall die Schweiz. Die mongolische Anwaltsgruppe reichte am 23. Juni bei der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige ein. Am 26. Juni 2016 berichtete die «SonntagsZeitung» über den Fall.
Am 27. Juli 2016 leitete die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) der Bundesanwaltschaft eine Verdachtsmeldung der Credit Suisse weiter und wies auf sieben verdächtige Transaktionen hin: Unter anderem hatte der in den Gerichtsbeschlüssen nicht näher definierte Parlamentarier am 30. September 2008 von seinem Konto auf einer Bank in Zürich an den Finanzminister Bayartsogt insgesamt 8,2 Millionen Euro überwiesen.
Am 18. August 2016 eröffnete die Bundesanwaltschaft eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Geldwäscherei gegen unbekannt.
Die Kontensperre
Am 4. November 2016 schickte die MROS der Bundesanwaltschaft eine weitere Verdachtsmeldung. Diesmal von der Bank, bei der der Parlamentarier seine Konten hat. Im Fokus standen drei Rücküberweisungen von Bayartsogt Sangajav aufs Konto des Parlamentariers: 674 000 Euro am 30. Dezember 2013, 1,489 Millionen US-Dollar am 31. Dezember 2013 und 2500 US-Dollar am 7. Januar 2014 – die Saldierung von Bayartsogts Konto bei der Credit Suisse.
Am 9. November verfügt die Bundesanwaltschaft bei der Bank in Zürich eine Sperre der Konten des Parlamentariers und beschlagnahmt 1,82 Millionen US-Dollar. Der Chinese reicht am 2. Dezember 2016 über seine Anwälte beim Bundesstrafgericht Beschwerde ein. Die Sperre sei aufzuheben. Sowohl das Bundesstrafgericht wie später das Bundesgericht wiesen die Beschwerde ab. Es bestehe Verdacht auf Bestechung und Geldwäscherei.
Die Details
Aus den Gerichtsbeschlüssen werden jetzt Details ersichtlich:
Zwischen Dezember 2007 und Juli 2008 überwies eine Briefkastenfirma auf den British Virgin Islands insgesamt 45 Millionen US-Dollar auf die Konten des heutigen Parlamentariers bei der Bank in Zürich. Aktionär und Direktor der Briefkastenfirma war ein chinesischer Staatsangehöriger, der «über langjährige Erfahrung mit Investitionen in Zink- und Kupferminen verfügte», so das Bundesgericht. Sowohl er wie der Parlamentarier sollen an Oyu Tolgoi beteiligt sein. Letzterer habe der Bank gesagt, die Gelder stammten aus dem Handel mit Eisenerz. Gegenüber dem Bundesstrafgericht sagte er später, es sei der Erlös aus Anteilsverkäufen an einem Unternehmen. Hinweise auf einen Beteiligungsverkauf seien aus den vorliegenden Dokumenten nicht zu erkennen, so das Bundesstrafgericht. Verdächtig sei auch, dass das Geld erst über ein Jahr nach Abschluss des Kaufvertrages überwiesen wurde. Zudem sei das Geld nicht zwischen den Vertragsparteien geflossen.
Im Mai 2008 gründete Finanzminister Bayartsogt Sangajav die Offshore-Firma Legend Plus Capital Ltd auf den British Virgin Islands. Im Juli desselben Jahres eine weitere Offshore Firma auf den Bahamas, die zu einem von ihm gegründeten Trust gehörte. Zwischen Juli und September eröffnete Bayartsogt Konten bei der Credit Suisse in Zürich.
Am 30. September 2008 überwies der heutige Parlamentarier 8,2 Millionen Euro auf ein Nummernkonto von Bayartsogt und auf Konten seiner Offshore-Firmen. Gegenüber seiner Bank gab er an, es handle sich um Zahlungen an seine Minenpartner.
Diese Begründung glauben weder das Bundesstrafgericht noch das Bundesgericht. Es bestünden «konkrete Anhaltspunkte dafür, dass grosse Beträge zweifelhafter Herkunft» über das Konto des Parlamentariers bei der Zürcher Bank auf ein Nummernkonto von Finanzminister Bayartsogt Sangajav und auf Konten seiner Offshore-Firmen verschoben wurden. Später habe Bayartsogt über zwei Millionen Euro auf sein persönliches Konto überwiesen. Es sei kein wirtschaftlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb das Geld nicht direkt auf Bayartsogts persönliches Konto geflossen sei. «Ein derartiges Vorgehen erweckt den Verdacht auf Verschleierungshandlungen», so das Bundesstrafgericht.
Das sah Bayartsogts Kundenberater bei der Credit Suisse damals offenbar anders.
Verdächtig finden die Gerichte auch die Rücküberweisungen von Bayartsogt Ende 2013 – nachdem er wegen der Enthüllungen von Offshore Leaks als Parlamentssprecher zurückgetreten war. Es sei möglich, dass Bayartsogt die Gelder, die nicht bekannt geworden waren, dem Zugriff der staatlichen Behörde entziehen wollte, was «zusätzlich auf Geldwäscherei hindeutet».
Insgesamt, so das Bundesgericht, bestünden «erhebliche Anhaltspunkte», dass die Gelder Bayartsogt «zu Bestechungszwecken» überwiesen wurden, «zumal Korruption in der Mongolei zum damaligen Zeitpunkt verbreitet war». Es gebe Indizien, dass Bayartsogt eine Vereinbarung unterschrieb, die für den mongolischen Staat unvorteilhaft war. Dies unter Beteiligung einer Gesellschaft – Rio Tinto –, die im Verdacht steht, anderweitig für Schürfrechte hohe Bestechungsgelder bezahlt zu haben. Das Gericht spricht damit eine laufende Bestechungsaffäre des Bergbauunternehmens in Guinea an, in der Grossbritannien und Australien ermitteln.
Die Untersuchungen
In der Mongolei beteuert Bayartsogt gegenüber Medien, die Zahlungen im Jahr 2008 hätten nichts mit Oyu Tolgoi zu tun. Ein Investor habe in eines seiner Geschäfte investiert. Um wen und was es sich handelt, gibt er nicht bekannt.
Unterdessen will die derzeitige Regierung Klarheit. Falls bei der Unterzeichnung des Vertrags mit Rio Tinto Bestechungsgelder geflossen seien, müsse man den Vertrag überprüfen, trotz der zweistelligen Milliardeninvestitionen des Unternehmens.
Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft hätten in der Mongolei endlich für Bewegung gesorgt, ist von der mongolischen Anwaltsgruppe zu erfahren. Luimed Gansukh, der damalige Umwelt- und Tourismusminister, der die Vereinbarung mit Bayartsogt unterschrieben hatte, wurde jüngst wegen Korruption zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Und die mongolische Antikorruptionsbehörde arbeitet heute mit der Bundesanwaltschaft zusammen. Wie ernst es der Regierung mit der Aufarbeitung der Korruptionsvorwürfe ist, bleibt abzuwarten.
Die Credit Suisse
In der Schweiz stellen sich Fragen zur Rolle der beteiligten Banken. Es ist angesichts der Ausführungen der Gerichte schwer nachzuvollziehen, weshalb sie der MROS nicht schon 2008 Verdachtsmeldungen geschickt haben – als Bayartsogt Finanzminister wurde und 8,2 Millionen Euro auf ein Nummernkonto und Konten seiner Offshore-Firmen flossen. Wie das Bundesstrafgericht treffend bemerkt: «Dass einem Minister eines ausländischen Staates unmittelbar nach Amtsantritt ein derart hoher Betrag überwiesen wird, ist von vornherein suspekt.»
Es ist noch schwerer zu verstehen, weshalb die Banken 2013 nach den Enthüllungen von Offshore-Leaks keine Verdachtsmeldungen schickten, als Bayartsogt die Rücküberweisungen von seinem Konto bei der Credit Suisse auf ein Konto des Parlamentariers tätigte.
Die Credit Suisse schickte ihre Verdachtsmeldung erst, als die «SonntagsZeitung» über die Strafanzeige berichtete. Die andere Bank in Zürich erst, als die Bundesanwaltschaft bereits ermittelte.
Dies stellt Banken, die immer wieder betonen, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachkommen und wie gut ihre Compliance-Massnahmen seien, kein gutes Zeugnis aus.
Die Credit Suisse wollte auf Anfrage der Republik den Fall nicht kommentieren.
Illustration Friederike Hantel